The Walk Of Fire - J. A. Monroe - E-Book

The Walk Of Fire E-Book

J. A. Monroe

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Beschreibung

Egal, wie sehr du glaubst, nicht genug zu sein. Ich bleibe. Verstehst du das? Ich bleibe. Reid hat sich an das Alleinsein gewöhnt. Als Sozialarbeiter kämpft er täglich für Jugendliche, die er durch jede Hölle begleitet – nur für sich selbst hat er längst aufgegeben. Nähe bedeutet Schmerz. Allein zu bleiben ist sicherer. Bis Kas in sein Leben tritt. Charismatisch, offen und voller Wärme. Ein Mann, der bleibt, auch wenn Reid ihn wegstößt. Schritt für Schritt bröckeln Mauern, die unzerstörbar schienen. Doch Kas bringt mehr mit als seine unerschütterliche Präsenz. An seiner Seite erfährt Reid von einer Wahrheit, die sonst verborgen geblieben wäre: von Syn, Halbblütern und Mächten, die nicht für Menschen bestimmt sind. Plötzlich steht er mitten in einer Welt, größer und gefährlicher, als er je ahnte. Und während er lernt, wieder zu vertrauen, geht es nicht mehr nur um die Kids – sondern um alles, was er gemeinsam mit Kas und den anderen schützen muss. The Walk Of Fire – eine Geschichte über Mut und Vertrauen, über alte Mächte und neue Gefahren. Und über eine Liebe, die standhält, selbst wenn die Welt in Flammen steht.

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Seitenzahl: 303

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ich bin J. A. Monroe – Autorin von emotionaler, spicy MM-Romance,

Wenn ich nicht über verlorene Herzen, tätowierte Männer oder Küsse am Abgrund schreibe, lebe ich im Norden Deutschlands mein zweites Leben: Büroangestellte mit Kaffeesucht und Tagträumerei.

Meine größte Liebe gilt Geschichten, die unter die Haut gehen – mit Charakteren, die man anschreien, umarmen und nie mehr loslassen möchte. Inspiration finde ich in Musik, Büchern, Serien und manchmal sogar in Rollenspielen.

Willkommen in meiner Welt – voller Emotionen, Leidenschaft und einem Hauch Magie.

No Mirrors For Monsters

Band I

THE

WALK

OF

FIRE

J. A. MONROE

Impressum: J. A. Monroe c/o Fakriro GmbH / Impressumsservice Bodenfeldstr. 9 91438 Bad Windsheim [email protected]

Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Texte: © Copyright by J. A. Monroe Umschlaggestaltung: © Copyright by J. A. Monroe

Nichts von dieser Geschichte ist passiert. Außer in The Walk of Fire.

Syn, Halbblüter, Schattenarmeen – sie existieren nur in dieser Geschichte. Und in meinem Kopf, der manchmal Grenzen öffnet, die besser geschlossen blieben.

Alle Orte, Dialoge, Feuerstürme und Schattenwesen sind frei erfunden. Wer sich trotzdem wiedererkennt, sollte vielleicht darüber nachdenken, warum er wie ein Mann wirkt, der mit bloßem Blick lähmen kann. Oder wie einer, dessen Herz trotz aller Narben in Flammen steht.

In jedem Fall: Das hier ist Fiktion. Versprochen.

Inhaltsverzeichnis

6

Kapitel 110

Kapitel 222

Kapitel 331

Kapitel 445

Kapitel 554

Kapitel 666

Kapitel 775

Kapitel 884

Kapitel 990

Kapitel 1098

Kapitel 11103

Kapitel 12115

Kapitel 13128

Kapitel 14136

Kapitel 15142

Kapitel 16149

Kapitel 17158

Kapitel 18168

Kapitel 19177

Kapitel 20183

Kapitel 21191

Kapitel 22200

Kapitel 23210

Kapitel 24216

Kapitel 25230

Kapitel 26237

Kapitel 27245

Kapitel 28252

Kapitel 29258

Epilog265

266

Verzeichnis Syn & Menschen266

269

Wo das Feuer herkommt:269

Weitere Werke270

Inhaltswarnung: Dieses Buch enthält explizite Darstellungen

von Sexualität, Gewalt und psychischen Belastungen.

Es wurde für ein erwachsenes Publikum geschrieben

und sollte mit Achtsamkeit gelesen werden.

Für alle, die glauben, ihr Feuer sei erloschen

– manchmal braucht es nur einen Funken.

Am Ende findest du ein Verzeichnis der Figuren.

Kann helfen, wenn du den Überblick verlierst

– aber es verrät vielleicht mehr,

als du jetzt schon wissen willst.

– Reid

You found me in the darkness A cowardly escape You pulled me from the ashes And there I found my fate

(Fool and Beggar – Melrose Avenue)

Kapitel 1

I told myself it was just heat.

But I was already burning.

Reid

Der Geruch von Rauch hing in der Luft, als ich das Treppenhaus betrat und immer zwei Stufen auf einmal nehmend in den zweiten Stock hinauf lief.

„Brody“, murmelte ich, während ich die letzten Schritte machte und die Nase rümpfte. Hatte er dieses Mal Benzin benutzt?

Zwei Polizisten standen im Flur und sprachen mit Lydia, die aussah, als hätte sie eben noch geweint. Dann hellte ihr Blick sich etwas auf, als sie mich entdeckte.

„Reid. Gott sei Dank.“

„Was ist passiert?“, fragte ich, blieb vor den beiden Beamten stehen und nickte grüßend.

„Brody hat den Sessel in Brand gesetzt.“

Lydia seufzte tief und schien sich zusammenzureißen, um nicht wieder zu weinen.

„Ich weiß nicht mehr, was ich mit ihm machen soll.“

„Sie sind der Sozialarbeiter?“, fragte einer der beiden Polizisten, ein bulliger Kerl mit Glatze, der auf den ersten Blick beängstigend wirkte. Aber ich hatte genug Menschen gesehen und kennengelernt, um in seinem Blick zu erkennen, dass ihm die ganze Situation eher leid tat.

„Ja, Reid Stallings“, stellte ich mich vor und schüttelte beiden jeweils kurz die Hand.

„Die Feuerwehr war nicht nötig?“

Ich versuchte an Lydia, die in der Wohnungstür stand, vorbeizusehen.

„Nein. Ich konnte es mit einem Eimer Wasser löschen.“

Sie schniefte nochmal.

Brody war vierzehn und lebte seit zwei Jahren bei Lydia, nachdem er einige – viel zu viele – andere Pflegestellen durchlaufen hatte. Bei ihr hatte er endlich ein Zuhause, Unterstützung und auch Liebe gefunden. Aber wie die meisten Kids in seiner Situation, konnte er einfach nicht aus seiner Haut.

Seit er klein war, hatte er eine ungesunde Begeisterung für Feuer entwickelt. Ich konnte nicht mehr zählen, wie oft er schon gezündelt hatte. Und genau das war der Hauptgrund, warum niemand ihn behalten wollte.

In Lydias Augen erkannte ich diesen Blick jetzt auch.

Scheiße, Brody.

Ich ließ die Schultern hängen und atmete tief ein.

Er erinnerte mich schmerzhaft an mich selbst in dem Alter. Ich hatte alles versucht, um aufzufallen, Aufmerksamkeit zu erregen. Und wenn ich sie dann hatte, war es mir zu viel geworden. Ich habe nichts angezündet, aber ich habe Nasen gebrochen und Zähne ausgeschlagen. Besonders dann, wenn irgendjemand meinen jüngeren Bruder Elias auch nur schief angesehen hatte.

Mit siebzehn habe ich endlich die Kurve gekriegt und verstanden, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich habe mich in der Schule angestrengt und es endlich durchgezogen. Habe aufgehört jeden zu verprügeln, der mir nicht passte und begann zu akzeptieren, dass Eli auch ohne mich klar kam. Zumindest meistens.

Mein Beschützerinstinkt ihm gegenüber war heute, siebzehn Jahre später, zwar im Wesentlichen abgeklungen, aber er war immer noch mein kleiner Bruder und jeder, der ihm blöd kam, sollte sich besser warm anziehen.

Ich würde ihn später anrufen und sehen, wie es ihm ging.

Jetzt aber musste ich mich erst einmal um Brody kümmern.

„Ist er drinnen?“, fragte ich Lydia.

Sie nickte.

„Ja. Dein Kollege ist bei ihm. Aber Brody will nicht wirklich mit ihm reden.“

Mein Kollege?

„Wer ist bei ihm?“

Ich sah zwischen ihr und den beiden Polizisten hin und her.

„Dein Kollege, der andere Sozialarbeiter. Ich habe den Namen schon wieder vergessen.“

Lydia senkte den Kopf, als hätte sie etwas verbrochen.

„Ich geh einfach mal rein“, sagte ich und drückte mich an ihr vorbei.

Ich hörte noch, wie der Glatzkopf meinte, dass er mit der Nachbarin sprechen will, die angerufen hatte und versuchen diese zu besänftigen. Was er genau sagte interessierte mich nicht, weil ich mich fragte, welcher Kollege bei dem Jungen war.

Ich arbeitete alleine, vor allem, wenn es um die kritischen Fälle ging. Es war für die Kids schon schwer genug einer Person zu trauen und wenn die Leute dann noch wechselten ging meistens alles schief.

Der fremden Stimme folgend, die ruhig mit Brody sprach, betrat ich die Küche.

Der Junge saß auf einem Stuhl neben dem Tisch, die Arme vor der Brust verschränkt und mit einem genervten Gesichtsausdruck. Vor ihm hockte ein Kerl, den ich nie zuvor gesehen hatte und er war mit Sicherheit keiner meiner Kollegen.

„Ich will einfach nur wissen, wann du diesen Drang verspürst, alles niederzubrennen“, sagte er freundlich.

Seine tiefe Stimme kribbelte über meine Haut.

Ich räusperte mich und ging weiter in den Raum hinein, um mich neben Brody zu stellen, dessen Miene sich aufhellte, als er mich erblickte.

Der Fremde richtete sich auf und hob die Augenbrauen.

„Oh. Hi.“

Mit einem Lächeln hielt er mir die Hand hin.

„Kas“, sagte er und ich ergriff sie.

„Reid. Kennen wir uns?“

Er war gute fünfzehn Zentimeter größer als ich. Eine dunkle Strähne seines Undercuts hing ihm in die Stirn, als würde sie direkt auf eines seiner bernsteinfarbenen Augen deuten. Die Farbe war so intensiv, ich war mir sicher, dass er Kontaktlinsen trug. Sein Gesicht war freundlich, aber ich erkannte sofort, eine gewisse Härte dahinter. Das Lächeln jedoch war hinreißend.

„Nein, noch nicht“, sagte er und holte mich aus meinen Gedanken zurück.

Ich blinzelte kurz und sah zu Brody.

„Geht es dir gut?“, fragte ich und ging neben dem Jungen in die Hocke.

Er nickte und sah kurz zu Kas hoch.

„Ich denke, wir kommen ab hier alleine klar“, sagte ich und sah ihn ebenfalls an.

„Ok. Aber Brody, du weißt, wenn etwas ist ...“

Er nickte zur Hand des Jungen und jetzt sah ich, dass dieser einen zerknitterten Zettel festhielt.

„Ja.“

Brodys Stimme war leise aber sein Gesicht hatte wieder die Abwehrhaltung angenommen.

„Danke“, sagte ich nochmal mit Nachdruck und sah den Kerl wieder an.

Sein Blick traf meinen für einen Moment und mein Herzschlag beschleunigte sich.

Fuck, Reid. Ja, er ist attraktiv aber du musst dich hier um Brody kümmern.

„Alles klar. Viel Erfolg“, sagte Kas und drehte sich um.

Nachdem ich hörte, wie er sich vorne in der Wohnung von Lydia verabschiedete, sah ich Brody wieder an.

„Was war los?“, fragte ich ruhig.

Ich wusste, dass er sich sofort verschließen würde, wenn ich zu forsch war. Er zuckte mit den Schultern.

„Hey, du kannst es mir sagen.“

„Mir glaubt doch eh keiner.“

Er zog die Augenbrauen zusammen und spielte mit dem Papier in seinen Händen.

„Ist es einfach wieder ... passiert?“

Brody hatte mir ein paar Mal erzählt, dass er es nicht kontrollieren könnte und das Feuer manchmal einfach entfachte, ohne, dass er es wollte.

Er zuckte mit den Schultern und sah auf seine Füße.

„Brody“, sagte ich sanft und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Es ist nicht, dass ich dir nicht glauben will, aber du weißt selbst, wie es sich anhört. Du bist clever.“

„Kas glaubt mir“, sagte er leise und seine braunen Augen sahen mich erwartungsvoll an.

Dieser Kerl?

„Ok.“ Ich nickte, während ich überlegte, was ich sagen sollte.

„Was hat dieser Kas denn gesagt? War er vom Jugendamt?“

Brody hob wieder seine Schultern und kaute auf seiner Unterlippe.

„Er sagte, dass er weiß, wie es mir geht. Er hat das gleiche Problem.“

Das gleiche Problem. Was sollte das bedeuten?

„Muss ich wieder in eine Einrichtung?“

Die Augen des Jungen sahen mich mit einer Resignation an, die mir auf die Brust drückte.

„Ich rede mit Lydia, ok?“

Ich klopfte nochmal leicht auf seine Schulter und stand auf.

Nachdem ich Lydia beinahe angebettelt hatte, Brody noch eine letzte Chance zu geben, verabschiedete ich mich von beiden.

„Ganz gleich was ist, ruft mich an, wenn ihr mich braucht. Egal zu welcher Zeit.“

Ich drückte Lydias Arm kurz und hielt ihrem Blick stand, bis sie nickte.

„Danke, Reid.“

Auf dem Weg nach unten rief ich meinen Bruder an.

„Kannst du Gedanken lesen?“, fragte er statt einer Begrüßung.

„Hey, Blue“, sagte ich und er erkannte an meiner Stimme, dass der Tag nicht so gelaufen war, wie ich es mir gewünscht hätte.

„Der kleine Brandstifter?“

Ich hörte ein Rascheln und dann Kaugeräusche.

„Ja. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“

Mit der freien Hand fuhr ich mir durchs Gesicht und schob mit der Schulter die Tür des Hauses auf. Der Himmel war trüb und ich war mir sicher, dass es bald regnen würde.

„Was hast du heute Abend vor?“, fragte ich meinen Bruder, nachdem er mir ein paar nutzlose Tipps gegeben hatte, wie ich Brody davon abhalten konnte, alles niederzubrennen.

„Kommt drauf an, was du machst.“

Seine Antwort zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.

„Ich komm direkt zu dir. Wir überlegen uns dann was.“

Elias machte ein zustimmendes Geräusch und ich hörte, wie er sich noch etwas in den Mund stopfte.

„Biff gleiff.“

„Bis gleich.“

Ich lachte und legte auf. Mit einem letzten Blick am Gebäude hinauf und der leisen Hoffnung, dass es vielleicht das letzte Mal war, dass ich befürchten musste, Brody würde sein Zuhause verlieren, bog ich nach rechts und machte mich auf den Weg zu Elias´ Wohnung.

*

„Also, ich weiß, dass du nicht trinkst aber es gibt diese neue Bar. Da wo vorher das chinesische Restaurant war.“

Elias knöpfte sich sein graues Hemd zu und drehte sich einmal um sich selbst.

„Hm?“, machte er und hob eine Braue.

„Ist das bequem?“

Ich sah an mir selbst herunter. Blaue Jeans und ein ausgewaschenes Langarmshirt. Dazu ein paar Stiefel, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Aber Elias war schon immer derjenige von uns beiden gewesen, der mehr Wert auf seine äußere Erscheinung legte.

Mir war egal, was andere dachten. Zumindest wenn es sich nicht um meine Schützlinge handelte. Und bei den Kids kam ich mit meiner lockeren Kleidung sowieso besser an.

„Bequem ist nicht die Frage. Es geht darum, wie andere dich ansehen“, antwortete er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

Er war ein wenig kleiner als ich, hatte aber die gleichen braunen Haare und blauen Augen. Daher kam auch mein Spitzname für ihn – Blue.

Als wir Kinder waren, hatte ich angefangen ihn so zu nennen, weil er mich immer mit seinen tiefen, blauen Augen angesehen hatte. Obwohl er nur zwei Jahre jünger war, als ich, hatte ich mich schon sehr früh in die Rolle seines Beschützers gezwängt. Und bis heute war ich nie ganz herausgewachsen.

Durch unsere komplizierte Kindheit waren wir sehr eng zusammengeschweißt und auch heute noch, mit über Dreißig, mehr als nur beste Freunde. Bis vor ein paar Jahren hatten wir zusammengewohnt, bis Elias jemanden kennenlernte, der nicht mit mir klar kam und mit dem ich auch nicht wirklich warm wurde. Um die Spannung heraus zu nehmen, war er ausgezogen und ich hatte mir etwas kleineres gesucht. Ganz in der Nähe von ihm.

Nach einem Jahr ging die Sache auseinander aber wir blieben in getrennten Wohnungen. Wir waren schließlich erwachsen und hatten beide ein eigenes Leben. Auch wenn das von Elias wahrscheinlich aufregender war als meins.

„Also, die Bar“, sagte ich, um von meinen eigenen Klamotten abzulenken.

„Ja, ich glaube sie heißt Echoes.“

Er tippte etwas auf seinem Handy und warf mir dann einen fragenden Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern.

„Von mir aus.“

*

Zehn Minuten später waren wir zu Fuß unterwegs. Es hatte nicht angefangen zu regnen, aber die Luft roch nach Gewitter.

„Da ist nichts mehr von dem Restaurant zu sehen“, sagte Elias, als wir über die Straße auf die Bar zugingen.

Ihm folgend musterte ich das Schild, das über der Tür hing. Es sah nach nichts Besonderem aus, ein einfaches Barschild in schwarz-weiß.

Ganz der Gentleman, den er so gut spielen konnte, hielt er seinem älteren Bruder die Tür auf. Ich ging hinein.

Neben der Garderobe, die wir ignorierten, hing ein Spiegel, der die ganze Wandlänge einnahm. Kurz sah ich uns beide darin an und musste schmunzeln. Wir hätten nicht verschiedener sein können. Selbst wenn man von unserer Kleidung absah – Elias in einem halblangen Wollmantel und ich in einer abgetragenen Lederjacke – hatten wir optisch bis auf die Haar- und Augenfarbe nichts gemeinsam.

Ich war größer, aber etwas schmaler. Elias war nicht übergewichtig, nur irgendwie weicher, breiter in der Statur. Mein Körper wirkte kantig, was wohl daran lag, dass ich den ganzen Tag herumrannte und oft vergaß zu essen. Zumindest konnte ich als durchtrainiert durchgehen. Musste wohl an irgendwelchen Genen liegen.

„Da hinten ist ein Tisch frei“, sagte ich und ging auf eine kleine Nische in der Ecke zu.

Elias folgte mir.

Wir kamen an der Bar vorbei, an der eine Handvoll Männer verteilt saßen und ich nahm ganz leicht den Geruch von Benzin wahr. Sofort war ich in Gedanken wieder in Lydias Wohnung. Ich sah mich um und unterdrückte einen Laut des Erstaunens, als ich den Kerl erkannte, der bei Brody gewesen war.

„Reid, kommst du?“

Mein Bruder hatte sich schon gesetzt, während ich selbst nicht einmal mitbekommen hatte, dass ich wie angewurzelt stehen geblieben war.

Ich riss meinen Blick von dem Kerl – wie hieß er nochmal? – und ging zu dem Tisch, den Elias ausgesucht hatte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er, als ich mich ihm gegenüber setzte.

Ich nickte zaghaft.

„Ja. Der Typ da. Der war heute auch bei Brody.“

Ich deutete mit dem Kopf in Richtung der Bar.

„Der große Heiße?“

Elias grinste und ich rollte die Augen.

„Er ist nicht heiß.“

„Ich finde schon.“

Er zuckte mit den Schultern.

„So, was willst du trinken?“, fragte er dann und sah sich nach einer Bedienung um.

„Ich glaube man muss an die Bar gehen.“

Ich folgte seinem Blick und traf den des unbekannten Kollegen. Dabei fiel mir ein, dass ich im Büro hatte anrufen wollen, um zu erfahren, warum noch jemand weiteres auf Brody angesetzt worden war.

Er lächelte leicht und hob grüßend eine Hand.

„Eistee“, sagte ich zu Elias und sah ihn schnell an.

„Alles klar. Bin gleich zurück.“

Mein Bruder erhob sich und ging zum Tresen, um unsere Bestellung aufzugeben. Ich schloss kurz genervt die Augen, als ich ihn dabei beobachtete, wie er sich genau neben den Kerl stellte. Sie wechselten ein paar Worte, bevor Elias unsere Getränke entgegen nahm. Dann lachte er.

Er lachte.

Und als sei das nicht genug, nickte er in meine Richtung und der andere ließ sich vom Hocker gleiten, auf dem er saß, und drehte sich zu mir um.

Scheiße.

Er kam mit Elias an unseren Tisch.

„Reid, richtig?“, fragte er und hielt mir seine Hand hin.

„Ja, Reid. Deinen Namen habe ich leider vergessen.“

Ich ergriff seine Hand und er hielt meine fest, während er sich neben mich auf die gepolsterte Bank sinken ließ. Ich nahm wieder einen leichten Benzingeruch wahr. Automatisch rutschte ich weiter an die Wand und warf Elias einen Was-soll-der-Scheiß-Blick zu. Er grinste und stellte mir ein Glas Eistee vor die Nase.

„Kas“, hörte ich neben mir und blinzelte kurz, um wieder klar zu denken.

„Ach ja. Kas.“

Ich nickte und wurde dann von einem Mann abgelenkt, der an den Tisch trat und Kas ein Bier hinstellte.

„Danke, Ny“, sagte er und warf dem Barkeeper ein entzückendes Lächeln zu.

Dieser machte ein seufzendes Geräusch und winkte ab. Er war in etwa so groß wie ich, aber noch schlanker und hatte blonde Haare, die ihm in Fransen in die Stirn fielen. Und vielleicht lag es am dämmrigen Licht aber es sah so aus, als habe er zwei verschiedene Augenfarben.

„Lasst euch von Kas nicht um den Finger wickeln“, sagte er trocken, drehte sich wieder um und ging zurück hinter den Tresen.

„Hab dich auch lieb, Nylian“, rief Kas ihm hinterher und kicherte.

Ich sah Elias wieder an und er zog nur kurz die Schultern hoch.

„Also … seit wann bist du für Brody zuständig?“, fragte ich Kas, als er seine Aufmerksamkeit wieder uns widmete.

Er nahm einen tiefen Schluck, bevor er antwortete.

„Erst seit heute.“

„Mir wurde nichts mitgeteilt. Eigentlich ist er mein Schützling.“

Unbewusst griff meine linke Hand an mein rechtes Handgelenk und ich zupfte an dem Haargummi, das ich immer trug. Ein kleiner Tick, der mich schon ewig begleitete und zum Vorschein trat, wenn ich nervös wurde oder mich in die Ecke gedrängt fühlte.

Kas zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Aber um auf ihn zu sprechen zu kommen: Seit wann zündet er alles an?“

„Ich weiß nicht. Schon immer?“

Ich betreute Brody nun schon seit fünf Jahren, er war einer meiner ersten Kids, als ich als Sozialarbeiter anfing. Und soweit ich wusste, war die Sache mit dem Feuer schon immer ein Problem gewesen.

„Ist schon einmal jemand verletzt worden?“, fragte Kas.

„Nein.“

Ich schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck meines Eistees.

Elias beobachtete mich und grinste. Ich weitete fragend die Augen und er sah kurz zu Kas und dann zurück zu mir.

Wunderbar, mein Bruder war dabei Amor zu spielen. Verräter.

Ich verdrehte die Augen und bemerkte dann, dass Kas mich ansah.

„Was?“

„Was trinkst du da?“

Er deutete auf mein Glas.

„Eistee.“

„Oh, ein ganz Harter. Keine Lust auf was Richtiges?“

Er hob sein Glas und grinste mich an.

„Das ist was Richtiges.“

Mein Bruder lachte und ich warf ihm einen grimmigen Blick zu. Er hob entschuldigend eine Hand und trank aus seinem eigenen Glas. Eindeutig Alkohol.

„Hör zu“, sagte ich dann an mein Nebenan gewandt.

„Ich brauche keinen Alkohol, um locker zu werden oder irgendwas Richtiges, weil es männlich ist oder was auch immer.“

Kas hob abwehrend die Hände.

„Oh, sorry. So war es nicht gemeint, Sunny.“

Elias prustete und hielt sich schnell eine Hand vor den Mund.

„Was?“

Ich sah Kas entgeistert an.

„Du bist ein wahrer Sonnenschein.“

Er grinste und ich platzte innerlich.

„Lass mich raus“, sagte ich und drückte gegen seine Schulter.

Umständlich schob ich mich an ihm vorbei, nachdem er aufgestanden war.

„Wo gehst du hin?“, fragte Elias.

„Eine rauchen.“

„Reid, du rauchst nicht.“

„Vielleicht fange ich jetzt damit an.“

Kapitel 2

Kas

Ok, das war nicht so gelaufen, wie ich gehofft hatte.

Zum einen hatte ich nicht wirklich neue Informationen über den Jungen in Erfahrung bringen können und zum anderen hatte ich Reid wohl echt verärgert. Aber es war auch zu einfach gewesen, ihm den Kosenamen zu verpassen.

Verdammt. Ich hatte es schon vorher gespürt, als wir uns bei Brody begegnet waren.

Ich fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht und sah den anderen an, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte.

Er grinste.

„Du solltest ihm hinterher gehen“, sagte er und unterdrückte ein Kichern mit einem Schluck seines Drinks.

„Warum ich? Er ist doch in die Luft gegangen. Außerdem bist du sein …?“

Ich sah ihn fragend an.

„Sein Bruder, Elias. Los, geh schon. Mach es ihm ein bisschen leichter.“

Bruder. Also nicht sein Freund.

Stirnrunzelnd stand ich wieder auf und gab Ny auf dem Weg nach draußen ein Zeichen, dass ich gleich zurück wäre.

Reid stand neben dem Eingang, die Hände in den Taschen seiner Jeans. Er hatte seine Jacke drinnen vergessen und die Schultern hochgezogen.

„Hast du noch nicht genug?“, fragte er, ohne mich anzusehen.

„Ich hatte gehofft, ein paar Infos über Brody zu bekommen.“

Ich stellte mich neben ihn, so nah, wie es noch als nicht aufdringlich durchging und hoffte, dass meine Körpertemperatur ihn erreichte.

„Es gibt nicht viel. Er fliegt immer aus allen Pflegefamilien raus, weil er irgendwas anzündet. Wenn ich ehrlich bin, warte ich nur drauf, dass er im Jugendknast landet. Da könnte er zumindest nichts niederbrennen.“

Wenn ich richtig lag, doch.

„Hast du Fieber oder so? Du glühst wie ein Heizstrahler“, sagte Reid jetzt und sah mich an.

Ich lachte.

„Ich bin eben von Natur aus heiß.“

Er machte ein Hmpf und sah wieder auf die Straße. Aber ich spürte, wie er sich entspannte und die Schultern sinken ließ. Ich lächelte schräg, ohne wirklich zu wissen warum.

Von der Seite musterte ich ihn und fragte mich, was er durchgemacht hatte, um sich so zu verschließen. Er behielt beinahe die ganze Zeit diesen kalten, genervten Blick. Und trotzdem … war da etwas. Ich hatte beobachtet, wie er an dem Haargummi an seinem Handgelenk zupfte. Bemerkte, wie seine Stimme brüchig wurde, als er sich in die Enge getrieben gefühlt hatte.

Und dann komme ich daher und gebe ihm einen dämlichen Spitznamen.

Ich grinste nochmal beim Gedanken daran. Es passte trotzdem. Es fühlte sich richtig an.

„Wolltest du wirklich nur wissen, was mit Brody los ist oder war das ein Vorwand?“, fragte er nach einer langen stillen Pause.

„Wollte ich wirklich. Aber irgendwie hast du mich dann aus dem Tritt gebracht.“

Er lachte humorlos.

„Weil ich so nett bin?“

„Nein, weil … ach, verdammt“, stammelte ich, fast versucht, einen weiteren Witz zu reißen aber dann traf mich sein Blick.

„Es tut mir leid, ok?“, sagte ich ehrlich.

Reid zuckte mit den Schultern. Dann ging er an mir vorbei und wieder zurück ins Echoes.

Ok. Wow.

Fuck.

Nach ein paar tiefen Atemzügen folgte ich ihm.

Sein Bruder und er zogen gerade ihre Jacken wieder an. Ich ließ die Schultern hängen. Das war es wohl für heute.

Ich ging zum Tisch, um mein Bier zu holen, bevor ich mich wieder an die Bar setzen würde.

„Ihr geht schon?“, fragte ich im Versuch möglichst locker zu klingen.

„War ein langer Tag.“

Reid sah mich nicht an, als er sich an mir vorbei drückte.

Elias allerdings klopfte mir auf die Schulter und drückte mir ein Stück Papier in die Hand. Mit einem Grinsen verließ er mit seinem Bruder die Bar.

„Du hast die Aufmerksamkeit des Falschen auf dich gezogen“, sagte Nylian, als ich mich auf dem Hocker niederließ, auf dem ich vorher gesessen hatte.

„Scheint so. Was meinst du damit?“

Ich sah ihn an, nachdem mir klar wurde, dass ich mich soeben selbst verraten hatte. Er hob einen Mundwinkel, was bei ihm schon als Lächeln durchging.

„Er hat dir doch sicher gerade seine Nummer zugesteckt. Der Glatte mit dem offenen Lächeln, nicht der Wütende.“

Den Zettel in meiner Hand hatte ich beinahe vergessen. Ich faltete ihn auf und runzelte die Stirn.

„Es ist die Nummer von seinem Bruder. Von dem Wütenden, wie du ihn nennst“, fügte ich hinzu und sofort gingen mir mögliche Nachrichten durch den Kopf, die ich ihm schicken könnte.

Ny wischte mit einem Lappen über den Tresen vor mir und machte dann ein Geräusch, das mit sehr viel Fantasie mit einem Lachen zu vergleichen war.

„Das ist nicht witzig“, murmelte ich und trank einen großen Schluck von meinem mittlerweile warmen Bier.

Mein blonder Kumpel entzog mir das Glas und stellte mir kurz darauf ein neues hin.

„Danke.“

„Und was hast du jetzt vor?“

Er stützte seine Unterarme auf dem Tresen ab und sah mich abwartend an. Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es noch nicht. Vielleicht kriege ich mehr über den Jungen raus, wenn ich Reid schreibe.“

„Der Feuerteufel?“

Ich verdrehte die Augen.

„Du weißt, dass ich es hasse, wenn du uns so nennst.“

Ny stieß sich von der Bar ab und zuckte mit den Schultern.

„Ich nenne dich nicht so, nur das Kind. Meinst du er ist wie du?“

Das war die große Frage. Ich hatte definitiv etwas gespürt, als ich ihn aufgesucht hatte, aber mein Gefühl hatte mich auch schon getäuscht. Was war mit den Menschen nur los, dass sie zu Brandstiftung und Zerstörung neigten, nur weil ihnen offensichtlich etwas nicht passte?

Brody hatte nicht wirklich mit mir gesprochen und als Reid dazugekommen war, als er seine Stimme an der Tür hörte, hatte er komplett dicht gemacht.

Gedankenversunken schnippte ich mit den Fingern und entzündete die Kerze, die mir am nächsten auf dem Tresen stand.

„Kasimir!“, rief Nylian genervt aus und seufzte.

„Kein Zündeln in meiner Bar.“

Ich murmelte ein Sorry und trank von meinem neuen Bier. Wenn ich Reid schrieb und nur nach Brody fragte, wäre es sicher nicht verdächtig.

Es wäre scheiß-verdächtig.

Er wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass Elias mir seine Nummer gegeben hatte. Und wenn ich ihm schrieb, hieß es auch noch lange nicht, dass er antworten würde. So wie er drauf war, würde er mich eher sofort blockieren.

„Schreib ihm. Nur eine kleine, kurze Nachricht. Nur ein Hallo“, sagte Ny in einem Singsang und ich griff in meine Hosentasche, um mein Handy herauszuholen.

„Fuck! Lass den Scheiß, sonst brenne ich dir die Bude hier ab.“

Jetzt lachte er. Es war ein kleines, tiefes Lachen, das er nur in wenigen sehr seltenen Momenten von sich gab. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich es das letzte Mal gehört hatte.

„Wir haben eine Abmachung. Keine Beeinflussung“, setzte ich ruhiger nach.

„Ach.“

Er winkte ab.

„Wirst du ihm auch ohne meine Worte schreiben?“

Wahrscheinlich. Höchstwahrscheinlich. Auch wenn ich nicht wusste, ob es eine gute Idee war. Auch wenn ich nicht wusste, warum ich überhaupt darüber nachdachte, ob es eine gute Idee war.

„Scheiße, Kas. Im Ernst?“

Nylian winkte einem Gast, der am anderen Ende der Bar stand und machte mir gegenüber eine Geste, die zeigte, dass er gleich wieder bei mir wäre.

„Was soll mir ernst sein?“, fragte ich, als er wieder vor mir stand.

„Du magst ihn.“

„Wen?“

Ich wusste, wen er meinte, aber wenn ich so tat als nicht, wäre es vielleicht nicht wahr.

„Den Wütenden.“

„Er hat einen Namen.“ Ny hob eine Braue und nickte dann.

„Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn doch gar nicht.“

Ich warf die Arme in die Luft und schnaubte.

„Das hat nichts zu bedeuten. Weißt du noch, als Beauty diesen – wie hieß er noch … ?“

Er tippte sich mit einem Finger ans Kinn.

„Du willst mich doch nicht wirklich mit deinem Bruder vergleichen?“

Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu.

„Nein, aber er hat den Kerl damals auch keine fünf Minuten gekannt.“

Er pustete sich eine Strähne aus der Stirn.

„Und wie lange hielt die Sache? Kaum länger als eben diese fünf Minuten.“

Nylian zuckte mit den Schultern.

Ich beäugte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Wir hatten eine Abmachung aber ich musste trotzdem vorsichtig sein. Wenn er sich etwas in den Kopf setzte, hielt er sich nicht unbedingt an Regeln.

Die Sache mit Nylian war, dass er die Leute mit seiner Stimme beeinflussen konnte. Nicht nur Menschen, auch die meisten Syns. Mich zum Beispiel. Sein Bruder Beauty war eine Ausnahme und es gab noch einen Halbblut, von dem ich wusste, der auch immun war. Aber sonst war mir noch niemand begegnet, der nicht auf Nys Stimme reagierte.

„Trotzdem habe ich bemerkt, wie du ihn ansiehst.“

Er zwinkerte mir zu, was irgendwie schräg aussah.

„Mach das nie wieder.“

„Was?“

„Zwinkern. Du machst es falsch und dann ist es gruselig.“

Jetzt verdrehte er die Augen und rückte eine Schale mit Erdnüssen zurecht.

„Schreib ihm einfach“, sagte er dann ruhig und ich wusste wieder, warum wir befreundet waren.

Nicht, dass wir uns nur einfach schon ewig kannten und immer wieder miteinander zu tun hatten, Nylian gehörte auch zu den wenigen Syns, mit denen ich es länger aushielt. Eigentlich kaum zu glauben, wenn man bedachte, wie sehr er mir auf den Sack gehen konnte mit seiner verschlossenen und schweigsamen Art.

Aber er war eben auch vielleicht der Einzige, der mich verstand und verstehen wollte.

„Du weißt, dass er ein Mensch ist?“, fragte ich.

„Was du nicht sagst.“

Er hielt sich gespielt erstaunt eine Hand vor den offenen Mund.

„Kas, scheiß drauf. Es gibt keine Regel, kein Gesetz.“

„Nur die Sache mit der Lebensspanne.“

Ich sah in mein Glas, das ich zwischen den Händen drehte.

„Ja, aber auch dafür gibt es eine Lösung. Außerdem sage ich nicht, dass du ihn gleich heiraten oder an deine Lebenszeit binden sollst. Du sollst ihm nur schreiben.“

„Jaaa“, sagte ich gedehnt.

„Mal sehen.“

Ich ließ mich von dem Hocker gleiten und trank den letzten Schluck Bier.

„Du weißt, dass du auf meiner Couch schlafen kannst“, sagte Nylian und machte eine Kopfbewegung nach oben, wo sich seine kleine Wohnung befand.

„Danke. Aber nein.“

Ich stellte mein Glas ab.

Vor vielen, vielen Jahren waren wir uns ziemlich nah gekommen. Es fühlte sich fast an, wie in einem anderen Leben und trotzdem wollte ich weder Ny, noch mich selbst jemals wieder so verwirren. Wir waren nicht im Bett gelandet aber es hatte nicht mehr viel gefehlt. Es hätte einiges zwischen uns kaputt gemacht.

Außerdem hatte ich kein Interesse an einer schnellen Nummer oder einer lockeren Sache. Darüber war ich schon viel zu lange hinaus.

Ich angelte einen zerknitterten Schein aus meiner Hosentasche und legte ihn, trotz Nylians Protest, auf den Tresen.

„Gute Nacht, Ny. Wir sehen uns die Tage.“

Ich zwinkerte, um ihm zu zeigen, wie man es richtig machte und drehte mich kichernd um, während er etwas murmelte, das sich wie Arschloch anhörte.

*

Ich betrat das kleine Apartment, das ich gemietet hatte, ohne das Licht einzuschalten. Mit dem rechten Zeigefinger deutete ich auf die drei Kerzen, die auf dem kleinen Tisch in der Ecke standen und entzündete sie. Danach schnippte ich in Richtung der extrem kleinen Küchenzeile, mehr ein Schrank als alles andere, und zündete die Kerze neben der Kaffeemaschine an.

Meine Jacke warf ich auf den Stuhl, der an der Wand stand und schon einige meiner Kleidungsstücke beherbergte. Mit einem Stöhnen fuhr ich meine Hände über mein Gesicht. Was für ein Tag.

Ich schloss die Vorhänge und zog mich aus. Auf dem Weg in mein kleines Badezimmer, in das keine zwei Personen auf einmal passten, schnippte ich nochmal mit den Fingern und alle Flammen erloschen.

Unter der Dusche drehte ich das Wasser auf und schloss die Augen. Meine Haut erhitzte sich und schon verdampften die kalten Strahlen als sie meinen Körper erreichten. Mit den Handflächen an die Wand gelehnt, ließ ich das Wasser über meinen Nacken laufen und dachte darüber nach, wie ich die ganze Begegnung im Echoes vermasselt hatte. Beim Gedanken an Reid zuckte mein Schwanz und ich seufzte.

„Fuck. Soweit will ich noch gar nicht denken“, sagte ich zu mir selbst und begann mich einzuseifen.

Ich wusste nicht, was der Kerl an sich hatte, aber in dem Moment, als er die Küche bei Brody betreten hatte, war … ja, da war es um mich geschehen.

„Oh, Kas.“

Ich fuhr mir mit meinen seifigen Händen durch die Haare und spülte dann alles schnell aus, bevor ich noch anfing, an mir herumzuspielen und an blaue Augen und Tattoos zu denken. Während ich aus der Dusche trat und mir ein Handtuch um die Hüften wickelte, fragte ich mich, wo er noch mehr Bilder auf der Haut hatte. Ich hatte seine Unterarme und Hände gesehen und – oh, Scheiße – ich hatte nicht gewusst, dass ich so auf Tattoos stand.

Auf dem Weg zu meinem Bett nahm ich eine Boxershorts aus der Kommode, zog sie an und fragte mich, wie seine Haut sich dort anfühlte, wo die Tinte darunter ruhte. Ich wühlte im Dunkeln nach meiner Jeans, die ich auf den Boden geworfen hatte und zog mein Handy und den Zettel aus der Tasche.

In meinem Bett rubbelte ich mit dem Handtuch durch meine Haare und warf es dann in Richtung des Haufens Schmutzwäsche. Ich verfehlte und es wickelte sich um ein Stuhlbein.

„So, Reid“, murmelte ich.

Ich hielt in einer Hand mein Telefon und in der anderen den Zettel und tippte die Nummer ein.

Kapitel 3

Reid

An der Decke tanzten die Lichter der Straße und das stille Rauschen der Stadt war zu hören. Ich lag schon eine Weile wach und konnte einfach nicht schlafen.

Elias und ich hatten uns an der Ecke getrennt und waren in unsere jeweiligen Wohnungen gegangen. Er hatte im Echoes bleiben wollen und es tat mir auch leid, den Spielverderber zu spielen, aber es war alles einfach zu viel geworden. Zu viel Scheiße mit Brody, um den ich mir mehr Sorgen machte, als gesund für mich war und zu viel von diesem Kas.

Er war … Etwas.

Meine Gedanken schweiften zu seinen Augen. Bernsteinfarben und irgendwie unwirklich. Und anziehend. Wie er neben mir gesessen, einfach Raum eingenommen hatte. Sein Lächeln.

Oh Fuck.

Ich wälzte mich auf die Seite, zog die Decke bis zur Brust und drückte mein Gesicht ins Kissen. Vielleicht konnte ich den Gedanken ersticken. Aber da war er wieder.

Wie er mich angesehen hatte. Wie er mir hinterhergekommen war. Die plötzliche Wärme, als er draußen neben mir stand.

Ich fluchte und zog die Decke über meinen Kopf.

Mein Handy vibrierte.

Stöhnend griff ich zum Nachttisch und nahm das Telefon in die Hand. Ich blinzelte und brauchte einen Moment, bis meine Augen sich an das grelle Licht des Displays gewöhnten.

„Was? Scheiße, Blue. Ich bringe dich um“, stöhnte ich genervt, als ich die Nachricht las.

Unbekannt: Hi Sunny.

Reid: Kas?

Unbekannt: Bin ich der Erste, der dir durch den Kopf geht? Welch eine Ehre.

Ich verdrehte die Augen und speicherte seine Nummer ab.

Reid: Was willst du?

Kas: Willst du gar nicht wissen, wie ich an deine Nummer gekommen bin?

Reid: Ich kenne meinen Bruder, also nein.

Auf dem Display erschienen die kleinen Punkte, die signalisierten, dass er etwas schrieb. Dann verschwanden sie, ohne dass eine Nachricht erschien.

Ich starrte wartend auf mein Handy. Eigentlich sollte es mir egal sein. Eigentlich sollte ich es ausschalten und endlich schlafen, aber ich lag da und sah in die gottverdammte Ecke des Displays.

Reid: Das war´s schon?

Kas: Ich will mich entschuldigen. Aber ich weiß nicht wie.

Etwas in meiner Brust zog sich zusammen.

Reid: Wofür?

Kas: Fürs Aufdrängen. Ich würde gerne sagen, dass das nicht meine Art ist, aber das wäre wahrscheinlich gelogen.

Reid: Hätte ich dir auch nicht geglaubt.

Kas: Warum bist du eigentlich noch wach?

Reid: Ich weiß es nicht. Kann nicht schlafen.

Kas: Brauchst du ein Ohr? Oder besser gesagt, ein Auge?

Ein leichtes Lächeln, das ich nicht unterdrücken konnte, stahl sich auf mein Gesicht.

Verdammt.

Reid: Es war einfach ein langer Tag. Und dann habe ich noch einen komischen Kerl kennengelernt …

Kas. Oh, drei Punkte … gibt es da was, das du sagen willst?

Reid: Nein.

Kas: Ok, sorry. Ich werde wieder übergriffig. Es ist nur …

Reid: Was?

Mein Herz begann zu klopfen und ich wartete auf seine Antwort.

Kas: Nichts. Du bist einfach interessant. Ich meine es nicht komisch und ich will dich nicht nerven.

Interessant?

Reid: Tust du nicht. Ich weiß nur nicht, was du willst.

Kas: Vielleicht … dich kennenlernen?