Theresienstadt - Benjamin Murmelstein - E-Book

Theresienstadt E-Book

Benjamin Murmelstein

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Beschreibung

Das KZ Theresienstadt war Durchgangslager für über 140 000 Gefangene. Benjamin Murmelstein rettete als einzig überlebender Judenältester des Konzentrationslagers vielen Tausend Menschen das Leben. Seine detaillierte, der Wahrheit verpflichtete Schilderung dieser Zeit ist ein unersetzliches Zeitzeugnis und liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor. Nach Stationen in der jüdischen Wiener Auswanderungsabteilung und Mitglied des Judenrates kam der Rabbiner Benjamin Murmelstein Anfang 1943 in das von der NS-Propaganda als Juden- bzw. Altersghetto beschönigte KZ. Sein Buch über Theresienstadt, das 1961 in seiner späteren Heimat Italien erschien, ist auch eine Verteidigung seiner Person. Wiederholt wurde ihm nach Kriegsende der Vorwuf der Kollaboration gemacht - von dem er allerdings bereits in den 50er-Jahren freigesprochen wurde. Dennoch durfte er beim Eichmann-Prozess 1961 nicht aussagen, er wurde vonseiten Israels mehrfach angegriffen und der Großrabbiner von Rom verweigerte ihm nach seinem Tod das Totengebet. Zu Recht bezeichnete er sich als "Der letzte der Ungerechten" - einen Titel, den Dokumentarfilmer und "Shoah"-Regisseur Claude Lanzmann auch für seinen 2013 außer Konkurrenz in Cannes über Murmelstein gezeigten Film wählte.

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Benjamin Murmelstein

THERESIENSTADT

Eichmanns Vorzeige-Ghetto

Mit einem Nachwort von Wolf Murmelstein Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl Herausgegeben von Ruth Pleyer und Alfred J. Noll

Benjamin Murmelstein

THERESIENSTADT

Eichmanns Vorzeige-Ghetto

Mit einem Nachwort von Wolf Murmelstein Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl Herausgegeben von Ruth Pleyer und Alfred J. Noll

Czernin Verlag, Wien

Produziert mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opferdes Nationalsozialismus, des Zukunftsfonds der Republik Österreich

Murmelstein, Benjamin: Theresienstadt.Eichmanns Vorzeige-Ghetto / Benjamin MurmelsteinWien: Czernin Verlag 2014ISBN: 978-3-7076-0511-2

© 2014 Czernin Verlags GmbH, WienTitel der Originalausgabe: Benjamin Murmelstein, Terezin. Il ghetto-modello diEichmann, © Editrice La Scuola 2013; © der Erstausgabe: Cappelli 1961Umschlaggestaltung: sensomaticCoverfoto: Benjamin MurmelsteinLektorat: Sabine Edith BraunSatz: Burghard ListProduktion: nakadakeISBN E-Book: 978-3-7076-0511-2ISBN Print: 978-3-7076-0510-5

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabein Print- oder elektronischen Medien

EDITORISCHE VORBEMERKUNG

Benjamin Murmelstein (1905 bis 1989) hat seinen persönlichen Erfahrungsbericht „Terezin – Il ghetto-modello di Eichmann“ im Jahr 1961 (bei Cappelli, Bologna) veröffentlicht. Eine zweite Auflage, Vorlage dieser Übersetzung, ausschließlich ergänzt um ein Nachwort seines Sohnes Wolf Murmelstein, ist im Jahr 2013 (in der Editrice La Scuola, Brescia) erschienen. Der Text von Benjamin Murmelstein aus dem Jahr 1961 wird in der vorliegenden Übersetzung aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl – dem dokumentarischen Anliegen der Edition entsprechend – unkorrigiert wiedergegeben. Informationen zur Person Benjamin Murmelsteins finden sich in den Nachbemerkungen.

Die Herausgeber

VORWORT

Das ist die Geschichte des Ghettos Theresienstadt. Mehr als 300 Aufsätze und Bücher befassen sich mittlerweile zur Gänze oder teilweise mit den Geschehnissen, die sich zwischen 24. November 1941 und 5. Mai 1945 in den Mauern der alten Festung ereignet haben.

Gibt es noch unbekannte Details, die es wert sind, dass man über sie berichtet?

Erfährt man aufgrund des vorliegenden Berichts etwas Neues?

Das Ghetto Theresienstadt entstand nicht aus dem Wunsch, eine lokale Maßnahme der Nazis zu verwirklichen, etwa die Juden aus einer Stadt, einem Bezirk oder einer Provinz auf engem Raum einzusperren. Theresienstadt brachte vielmehr die elende Wirklichkeit der größenwahnsinnigen Pläne, die ganze Kontinente umfassten, auf den Punkt. Die hochtrabenden Worte waren schnell verflogen, übrig blieb eine höhnische und grausame Farce.

Ein jüdisches Protektorat auf Madagaskar, das Juden aus allen europäischen Ländern aufnehmen sollte; von deutschen Streitkräften besetzte Luft- und Marinestützpunkte; ein ohnmächtiges Frankreich, das die Insel Madagaskar dem Sieger überlässt: Dieser Traum verführte Militärs, Diplomaten und sogar den Präsidenten der Reichsbank. In Wirklichkeit jedoch rückten Sieg und Frieden in immer weitere Ferne, während nach der Besetzung Polens die Zahl der Juden im Reich auf drei Millionen anstieg.

Madagaskar ist außer Reichweite, doch das polnische Generalgouvernement stellt eine Möglichkeit dar. Das Gebiet zwischen den Flüssen San und Bug, mit der Hauptstadt Lublin im Norden, soll ein jüdisches Siedlungsgebiet mit autonomer Verwaltung werden. Die Idee, ein Protektorat zu schaffen, und zwar nicht mehr an den Stränden Madagaskars, sondern in den sandigen Ebenen Zentralpolens, versinkt jedoch in Blut und Schlamm, sie ist zynisch und nachlässig geplant und mit fahrlässiger Gleichgültigkeit in die Tat umgesetzt worden.

Die Endlösung wird in die Konzentrationslager verlegt. Nicht das Grauen, so tief gesunken zu sein, verhinderte die Entscheidung, sondern der verletzte Stolz angesichts der Tatsache, dass man das Vorhaben hatte aufgeben müssen. Das Ghetto Theresienstadt wurde gegründet, um die Illusion aufrechtzuhalten, dass das Dritte Reich sich nicht geschlagen gab, und um die Weltöffentlichkeit von Blutbädern und Massakern abzulenken.

An der Mündung der Elbe in die Eger entstand eine riesige Arena, in der das Schauspiel »Die menschliche Lösung der Judenfrage« aufgeführt werden sollte, auf der Grundlage der für Madagaskar entworfenen Pläne. Diesmal sah es gut aus, denn man hatte es nicht mehr mit einer harten und unerbittlichen Realität zu tun; man führte einfach eine Komödie auf. Die Klippe, an der das Vorhaben zerschellte, hieß: »Menschliche Lösung«. Alle wissenschaftlichen Möglichkeiten reichen nicht aus, um einen Menschen zu erschaffen; selbst mit Kniffen und Tricks gelingt es nicht, Menschlichkeit vorzutäuschen, sie muss echt empfunden sein.

Dieses Buch schildert die makabre Farce; als der Vorhang fiel, stand der Autor als Einziger noch auf der Bühne. Ich habe viele Jahre lang geschwiegen, um nur nicht in den Verdacht zu geraten, ich wolle mein Tun rechtfertigen. Nun stehe ich jedoch an der Schwelle zum Alter und glaube, nicht länger warten zu können, denn die Würfel sind bereits gefallen. Das Gericht, vor dem sich die Akteure von Theresienstadt verantworten mussten, hat die Anklage gegen mich fallen gelassen, und bevor ich vor den Höchsten Richter hintrete, habe ich beschlossen, auf meinem verbleibenden Lebensweg einen Seitenpfad einzuschlagen, auf dem ich keine Erklärungen und keine Rechtfertigungen abgeben muss.

Nicht aus Gründen der Rechtfertigung oder der Polemik möchte ich also meine Version der Geschichte erzählen, sondern weil ich in Theresienstadt im Vordergrund stand und deshalb mehr gesehen und erfahren habe als die, die hinter den Kulissen tätig waren.

»Die größte List des Teufels«, sagt Baudelaire, »besteht darin, uns zu überzeugen, dass es ihn gar nicht gibt.« Seit mehr als fünfzehn Jahren versucht man uns einzureden, dass es den Teufel, der zuletzt unter der Maske der Nazis aufgetreten ist, nicht mehr gibt, und aufgrund unseres angeborenen Optimismus sind wir versucht, daran zu glauben. Für den Fall aber, dass das nur eine List sein sollte, um uns zu überrumpeln, sollten wir versuchen, die Ränke des Teufels zu durchschauen, um die Menschheit zu beschützen.

Vielleicht bin ich aufgrund eines absurden Zufalls, von denen es in Theresienstadt so viele gab, nicht umgebracht worden – als Einziger der vielen, die verdammt sind »zu wissen«. Für den Fall, dass es einen Sinn haben sollte, dass ich überlebt habe ... das ist die Geschichte des Ghettos Theresienstadt.

THERESIENSTADT

Du verkaufst dein Volk um ein Spottgeld und verlangst nicht viel dafür!

Du setzest uns der Beschimpfung unserer Nachbarn aus, dem Hohn und Spott derer, die uns umgeben.

Du machst uns zum Sprichwort unter den Heiden,

dass die Völker den Kopf über uns schütteln.

Alle Tage ist meine Schmach vor mir, und Scham bedeckt mein Angesicht wegen der Stimme des Spötters und Lästerers, wegen des Feindes, des Rachgierigen.

Dieses alles ist über uns gekommen; und doch haben wir deiner nicht vergessen, noch deinen Bund gebrochen.

(PSALM 44, 12–17)

KAPITEL I

»SONST HEISST ES EBEN STERBEN«

»Heute gehört uns Deutschland, morgen die ganze Welt.« – Im Rhythmus dieses Refrains dröhnte der martialische Schritt der Nazitruppen nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933. Die Judenhetze in Deutschland hatte eben erst begonnen, doch ein extra dafür geschaffener Stab diskutierte bereits die Ausrottung des Judentums in allen europäischen Staaten, denn niemand zweifelte daran, dass Hitler nach dem Endsieg die Geschicke des Kontinents leiten würde.

Die von untergeordneten Behörden vorgeschlagene Auswanderung der deutschen Juden wurde von maßgeblichen Stellen nicht als mögliche Lösung akzeptiert. Die Auswanderung wäre zwar vordergründig ein Erfolg der Partei gewesen, weil dadurch ein wesentlicher Punkt des Parteiprogramms, nämlich die Entfernung der semitischen Rasse, verwirklicht worden wäre, hätte im Ausland allerdings die antinazistische Propaganda verstärkt und letzten Endes den Feind in absehbarer Zeit gestärkt. Außerdem sahen die maßgeblichen Stellen in der Auswanderung der Juden in andere Länder, deren Besetzung durch deutsche Truppen schon geplant war, nur eine Verlagerung des Problems vom augenblicklichen in den zukünftigen Machtbereich.

Die Armut des aus Deutschland emigrierten Juden macht seine Aufnahme im Gastland beschwerlich und ruft in der Bevölkerung eine für die Interessen der deutschen Propaganda günstige Reaktion hervor. Es ist Aufgabe unserer Außenpolitik, überall eine antisemitische Bewegung fortschreiten zu lassen.1

Absurderweise stimmten in dieser Situation die Überlegungen der Nazis mit den Zielen des internationalen Zionismus überein, der die Deklaration des britischen Außenministers James Balfour (1917), eine Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten und die verfolgten Juden dort aufzunehmen, in die Tat umsetzen wollte. Aber die hasserfüllte Verachtung der jüdischen Rasse, die den Nazis zufolge nicht würdig war, einen eigenen Staat zu gründen, war nicht der einzige Grund dafür, dass die Berliner Regierung die zionistischen Ziele entschieden ablehnte. Ein Judenstaat im Nahen Osten, auf der Achse Berlin–Bagdad, wie ihn bereits Kaiser Wilhelm II. erträumt hatte, den manche noch immer für sehr wichtig für Deutschland hielten, kam nicht infrage.

Die Eroberung Europas war die unumgängliche Voraussetzung für die endgültige Lösung der heiklen Judenfrage. In einem dünn besiedelten Landstrich, einer ehemaligen Kolonie der Mächte, die man allerdings erst besiegen musste, sollte eine Art Reservat, ein Super-Ghetto entstehen, wo – natürlich unter deutscher Bewachung – Millionen Juden untergebracht werden sollten. Über die Finanzierung dieses Vorhabens machte man sich keine Gedanken, denn den Nazis zufolge befand sich der ganze Reichtum der Welt in den Händen der Juden. Dieses Vermögen sollte zur Verwirklichung des Vorhabens beschlagnahmt werden. Blieb nur noch zu klären, ob es innerhalb der Stacheldrahtzäune, auf die man in diesem Reservat zweifellos nicht verzichten konnte, Voraussetzungen für ein, wenn auch bescheidenes Leben gab. Aber das stand auf einem anderen Blatt. Wenn die Juden überleben wollten, mussten sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.

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