Tiere, vor denen man Angst haben muss - Alina Herbing - E-Book

Tiere, vor denen man Angst haben muss E-Book

Alina Herbing

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Beschreibung

Große Literatur über den Rollentausch zwischen Eltern und Kindern und die Frage, was ein gutes Leben ausmacht   Eine der aufregendsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ist zurück: Tiere, vor denen man Angst haben muss erzählt vom Aufwachsen zweier Schwestern auf einem mecklenburgischen Hof in den Neunzigerjahren, wo sich die Grenzen zwischen den Generationen und zwischen Natur und Zivilisation immer mehr auflösen.   Der Herbst setzt ein, und Madeleine friert. In ihrem Zimmer steht ein qualmender Ofen, doch meist muss sie sich mit einer Wärmflasche begnügen. Madeleine lebt mit ihrer Schwester Ronja und ihrer Mutter auf einem maroden Hof im Norden Mecklenburgs. Als die Familie kurz nach der Wende von Lübeck hierherzog, erfüllte sich die Mutter ihren Traum vom antikapitalistischen Leben auf dem Land. Erst ging der Vater, dann die Brüder, nun bevölkern zahlreiche Tiere das Haus, denen die Mutter all ihre Zuwendung schenkt. Während Madeleine ihre Träume im Quelle-Katalog ankreuzt und auf das wartet, was andere die beste Zeit des Lebens nennen, bleibt den Mädchen immer weniger Raum zum Leben. Wie soll Madeleine das Haus und die Familie zusammenhalten, wenn ihre Mutter ständig weg ist und Tiere und Pflanzen durch alle Ritzen dringen? Und wie soll sie so den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft finden?   »Eine berührende Heldin, der man gebannt folgt auf ihrer Suche nach Geborgenheit.« Kristine Bilkau    »Eindringlich, berührend und mit einem zwingenden, unvergesslichen Ende.« Frank Menden, Buchhandlung stories!, Hamburg

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Seitenzahl: 249

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Alina Herbing

Tiere, vor denen man Angst haben muss

Roman

S. 7.: Zitat aus Mary MacLane, Ich erwarte die Ankunft des Teufels, übersetzt von Ann Cotten, Reclam Verlag, Stuttgart 2020, S. 35

ISBN978-3-7160-2818-6

Originalausgabemeta

© 2024 Arche Literatur Verlag, ein Imprint der Atrium Verlag AG, Zürich

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: DIEK Design / Sarah M. Hensmann, Jemgum

Covermotiv © Ian Lanterman

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-03790-150-2

 

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Für meine Geschwister

Doch obwohl wir Gabeln haben, sind wir nicht glücklich.

 

Mary MacLane, »Ich erwarte die Ankunft des Teufels«

(Deutsch von Ann Cotten)

Meine Mutter hatte mich nicht eingeschlossen. Doch hinter der einzigen Tür, durch die ich mein Zimmer hätte verlassen können, lief dieser riesige Hund auf und ab. Ich konnte seine knackenden Gelenke hören und die Tatzen auf dem Steinboden. Meine Stirn hatte ich gegen das Holz der Tür gelegt. Ich atmete so leise wie möglich. Sein Atem hingegen war laut. Er sog die Luft durch die Nase, als würde er meinen Körpergeruch inhalieren.

»Es ist deine eigene Schuld«, hatte meine Mutter mir schon so oft gesagt. »Die Hunde merken, dass du Angst hast. Du musst freundlich und freudig auf sie zugehen, dann passiert dir nichts. Sprich mit hoher Stimme, als wärst du ihre Mutter und sie deine Welpen.« Und ich hatte mich auf einer Decke gesehen, umgeben von fiependen kleinen Hunden, die nach meinen Zitzen suchten.

Ich legte meinen Zeigefinger auf die Türklinke. Brutus fing an zu knurren. Ich nahm den Finger wieder weg, und das Knurren verstummte. Bis jetzt war ich ihm immer entkommen. Als Ralf ihn das zweite Mal mitgebracht hatte und Brutus in der Diele mit fletschenden Zähnen auf mich zugelaufen war, hatte ich mich gerade noch so in den Flur retten und die Tür hinter mir zuschlagen können. Bei kleinen Hunden stellte ich mich nicht so an, aber Brutus war so groß wie ein Kalb und hatte den Körper und die Färbung eines Rottweilers.

Ich war schon zwei Mal von Hunden gebissen worden. Das erste Mal von einem Terrier, der mich von hinten ansprang, als ich durch den Flur ging. Meine Mutter saß rauchend am Küchentisch und telefonierte, als ich ihr die blutenden Punkte zeigte. »Ja, ja, verstehe«, sagte sie nur weiter in den Telefonhörer und pustete den Rauch in die blaue Küchenluft. »Ja, ja, das geht so nicht.«

Als ich begriff, dass sie nicht mit mir sprach, wusste ich auch, sie würde keine Anstalten machen, das Telefonat zu beenden. Ich ging in die Speisekammer, fand in dem Schränkchen neben dem Kühlschrank eine klebrige Flasche Jod, die Mitte der Achtzigerjahre abgelaufen war, setzte mich auf den Stuhl, auf den wir stiegen, um an die oberen Regalfächer zu kommen, und tupfte mir die rotbraune Flüssigkeit mit einem Taschentuchfetzen auf die Wunden. Jetzt waren es nur noch zwei schrumpelige Narben.

Auch von dem zweiten Biss habe ich eine Narbe, am linken Arm. Meine Mutter hatte mich von der Schule abgeholt, mit irgendeinem Mischling auf dem Beifahrersitz, der nicht so aussah, als würde er freiwillig wieder auf die Rückbank springen.

»Na komm, mein Kleiner«, sagte sie nur, als ich die Autotür aufmachte. »Du musst jetzt leider wieder hinten sitzen.«

Aber der Hund bewegte sich nicht. Er saß hechelnd da, als müsste er nur stur genug sein und sitzen bleiben, bis ich nachgab.

»Geh jetzt nach hinten!«, sagte meine Mutter. »Na los.« Als er immer noch nicht hörte, holte sie ein Schweineohr aus dem Handschuhfach und warf es auf die Rückbank. Der Hund sprang sofort hinterher, und ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Um mehr Platz zu haben, legte ich meinen Turnbeutel nach hinten, und der Hund biss zu.

»Mama!«, sagte ich und hielt den Arm, an dem der Hund hing, so still wie möglich.

»Aus, Streuner!«

Meine Mutter gab ihm einen Klaps auf den Kopf, Streuner ließ los. Mein Ärmel war eingerissen und voller Hundespucke. Das Loch in der Haut, das zum Vorschein kam, als ich den Ärmel nach oben schob, sah tiefer aus, als es sich angefühlt hatte. Blut stand bis oben hin. »Das desinfiziere ich dir zu Hause«, sagte meine Mutter. »Hundebisse darf man eh nicht nähen.«

Ich fing an zu weinen. Nicht, weil es wehtat, es brannte nur ein bisschen.

»Der dachte, du willst ihm sein Schweineohr wegnehmen«, sagte meine Mutter und fuhr los. »Bleib jetzt einfach still sitzen.«

Ihre Arme waren übersät von blauen Flecken und Blutergüssen in den unterschiedlichsten Farben. Ihr rechter Ringfinger stand krumm vom Lenkrad ab, das Gelenk unterhalb des Nagels war schorfverkrustet.

Dass sie zum Arzt gehen sollte, hatte ich ihr schon zu oft gesagt.

»Was soll der denn machen?«, sagte sie dann nur.

Das sagte sie auch, wenn ich wegen irgendetwas zum Arzt gehen wollte. Zum Beispiel, als ich nach einem Fahrradunfall meinte, mir die Rippen gebrochen zu haben. Ein paar Wochen fühlte ich ein Stechen beim Atmen und im Sportunterricht. Erst ein Jahr später, als ich Brüste bekam und begann, mir meinen Körper genauer anzusehen, merkte ich, dass mein Brustkorb auf der einen Seite anders aussah. Die unteren Rippen hatten einen Knick und wölbten sich ein bisschen nach außen.

Da meine Mutter früher als Intensivkrankenschwester gearbeitet hatte, glaubte sie, genug über Krankheiten und Knochenbrüche zu wissen, um uns alleine versorgen zu können. Sie brachte abgelaufene Medikamente mit nach Hause, die der Auffangstation gespendet worden waren, und behandelte sich und uns damit. Einmal hatte sie zwei Tage lang Halluzinationen, weil sie irgendein Medikament genommen hatte, das eigentlich nur für Hunde und Katzen bestimmt war.

 

Ich hörte Brutus’ Tatzen auf dem Steinboden, das Knacken seiner Glieder, aber das änderte nichts. Niemand hatte mein Klopfen und Rufen gehört, da war ich mir sicher, und meine Blase fühlte sich mittlerweile unerträglich voll an. Meine Mutter war nicht zu Hause, und selbst wenn Ralf da gewesen wäre, hätte er mich nicht befreit. Ronjas Zimmer lag auf der anderen Seite des Flurs. Sie hatte genauso viel Angst vor Brutus wie ich. Was hätte sie tun sollen? Sie konnte von ihrem Zimmer aus zwar in die Speisekammer und von dort in die Küche, aber auch die führte letztendlich nur wieder auf den Flur.

Ich ging zum Fenster. Die Lindenblätter verfärbten sich langsam. Noch nahmen sie mir die Sicht auf die Straße, aber im Winter würde ich bis zum Dorfplatz gucken können. Ich öffnete das Fenster, lehnte mich raus, um das Treppengeländer am Hauseingang zu erreichen, aber ich kam nicht ran. Schon als Kind hatte ich ein paar Mal fast versucht, daran hinunter in den Garten zu klettern, mich dann aber doch nie getraut. Ich sah, dass Ronjas Fenster offen stand. Sie konnte aus ihrem Zimmer auf das Dach der Hundehütte steigen und in den Garten springen. Ich hatte nur drei klapprige Mülltonnen auf meiner Seite, die zu weit weg standen.

Auch das Häuschen, in dem das Plumpsklo war, konnte ich von meinem Fenster aus gerade so sehen, wenn ich mich weit hinauslehnte. Auf der Weide, auf der es stand, lebten Hänsel und Gretel, zwei Wildschweine, die tagsüber meistens schliefen, nachts aber den Boden umpflügten. Dort gab es kaum noch Gras, sondern nur noch Matsch. Es war nicht so, dass ich besonders gern aufs Plumpsklo ging, es stank nach einer Mischung aus Staub, Gülle und Ammoniak, und wenn du nicht schnell genug über die Weide liefst, waren Hänsel und Gretel bei dir und stießen ihre matschigen Nasen gegen deine Beine, aber das Plumpsklo war das einzige Klo, das wir hatten.

Ich nahm die Tasse vom Schreibtisch, trank den letzten Schluck kalten Früchtetee und hockte mich darüber. Als die Tasse fast voll war, hörte ich auf zu pinkeln, beugte mich über das Fensterbrett und schüttete sie in den Garten aus. Dann das Ganze noch mal und noch mal und noch mal, bis meine Blase leer war.

Mit einer Hand zog ich mir schließlich die Hose hoch, bis sie gerade so meinen Po bedeckte und mein Slip noch irgendwo eingerollt darunter hing. Ich schüttete den letzten Rest durch die Blätter des Holunderbuschs, ein Tropfen lief mir den Oberschenkel runter, und in dem Moment kam so eine Mischung aus Wut und Traurigkeit in mir hoch, ich konnte gar nicht anders, als diese beschissene weiße Tasse mit all meiner Kraft gegen den Stamm der Linde zu schmettern, sodass die Scherben überall durch den Garten flogen. Eine klirrte sogar gegen meine Scheibe. An der Rinde war ein winziger weißer Fleck. In der Erde lagen die Scherben, und ich hoffte, die Hunde würden sich ihre Tatzen daran aufreißen.

Die Luft war kühl und beruhigte mich ein wenig, aber sie hatte auch etwas Modriges, als wäre auf dem Milchviehbetrieb eine Kuh gestorben, die der Abdecker noch nicht abgeholt hatte. Der Garten war zugewuchert, all die Beete, in denen meine Mutter mal Zwiebeln und Kartoffeln angepflanzt hatte, waren nicht mehr zu erkennen. Der Weg, der bis zum Gartentor und von dort zur Straße führte, war nur noch ein Trampelpfad, auf dem man aufpassen musste, nicht in Hundekacke zu treten. Rex humpelte den morschen Zaun entlang.

Ich schaltete meinen Radiowecker ein, hörte aber bloß Rauschen. An manchen Tagen hatte ich nur Empfang, wenn ich die Antenne oben an der Spitze zwischen Daumen und Zeigefinger festhielt, als würden die Radiowellen aus meinem Körper kommen. Aber an diesem trüben Tag funktionierte nicht mal das.

Meine Wut wurde so groß, dass ich keine Sekunde länger in diesem Zimmer bleiben konnte. Ich zog meine Jacke an und meine Stiefel, kletterte aufs Fensterbrett, drehte mich um, ging in die Hocke und suchte Halt, mit dem vorderen Teil meiner Sohlen an der Hauswand und mit meinen Fingern an der Unterseite des Fensterrahmens, in dem sich Spinnen ihre Nester gebaut hatten. Die Metallkanten schnitten in meine Finger. Kurz hing ich so, nur gehalten von meinen Armen, und ich stellte mir schon vor, ich würde mit gebrochenem Knöchel im Garten liegen, bis meine Mutter mich fand, dann rutschten meine Sohlen die Hauswand hinunter, und ich saß in der aufgeweichten Erde, zwischen dem Haus und den Mülltonnen, meine Finger dreckig und aufgeschürft, und es roch nach Urin.

An das Haus, in dem wir zur Welt gekommen waren, konnte ich mich noch erinnern. Ronja nicht mehr, aber sie liebte es, wenn ich ihr davon erzählte. Als sie jünger gewesen war, hatte sie mich oft gebeten, ihr die Geschichte ihrer Geburt zu erzählen. Es ist das Erste, an das ich mich überhaupt erinnere.

Unser Au-pair-Mädchen passte auf uns auf, in ihrer Einliegerwohnung unter dem Dach. Maral weinte die ganze Zeit, jammerte und betete und befahl Helge, ihr Pinimenthol aus einem Gläschen in die Augen zu schmieren, damit sie noch besser weinen konnte. Sie saß auf dem Klodeckel ihres Badezimmers, und Helge stand vor ihr und schmierte ihr mit äußerster Sorgfalt die Erkältungssalbe auf die Lider, unter die Augen und an die Augeninnenseiten. Die dicke Salbe klebte in ihren Wimpern, und Maral weinte und weinte. »Die arme Mutter«, jammerte sie. »Eure arme Mutter. Sie wird sterben. Sie wird sterben. Mehr Pinimenthol! Mehr Pinimenthol! Eure arme Mutter.« Ich stand in der Badezimmertür und beobachtete das Ganze. Wo Lasse war, weiß ich nicht mehr.

»Mehr Pinimenthol!«

Als der Frauenarzt Ronja in der Gebärmutter meiner Mutter ausfindig gemacht hatte, hatte er im Gebärmutterhals auffällige Zellen entdeckt, die, wenn sie es nicht schon waren, »in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Krebs werden« würden. Er riet meiner Mutter, sich das betroffene Gewebe sofort entfernen zu lassen, da sich der Krebs schnell ausbreiten und das ihren Tod bedeuten könnte. Da der Teil, der entfernt werden sollte, meine kleine Schwester in der Gebärmutter hielt, entschied sich meine Mutter jedoch dagegen und beschloss, sich den Rest der Schwangerschaft ausschließlich von ihrer Hebamme betreuen zu lassen, die regelmäßig zu uns nach Hause kam und ihren langen hölzernen Abhörstab an den Bauch meiner Mutter setzte. Durch den gleichen Stab hatte sie auch schon Helges Herztöne gehört und meine und die von Lasse. Und auch wir waren in dem Bett auf die Welt gekommen, in dem meine Mutter an diesem Tag in den Wehen lag.

Mein Vater rief uns nach unten. Ich erinnere mich daran, wie ich als Erste die Treppe herunterkomme, weil Helge und Maral noch mit dem Pinimenthol beschäftigt sind. Ich sehe den Kopf meiner Schwester neben der Brust meiner Mutter auf dem Laken liegen. Sie hat drei braune Locken, die auf ihrer Kopfhaut kleben. Die Hebamme sitzt am Schreibtisch und notiert etwas in eine große Tabelle. Mein Vater nimmt mich an die Hand und geht mit mir um das Bett herum ans Fußende, damit auch Helge und Maral die Möglichkeit haben, ans Bett zu treten. Ich bleibe neben einem Eimer stehen, der gefüllt ist mit Blut und Schleim und etwas, das aussieht wie Fleischstücke. Den Eimer finde ich noch interessanter als meine kleine Schwester.

 

Meine zweite Kindheitserinnerung hat auch mit der Treppe zu tun, die zu Marals Einliegerwohnung führte. Maral stand auf einer der unteren Stufen und mein Vater auf dem Boden davor, sodass ihre Köpfe auf gleicher Höhe waren. Maral lachte und sagte immer wieder »Nein« und »Lass das!«, aber durch ihr Lachen klang es, als würde sie es eigentlich gar nicht so meinen, und mein Vater strich sich über den stoppeligen Bart auf seinen Wangen, und dann strich sie ebenfalls darüber. »Das pikst«, sagte sie und zog schnell ihre Hand weg und lachte wieder und sagte »Hör auf!«.

 

Das dritte Ereignis, das ich in meinem Leben für erinnerungswürdig hielt, fand im Herbst des Jahres statt, in dem meine Schwester zur Welt gekommen war. Ich huschte hinter meinem Vater aus dem Haus und folgte ihm durch den Garten. Eigentlich durften wir Kinder das Haus nicht verlassen an solchen Tagen in diesem Herbst, aber als mein Vater mich entdeckte, wollte er nicht umdrehen und mich zurückbringen. Er nahm mich an die Hand, schob das große Tor zur Seite, und wir gingen die lange Einfahrt zur Straße hoch. Das scheppernde Knattern wurde immer lauter, je näher wir den kleinen Autos kamen, die vor unserer Einfahrt standen. Die meisten waren beige, aber es gab auch hellgelbe, hellblaue und grüne.

»Und der in Orange, das ist ein Wartburg«, erklärte mir mein Vater. »Das ist in der DDR so was wie unser Mercedes.«

Die Trabis sahen für mich wie große Spielzeugautos aus. Die Menschen darin mussten sich mühsam hineingezwängt haben. Wir waren nicht die Einzigen, die auf dem Bürgersteig standen, um sich das Ganze anzusehen, auch vor den anderen Häusern hatten sich kleine Grüppchen von Anwohnern gebildet, die die sich kaum vorwärts bewegenden Autos beobachteten.

»Warum ist hier eine Kiste mit Bananen?«, fragte ich meinen Vater, als ich den Pappkarton bemerkte, der neben der Laterne stand. Es waren allerdings nur zwei ziemlich kleine Bananen drin.

Doch mein Vater war nicht mehr bei mir, er stand direkt neben einem Trabi, hatte sich runtergebeugt zu dem offenen Beifahrerfenster und unterhielt sich mit einer Frau mit lockigen Haaren. Als ich die Straße hochsah, entdeckte ich noch mehr Pappkartons auf dem Bürgersteig. Ich war gerade losgelaufen, um zu sehen, ob auch in ihnen Bananen lagen, aber mein Vater rief mich schon nach ein paar Schritten zurück.

»Komm, hier kriegt man ja keine Luft«, sagte er, und wir gingen zurück zu unserem Grundstück.

Tatsächlich bestand die Luft aus bläulichem Dunst. Auch über unserem Garten lag dieser Nebel, und er sollte sich den ganzen Winter nur an wenigen Tagen verziehen. Wenn die Wolken tief hingen und kein Wind wehte, erlaubte unsere Mutter uns nicht rauszugehen, aber auch in unserem Haus hatte sich der Gestank mittlerweile ausgebreitet.

Nur abends konnten wir zum Einkaufen fahren, dann war die Spur nach Lübeck frei, dafür stauten sich die Trabis auf der Seite, die zur Grenze führte, und wir brauchten ewig, um wieder nach Hause zu kommen. Wir bekamen unser Abendbrot von unserer Mutter auf die Rückbank gereicht, die gerade gekauften Bio-Brötchen und Soja-Würstchen aus dem Reformhaus. Meist waren wir eingeschlafen, wenn wir irgendwann aus der Trabischlange in unsere Einfahrt bogen.

 

Wir wohnten in einer Villa am Stadtrand damals, in der Nähe des Hafens, neben einer Fischkonservenfabrik, deren Gestank in unseren Garten wehte, wenn der Wind von Norden kam. Unser Grundstück war umgeben von einer Mauer, bewachsen von Wildem Wein, die uns abschirmte von der Welt um uns herum, zumindest für ein paar Jahre, denn die von Abgasen und Fischgeruch getränkte Luft konnte auch die Mauer nicht aufhalten, ebenso wenig wie die vergifteten Fische, die unsere Katzen töteten.

Das Haus hatte vor uns dem Inhaber der Fischkonservenfabrik gehört, der einsam in der Villa gelebt hatte, bis er sich im Alter von siebenundfünfzig Jahren entschloss, einen Strick in das Gebälk des Dachbodens zu binden, wo er wenige Tage später von seiner Putzfrau gefunden wurde. Den Gerüchten nach war er homosexuell gewesen und an Aids erkrankt. In den vielen Zimmern gab es Schränke voll ungetragener Sakkos, Hemden und Pullunder, die ein Vermögen wert waren. Der Neffe, der die Verwaltung des Erbes übernommen hatte, ließ den Großteil der Kleidung von einer Sammelstelle des Roten Kreuzes abholen und übergab den Verkauf einem Maklerbüro, das aufgrund der Selbstmordgeschichte Schwierigkeiten hatte, einen Käufer zu finden, bis meine Eltern schließlich, möglichst rasch, noch vor Helges Geburt, unterzeichnen wollten. Mein Vater hatte es eilig, weil er nach der Offenbarung der Schwangerschaft meiner Mutter von seiner Frau vor die Tür gesetzt worden und in eine billige Pension in der Nähe der Klinik, an der er arbeitete, gezogen war. Meine Mutter hatte es eilig, weil sie seit der durch die Schwangerschaft mitverursachten Trennung von ihrem Ehemann im Gartenhäuschen meiner Großeltern wohnte, was in Hinsicht auf die sinkenden Temperaturen und die steigenden Spannungen zwischen meinen Großeltern und ihrer einzigen Tochter als Dauerlösung nicht infrage kam.

Darum standen meine Eltern also, sie 31, er 46 Jahre alt, im Spätsommer in dem verwunschenen Garten, die Mauern rot vor Wildem Wein, die nahe Straße nicht zu hören, der Fisch nicht zu riechen, und die Trabis waren noch Jahre entfernt. Meine Mutter sah die Gemüsebeete, die sie anlegen würde, die Kinder, die im Laub spielten, und strich sich verträumt über den runden Bauch, während mein Vater mit dem Makler das Vertragliche besprach. Wind kam vom Meer, und meine Mutter bildete sich ein, das Salz zu riechen und gleich viel besser atmen zu können.

Kurz nachdem sie von der Schwangerschaft erfahren hatte, war sie zusammengebrochen, konnte sich kaum noch bewegen, weil sie keine Luft mehr bekam. Es war kein akuter Asthmaanfall, vielmehr fühlte es sich an, als würde nur noch ein unbefriedigend kleiner Teil der Luft, die sie einatmete, in ihrer Lunge ankommen. Mit letzter Kraft und der Hilfe ihrer vierzehnjährigen Tochter packte sie die nötigsten Sachen zusammen, verließ das Haus ihres Mannes, stieg in ihre Ente und fuhr mit Anna auf dem Beifahrersitz und ihrem Riesenschnauzer Baldur auf der Rückbank die wenigen Kilometer aus der Stadt hinaus zum Haus ihrer Eltern, die selbst nicht da waren, weil sie den Sommer im Bayerischen Wald verbrachten.

Meine Mutter wurde von ihrer Tante, die im hinteren Teil des Hauses wohnte, herzlich aufgenommen, ins Gästebett gesteckt und mit Hühnersuppe versorgt. Baldur wurde von den Katzen angefaucht. Anna wurde mit abgelaufener Schokolade verwöhnt und musste sich zum zehnten Mal die Sammlung der Katzenpfoten ansehen, die Tante Elsie in der obersten Kommodenschublade in ihrem Schlafzimmer aufbewahrte.

Als mein Vater zu Besuch kam und meine Mutter kaum atmend, kaum sprechend in dem staubigen Zimmer vorfand, bat er Tante Elsie, telefonieren zu dürfen, ließ sich in den Flur hinunterführen, zog sein Notizbuch aus der Innenseite seines Jacketts und wählte die Nummer eines Verwalters von Ferienhäusern in Dänemark.

Zwei Tage später trug er meine Mutter aus dem Haus, setzte sie auf den Beifahrersitz seines Mercedes und fuhr mit ihr an die Jammerbucht. Nach einem Nachmittag auf der Terrasse, mit einer Decke auf den Beinen und Blick über die Dünen, ging es meiner Mutter schon viel besser, mehr und mehr Sauerstoff erreichte ihre Lungen, erreichte auch meinen Bruder in ihrem Bauch. Jeden Tag ging sie ein paar Schritte weiter, wanderte schließlich mit Baldur und meinem Vater durch die Dünen zum Strand, lief durch die Gischt und sammelte angespülte Muscheln und Steine. Schon auf diesen Spaziergängen sprachen sie von einem gemeinsamen Haus, von Hühnern und selbst angebautem Gemüse. Doch damals schien es beiden noch wie ein Traum, der sowieso nie wahr werden würde. Eine Vorstellung, die nur im gemeinsamen Aussprechen besteht und in der Erinnerung als etwas, das man sich mal gewünscht hatte. Aber nein, der Gedanke blieb im Kopf meiner Mutter. Nicht nur die Meeresluft, auch die Vorstellung von diesem Haus ließ meine Mutter wieder gesund werden.

Der Gedanke daran trug sie durch den Sommer, den sie mit Anna und Baldur in dem Gartenhäuschen meiner Großeltern verbrachte. Und während sie an dem alten Tisch neben den Haselnusssträuchern saß und auf ihre nächste Nachhilfeschülerin wartete, blätterte sie die Tageszeitungen und Anzeigenblätter durch, auf der Suche nach genau diesem Haus, in dessen Garten sie Wochen später stand und sich einbildete, Meeresluft zu riechen.

Der gleiche Garten, den sie fünf Jahre später nicht mehr betreten konnte, ohne sich ihr Halstuch vor die Nase zu drücken. So schritt meine Mutter in diesem März durch die gefrorenen Efeublätter auf der Suche nach Golda. Noch nie war sie so lange weg gewesen. Vielleicht hatte sie nicht mehr über die Straße gefunden, weil der Verkehr sie verwirrt hatte. Aber warum dann gerade jetzt, wo die Trabis weniger wurden? Vielleicht, aber das wollte sie sich eigentlich nicht vorstellen, war Golda überfahren worden, und sie sollte nicht den Garten, sondern gleich den Straßenrand absuchen. Golda war nicht mehr die Jüngste, aber dafür, dass ihr ein Auge fehlte, noch ziemlich erfolgreich darin, kleine Vögel zu schnappen, die jeden Morgen auf der Treppe vor der Haustür lagen.

»Golda!«, rief meine Mutter, obwohl sie wusste, dass sie, wenn sie hier irgendwo herumstromerte, längst zum Fressen ins Haus gekommen wäre. Der eigentliche Grund, weshalb meine Mutter die Mauer ablief, war doch der, dass sie befürchtete, Golda irgendwo zu finden. Vielleicht hatte sie sich ein ruhiges Plätzchen gesucht, um friedlich einzuschlafen. Mittlerweile war das die Lösung, die sich meine Mutter am meisten wünschte. Ja, sie hoffte sogar, Golda friedlich schlafend in der Sonne zu finden. Wenn sie irgendwo verletzt läge, hätte sie den Frost der letzten Nächte wohl kaum überlebt. Der Efeu knisterte unter ihren Gummistiefeln. Der Raureif bröselte von den Blättern.

Seit Langem war sie das erste Mal wieder allein. Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie zuletzt ohne eins der Kinder auf dem Arm oder an der Hand das Haus verlassen hatte. Bei einer Versammlung von Amnesty International oder den Grünen musste das gewesen sein, aber bei beiden war sie schon seit Lasses Geburt nicht mehr gewesen. Monate war sie danach wie abgetaucht. Es war die schwerste ihrer fünf Geburten gewesen, und dann wollte er nicht trinken, wurde immer dünner. Sie wog ihn vor dem Stillen, nach dem Stillen, trug alles in die Tabelle ein und versicherte sich alle paar Minuten, dass er noch lebte. Die Hebamme kam jeden Tag in den ersten sechs Wochen, bis die Kurve endlich stetig nach oben ging. An viel mehr konnte sie sich aus dieser Zeit gar nicht erinnern. Alles hatte sich nur noch um Lasse gedreht. Es war ein eisiger Winter gewesen, das Holz war ständig alle, und sie zog den Kindern die dicksten Wollsachen an, bis Anna aus der Schule kam und sich um das Heizen kümmern konnte.

Jetzt fühlte sie sich so leicht wie schon lange nicht mehr. Als hätte sie kiloweise abgenommen. Sie hatte Ronjas Geburt überlebt, die OP gut überstanden, und es sah so aus, als hätte alles Gewebe entfernt werden können. So fühlte es sich an, sie selbst zu sein, ein Mensch, eine Person, einfach nur sie. Sie konnte schneller gehen. Kam viel leichter voran. Die Backsteinmauer neben ihr, die blattlosen Weinranken, die sich darüberzogen. Tränen stiegen in ihr auf. Sie strich das Tuch von der Nase, atmete frei, sog die kalte, nach Fisch und Abgasen stinkende Luft in die Lungen, auf der Suche nach einer vermutlich toten Katze, dem Einzigen, was Tante Elsie ihr vererbt hatte, eins der wenigen Tiere, die hier noch überlebt hatten.

Der Garten war immer noch wunderschön. Die uralten Bäume, Rotbuchen, Kastanien, die Eiche, der Wilde Wein und der Efeu, die alles überzogen, die Mauer und den Boden, den ganzen Garten, den sie eigentlich nicht mehr betreten konnten, seitdem sie nicht mehr am Ende der kapitalistischen Welt lebten, sondern mittendrin. Konnten sie die Kräuter überhaupt noch essen, nachdem sie den Winter über im Trabi-Dunst gewachsen waren? Müsste das Gift nicht auch im Boden sein, aus dem die Hühner ihre Würmer zogen, und damit in den Eiern und in ihr und in ihrer Muttermilch und in den Kindern?

Da lag Golda, die Augen nur halb geschlossen. Schaum vor dem Mund, aus dem sich die ersten Maden wanden. Die Beine ausgestreckt, als hätte sie jemand einfach über die Mauer geworfen. Meine Mutter sank auf die Knie und strich Golda über das rote Fell, brachte den Raureif zum Schmelzen, der sich an den Haarspitzen gebildet hatte.

Mit der halb gefrorenen Katze im Arm lief sie zurück durch den Garten und spürte den Geruch von Getreidespeichern, Fisch und Abgasen in ihren Körper dringen. Der Gestank ist gar nicht das Schlimme, es ist das, was man nicht riechen kann, hörte sie sich selbst den Kindern erklären. Ihr liefen Tränen über die Wangen, und sie musste wieder an Tschernobyl denken. Wie sie Helge draußen hatte spielen lassen, in den Tagen, bevor sie in der Zeitung von der Strahlung erfahren hatte, und die Angst in den Wochen danach, die Milch zu trinken, den Salat zu essen. Damals hatte sie zum ersten Mal gespürt, dass sie nicht mal hier sicher waren, nicht mal hinter dieser Mauer. Und dann diese expandierende Fischkonservenfabrik, die ihre Katzen vergiftete, um sie aus dem Haus zu vertreiben, und die Trabis, die ihr und ihren Kindern die Luft zum Atmen nahmen. Wo sollten sie denn noch hin? Sie blieb stehen, rückte die Katze auf ihrem linken Arm zurecht, hielt sie nur noch auf dem Unterarm, mit dem Kopf in der Armbeuge, wie ein Baby. Das Fell war so weich. Sie griff in ihre Jackentasche, das Asthmaspray, das Asthmaspray. Da war es. Sie sog die Aerosole ein, so tief sie konnte, hielt die Luft an und spürte die erleichternde Wirkung, als sie wieder leichter atmete. Aber was tat sie da überhaupt? Wollte sie die Luft überhaupt einatmen? Sträubte sich ihr Körper nicht zu Recht dagegen? Sie ließ das Spray wieder in die Tasche gleiten. Schaum war aus Goldas Mund auf ihren Ärmel gelaufen. Sie mussten hier weg. So schnell wie möglich.

Das Rapsfeld, das an unsere Ostweide grenzte, sich bis hinter die Scheune zog und unseren Hof damit zur Hälfte umschloss, war in der Nacht abgemäht worden. Bis zum Wald sah man nur Stoppeln, manche komplett umgeknickt, andere standen noch schief nebeneinander. Der Himmel war voller Wolken, und es wehte kein Wind. An der Stelle, an der der Drahtzaun schon so weit herunterhing, dass ich einfach drübersteigen konnte, ging ich aufs Feld. Etwa zwanzig Meter von unserem Hof entfernt lag etwas, ein schwarzer Fleck, Gestrüpp oder ein Erdklumpen. Erst als ich schon fast da war, sah ich, dass es ein Marderhund war, noch ziemlich frisch, das Fell nur leicht verklebt vom Tau, der Bauch aufgebläht wie eine dieser Pappmaschee-Figuren, die wir aus Luftballons gemacht hatten, in der vierten Klasse. Die Mähdrescher waren die ganze Nacht gefahren, mit ihren Scheinwerfern und dem Dröhnen der Motoren. Ein Auto fuhr auf der Straße, die nach Restorf führte, ein kleines rotes, hinein ins Dorf.

Noch nie hatte ich ein totes Tier so nah an unserem Hof gefunden. Es musste daran liegen, dass es schwerer und schwerer wurde für die Bauern, die Maschinen zur richtigen Zeit zu leihen. Darum mähten sie immer öfter auch nachts. Es war schon September, für die Rapsernte ungewöhnlich spät. Die Pflanzen waren mit Disteln, Ackerwinden und Kornblumen zu einem undurchdringlichen Dickicht zusammengewachsen, durch das sich nur kleine Tiere einen Weg hatten bahnen können.

Ich suchte den Himmel ab, aber da war kein Bussard, kein Seeadler, nicht mal Kolkraben oder Möwen, die sonst an den Erntetagen über den Feldern kreisten.

Dafür sah ich jemanden in Schwarz auf der Straße hinter dem Dorf den Berg hinaufgehen. Ronja, es konnte sonst niemand sein. Die Leute aus dem Dorf gingen nicht spazieren. Die Einzige, die manchmal auf den Berg joggte, war Simone, die alleinstehende Ärztin, die auch aus Lübeck hierhergezogen war, aber sie hatte eine pinke Jacke, die man von Weitem leuchten sah. Sonst fuhren nur Horst und Erika manchmal den Berg hoch. Sie waren so dick, dass sie nicht mit ihrem Hund spazieren gehen konnten, aber selbst, wenn sie dünner gewesen wären, war ich mir nicht sicher, ob sie es getan hätten. Sie hielten dann an der Einfahrt zu den Windrädern, Horst stieg aus und ließ den Hund aus dem Kofferraum, setzte sich zurück in den Wagen und machte die Tür zu. Der Hund, ein Golden Retriever, lief wie wild die Wegränder entlang, schnüffelte alles ab, die Spuren und Fährten der Tiere. Nach einer halben Stunde stieg Horst wieder aus und pfiff den Hund zu sich, der brav in den Kofferraum sprang. Das hatten Ronja und ich schon oft von Weitem beobachtet, wenn wir mit Kalle spazieren gegangen waren, dem wir schnell einen Maulkorb umgemacht hatten. Aber Kalle interessierte sich mehr für den Geruch der Wildtiere am Feldrand.

Ronja ging schnell und bestimmt. Wahrscheinlich lernte sie für eine Klassenarbeit. Sie hatte dann einen ihrer Hefter dabei und sagte den Stoff immer wieder laut vor sich hin. Ich fragte mich, ob sie mich sah. Doch sie blieb nicht stehen. Bald war sie oben auf der höchsten Stelle des Berges, dort, wo die Schlehenbüsche standen, hinter denen sie verschwand. Nur zwischen den Gräsern tauchte sie noch mal auf, bevor sie nicht mehr zu sehen war, und ich wusste, sie würde den Weg zum kleinen Wald nehmen.