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Eine Dokumentation zum 40jährigen Jubiläum der ersten Open-Air-Tournee der Rolling Stones durch Deutschland, Österreich und die Schweiz mit Berichten und Interviews sowie bislang unveröffentlichten Aufnahmen. Außerdem mit einem Rückblick auf 60 Jahre Rolling Stones und einem Nachruf auf Charlie Watts.
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Eine Dokumentation zum 40jährigen Jubiläum der ersten Open-Air-Tournee der Rolling Stones durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mit Zeitzeugenberichten und bislang unveröffentlichten Aufnahmen von Dietmar Albrecht, Hans Irker, Ernst Hillisch, Franz Ostermeier, Sigrid Leonie Peters, Axel Schumacher, Wilfried Städing, Andy Trebs, Jürg Vogt, Heinz Witschi, Peter Zehner u.a.
Außerdem mit einem Rückblick auf 60 Jahre Rolling Stones und einem Nachruf auf Charlie Watts von Volker Rebell sowie Interviews von Uli Kniep
„Stone Age“ – 60 Jahre Rolling Stones
Die Rolling Stones kommen
“Hi Mick, I´m a fan of you for ten years”
Still Life
Ein Hauch von Woodstock im Niedersachsenstadion
Auge in Auge mit Mick Jagger
Hannover 2. Tag
Waldbühne Berlin 1982
This could be a place for a Stones-Concert
Konzertdatum 11. Juni als Hochzeitstag
Peter Maffay war für Franz Ostermeier kein Unbekannter
Der Ticketstress
A Capella im Matthiaskeller
Vinyl-Bootleg-Sammlung
Hans Irker und die Rolling Stones
Starkoch Heinz Witschi und Stones-Fan Jürg Vogt
Verdamp lang her
Mick Jagger am Chinesischen Turm
Ein Nachruf auf Charlie Watts
Faltenrock: Keith Richards
Steinalt – Mick Jagger wird im nächsten Jahr 80
1982 war die Zeitenwende im Tourneegeschäft
Es gilt, ein historisches Datum zu würdigen und der „greatest show on earth“, der dienstältesten Super-Star-Rockgruppe des Planeten Pop Tribut zu zollen.
Am 12. Juli 1962 traten Brian Jones, Mick Jagger und Keith Richards zum ersten Mal unter dem Namen The Rolling Stones im Londoner Marquee Club auf, damals noch mit dem späteren Bassisten der Pretty Things und dem späteren Drummer der Kinks. Das heißt, die endgültige und dann Jahrzehnte zusammenhaltende Besetzung mit Bill Wyman und Charlie Watts war damals noch nicht komplett, aber der Band-Name The Rolling Stones tauchte vor 60 Jahren zum ersten Mal auf Plakaten und am Rock-Himmel auf.
Was haben die Stones in diesen 6 Jahrzehnten nicht alles erlebt an Highlights und Rekorden, an Dramen und Katastrophen. Um vom letzteren nur den 3. Juli 1969 zu nennen, als man Brian Jones leblos in seinem Swimmingpool fand. Am 28. Februar 2022 wäre er 80 Jahre alt geworden. Und natürlich muss man sich immer wieder an Altamont erinnern, das Freeconcert der Stones vor 300.000 Menschen im Dezember 1969, als die Hells Angels, die fatalerweise von den Stones als Sicherheitskräfte engagiert worden waren, einen schwarzen jungen Fan vor den Augen Mick Jaggers erstachen. „So etwas kann doch nur den Stones passieren“, so wurde Keith Richards 2012 im Nachrichtenmagazin Spiegel zitiert. „Seien wir ehrlich“, fügte er hinzu, „den Bee Gees hätte so was nicht passieren können.“
Was ist den Stones in den letzten 60 Jahren nicht alles passiert. Sie wurden gefeiert und angefeindet. Man hat sie als Verräter beschimpft, sie hätten den Rock’n’Roll verkauft – an die Werbung und an die Autoindustrie. Man hat ihnen vorgeworfen, Teile ihrer Live-Musik käme vom Band, sie würden das Singen und Spielen nur imitieren, so wie die Pipi-Pop-Boygroups in ihren Playback-Shows. Man hat ihnen vorgehalten, sie hätten seit den Alben „Sticky Fingers“ von 1971 und „Exile on Main St.“ von 1972 überwiegend nur noch grottenschlechte Alben veröffentlicht – oder allenfalls Selbstplagiate.
Auch weil das alles so nicht stimmte, prallte dieses Gemäkel an den Rollenden Steinen ab, die sich altersmäßig nun so langsam auf die 80 zubewegen. Sie machen dennoch und unbeirrt weiter.
The Show Must Go On – auch ohne Charlie
Die nächste Welttournee ist bereits avisiert – auch ohne Charlie Watts, der am 24. August 2021 im Alter von 80 Jahren gestorben war. The show must go on. Daran lassen Jagger, Richards und Ron Wood keinen Zweifel. Und die meisten Fans bestärken sie darin. Denn für viele ist ein aktuelles Stones-Konzert, auch wenn es musikalisch nichts wirklich Neues bietet, doch immer noch eine Art von rockmusikalischem Hochamt, jedenfalls ein Ereignis von ganz besonderer Bedeutung. Es ist sowohl ein Stück Rock-Geschichte, als auch ein Stück der eigenen Geschichte jedes Konzertbesuchers – und wer wollte das missen.
Aus der Schreibe des Songwriter-Duos Jagger/Richards stammen einige der größten Songklassiker der Rockgeschichte, um nur „Satisfaction“ (1965), „Sympathy For The Devil“ (1968), „Gimme Shelter“ (1969), „Wild Horses“ (1971), „It’s Only Rock’n’Roll (But I Like It)“ (1974) und „Start Me Up“ (1981) zu nennen.
Mit dem Schreiben eigener Songs begannen die Stones sehr zögerlich. Ihr Debütalbum vom April 1964 enthält gerade mal einen einzigen selbstverfassten Song „Tell Me (You’re Coming Back)“, die flehentliche Bitte eines Schwerenöters, der gerade den Laufpass bekommen hatte, an seine Abtrünnige, sie möge doch sagen, dass sie zu ihm zurückkommt.
Im zweiten Stones-Album vom Januar 1965 und im dritten „Out Of Our Heads“ (September 1965) stammten dann immerhin schon je drei Songs von den Glimmer Twins Jagger/Richards. Erst das bahnbrechende Album „Aftermath“ von 1966 enthielt ausschließlich kompositorische Eigengewächse. Im Laufe der Zeit gesellten sich dann noch etliche Hundert, teils großartige eigene Songs hinzu.
Kreative Pause oder Flaute?
Doch seit 2005, seit dem letzten Studioalbum „A Bigger Bang“ sind bis dato keine neuen Songs der Stones hinzugekommen. Das aktuellste Songmaterial eines Stones-Mitglieds stammt von Keith Richards. Sein drittes, positiv bewertetes Soloalbum „Crosseyed Heart“ erschien 2015. Mick Jaggers Songschreiberaktivitäten verlagerten sich auf seine kurzlebige Neben-Band SuperHeavy, der außer ihm noch der Ex-Eurythmics-Macher Dave Stewart angehörte, außerdem die junge britische Soul-Rock-Sängerin Joss Stone, der jüngste Bob Marley-Sohn Damian Marley und der indische Bollywood-Filmmusik-Komponist und Popmusiker Allah Rakha Rahman. Der Ansatz eines globalen Pop, der England mit Jamaika und Indien verbindet und Soul, Rock, Reggae und Bollywood miteinander verschmilzt, war 2011 als großer Wurf geplant, ist aber letztlich doch unter der eigenen Messlatte hängen geblieben.
Statt eines Stones-Studioalbums mit neuem, eigenem Songmaterial kamen seit 2005 bis dato 17 Live-Alben auf den Markt. Das einzige Studioalbum der letzten 16 Jahre war „Blue & Lonesome“ mit 12 Coverversionen alter Blues-Songs.
Zum 60-jährigen Band-Jubiläum ist, nicht zum ersten Mal, ein neues Studioalbum in Aussicht gestellt. Warum nicht schon früher?
Darum ranken sich diverse Gerüchte. Man konnte vom angeschlagenen Gesundheitszustand von Keith Richards lesen, aber auch vom wiedermal schiefen Haussegen zwischen den beiden Dauer-Streithähnen Jagger/Richards. Verstimmung habe es bei Mick Jagger gegeben, weil die Autobiographie von Keith Richards „Life“ vom Oktober 2010 etliche Unfreundlichkeiten gegenüber Mick enthielt, darunter die Schmähung, Mick habe einen so kleinen Penis, dass Keith Richards’ Freundin Anita Pallenberg keinen Spaß gehabt hätte an ihrer kurzen Affäre mit Herrn Jagger im Jahre 1968.
Und Keith Richards soll sich sehr darüber geärgert haben, dass Mick Jagger mit der Band SuperHeavy fremd gegangen sei, statt mit ihm an neuem Songmaterial für die Stones zu arbeiten. So kamen also nur Altmaterialien auf den Markt: Neben den Live-Mitschnittalben diverse Wiederveröffentlichungen, darunter auch ihr Meisterwerk von 1972, das Doppelalbum „Exile On Main St.“, das 2010 „remastered“ mit 12 Bonustracks veröffentlicht wurde.
Auf der Flucht ins französische Exil
Die meisten Aufnahmen des Originalalbums, das vor 50 Jahren erschien, wurden während eines sechsmonatigen Aufenthalts in einer angemieteten Villa in Südfrankreich eingespielt. Angeblich 10.000 Dollar monatlich soll das schlossähnliche Anwesen an der Cote D’Azur gekostet haben. So schön die landschaftliche Umgebung auch war, den Stones ging es damals alles andere als gut. Die Band war im Grunde aus England geflüchtet, weil das Finanzamt und Ex-Manager hinter ihnen her waren. Es drohten Gerichtsverfahren. Keith Richards hatte gerade einen schweren Autounfall überlebt, war aber noch tiefer in seine Drogenabhängigkeit abgerutscht. Damals waren die Stones zwar musikalisch immer noch stark und kreativ, trotz all der Drogen, doch finanziell waren sie fast am Ende.
Heute 50 Jahre später steht die Firma Rolling Stones ökonomisch so gut da wie nie zuvor, machte in den letzten Jahren während der Welttourneen Milliarden-Umsätze und Millionen-Gewinne. Alleine die Tour „A Bigger Bang“ soll 580 Millionen Dollar eingebracht haben. Und schon seit den 80er Jahren muss sich keiner der Stones noch irgendwelche Gedanken um das liebe Geld machen. Mick Jaggers Vermögen wird auf über 450 Millionen Dollar taxiert, Keith Richards habe nur unwesentlich weniger. Mit etwas größerem Abstand folgen dann Ron Wood und die Erben von Charlie Watts. Aber mehr als ausgesorgt haben auch die letzt Genannten schon lange.
Die Stones und der „Gute-Laune-Kapitalismus“
Doch nicht alleine in finanzieller Hinsicht haben die Stones in den letzten 60 Jahren Geschichte geschrieben. Nicht nur das neue Geschäftsfeld Pop fügten sie dem kapitalistischen Wirtschaftssystem so erfolgreich und dabei leicht subversiv hinzu wie sonst keine andere Band, sie haben auch maßgeblich zu einer gesellschaftlichen Umwälzung beigetragen, wie es der SPIEGEL formulierte: Zitat:
„Die Stones lieferten den Soundtrack zur eigentlichen Revolution des 20. Jahrhunderts. Und diese Revolution hatte einen kurzen Namen: Pop. Pop schaffte die Gesellschaftsgrenzen ab, indem er die Geschmacksgrenzen abschaffte. Pop war ein Umsturz der Verhältnisse, der Machtarrangements, der Art zu reden, zu denken, zu leben. Pop war eine Revolution, die ästhetisch begann und politisch und ökonomisch triumphierte. Pop war eben nicht nur Oberfläche, Glitzer und Sex, Pop war auch Demokratisierung, Pop war Gute-Laune-Kapitalismus“.
Doch die Stones lieferten in der Regel alles andere als Gute-Laune-Pop ab. Sie hatten immer auch einen Hang zum Dunklen, zum exzessivenrauschhaften Dionysischen. Und sie hatten auch stets Sympathie für den Teufel.
Das „Bankett der Bettler“, vielleicht das herausragendste aller Stones-Alben, begann mit dem Erscheinen des leibhaftigen Gottseibeiuns, des Dämons mit dem Pferdefuß. „Ich bin schon seit vielen Jahren auf der Welt, habe so manchen um Seele und Glauben gebracht. Ich war dabei, als Jesus Christus an seinem Glauben zweifelte. Ich sorgte dafür, dass Pilatus sich die Hände wusch und sein Schicksal besiegelte“, so heißt es im Text von „Sympathy For The Devil“, dem Eröffnungsstück des berühmten Stones-Albums „Beggars Banquet“ von 1968, einem der Signatur-Songs der Rolling Stones und einem der maßgeblichen Titel im Kanon der Rockgeschichte.
Four Flicks - Forty Licks
Was die Stones als Liveband ausmacht, was ihnen jene besondere Stellung
in der Popkultur eingebracht hat, das wird schlaglichtartig hörbar in der Dokumentation „Tip Of The Tongue“, enthalten in der 4-fach DVD „Four Flicks“ vom November 2003. Diese Dokumentation gibt Einblicke in die Geschichte der Stones, in die Vorbereitungen zur Welttour „Forty Licks“, in die Arbeit im Aufnahmestudio, wirft einen ungeschminkten Blick hinter die Kulissen und vermittelt Innenansichten aus dem Zentrum der Stones und dem Gruppengefüge der Kern-Band. Man erfährt einiges über das ewige Gerangel zwischen den Brüdern im Streit Jagger&Richards, über das ernsthafte Alkoholproblem von Ronnie Wood und seine Vielseitigkeit als Gitarrist und Moralist – und über den Ruhepol der Band, den stoischen Charlie Watts, der nun bitter vermisst wird.
Vor 60 Jahren begann eine Geschichte, die noch immer andauert. Und man nennt die Stones schon „die Letzten ihrer Art“. Auf jeden Fall verkörpern sie seit sechs Jahrzehnten die Essenz der Rockmusik wie keine andere Band.
Sie begannen als die unangepassten „Bad Boys“ – als Kontrast zu den braven Beatles. Doch längst sind auch sie gezähmt und etabliert. Aber die rebellische Attitüde haben sie immer noch gut drauf, wenn ihr Frontmann auch heute noch wild gestikuliert und verneinend brüllt: „einen Heiligen wirst du niemals aus mir machen,“ wie es im Text des starken Songs „Saint Of Me“ aus dem Stones-Album „Bridges To Babylon“ vom Oktober 1997 heißt. Die Stones, die niemals Heilige waren und auch keine mehr werden, sie haben seit 60 Jahren als Band überlebt – auch wenn der Tod von Charlie Watts die Endlichkeit der Stones allen schmerzlich bewusst machte. Im nächsten Jahr werden Mick Jagger und Keith Richards 80, spätestens dann wollen sich die Rollenden Steine wieder in Bewegung setzen und auf Tour gehen. Lang lebe der unheilige Rock der Rolling Stones.
Volker Rebell
Von Axel Schumacher (Berlin) 2022
In den späteren Jahren der Rolling Stones kam von Keith Richards der Spruch an die Fans: Du hast die Sonne, den Mond, die Luft zum Atmen und die Rolling Stones. Immer gab es solche Zeiten allerdings nicht. Im Frühjahr 1982 waren die Rolling Stones noch keine zwanzig Jahre alt, aber in Deutschland hatte bereits seit fast sechs Jahren kein Konzert mehr mit ihnen stattgefunden. Einem Drei-Jahres-Rhythmus wie in den USA (1966, 1969, 1972, 1975, 1978, 1981) waren Gigs in der Bundesrepublik Deutschland bisher immer in den Folgejahren (1967, 1970, 1973, 1976) gespielt worden, nur 1979 gab es einen Bruch. Erst 1982 sollte dieser Tour-Rhythmus wieder aufleben.
Am 28. April kündigte Mick Jagger in London die Europa Tour an, am 29. April gab er in München die Daten für Deutschland bekannt. Nur Frankfurt bekam Hallenkonzerte, alles andere war draußen: Hannover, München und Köln bekamen Stadionkonzerte, wie es beim letzten Deutschlandkonzert der Stones 1976 in Stuttgart ausprobiert worden war und in Berlin sollte das erste Mal seit 1965 wieder die Waldbühne bespielt werden.
Zum Einspielen, proben und warm werden gab es Ende Mai im Vereinigten Königreich (Aberdeen, Glasgow, Edinburgh) noch drei Konzerte im kleinen Rahmen (2 000 Besucher) von Theatern, ansonsten waren Frankfurt und Berlin die einzigen kleinen Spielorte in Europa, alle anderen Vorstellungen fanden in großen Stadien oder auf großen Wiesen statt. Berlin war mit der Kapazität von 22 000 Zuschauern deshalb das einzige kleine Open-Air-Konzert in Europa.
. Eintrittskarten waren in den 70er und 80er Jahren auch kleine Kunstwerke, das 1982er Ticket hatte die Zungenform und knallige Farben. In Berlin gab es zusätzlich die Möglichkeit, an acht Verkaufsstellen in der Stadt auch Tickets für das Hannover-Konzert
am 6. Juni zu erwerben. Nach einem erfolgreichen Kartenverkauf in Europa wurden dann Anfang Mai auch viele Zusatzkonzerte angesetzt, in Deutschland wurden Tickets für vier weitere Konzerte (Hannover II, München II, Frankfurt III und Köln II) verkauft, nur Berlin bekam kein Zusatzkonzert.