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Jadelyn Miller hat den ersten Schritt in ein neues Leben gewagt: Nach Jahren der Misshandlung hat sie sich von ihrem Partner getrennt. Doch die Freiheit hat ihren Preis. Bei der Suche nach einer Wohnung und einem Job wird sie immer wieder abgewiesen. Verzweifelt und auf der Suche nach einer Lösung stößt sie auf ein verlockendes, aber mysteriöses Inserat: „Sugar Daddy sucht Frau für gemütliche Stunden, aufregende Ausflüge und Begleitung zu exklusiven Events. Gute Bezahlung und Unterstützung garantiert.“ Neugierig und ohne viele Alternativen meldet sich Jadelyn, unwissend, dass diese Entscheidung ihr Leben für immer verändern wird. Der charismatische Brian Davis-Taylor zieht sie in seinen Bann, doch auch er trägt eine dunkle Vergangenheit mit sich, die ihn verfolgt. Plötzlich findet sich Jadelyn in einem gefährlichen Spiel aus Macht, Geld und Dominanz wieder. Wird sie es schaffen, die Ketten ihrer Vergangenheit zu sprengen, oder wird sie in den Schatten ihrer eigenen Ängste gefangen bleiben? Tauche ein in eine fesselnde Geschichte über Mut, Verführung und die Suche nach Freiheit.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Thrilling Deal
– Dark Secrets –
Band 1
Ein Roman von
Jadelyn Aurora
Autor: Jadelyn Aurora
Dieses Buch oder Teile davon dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung des Herausgebers nicht vervielfältigt oder in irgendeiner Weise verwendet werden.
Copyright© Alle Rechte vorbehalten.
Herausgeber: Sabrina Nieminen
Tupamäentie 20
41800 Korpilahti
- Finnland –
Lektorat: Franziska Eife
Covergestaltung: Unter Verwendung von Motiven von Shutterstock
tolino media GmbH & Co. KG
Erschienen 2025 Selbstverlag
2. Auflage
Vorwort
In diesem Buch gehe ich auf sensiblen Themen wie Misshandlung, Traumata und ihre Auswirkung auf das Leben ein.
Viele Menschen kämpfen mit Traumata, ohne dass es andere ihr Leiden mitbekommen. Umso wichtiger ist, diesen Menschen zu helfen und ihnen zuzuhören.
Selbst mit Traumata und den richtigen Personen ist es möglich, ein neues Leben aufzubauen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Alle Personen in diesem Buch sind über 18 Jahre alt und wissen, was sie tun.
Einen besonderen Dank an:
- meine Betaleser
Martina
Steffi
Tatjana
- meine Lektorin
Franziska Eifert
- meine besten Freunde
Ihr habt mich in der dunkelsten Zeit unterstützt, aufgebaut und mir geholfen, wieder das Licht im Leben zu sehen
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Nachwort
Seufzend riss ich spätabends das Fenster der Dachwohnung auf, um die stickige Luft so weit loszuwerden, um in der Nacht überhaupt ein Auge zumachen zu können. Trotz des Vorhangs war es so heiß, dass mir schon beim Betreten der Schweiß aus allen Poren gelaufen war.
In den Sommermonaten war es hier nicht auszuhalten. Ich hasste es, morgens schweißgebadet aufzuwachen und mich selbst nach der Dusche noch eklig und klebrig zu fühlen. Für eine bessere Unterkunft reichte es dank Geldproblemen zurzeit nicht. Zudem hatte ich für einen weiteren Umzug weder Nerven noch Zeit. Ich hatte mir schon überlegt, für einige Zeit in ein Obdachlosenheim zu ziehen. Dort war es wenigstens kühler als hier. Dafür war ich jedoch zu stolz.
Tief atmete ich die Stadtluft von New York ein, die trotz der Abgase weitaus besser war als der Gestank nach ungewaschenen, schwitzenden Leibern und verzweifeltem Sex hier unter dem Dach. Schon beim Einzug war mir der merkwürdige, penetrante Gestank aufgefallen, den ich bisher jedoch nicht losgeworden war. Eine Mischung aus Alkohol, widerlichen Parfüms und – wenn ich mich nicht täuschte – etwas mit Drogen. Wahrscheinlich hatte der Vermieter die Einzimmerwohnung zuvor für zwielichtige Orgien benutzt. Das wollte ich allerdings nicht so genau wissen. Mir war wichtig gewesen, ein Dach über dem Kopf zu haben. Alles andere war nebensächlich geworden.
Ich warf mich auf die Couch, die bereits wesentlich bessere Tage gesehen hatte, und unterdrückte ein Knurren, als die Sprungfedern protestierten. Manchmal piekten sie sogar durch den abgewetzten Stoff. Meine Wohnung war spärlich eingerichtet. Außer einer winzigen Küche, die aus einer Herdplatte und einem Spülbecken – das oft verstopft war – bestand, hatte ich nur eine Matratze, die Couch und ein Badezimmer, in dem sich Zwerge wohlfühlen würden.
„Ich muss definitiv einen besseren Job finden“, murrte ich und stand noch einmal auf, um mir aus meinem Mini-Kühlschrank eine Cola zu holen. Vielleicht nicht die beste Wahl, wenn ich bald ins Bett gehen wollte, aber wenigstens würde sie meine Lebensgeister für die letzten Minuten des Tages wiederbeleben. Es sollte ausreichen, um die Internetseiten für Stellenangebote zu durchforsten. Hunger hatte ich auch, aber da es schon so spät war, verzichtete ich darauf, noch etwas zu essen. Angesichts des Gestanks verging er mir sowieso. Selten brachte ich es fertig, hier ein anständiges Mahl hinunterzubringen. Der jämmerliche Inhalt meines Kühlschranks bot auch nicht viel an. Außer ein paar Getränken und zwei abgelaufenen Jogurts, die sicher noch gut waren, war er mager bestückt.
Mit dem Laptop machte ich es mir auf der Couch gemütlich und begann, diverse Seiten durchzuklicken. Kopfschüttelnd gab ich nach einiger Zeit auf und starrte in den Nachthimmel, der durch die Lichter der Stadt keineswegs dunkel war. Dennoch sah ich den ein oder anderen Stern blinken. Der Blick nach draußen war das einzige, was mir an der Dachwohnung gefiel.
„Es ist so schwer, einen passenden Job zu finden“, seufzte ich niedergeschlagen. Es gab zwar massenweise Angebote, aber nichts, wo ich mich bewerben konnte. Dank meines Ex-Freundes, der mir bisher mehrere Jobs versaut hatte und gerne verhinderte, dass ich eine gute Arbeit bekam.
In einem Restaurant auszuhelfen, war zwar schön, aber durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten nicht unbedingt das, was ich bevorzugte. Ich mochte einen klaren Tagesablauf, nach dem ich mich richten konnte. Selbst meine derzeitige Anstellung im Restaurant war nur noch eine Frage der Zeit, da Amber und Liam lediglich eine Aushilfe für die Sommermonate gesucht hatten.
Nervig und am Anstrengendsten in diesem Job waren die Reservierungen von widerlichen Geschäftsmännern, die nach hübschen Bedienungen lechzten und sie angrabschten. Nicht wenige davon ließen gerne anzügliche Kommentare los, vor denen ich meine Ohren verschloss, doch sie blieben trotzdem hängen.
Nachdem meine Cola leer war, widmete ich mich wieder den Inseraten. Bei einem blieb ich hängen. Mehrmals musste ich es durchlesen, um zu verstehen, was gefordert wurde.
Sugar Daddy sucht Frau für gemütliche Stunden, nette Ausflüge und als Begleitung für Events. Gute Bezahlung und Unterstützung, wenn gewünscht.
Die Bezeichnung Sugar Daddy hatte ich schon öfter gehört, doch großartig etwas damit anfangen konnte ich nicht. Darunter stellte ich mir alte, fette Kerle vor, die entweder sexhungrig waren oder sich wirklich einfach nur ein wenig Gesellschaft wünschten. Hier stand kein Alter dabei, weshalb ich darüber nachdachte, ob ich anrufen sollte. Immerhin verhieß es gutes Geld. Vielleicht konnte ich mir dann nächstes Jahr eine bessere Wohnung leisten, wenn ich gut verdiente und das zusätzliche Geld sparte.
Ich starrte auf das Inserat und haderte mit mir. Was sollte ich tun? Ich sollte mir einen Ruck geben. Wenn der Typ alt und sexhungrig war, konnte ich immer noch „Nein“ sagen. Ja, so war es. Ich feuerte mich in Gedanken an, Neues auszuprobieren.
Durch meinen Ex-Freund war ich vorsichtiger und zurückgezogener geworden. Oft traute ich mich nicht, bei einigen Stellen anzurufen, weil ich wusste, dass er die Besitzer kannte. In dem Inserat stand nichts von einer Firma. Stirnrunzelnd las ich die kurze Anzeige noch einmal durch und schrieb mir letztendlich die Nummer auf. Ich würde mein Glück am nächsten Tag versuchen, sobald mein Kopf wieder voll funktionstüchtig war. Sollte dies bei der grässlichen Hitze je der Fall sein.
Durch eine unruhige Nacht in dieser Sauna unter dem Dach war ich am Morgen nicht sonderlich gut gelaunt. Viel Schlaf hatte ich nicht bekommen, was unter anderem auch an dem Inserat lag. Ich haderte einfach zu viel und überlegte zu lange.
Das Schlimmste jedoch war, dass ich nicht duschen konnte. Wütend brummte ich und verließ ungeduscht die kleine Wohnung, um den Vermieter zu bitten, sich darum zu kümmern. Ich musste zur Arbeit. Vorher trommelte ich ungeduldig gegen die Tür des Vermieters, der mit schleppenden Schritten und sichtlich unausgeschlafen diese öffnete und wissen wollte, was ich brauchte. Sein Bart sah so ungepflegt und schmutzig aus, dass ich das Gesicht verzog. Möglichst knapp schilderte ich, dass die Dusche nicht funktionierte und hoffte, dass sie am Abend wieder ging.
„Ich kümmere mich drum.“
Zack, war die Tür vor meiner Nase zugeknallt. Danke auch für das Gespräch. So ein Arsch. Noch missmutiger als zuvor machte ich mich auf den Weg zum Coffeeshop. Ich brauchte erst einmal eine Ladung Kaffee, um meinen Kreislauf in Schwung zu bringen.
Es war kurz vor acht und ich überlegte, ob ich bereits jetzt mein Glück versuchen und anrufen sollte. Wenn es ein Rentner war, war er sicherlich schon wach. Die meisten Senioren standen früh auf, das hatte ich bereits mitbekommen. Daher witterte ich meine Chance und tippte die Nummer ein. In dem Moment verließ mich der Mut und ich senkte meine Hand. Was tat ich da nur? Konnte ich nicht irgendetwas anderes finden?
Meine beste Freundin Tatjana hatte es bereits mit einem Sugar Daddy versucht. Von ihr wusste ich, dass es ganz schnell ausarten konnte. Das wollte ich nicht. Schon gar nicht abhängig von jemandem zu werden. Es war ein Graus, wenn man keine freien Entscheidungen mehr treffen konnte. Davon hatte ich genug.
Ich steckte mein Smartphone ein und bestellte mir einen Espresso, den ich, trotz der Hitze, in Nullkommanichts zu mir genommen hatte. Dann bat ich um einen Café Latte. Den würde ich mitnehmen.
Ich drängelte mich durch die Straßen und um die Menschen herum, da es um diese Uhrzeit aussichtslos war, ein Taxi zu finden. Wie gut, dass ich mich beeilt hatte, um noch genügend Zeit für ein kleines Frühstück zu haben.
Kaum kam ich an, grüßte ich die Inhaber, die genau über dem Restaurant wohnten, und warf ihnen ein Lächeln entgegen, bevor ich duschen ging.
Zum Glück gab es im Restaurant einen abgetrennten Bereich für die Mitarbeiter. Dort gab es auch eine kleine Dusche, sowie Shampoo und Duschgel. Das fand ich prima, denn manchmal war das ganz hilfreich, wenn ein kleines Missgeschick passierte.
Mit meinen verständnisvollen Arbeitgebern hatte ich einen großen Fang gemacht. Nur konnten sie mich leider nicht fest einstellen. Ich war lediglich eine Aushilfe, die gerade in den Sommermonaten gebraucht wurde. Danach musste ich zusehen, wie es weiterging.
Nach der kurzen, aber ausgiebigen Dusche schnappte ich mir meinen Kaffee und stellte mich nach draußen, um diesen noch zu genießen. Mein Magen knurrte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich noch ein wenig Zeit hatte, bevor meine Schicht begann. Das Restaurant bot auch Frühstück an, weshalb ich mich bediente, das Geld in die Kasse legte und mich an einen freien Tisch setzte.
Sobald ich fertig war, nahm ich wieder mein Smartphone und überlegte. Minutenlang starrte ich auf den Bildschirm, bevor ich schließlich auf „Wählen“ drückte. Mein Herz raste, als das Freizeichen erklang, und ich begann, nervös mit dem Finger auf der Tischplatte zu klopfen.
Mehrmals klingelte es und ich wollte gerade auflegen, als sich eine dunkle, tiefe Stimme am Ende der Leitung meldete. „Thrilling Festive, Brian Davis-Taylor am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Mein Mund wurde vor Angst so trocken, dass ich blitzschnell wieder auflegte und das Smartphone auf den Tisch warf. Um Himmels Willen! Hatte ich mich gerade eben verhört? Thrilling Festive war eine angesehene Firma, die Mega-Events und Feste auf die Beine stellte! Erlaubte sich einer einen Scherz, indem er die falsche Nummer angegeben hatte, oder war ich zu blöd, sie richtig abzuschreiben?
Ich wollte gerade nach dem Inserat suchen, als ein Anruf einging und eine Nummer auf dem Bildschirm erschien, die mich regelrecht lähmte. ‚Er ruft zurück! Scheiße!' Ich wappnete mich mit einer Entschuldigung, bevor ich nach mehreren Sekunden den Anruf entgegennahm.
„Warum haben Sie aufgelegt?“, erklang sofort die erste Frage ohne jegliche Begrüßung.
Was für eine Frage! Weil ich dumm war? „I-Ich ... habe mich verwählt, entschuldigen Sie bitte die Störung!“, stotterte ich und spürte, wie meine Wangen brannten. Oh, wie ich es hasste, in der Öffentlichkeit zu telefonieren! „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag“, sagte ich und wollte bereits auflegen, als seine Stimme mich zum Innehalten trieb.
„Ich denke nicht, dass Sie sich verwählt haben. Entweder planen Sie eine große Fete oder Sie haben mein Inserat gelesen“, kam es fast schon amüsiert vom anderen Ende der Leitung.
Mein Smartphone fiel mir aus der Hand und plumpste mit einem dumpfen Geräusch auf die Tischplatte. Sein Inserat? Oh Gott, wie sehr wünschte ich mir, dass die Erde aufgehen und mich in die Hölle wandern lassen würde! Das leichte Knistern am Telefon machte mich nervös!
„Hallo? Sind Sie noch dran?“
Nein, war ich nicht! Ich nahm das Smartphone mit zitternden Händen auf und schluckte. „Entschuldigen Sie, ich habe gerade eine Mücke vertreiben müssen. Was haben Sie gesagt?“, log ich und betete im Geheimen, er würde das Ganze für einen Scherz halten. Leider schien das nicht der Fall zu sein, als er seine Worte wortwörtlich wiederholte.
„Ich dachte, es handelt sich um einen Scherz“, murmelte ich ins Telefon und räusperte mich.
„Denken Sie, ich bin zu Scherzen aufgelegt?“, erklang die Frage, die mich schlucken ließ. Himmel, war der Mann kalt. Kein Sinn für Humor, wie ich feststellte. Mit so jemandem wollte ich nicht unbedingt etwas zu tun haben. Mir reichte mein narzisstischer Ex.
„Nein. Hören Sie, es tut mir leid. Ich habe Ihre Anzeige gelesen, aber ich denke, das ist doch nichts für mich“, erklärte ich. Allein seine Stimmung schlug mir auf den Magen. Dieser wollte ich mich auf keinen Fall aussetzen. Überhaupt war mir die Lust gründlich vergangen, mit diesem kalten Klotz auch nur eine Minute zu verbringen.
Plötzlich erklang ein dröhnendes, fast schon ansteckendes Lachen. „Sie haben mich doch noch gar nicht kennengelernt, gnädige Frau. Wie heißen Sie überhaupt?“, fragte er sachlich und ich schluckte.
„Jadelyn Miller.“
„Also gut, hören Sie zu, Miss Miller. Ich hätte heute Nachmittag Zeit für einen Kaffee. Dann können wir uns ein wenig beschnuppern und Sie können mir danach mitteilen, ob Sie sich sicher sind“, schlug er vor.
Überfuhr er mich etwa gerade und entschied, was ich tun sollte? Das gefiel mir nicht, doch wenn er wirklich ein Geschäftsmann war, war das wohl typisch. Sie waren es gewohnt, Dinge zu entscheiden. „In Ordnung. Um welche Uhrzeit und wo?“, fragte ich heiser und musste mich beherrschen, nicht einfach aufzulegen.
Er nannte mir Ort und Uhrzeit. „Ich bin zu der Zeit leider noch bei der Arbeit. Kann es etwas später sein?“, fragte ich hoffnungsvoll, da mein Terminkalender mit der angegebenen Uhrzeit kollidierte.
„Nein. Entweder Sie sind da oder nicht. Ich werde nicht kommen, sollten Sie jetzt nein sagen. Wenn Sie ja sagen, erwarte ich von Ihnen, dass Sie pünktlich erscheinen. Haben wir uns verstanden?“
Wow, der Typ hatte einen Knall. Wahrscheinlich war er einer von denen, um die sich die ganze Welt drehte. Dennoch sagte mein Kopf, dass ich es zumindest versuchen sollte. Nur deshalb willigte ich ein.
„Also, bis dann, Miss Miller“, sagte er und legte auf, ohne meinen Gruß abzuwarten.
Fassungslos starrte ich auf mein Smartphone und brauchte einige Sekunden, um zu registrieren, was gerade eben geschehen war. Blinzelnd sah ich, dass der Anruf über drei Minuten gegangen war. Drei Minuten, in denen ich mir sicher war, dass ich mich nicht für die Stelle eignete. Seufzend schob ich mein Smartphone von mir und nagte an meiner Unterlippe. Mein Blick in den gleißenden Himmel sorgte für Tränen in meinen Augen.
Ich war am Arsch. Warum hatte ich nur angerufen? Was, wenn dieser Mann genauso wie mein Ex war?
Nervös erreichte ich nachmittags das Café, das Mister Davis-Taylor vorgeschlagen hatte. Es lag zentral und war wahrscheinlich deshalb gut besucht, wie ich feststellte. Ein hübscher Fleck, der sicherlich ordentlich Geld brachte. Von dem Café hatte ich sogar schon gehört, besucht hatte ich es jedoch noch nicht. Wenigstens hatte ich den Weg nicht suchen müssen, da das Café nur ein paar Straßen von meiner üblichen Strecke entfernt lag.
Lachende Stimmen ließen meinen Blick auf eine Gruppe Jugendlicher schweifen, die sich wohl ihre Zeit vertreiben wollten. Mit ihren Smartphones in der Hand und den Donuts, die sie sich scheinbar zuvor in der Nähe gekauft hatten, positionierten sie sich und fotografierten sich gegenseitig. Das war typisch Jugendliche. Immer mussten sie alles in den sozialen Medien teilen. Allerdings waren das Dinge, die mich sonst nicht störten. Doch jetzt, wo ich so nervös war, störte mich vieles. Selbst die Jazz-Musik, die von irgendeinem Auto kam. Am liebsten würde ich demjenigen den Radiosender ausstellen. Musste er unbedingt sein Fenster weit offen haben, während er scheinbar auf jemanden wartete?
Der köstliche Geruch von Donuts und sonstigen Leckereien drehte mir den Magen um. Seit dem Gespräch mit Mister Brian Davis-Taylor war ich ein reines Nervenbündel. Wie war ich nur auf die Schnapsidee gekommen, dort überhaupt anzurufen? Manchmal sollte ich gewisse Dinge mehrmals überdenken, anstatt spontan zu entscheiden.
Ich betrat das Café und atmete den Kaffeeduft ein. Wenigstens dieser beruhigte meine Nerven für einen Augenblick. Meine Augen saugten jedes noch so kleine Detail auf und ich fand, dass die Einrichtung einen Hauch von Vintage hatte. Eigentlich war es gemütlich. Wenn Mister Davis-Taylor dieses Café bevorzugte, mochte er wahrscheinlich solch eine Atmosphäre.
Ich stellte mich in der Warteschlange an und überlegte, welchen Kaffee ich nehmen sollte. Einen Cappuccino oder doch lieber eine Latte Macchiato? Ich mochte beides, nur war es vielleicht ungünstig, einen Schaumbart vor Mister Davis-Taylor zu haben.
Da ich noch Zeit hatte, wollte ich wenigstens die Gunst der Stunde nutzen, mich gedanklich auf das Treffen vorzubereiten. Bei der Arbeit hatte ich ein bisschen Zeit gefunden, um Nachforschungen über Mister Davis-Taylor anzustellen. Nun war ich gespannt, was sich für ein Gesicht hinter der Stimme des Sugar Daddys verbarg.
Dafür hatte ich einiges über seine Firma herausgefunden. Unter anderen, dass sie vor 15 Jahren gegründet wurde und der CEO seitdem derselbe war. Das hieß, dass Mister Davis-Taylor mit 22 Jahren eine mittlerweile millionenschwere Firma aufgebaut hat. Er musste im Planen von Festen hervorragend sein, wenn sein Name sogar in Übersee bekannt war. In anderen Ländern sorgte seine Firma sogar für großartige Festivals, die gut besucht waren.
Als ich an die Reihe kam und meinen Kaffee bestellte, fragte die junge Frau hinter dem Tresen, welchen Namen sie auf den Becher schreiben sollte, da ich diesen mitnehmen wollte, um ihn draußen zu trinken. Frische Luft sollte mir helfen, ruhiger zu werden. „Jadelyn Miller“, antwortete ich und einen Moment lang sah es aus, als hätte sie nicht verstanden.
„Miss Miller, ein Tisch ist reserviert worden“, erklärte sie, was mich dazu brachte, meine Augenbrauen zu heben. „Mister Davis-Taylor wird in wenigen Minuten eintreffen. Bis dahin sollten Sie am Platz sitzen. Möchten Sie dennoch Ihren Kaffee?“
Ich schüttelte den Kopf und glaubte, mich verhört zu haben. War ich etwa im falschen Film gelandet? Er hatte nichts davon verlauten lassen. Vielleicht war es besser, mit dem Bestellen zu warten. Nicht, dass er mir auch noch mein Getränk ausgesucht hatte.
Ich bemerkte, dass die Frau eingeschüchtert wirkte. Das ließ mich stutzig werden. War der Mann etwa eine Gefahr? Verwirrt sah ich, dass die Frau ihrer Kollegin etwas zuflüsterte. Diese nickte und bat mich dann, ihr zu folgen.
Mit einem unwohlen Gefühl lief ich ihr hinterher und staunte, als sie mich an einen Tisch brachte, der etwas abseits stand und eine gewisse Privatsphäre bot. Sie ließ mich allein und ich setzte mich, wobei ich am liebsten gleich hinausgestürmt wäre. Die ganze Situation war absurd und ich fand mich nicht wirklich zurecht.
Da es keinen weiteren Stuhl neben mir gab, überprüfte ich den Boden auf Sauberkeit und stellte schließlich meine Tasche ab. Kaum sah ich auf, bemerkte ich aus dem Augenwinkel einen Mann, der das Café betrat. Seine Ausstrahlung haute mich beinahe um.
Mit selbstsicherem Blick lief er um die Schlange herum und steuerte genau auf den reservierten Tisch zu. Das war er? Geschockt brachte ich es nicht fertig, aufzustehen. Ich hoffte, dass er nur ein Kunde war. Oder der Besitzer.
Doch das Glück war mir nicht gegönnt. Er blieb mit einem Lächeln, das wohl jede Frau zum Schmelzen brachte, stehen und hielt mir seine Hand hin. Mir fiel sein maßgeschneiderter Anzug auf, der seine schlanke, muskulöse Figur zur Geltung brachte. Schwarze Hose und weißes Hemd, dazu eine hellblaue Krawatte. Die Mischung stand ihm ausgezeichnet und ließ ihn wie einen Filmstar aussehen. Gleichzeitig sah er aber auch aus wie ein seriöser Geschäftsmann, der er ja auch war. Seine kurzen, dunklen Haare und der gepflegte Dreitagebart taten ihr Übriges dazu.
„Miss Miller?“, fragte er und ich erkannte seine dunkle Stimme von unserem Telefongespräch.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, und mit rotem Gesicht stand ich hektisch auf, um seine Hand zu nehmen. Sie war weich, doch sein Händedruck ziemlich fest, sodass ich Mühe hatte, nicht aufzuschreien.
„Mister Davis-Taylor. Nett, Sie kennenzulernen.“ Als ich sah, wie seine Augenbrauen nach oben schossen und er mich mit einem arroganten Blick bedachte, biss ich mir auf die Lippen. Nett, Sie kennenzulernen? Ernsthaft? Etwas Besseres war mir nicht eingefallen? Normalerweise war ich redegewandter.
„Setzen Sie sich“, bat er, hängte seinen Sakko über die Stuhllehne und ließ sich elegant mir gegenüber nieder. Er wartete, bis ich mich wieder setzte, und legte dann seine Hände aufeinander. Sein abwartender Blick ließ mich zur Seite sehen.
Himmel, war der einschüchternd. Allein sein Aussehen, das bei einigen Schauspielern wohl Neid hervorrief, brachte mich dazu, nervös an meiner Hose unsichtbare Fusseln abzuwischen.
„Sehen Sie mich an.“
Seine Stimme, die ein klarer Befehl war, ließ mich zusammenzucken. Mühsam schaffte ich es, den Blick zu heben, und verwünschte meine Entscheidung erneut. Seine Augen waren wie der Ozean und ich hatte das Gefühl, für einen Moment in einen Sog gezogen zu werden. Ich schloss die Augen und hörte plötzlich ein Rauschen, als wäre ich am Strand. Wenigstens funktionierte meine Fantasie in diesem Moment und zog mich von der ungewohnten Situation weg. Ich stellte mir vor, wie ich am Strand saß und den Wellen zusah, wie sie die Fußabdrücke von Spaziergängern wegspülten.
„Miss Miller.“
Mist, seine Stimme riss mich gerade aus dem Traum, dem ich mich lieber hingegeben hätte als einem Gespräch mit ihm. „Ja?“, fragte ich rau.
„Sehen Sie mich an.“
Innerlich stöhnte ich. Erneut diese Art von Befehl. Irgendwie brachte ich es fertig, meine Augen zu öffnen und ihn anzusehen. Dabei bemerkte ich, wie er mich durchdringend anstarrte. Seine Mundwinkel waren leicht nach oben verzogen und ich wusste im Moment nicht, ob er sich über mich lustig machte oder ob er mir ein aufmunterndes Lächeln schenken wollte.
„Es geht doch“, meinte er und klang zufrieden. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Miller. Was für einen Kaffee möchten Sie bestellen?“
Na, wenigstens das durfte ich noch allein entscheiden. Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, bevor ich mir die Karte schnappte und mich dahinter versteckte, indem ich sie hochhielt. Dadurch hoffte ich, einige Minuten Zeit schinden zu können und mich zu beruhigen.
Mit klopfendem Herzen begann ich die Karte – obwohl ich sie beim Warten bereits angesehen hatte – zu studieren, als ein Finger auftauchte und die Karte wie in Zeitlupe nach unten drückte. Mister Davis-Taylors Gesicht kam zum Vorschein. „Verstecken Sie sich?“, fragte er. Wenn ich richtig lag, klang er sogar spöttisch.
„Ich ... ein bisschen?“, konterte ich ungeschickt und fühlte, wie meine Hand zu zittern begann. Noch nie war ich so einem Mann begegnet, der mich von der ersten Sekunde an einschüchterte.
„Ich beiße nicht“, versicherte er lachend und zwinkerte, sodass sich winzige Grübchen um seinen Mund und seine Augen bildeten. Das ließ ihn weniger streng, sondern sympathisch und spitzbübisch wirken. „Noch nicht.“
„N-Noch nicht?“, wiederholte ich stotternd und musterte ihn schluckend. Sein gepflegter Dreitagebart ließ ihn attraktiv wirken, auch wenn ich kein großer Fan von Haarwuchs im Gesicht war. Bei ihm führte es zu einem seriösen und ernsten Erscheinungsbild. Das brauchte er sicherlich für sein Geschäft.
Sein dunkles Lachen hallte in meinen Ohren und ich sah mich erschrocken um. Hatten andere Gäste etwas mitbekommen? In ihren Gesichtern konnte ich nichts entdecken, was darauf hinwies. Sie schienen alle mit sich selbst beschäftigt, in Gespräche oder ihre Smartphones vertieft zu sein
Ein Schnipsen vor meiner Nase, gepaart mit einem: „Hier spielt die Musik“, ließ meine Aufmerksamkeit wieder zu Mister Davis-Taylor schweifen.
„Entschuldigung“, nuschelte ich und verbarg mich erneut hinter der Karte. Als er sich räusperte, ließ ich sie gehorsam wieder sinken. Mir war klar, dass ansonsten sein Finger wieder auftauchen würde.
„Ich erwarte, dass Sie mir Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken, Miss Miller“, sagte er mit ernster Stimme.
Jetzt legte ich die Karte auf den Tisch und sah ihn direkt an. „Wie darf ich das verstehen?“, fragte ich, wobei ich mir denken konnte, auf was er hinauswollte.
Bevor er etwas erwiderte, kam die Bedienung und nahm unsere Bestellung auf. Ich entschied mich für einen Cappuccino, während er einen Espresso nahm. Erst, als die Frau weg war, starrte er mich wieder an.
„Wenn wir uns treffen, werden Sie nur Augen für mich haben. Mir Ihre Aufmerksamkeit schenken und sich nicht ablenken lassen, wie Sie es im Moment tun.“
Klasse, das ging ja schon mal gut los. Ich seufzte in Gedanken, nickte aber. „Es tut mir leid. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Anzeige echt ist und bin eher davon ausgegangen, dass Sie ..., dass ...“, begann ich herumzudrucksen. Oh Mann, ich hatte nicht erwartet, dass ich noch einmal sprachlos sein würde.
„Dass ich was?“, fragte er mit einem Unterton, der mich zum Weiterreden aufforderte.
Unwohl knetete ich meine nassen Hände. „Ich möchte Sie nicht beleidigen“, flüsterte ich kaum hörbar. Wer wusste schon, wie er darauf reagieren würde?
„Reden Sie“, forderte er mich deutlich auf.
„Sie schüchtern mich ein“, klagte ich jammernd, wobei ich mich unbemerkt kleiner machte. Dieser Situation war ich, trotz meiner früheren Wortgewandtheit, nicht gewachsen. Dank meines Ex-Freundes brachte ich es oft nicht mehr fertig, meine Meinung zu vertreten oder offen zu sein. Nur bei meiner besten Freundin schaffte ich es, weil sie über alles Bescheid wusste. Sie verstand und verurteilte mich nicht.
„Nicht um den heißen Brei herumreden“, knurrte Mister Davis-Taylor.
Einige Sekunden bildete sich ein Kloß in meinem Hals, der mich nicht weitersprechen ließ, doch ich schaffte es, diesen niederzukämpfen. „Ich dachte, dass Sie ein alter, hässlicher Fettsack sind, der Gesellschaft braucht“, nuschelte ich.
„Reden Sie deutlicher, ich verstehe Sie nicht.“
Und ob er mich verstand! Er wollte mich nur bloßstellen! Mit seiner Art machte er mich wahnsinnig, aber auch wütend. Solche Leute mochte ich nicht, wenn sie andere gerne herumkommandierten. Das hatte ich genug und es war nicht das, was mir in Zukunft vorschwebte. Ich presste meine Lippen zusammen und schwieg.
Mister Davis-Taylor nahm meine Hand und drückte sie fest. „Miss Miller, ich will, dass Sie deutlich sprechen und nicht wie ein verängstigtes Kaninchen, das zur Schlachtbank geführt wird.“
Mein Blick blieb an seiner Hand, auf deren Handrücken ich ein Tattoo erblickte, hängen. Dornen und Rosen. Sie schlängelten sich um sein Handgelenk und verschwanden unter dem Hemdärmel. Ich mochte Tattoos, auch wenn ich selbst keine besaß. Was sie wohl für eine Bedeutung hatten? Um nicht wieder getadelt zu werden, riss ich mich zusammen und wiederholte meine Worte.
Plötzlich grinste mein Gegenüber. „So, so. Entspreche ich denn Ihren Vorstellungen?“, wollte er wissen. Erneut klang er verschmitzt und er erinnerte mich an einen Schuljungen, der gerade einen Witz machte.
Hastig, weil ich zuerst nichts hervorbrachte, schüttelte ich den Kopf. „Nein, überhaupt nicht, Mister Davis-Taylor“, sagte ich schließlich, weil ich glaubte, dass er mit einem Kopfschütteln nicht zufrieden war.
„Dann bin ich beruhigt“, grinste er breiter und lehnte sich lässig zurück. Wenn ich ihn richtig einschätzte, genoss er es, wenn andere ihm gehorchten und er die Kontrolle besaß.
Die Bedienung unterbrach das Gespräch, als sie die heißen Getränke brachte und sich erkundigte, ob wir noch etwas wollten. Auf unsere Verneinung hin ließ sie uns wieder allein.
„Erzählen Sie mir ein wenig von sich und warum Sie angerufen haben“, bat Mister Davis-Taylor mit einem Blick, der ein Kribbeln in mir auslöste.
Ich spürte eine Gänsehaut, die sich auf meinem Körper ausbreitete. Diese wollte ich mit einem Schluck des Cappuccinos vertreiben. Prompt verbrannte ich meinen Mund und meine Zunge. Qualvoll verzog ich das Gesicht und fuhr mir über die Lippen. Heute ging aber auch alles schief. „Es gibt nicht viel zu erzählen“, meinte ich diplomatisch, um unangenehme Themen zu umgehen. Er war sicherlich jemand, der gerne peinliche Fragen in der Öffentlichkeit stellte.
„Das entscheide am Ende immer noch ich, Miss Miller“, erwiderte er. Während er sprach, musterte er mich genau. Wäre ich gestanden, hätte er wohl eine Ganzkörpermusterung durchgezogen.
Erneut spürte ich ein Kribbeln, aber auch ein unangenehmes Gefühl. Ich mochte es nicht, so angestarrt zu werden. Ich musterte ihn ebenfalls schamlos. Nicht so offensichtlich wie er, aber mir fielen die breiten Schultern und die muskulösen Arme, die sich unter seinem weißen Hemd versteckten, sofort auf. Ob er wohl täglich dafür trainierte? Wenn er wüsste, dass ich mich in Gedanken mit solchen Dingen ablenkte, würde es ihm sicherlich nicht gefallen.
Um es schnell hinter mich zu bringen, erzählte ich ihm, dass ich Mitte zwanzig war, aber auch, wo ich aufgewachsen und zur Schule gegangen war. Ein langweiliges Thema, das ich generell nicht gerne ansprach. Auch meine Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel und einen Aufenthalt im Ausland erwähnte ich. Eigentlich war alles langweilig, weil nichts Aufregendes in meinem Leben geschah, dennoch hörte er scheinbar interessiert zu. Nebenbei bemerkte er, dass er 37 Jahre alt war.
Von einer Frau in der Nähe schnappte ich einen Wortfetzen auf, dass Mister Davis-Taylor heiß wie Feuer war. Eine andere kicherte daraufhin. Da die beiden nicht gerade leise sprachen, war ich mir sicher, dass er es mitbekam. Seine Augen und seine Aufmerksamkeit lagen jedoch nur auf mir. Ich musste zugeben, es imponierte mir, dass er die anderen völlig ignorierte. Das war ich nicht gewohnt, zumal mein Ex-Freund selbst in meiner Anwesenheit mit anderen geflirtet hatte.
Als ich mit meinem mageren Statusbericht fertig war, lehnte ich mich aufatmend zurück. Was für ein Interview! Das war wie eine Bewerbung.
Genüsslich nahm ich einen Schluck meines Cappuccinos. Dieses Mal, ohne mich zu verbrennen. Innerlich frohlockte ich, weil ich es meiner Meinung nach ganz gut hinbekommen hatte. Vor allem hatte ich es geschafft, ihm dabei in die Augen zu sehen. Darauf schien er großen Wert zu legen.
„Und wie sieht es privat bei Ihnen aus? Verheiratet? Freund?“, fragte er plötzlich.
Ich verschluckte mich und meine Wangen färbten sich rotweinähnlich. Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Vor Entsetzen brachte ich die ersten Sekunden nichts weiter als ein Stottern hervor, das keinen Sinn ergab. Fragte er allen Ernstes nach meinem Privatleben? Das ging ihn doch gar nichts an! Oder etwa doch?
„Ich warte auf Ihre Antwort“, sagte Mister Davis-Taylor mit einem süffisanten Grinsen und ich wusste sofort, dass er meine Schwachstelle herausgefunden hatte.
Ich hasste es, über private Dinge zu reden. Früher war ich oft genug in Fettnäpfchen getreten, die für mich am Ende nur große Enttäuschung und Ärger bedeutet hatten. Deshalb schwieg ich auch eisern und dachte verzweifelt darüber nach, wie ich dieser Situation entkommen konnte.
Nervös fischte ich nach meiner Tasche am Boden und grapschte nach meinem Smartphone, das mir allerdings immer wieder aus den Fingern rutschte. Ich fluchte. Hatte sich gerade die ganze Welt gegen mich verschworen? „Entschuldigen Sie, ein Anruf, den ich annehmen muss“, nuschelte ich undeutlich und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie er die Stirn runzelte und dann noch breiter grinste.
Kaum hielt ich das Smartphone in der Hand und wollte so tun, als würde ich mit jemandem telefonieren, nahm er es mir ab und drehte es mit dem Display nach unten neben seine Kaffeetasse. „Ein guter Versuch, abzulenken, Miss Miller. Haben Sie vergessen, was ich von Ihnen verlange?“, fragte er mit einer Stimme, die bei mir für Gänsehaut sorgte.
„A-Aber ...“, begann ich schwach zu protestieren, doch als er mit der Zunge fast schon tadelnd schnalzte, brach ich ab.
„Widersprechen Sie mir nicht. Sie bekommen keinen Anruf, sondern spielen mir etwas vor, weil Sie nicht antworten wollen“, bemerkte Mister Davis-Taylor nüchtern.
Ertappt senkte ich den Blick und spürte, wie meine Wangen glühten. „Ich möchte nicht darauf antworten. Es ist privat und ich trenne das strikt von der Arbeit“, erklärte ich und überlegte krampfhaft, wie ich mein Smartphone zurückbekommen konnte. Als seine Hand näherkam, beobachtete ich diese genau. Was hatte er jetzt vor? Machte er mit seinen Psychospielchen weiter?
Seine Fingerspitzen berührten meine Hand und ich bekam einen elektrischen Schlag, der mich zusammenzucken ließ. Das war nicht das Schlimmste. Seine Finger fuhren hauchzart über meine vor Nervosität erhitzte Haut. Damit löste er ein Kribbeln in mir aus, das mich schlucken ließ.
„Ich verstehe Ihren Punkt, aber für mich ist es wichtig zu wissen, ob Sie in einer Beziehung sind“, sagte er, wobei er scheinbar meine Reaktionen genau studierte.
Es war schwer, meinen Blick zu heben und ihn anzusehen. Ich wollte nicht antworten, hatte aber das Gefühl, dass er mich nicht in Ruhe lassen würde, bis ich mich geäußert hatte. „Zurzeit nicht.“ Das war meiner Meinung nach aussagekräftig genug. Langsam zog ich meine mittlerweile zitternde Hand zurück und vergrub mein Gesicht fast schon hinter meinem Cappuccino.
Seltsamerweise sagte er nichts, sondern ließ mich in Ruhe. Jedoch lag sein musternder Blick wie eine dunkle Wolke über mir, sodass ich hoffte, dass er mich bald gehen ließ.
Minutenlang saßen wir uns gegenüber, ohne etwas zu sagen, und doch wusste ich, dass er einiges wissen wollte. „Was denken Sie, könnte ich von Ihnen wollen, wenn wir einen Vertrag aufsetzen?“, fragte er plötzlich und brachte mich erneut aus dem Konzept.
Woher sollte ich das wissen? Er war doch der Arbeitgeber, nicht ich. „Ich ... weiß nicht“, antwortete ich und warf einen Blick an die Lampe an der Decke, um nachzudenken. Ihn anzusehen und nachzudenken war nicht möglich. Dazu lenkte er mich zu sehr ab. „Dass ich Zeit mit Ihnen verbringe und Sie auf Events begleite?“ So hatte ich das aus seinem Inserat herausgelesen.
„Unter anderem, ja.“ Überrascht sah ich ihn fragend an, was ihn scheinbar dazu aufforderte, weiterzusprechen. „Wenn ich Sie anrufe, halten Sie sich bereit. Ich warte nicht gerne. Seien Sie immer pünktlich und leisten Sie mir Gesellschaft, wenn ich mich danach sehne.“
„Was ist mit richtiger Arbeit?“, fragte ich vorsichtig, da es sich für mich eher anhörte, als würde etwas anderes dahinterstecken. Es konnte nicht sein Ernst sein, jemanden dafür zu bezahlen, nur damit er Gesellschaft hatte!
„Sie arbeiten, indem Sie Zeit mit mir verbringen. Ich erwarte nicht, dass Sie mein Haus putzen oder sonstiges. Einfach Gesellschaft leisten. Mit mir reden, einen Wein trinken, essen gehen, Kinobesuche, Auslandsreisen“, zählte Mister Davis-Taylor auf.
Mit großen Augen sah ich ihn an. „Und dafür bezahlen Sie mich?“, fragte ich atemlos. Das sollte doch ein Kinderspiel werden, so ein wenig Extra-Geld zu verdienen! Für solche Aktivitäten jemals bezahlt zu werden, hätte ich nie gedacht. Es war ein Traumjob, der sicherlich auch negative Seiten haben konnte. Aber es war schnelles Geld. Und das brauchte ich.
Er nickte. „Genau. Je nach Stunden und Dingen, die wir tun. Sie können sich jedoch sicher sein, dass ich Sie großzügig entlohnen werde.“
Ich schnappte nach Luft und nickte heftig. „Natürlich. Ich bin damit einverstanden“, versicherte ich, ohne mir bewusst zu sein, auf was ich mich wirklich einließ.
Mister Davis-Taylor beugte sich zu mir vor, sodass sein Aftershave einen Weg in meine Nase fand und mich benebelte. Es fiel mir schwer, meinen Kopf nicht zurückzuziehen. Sein Geruch, dazu seine strahlend blauen Augen und sein süffisantes Lächeln schüchterten mich erneut ein. Das ärgerte mich gewaltig! „Sind Sie sich sicher? Denken Sie ernsthaft darüber nach. Sie sollten sich im Klaren darüber sein, dass ich viel verlange. Unter anderem Ihre Aufmerksamkeit“, sagte er mit gedämpfter Stimme. Dabei schob er mir langsam, fast schon lauernd, das Smartphone zu.
Ich wollte schon danach greifen, doch im letzten Moment war mir klar, dass er mich testen wollte. Würde ich nach dem Gerät greifen, würde ich ihm nicht mehr die alleinige Aufmerksamkeit schenken. Deshalb richtete ich meinen Blick wieder auf ihn, sobald das Smartphone in greifbarer Nähe lag. „Ich werde es mir überlegen“, versprach ich ernst. „Aber ... würden Sie mich überhaupt nehmen?“, fragte ich eingeschüchtert. Nervös, weil ich nicht wusste, was er antworten würde, nestelte ich am Saum meines Ärmels herum.
Mister Davis-Taylor nickte. „Ja, ich würde Sie nehmen. Sie sind interessant und wie mir scheint eine gute Gesellschaft“, antwortete er und lehnte sich wieder zurück. „Ich lasse Ihnen den Vertrag per E-Mail zukommen. Lesen Sie ihn aufmerksam durch. Ich melde mich bei Ihnen.“
Perplex, dass er so schnell eine Entscheidung getroffen hatte, nickte ich und musste mich zusammenreißen, nicht einfach aufzustehen und zu jubeln. „Ich danke Ihnen“, flüsterte ich. Tatsächlich war ich davon ausgegangen, dass er mich nicht in Betracht zog, nachdem ich mich meiner Meinung nach danebenbenommen hatte. Es fiel mir jedoch schwer, mich in seiner Gegenwart locker zu geben.
„Reden Sie lauter, ich verstehe Sie nicht.“
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nur genuschelt hatte. Hastig wiederholte ich meine Worte und lächelte zaghaft.
Das schien ihn zu amüsieren, denn auch er lächelte.
Ich trank meinen Cappuccino aus und wollte nach meinem Smartphone greifen, da ich davon ausging, dass wir fertig waren. Allerdings hatte ich mich zu früh gefreut.
Er räusperte sich und sein auffordernder Blick ließ mich innehalten. „Was sind Ihre Hobbys?“
Innerlich seufzte ich. Dieses Thema … Irgendwie hatte ich das Gefühl, er wartete darauf, dass ich in ein Fettnäpfchen trat. „Ich schwimme gerne, gehe joggen und Schlittschuhlaufen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Eine Augenbraue hob sich und es wirkte, als wäre er mit den sportlichen Aktivitäten zufrieden. Da das wenige, wohl nicht überraschende Hobbys waren, fuhr ich fort. „Abgesehen vom Sport genieße ich es, am Strand spazieren zu gehen. Ein gutes Buch ist auch nicht zu verachten und ich habe nichts dagegen, bei schlechtem Wetter einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher mit einem Glas Wein zu verbringen.“ In Gedanken fügte ich hinzu, dass das letzte Hobby zurzeit nicht möglich war. Das wollte ich Mister Davis-Taylor jedoch nicht verklickern. Weder die Umstände noch die Gründe für eine Verhinderung des Hobbys gingen ihn etwas an.
Er rieb sich über seinen gepflegten Bart und lächelte charmant. „Würden Sie gerne andere Sportarten lernen?“, fragte er.
„Woran dachten Sie?“ Wenn er mit solchen ankam, bei denen ich akrobatische Verrenkungen vollführen musste, konnte er es vergessen. Ich besaß die Eleganz einer betrunkenen Ente. Gerade auf Schlittschuhen wirkte es, als wäre ich ein Tausendfüßler ohne Kontrolle in den Beinen. Obwohl ich vor einigen Jahren mit Schlittschuhfahren angefangen habe, schaffte ich es immer noch nicht, meine Füße elegant über das Eis gleiten zu lassen.
„Bogenschießen, Reiten und Segeln zum Beispiel.“
Überrascht hob ich meine Augenbrauen. Das waren Hobbys, die ich bisher nie in Betracht gezogen hatte. „Einen Versuch wäre es wert“, meinte ich nachdenklich. Ich nahm an, dass er neben solchen Aktivitäten viel Muskeltraining machte. Das würde ich jedoch vermeiden, sonst würde ich einige Wochen unbeweglich am Boden liegen bleiben.
Mister Davis-Taylor lächelte und nickte. „Wie geschickt sind Sie im Schlittschuhlaufen?“, erkundigte er sich.
Peinlich berührt zuckte ich zusammen und begann zu stottern. Das hatte ja kommen müssen!
„Miss Miller“, sagte er streng und ich räusperte mich.
„Sollten Sie nicht vorhaben, vor lauter Lachen in die Klapsmühle eingeliefert zu werden, rate ich Ihnen, mir nicht zuzusehen“, antwortete ich diplomatisch. Den Rest konnte er sich hoffentlich selbst denken. Dumm war er immerhin nicht.
Das erkannte ich auch, als er plötzlich kicherte und einen Schluck von seinem Kaffee nahm. „Sie haben mich überzeugt. Das werde ich mir zur passenden Zeit nicht entgehen lassen. Vielleicht lerne ich es dadurch“, meinte er mit einem Zwinkern, das mich rot werden ließ. Er hatte meinen Hinweis verstanden und ich wusste, dass er sich auf meine Kosten amüsieren würde.
„Ich sehe, dass wir einigen Spaß haben werden. Wie sieht es bei Ihnen mit Shoppen aus?“, wollte er wissen.
Ich ließ meinen Blick einen Moment lang zu seiner Hand schweifen und betrachtete das Tattoo, das unter seinem Ärmel hervorspickte. Das hatte es mir angetan. „Das tue ich gerne, wobei ich es auch genieße, einfach durch die Einkaufsstraße zu laufen und die Schaufensterläden zu betrachten.“ Viele Leute kamen mit jeder Menge Kleinkram oder Dingen, die sie nicht brauchten, von ihren Shoppingtouren zurück. Ich hingegen drehte jeden Penny zweimal um. Nicht nur, weil ich wenig Geld besaß, sondern auch, weil ich nicht viel brauchte. Solche überstürzten Käufe waren nichts für mich.
„Sehr gut. Das werden wir unter anderem tun“, sagte Mister Davis-Taylor und leerte seine Tasse.
Mit einer auffordernden Handbewegung bat er mich, meine E-Mail-Adresse aufzuschreiben. Allerdings hatte ich keinen Block zur Hand, weshalb ich vorschlug, am Tresen um einen zu bitten. Ich hoffte, seiner Präsenz wenigstens einige Sekunden entgehen zu können. Pustekuchen. Mit einer galanten Handbewegung zog er einen kleinen Block und einen Stift aus seiner Brusttasche. Ich verfolgte seine Bewegungen genau.
Mister Davis-Taylor lachte. „Ich bin immer vorbereitet“, meinte er zwinkernd.
Das klang zweideutig, aber ich wollte ihm nichts unterstellen. Dafür kannte ich ihn nicht. Mit zitternden Fingern nahm ich den Block an und schrieb meine Kontaktdaten auf.
„Ich lasse Ihnen den Vertrag noch heute zukommen“, sagte er und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, für die ich wohl mein Leben lang arbeiten müsste. Sie passte zu ihm und seinem Auftreten. Mister Davis-Taylor stand auf und hielt mir seine Hand hin. „Es war schön, Sie kennenzulernen. Ich bin mir sicher, wir werden tolle, gemeinsame Stunden miteinander verbringen.“
Auch jetzt klang seine Stimme zweideutig, aber ich wollte nicht weiter darüber nachdenken. Nicht nach all den Enttäuschungen und Ängsten. Ich durfte mir nichts anmerken lassen.
Schnell stand ich auf und warf ihm ein Lächeln zu, während ich beteuerte, dass die Freude ganz auf meiner Seite war. Gleichzeitig war ich unendlich froh, dieses Treffen hinter mich gebracht zu haben. Ich hoffte, dass das nächste weitaus weniger peinlich verlaufen würde als dieses.
Sein fester Händedruck holte mich wieder in die Wirklichkeit zurück und ich wollte ihm meine Hand entziehen. Allerdings ließ er es nicht zu, sondern hob sie an seine Lippen. Ein sanfter, aber gleichzeitig fordernder Kuss darauf sorgte für einen Schauer, der mir den Rücken herunterlief. Plötzlich spürte ich ein leichtes Saugen an meiner Haut. Ruckartig zog ich sie zurück, als hätte ich mich verbrannt. So ähnlich fühlte es sich auch an. Ein kleines Pochen und Brennen breitete sich auf meinem Handrücken aus. Was zur Hölle hatte er getan? Mit einem Blick auf die Haut sah ich einen blassen, rötlichen Ring. Genau so, als hätte er mir einen Knutschfleck verpasst.
Mit heißen Wangen kramte ich in meiner Handtasche, um mein Getränk zu bezahlen, wurde von ihm aber aufgehalten. „Ist schon bezahlt“, sagte er und zwinkerte erneut.
Stirnrunzelnd warf ich ihm einen unsicheren Blick zu. Wann hatte er bezahlt? Vielleicht schon im Voraus, aber er hatte doch nicht gewusst, was ich trinken würde. Ich wollte schon protestieren, aber er hielt mir seinen warmen Finger, der mir sein Aftershave näherbrachte, an meine Lippen. Genau an dieser Stelle spürte ich ein angenehmes Kitzeln und ich musste mich zusammenreißen, nicht zu seufzen.
„Vielen Dank, Mister Davis-Taylor“, brachte ich heiser hervor.
Mit einem Nicken senkte er seine Hand und lächelte mich süffisant an. Irgendwie auch verheißungsvoll, doch das versuchte ich zu ignorieren. Er deutete eine leichte Verbeugung an und verließ das Café.
Ich blieb an Ort und Stelle stehen und blickte ihm nach. Von ihm wusste ich – außer, dass er 37 Jahre alt war – bisher nichts. Wir hatten lediglich über mich gesprochen. Ob das Absicht gewesen war? Vielleicht hatte ich zu viel gesprochen, aber als ich das Gespräch noch einmal Revue passieren ließ, bemerkte ich, dass er mir viele Fragen gestellt hatte, sodass ich gar nicht dazu gekommen war, ihm Gegenfragen zu stellen. Was wohl hinter seinem Verhalten steckte? Eins war jedoch klar: Dieser Mann ist immer für eine Überraschung gut und ich nahm mir vor, wirklich nichts anderes zu tun, als ihm Gesellschaft zu leisten!
Nach dem ersten Treffen mit Mister Davis-Taylor brauchte ich dringend einen Drink und meine beste Freundin Tatjana. Mit ihr konnte ich über das Treffen sprechen. Tatjana würde bestimmt offen und ehrlich ihre Meinung dazu kundgeben.
Ich klingelte an ihrer Tür Sturm und wartete ungeduldig, dass sie aufmachte. Das Bellen ihrer Hundedame Sweety begleitete das Klingeln und ich musste grinsen, als ich Tatjana schimpfen hörte.
Kaum öffnete sich die Tür einen Spalt, sprang die Golden Retriever Hündin heraus und umschmeichelte meine Beine. Anfangs hatte ich Tatjana mit der Behauptung, Sweety wäre eine Katze und kein Hund, aufgezogen. Mittlerweile wusste ich, dass die Hundedame einfach zu faul war, Leute anzuspringen. Was aufgrund ihrer Größe auch gut war.
„Komm herein, sofern Sweety dich lässt“, bemerkte Tatjana lachend und ließ mich allein.
Ich sah ihr nach und lächelte. Da ich genau wusste, dass die Hündin mich nicht in Ruhe lassen würde, bis ich sie ausgiebig begrüßt hatte, widmete ich mich ihr zuerst. Ich ließ meine Hände über das weiche Fell gleiten und wurde zum Dank abgeschleckt. An Sweetys Kopf angekommen, kraulte ich sie hinter den Ohren. Ihr Schwanzwedeln, aber auch ein zufriedener Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht sprachen Bände. Es wirkte, als würde sie lächeln und ich gab ihr einen Kuss auf die feuchte Schnauze. Es tat gut, dass sich die Hündin immer freute, mich wiederzusehen. Dabei war mein letzter Besuch erst zwei Wochen her. Im Hundeleben war das wohl eine Ewigkeit.
Sobald sich Sweety streckte und gähnte, wusste ich, dass die Begrüßung vorbei war. Langsam trottete die Hündin zurück ins Haus. Ich strich mir die Hundehaare von der Hose und folgte ihr.
Ein leckerer Geruch, den ich noch nicht ganz zuordnen konnte, lag in der Luft und ich sog ihn tief ein. Tatjana konnte ausgezeichnet kochen. Nicht nur modern und fettarm, sondern auch deftig und etwas für die Seele. Es war stets ein Genuss, bei ihr zu essen.
Ich folgte dem Geruch bis in die Küche und lächelte. Tatsächlich stand Tatjana am Herd und rührte in einem Topf herum. „Also, schieß los, was hat es mit diesem Sugar Daddy auf sich?“, wollte sie neugierig wissen.
Stirnrunzelnd stellte ich mich neben sie, um den Inhalt des Topfes zu betrachten. In einer braunen Soße köchelten Fleisch und Gemüsestücke und ich quietschte entzückt, als Tatjana mir einen Löffel zum Kosten hinhielt. „Keine Frage, wie es mir geht?“, neckte ich und seufzte leicht gequält. Mir war klar, dass Tatjana nicht um den heißen Brei herumredete.
Während sie begann, den Tisch zu decken, schnitt ich das Brot in Scheiben und erzählte ihr alles. Nicht in Kurzfassung wie ursprünglich geplant, da Tatjana alles bis ins kleinste Detail wissen wollte. „Und er ist tatsächlich der Chef von Thrilling Festive?“, fragte sie am Ende meiner Erzählung.
Bekümmert nickte ich und ließ mich auf dem Stuhl nieder. „Er war so einschüchternd und irgendwie habe ich das Gefühl, es wird nichts, aber ich brauche das Geld.“ Niedergeschlagen fuhr ich mir durch mein blondes Haar und seufzte erneut.
Tatjana legte ihren Finger unter mein Kinn, drückte es nach oben und sah mich mit ihren grünen Augen eindringlich an, als würde sie mich hypnotisieren wollen. Das hatte sie früher schon gerne getan, wenn sie mir etwas klarmachen wollte. „Süße, er ist ein Sugar Daddy. Er wird dafür sorgen, dass es dir gut geht und du keine Geldprobleme mehr hast. Sofern du den Vertrag natürlich einhältst“, sagte sie und klang überzeugt.
Tatjana sprach aus Erfahrung. Nach einigen schiefgelaufenen Beziehungen hatte sie es mit einem Sugar Daddy versucht. Mit diesem hatte sie sich gut verstanden und die gemeinsamen Stunden hatten ihr Konto gut wachsen lassen. Sex war ein Teil davon gewesen, aber der Senior hatte sich meistens nach Gesellschaft gesehnt. Dank ihm war Tatjana in der Welt herumgekommen und hatte nach seinem Ableben eine kleine Summe von ihm geerbt. Das war überraschend gewesen, aber damit hatte sie sich ihren Traum vom Eigenhaus bereits mit 23 Jahren erfüllen können. Bald darauf hatte sie ihren Mann Erik kennengelernt und war seitdem glücklich verheiratet.
„Also meinst du wirklich, ich soll mich darauf einlassen? Auch, wenn er so einschüchternd und fordernd ist?“, fragte ich unsicher. Mein Ex hatte mir mit seiner einschüchternden, bedrohlichen Art keine schöne Zeit beschert und ich hatte Angst, dass es sich wiederholen würde.
Tatjana nickte. „Du solltest es zumindest versuchen. Vielleicht ist er ganz anders, als er sich gegeben hat. Und nun komm. Iss etwas, du bist blass“, bat sie und schöpfte mir eine großzügige Portion auf den Teller.
Dankbar lächelnd schnappte ich mir eine Brotscheibe und genoss die Mahlzeit in vollen Zügen. Irgendwie gab mir das warme Essen ein beruhigendes Gefühl. Nach dem Essen verkrümelten wir uns ins Wohnzimmer und ich trank mit Tatjana Kaffee. Es war schön, mich mit ihr zu unterhalten und von den letzten Wochen zu erzählen. Unter anderem erwähnte ich auch den penetranten Gestank in meiner Dachwohnung, obwohl ich regelmäßig lüftete.
„Wenn du es nicht aushältst, zieh zu uns. Für eine Weile können wir schon zusammenrücken“, meinte Tatjana. Der liebgemeinte Vorschlag kam überraschend, aber ich lehnte ab.
„Das ist lieb, aber ich möchte kein Eindringling sein“, gestand ich mit dem Blick auf das schwarze Gebräu in meinen Händen. Dank meinem Ex Damon hatte ich genau dieses Gefühl, wenn ich irgendwo hinging. Selbst bei Tatjana glaubte ich oft, in ihre Privatsphäre einzudringen, wenn ich sie besuchte. Sie war die einzige, verbliebene Freundin, die mich trotz Damons Versuchen, uns auseinanderzubringen, nicht im Stich gelassen hatte.
„Jade, du weißt genau, dass das nicht stimmt. Wenn du uns brauchst, sind wir da. Ich denke nicht, dass Erik etwas dagegen hätte, wenn du vorübergehend bei uns lebst. Und die Kinder würden sich auch freuen“, bemerkte Tatjana. Sie legte einen Arm um mich und sah mich aufmunternd an. „Du weißt doch: So schnell wirst du mich nicht los. Da müssen schon Panzer kommen und keine Ersatzteile wie Damon, um uns auseinanderzubringen.“
Zaghaft lächelnd lehnte ich mich an meine beste Freundin und seufzte. „Danke, Tatjana“, flüsterte ich. Dankbar, solch einen Menschen in meinem Leben zu haben, erzählte ich ihr von dem erneuten, fehlgeschlagenen Versuch, meinen Vater zu erreichen.
„Schon seit Monaten geht er nicht mehr ans Telefon und seit Neuestem ist die Nummer scheinbar nicht mehr erreichbar“, meinte ich bedrückt. Mir fehlte mein Vater, der sich nach der Scheidung irgendwo abgesetzt hatte. Niemand wusste, wo er war. Anfangs hatten wir noch regen Kontakt gehalten, wobei er eisern über seinen Aufenthaltsort geschwiegen hatte. Irgendwann waren die Anrufe seltener geworden, was auch an Damon lag, der mir oft das Smartphone aus der Hand genommen hatte, wenn ein Anruf eingegangen war.
Mitleidig streichelte Tatjana meine Hand. „Ach, Süße“, sagte sie mitfühlend und seufzte. „Vielleicht hat er sein Smartphone verloren und musste sich ein neues anschaffen“, mutmaßte sie.
Das war möglich, dennoch ließ das meine Sehnsucht nach meinem Vater nicht weniger werden. „Mir würde es reichen, wenn ich wüsste, dass es ihm gut geht“, flüsterte ich und erlaubte mir, meinen Tränen freien Lauf zu lassen. Bei Tatjana musste ich mich nicht verstellen und sie war für mich da, bis ihr Mann und ihre Kinder nach Hause kamen.
Das war das Zeichen, dass ich gehen sollte. Allerdings bat mich Erik, mit ihnen noch gemeinsam zu Abend zu essen. Trotz der ordentlichen Portion hatte ich erneut Hunger und nahm die Einladung an. Erik bot mir sogar an, mich danach nach Hause zu fahren. Das war gut, denn als ich mich endlich verabschiedete, war es bereits später Abend. Die Kinder waren bereits zu Bett gegangen und hatten uns Erwachsenen ein wenig Zeit für sich gelassen. Jetzt war ich allerdings froh, nach Hause zu kommen. Ob ich überhaupt ein Auge zumachen konnte, würde sich noch herausstellen.
Bereits am Abend hatte ich die E-Mail in meinem Postfach. Zu müde, um den Vertrag aufmerksam zu lesen, warf ich nur flüchtig einen Blick darauf, aber am nächsten Tag gönnte ich mir ein paar ruhige Minuten, um ihn ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Ich wollte nicht, dass ich etwas übersah, das sich im Kleingedruckten versteckte. Nach zweimaligem Durchlesen nickte ich zufrieden. Das, was Mister Davis-Taylor angesprochen hatte, stand auch darin. Ich fand nichts Verborgenes oder Unverständliches.
Ich nahm mir dennoch vor, mir mit der Entscheidung Zeit zu lassen. Die wollte ich auf keinen Fall überstürzen.
Zudem hatte ich einiges zu tun. Nach der Arbeit klapperte ich einige Läden ab, um mich zu erkundigen, ob Aushilfen gesucht wurden. Die Antworten waren allerdings niederschmetternd und ernüchternd.
Abgekämpft und mit dampfenden Füßen kam ich abends nach Hause und öffnete sofort das Fenster. Die stehende, heiße Luft raubte mir den Atem. Seufzend schnappte ich nach frischer Luft und sah in den dunkler werdenden Himmel. Von unten nahm ich Geschrei und Gehupe wahr und ich verdrehte die Augen. Nicht einmal abends fand ich hier oben Ruhe. Als mein Smartphone einen Ton von sich gab, bemerkte ich eine E-Mail von Mister Davis-Taylor. Was wollte er jetzt schon wieder?
Anstatt die Nachricht zu öffnen, beschloss ich, duschen zu gehen. Durchgeschwitzt klebte mir die Kleidung am Leib und alles, was ich wollte, war eine erfrischende Dusche. Diese wurde mir jedoch verwehrt. Mein Vermieter hatte bisher scheinbar keine Zeit gefunden, sich um das Problem zu kümmern.
Missmutig schnappte ich mir eine Cola aus dem Kühlschrank und ließ mich auf die Couch plumpsen. Erneut gaben die Sprungfedern quietschende Geräusche von sich, was mich gereizt werden ließ.
Nach einem Schluck des koffeinhaltigen Getränks öffnete ich schließlich die E-Mail. In dieser wollte Mister Davis-Taylor wissen, ob ich den Vertrag gelesen hatte. Scheinbar hatte er es eilig. Ich hingegen jedoch nicht, weshalb ich erst einmal auf eine Antwort verzichtete.
Eine fatale Entscheidung: Nicht einmal zehn Minuten später erschien seine Nummer auf dem Display. Seufzend nagte ich an meiner Unterlippe und nahm den Anruf entgegen.
„Jadelyn Miller“, meldete ich mich.
„Guten Abend, Miss Miller. Warum antworten Sie mir nicht?“, fragte er ohne Umschweife. „Ich sehe, Sie haben meine E-Mails gelesen, aber es kommt keine Antwort.“
Aha, er war also ein Stalker. Oder ein Wachhund, der akribisch darauf achtete, dass man ihn beachtete. Ich versuchte jedoch freundlich zu klingen, als ich meinte, dass ich im Moment beschäftigt war und Zeit brauchte, um den Vertrag zu lesen. Eine kleine Notlüge, um mir Zeit zu verschaffen, damit ich letztendlich sicher war, ob ich den Vertrag einging oder nicht.
„Eine kurze Mitteilung wäre mir trotzdem recht, Miss Miller.“
Jetzt konnte ich das Seufzen nicht mehr unterdrücken. „Hören Sie, Mister Davis-Taylor, ich werde Ihnen Bescheid geben. Ich habe erst angefangen, den Vertrag zu lesen. Es war viel zu tun und ...“
Er räusperte sich und ich wurde augenblicklich still. „Sie sollen sich nicht erklären, sondern einfach den Vertrag lesen. Bis morgen haben Sie Zeit und ich erwarte eine Antwort innerhalb von 24 Stunden. Ist das klar?“
„Ja“, brachte ich, trotz der Entfernung eingeschüchtert, heiser hervor. Er erinnerte mich an meinen Stiefvater, der absoluten Gehorsam und keine Widerrede verlangte. Und nicht nur er. Unangenehme Gedanken an Damon, die ich stets wegschob, schlichen sich in meinen Kopf und setzten sich fest.
„Dann wünsche ich Ihnen noch eine angenehme Nachtruhe, Miss Miller.“
Er wartete erst gar nicht meine Verabschiedung ab, sondern legte auf. Sekundenlang hielt ich das Smartphone an mein Ohr gedrückt und starrte die Wand an. Wie sollte ich jetzt noch eine angenehme Nachtruhe finden? Der Typ war gnadenlos und eindeutig nicht geduldig. Was hatte ich nur angestellt, dass ich an solche Leute geriet?
Erneut versuchte ich, meinen leiblichen Vater anzurufen. Er würde meine Zweifel sicher verstehen. Mit klopfendem Herzen wartete ich auf das Klingelzeichen. Vergeblich. Erneut die Stimme, die mir zum x-ten Mal verklickerte, dass die Nummer nicht mehr vergeben war.
Mit Tränen in den Augen ging ich zu Bett und versuchte, die Einsamkeit und Traurigkeit nicht überhandnehmen zu lassen.
Wie Mister Davis-Taylor gewünscht hatte, bekam er am nächsten Tag meine E-Mail mit der Bestätigung, dass ich mit dem Vertrag einverstanden war. Nach dem Absenden fühlte ich mich erleichtert und hoffte, dass er mich nicht ständig kontaktieren würde.
In den darauffolgenden Tagen bekam ich allerdings immer wieder Kurznachrichten oder Anrufe von ihm. In diesen erkundigte er sich um mein Wohlergehen. Das fand ich überraschend angenehm. Außer von Tatjana und meinen Arbeitgebern war ich es nicht gewohnt, dass jemand wissen wollte, wie es mir ging.
Was mich ebenfalls überraschte, war, dass er mir seine Hilfe anbot. Diese lehnte ich jedoch ab. Hilfe von anderen anzunehmen, fiel mir immens schwer. Dabei brauchte ich sie wirklich. Mein Vermieter hatte die Dusche immer noch nicht repariert. Er meinte, dass er die Ersatzteile bestellt hätte, diese aber noch nicht geliefert worden wären.
Das hieß, ich würde noch einige Zeit öffentliche Duschen oder die im Restaurant in Anspruch nehmen müssen.
Ich überlegte sogar, ob ich den überzogenen Mietpreis durch die kaputte Dusche senken konnte, doch Danny machte mir einen Strich durch die Rechnung. Er war zu keinem Kompromiss bereit.
Zu Hause nicht duschen zu können, war ein Übel, mit dem ich mich arrangieren musste. Was mir mehr zusetzte, war der Verdacht, dass Danny in meiner Abwesenheit in meinen Sachen herumgewühlt hatte, als er sich um die Dusche kümmern sollte. Mir war aufgefallen, dass zwei Kleidungsstücke nicht am selben Platz wie am Morgen gelegen hatten. Nachweisen konnte ich ihm nichts, da ich es in meiner Schlaftrunkenheit selbst verlegt haben konnte.
Leider konnte ich meine Habseligkeiten nicht wegsperren. Dazu gab es keinen geeigneten Schrank oder Schublade.
Am Mittwochnachmittag ging ich nach der Arbeit zum Joggen in den Park. Mit Amber hatte ich ausgemacht, danach noch einmal im Restaurant zu duschen. Sie war so nett und hatte mir angeboten, sogar in ihrer Wohnung oberhalb des Restaurants zu duschen. Das hatte ich jedoch abgelehnt. Die Dusche im Restaurant reichte aus.
Ich fühlte mich angespannt und musste mich nach den stressigen Tagen abreagieren. Da kam der Sport gerade recht. Jedoch brachte er nicht den gewünschten Erfolg.
Völlig aus der Puste und mit Seitenstechen ließ ich mich schließlich auf einer Parkbank nieder. Obwohl die Sonne nicht schien, war es drückend warm. Am Horizont stiegen bereits dunkle Wolken auf, aber selbst die brachten mich nicht dazu, mich zu erheben und weiterzugehen. Ich musste dringend wieder mehr Sport treiben. Wenigstens fühlte ich mich ein wenig besser, als ich den Enten dabei zusah, wie sie gemütlich ihre Runden auf dem See drehten.
Mein Smartphone vibrierte und ich ging ran, ohne nachzusehen, wer anrief. Unter anderem, weil mir der Schweiß in die Augen lief und brannte. „Jadelyn Miller.“
Einen Moment lang herrschte am anderen Ende der Leitung Stille, bevor ich Mister Davis-Taylors Stimme vernahm. „Geht es Ihnen nicht gut? Sie hören sich erschöpft an.“
Hastig versicherte ich, dass ich nur gejoggt war. „Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Wie kann ich Ihnen helfen?“, wollte ich freundlich wissen.
„Ich möchte, dass Sie Samstag zu mir kommen. Dort können Sie den Vertrag unterschreiben. Gleichzeitig können Sie sich mein Haus ansehen und ein wenig Zeit mit mir verbringen“, sagte er.
Das kam unerwartet und Verzweiflung stieg in mir auf. Wieso musste denn alles so schnell gehen? „Natürlich. Nennen Sie mir eine Uhrzeit. Ich werde pünktlich sein“, antwortete ich, dabei an den Vertrag denkend. Zwar war er noch nicht in Kraft getreten, doch ich ging davon aus, dass er selbst ohne ihn auf Pünktlichkeit achtete.
„Nennen Sie mir Ihre Adresse, Miss Miller. Ich werde jemanden schicken, der Sie abholt“, sagte er mit einer auffordernden Tonlage.
Verdammter Mist! Ich konnte ihm doch nicht meine Adresse zur Nuttenbude geben! Meine Verzweiflung stieg. Mir musste dringend etwas einfallen. Stotternd begann ich, über das Wetter zu reden, um Zeit zu schinden.