Töchter der Insel - In der Ferne die Hoffnung - Anna Jacobs - E-Book
SONDERANGEBOT

Töchter der Insel - In der Ferne die Hoffnung E-Book

Anna Jacobs

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Irland, 1859. Keara Michaels will ihre Mutter und ihre kleinen Schwestern nicht mit dem gewalttätigen Vater in Irland zurücklassen, doch das Schicksal schickt sie erst nach Lancashire und dann schwanger und mittellos nach Australien. Auch Mark Gibson wandert nach Australien aus. Dort angekommen, arbeitet er als Goldsucher. Ein gefährliches Unterfangen, das er fast nicht überlebt. Als er sein Glück gefunden zu haben scheint, stirbt seine junge Frau im Kindbett und Mark zieht mit einem gebrochenem Herzen und einem Säugling nach Westaustralien. Dort trifft er auf die schwangere Keara, die er in seinem Landgasthof einstellt. Es scheint sich alles zu fügen. Doch die Vergangenheit holt die beiden ein.

Eine mitreißende Reise in vergangene Zeiten und ferne Länder.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 702

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

Weitere Titel der Autorin:

Träume im Glanz der Morgenröte: Töchter des Horizonts

Sehnsucht unter weitem Himmel: Töchter des Horizonts

Goldene Stunde in der Ferne: Töchter des Horizonts

Hoffnung unter dem Südstern: Töchter des Horizonts

Silberstreif des Glücks: Töchter des Horizonts

Die Australien-Töchter: Wo die Hoffnung dich findet

Die Australien-Töchter: Wo das Glück erstrahlt

Die Australien-Töchter: Wo die Liebe dich erwartet

Über dieses Buch

Irland, 1859. Keara Michaels will ihre Mutter und ihre kleinen Schwestern nicht mit dem gewalttätigen Vater in Irland zurücklassen, doch das Schicksal schickt sie erst nach Lancashire und dann schwanger und mittellos nach Australien. Auch Mark Gibson wandert nach Australien aus. Dort angekommen, arbeitet er als Goldsucher. Ein gefährliches Unterfangen, das er fast nicht überlebt. Als er sein Glück gefunden zu haben scheint, stirbt seine junge Frau im Kindbett und Mark zieht mit einem gebrochenem Herzen und einem Säugling nach Westaustralien. Dort trifft er auf die schwangere Keara, die er in seinem Landgasthof einstellt. Es scheint sich alles zu fügen. Doch die Vergangenheit holt die beiden ein.

Eine mitreißende Reise in vergangene Zeiten und ferne Länder.

eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.

Über die Autorin

Anna Jacobs hat bereits über siebzig Bücher verfasst. Sie wurde in Lancashire geboren und wanderte 1970 nach Australien aus. Sie hat zwei erwachsene Töchter und wohnt mit ihrem Mann in einem Haus am Meer.

Anna Jacobs

Töchter der Insel – In der Ferne die Hoffnung

Aus dem Englischen vonFreya Rall

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2003 by Anna Jacobs

Titel der britischen Originalausgabe: »A Pennyworth of Sunshine«

Originalverlag: Hodder & Stoughton, Hachette UK

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Clarissa Czöppan

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven © iStock/Getty Images Plus: ChristianB | lovleah | zhaojiankang | Annartlab; © Shutterstock: ViChizh

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-2033-5

be-heartbeat.de

lesejury.de

1

März 1859

Keara Michaels kurbelte den schweren Eimer aus dem Brunnen empor und hievte ihn auf den Rand, um einen Moment auszuruhen. Schwer atmend schöpfte sie sich mit den Händen ein paar Schlucke Wasser in den Mund, ehe sie einen Zipfel ihres Rocks in den Eimer tauchte und sich damit das verschwitzte Gesicht abwischte. Sie kam vom Acker, wo sie ein paar Kartoffeln aus der rasch zusammenschrumpfenden Miete vom letzten Jahr ausgegraben hatte. Schwere Arbeit für ein unterernährtes Mädchen von sechzehn Jahren, doch sie hatten alle Hunger, und die Schwangerschaft ihrer Mutter war zu weit fortgeschritten, als dass sie noch in dem Erdhaufen hätte wühlen können.

Ihr Vater hätte mehr helfen sollen, doch er war auf Besuch zu seinen Verwandten im Nachbardorf gegangen, von wo aus er seine Arbeitsstelle als Stallknecht im Herrenhaus ebenso gut erreichen konnte. So machte er es immer, wenn eine Geburt näherrückte, und mittlerweile war Keara alt genug, ihn dafür zu verabscheuen. Wenn das Baby dann da war, würde er zur Stelle sein, um den Namen auszuwählen und herumzustolzieren, als hätte er es in seinem eigenen Bauch ausgetragen – erst recht, wenn dieses Kind endlich der Junge wäre, um den er schon so lange betete.

Über ihren Vater machte Keara sich keine Illusionen, genauso wenig wie über irgendetwas sonst auf der Welt. Ein paar Träume hatte sie allerdings doch: Essen im Bauch, ein anständiges Haus mit Fliesenboden anstelle von festgetretener Erde und ein abgeteiltes Schlafzimmer für sie und ihre Schwestern, wo sie nicht dem nächtlichen Tun ihrer Eltern lauschen müssten. Beim Blick hinab auf ihren eingerissenen, ausgefransten Rock fügte sie einen weiteren kleinen Traum hinzu: ordentliche Kleider.

Vater Cornelius pflegte sie für ihre Gier zu tadeln und sie zu ermahnen, sie solle ihre niedrige Stellung im Leben als Gottes Willen hinnehmen. Doch das konnte sie nicht. Und würde es auch niemals tun! Manche Menschen besaßen so viel, während ihre Familie so wenig hatte. Es war einfach nicht gerecht!

Sie hatte bereits daran gedacht, ihr Heim zu verlassen, da es hier in Ballymullan keine richtige Arbeit für sie gab, doch ohne sie würde ihre Mutter es nicht mehr schaffen. Außerdem waren schon viele aus den umliegenden Dörfern auf der Suche nach Arbeit fortgegangen und nie zurückgekommen. Ihre Schwestern Mara und Ismay niemals wiedersehen? Unvorstellbar! Allein beim Gedanken daran überlief Keara ein Schauer. Also verdingte sie sich als Tagelöhnerin, wo immer sich eine Gelegenheit ergab – beim Unkrautjäten auf den Feldern, als Erntehelferin, als Unterstützung junger Wöchnerinnen und seit Kurzem auch in der Waschküche des Herrenhauses.

Und wann immer sie ein paar Pennys verdiente, gab sie das Geld rasch für Essen für sich, ihre Mutter und ihre Schwestern aus, denn wenn sie das nicht tat, nahm ihr Vater es ihr ab und gab es für Schnaps aus. Wann immer sie eine Arbeit annahm, stellte sie von vornherein klar, dass sie es nur tun würde, solange man den Lohn ihr und nicht ihrem Vater auszahlte.

Einer der vielen Gründe, warum ihr Vater sie nicht ausstehen konnte.

In diesem Augenblick kam Mara um die Ecke, im Arm die Stoffpuppe, die ihre Mutter für sie gemacht hatte. Sie lächelte, als sie ihre große Schwester sah. Für ihre sieben Jahre war sie klein – deutlich kleiner als Keara oder Ismay im selben Alter. Doch wen sollte es wundern? Sie hatte ihr Leben lang nicht anständig gegessen, so sehr Keara sich auch abmühte, mehr Essen auf den Tisch zu bringen.

Plötzlich drang ein Schrei aus dem Haus, und Keara zuckte vor Schreck zusammen. Beinahe hätte sie den Holzeimer wieder in den Brunnen gestoßen. So schrie ihre Mutter nur dann, wenn sie ein Kind bekam. Die restliche Zeit über war Betsy so still, dass man sie kaum bemerkte.

Noch nicht!, flehte Keara stumm. Bitte, Gott, noch nicht. Ich will auch artig sein. Ich sage Dir hundert Ave Maria auf, aber lass bitte noch nicht das Baby kommen. Sie hatte noch das Haus putzen wollen, bevor ihr nächstes Geschwisterchen zur Welt kam, und die Decken für das Kind waren noch nicht gewaschen und gelüftet. »Geh, hol Ismay! Schnell!«, wies sie Mara an, und als das Mädchen loslief, griff Keara sich den Eimer. Ohne sich darum zu scheren, wie das Wasser ihr über die nackten, schlammigen Füße schwappte, begann sie, den schweren Behälter eilig zum Haus zu schleppen.

Drinnen fand sie ihre Mutter auf dem Strohsack in der Ecke. Mit schmerzverzerrtem Gesicht umklammerte sie den prallen Bauch, der so riesig wirkte im Verhältnis zu ihrem schmalen Körper.

»Kommt das Baby, Mam?« Hastig stellte Keara den Eimer neben der Tür ab.

Ihre Mutter nickte, ohne die Augen zu öffnen. »Aye, das tut es. Und zwar so schnell wie immer, Gott sei's gedankt. Hol Mrs Raney, ja, Liebes?« Stöhnend krümmte sie sich zusammen.

Ismay kam hereingestürzt. »Ist es ...«

»Geh und hol die Hebamme«, sagte Keara. »Und nimm Mara mit. Ich bleibe bei Mam.«

Mit einem knappen Nicken verschwand Ismay wieder. Mit ihren elf Jahren war sie alt genug, ihre jüngste Schwester noch vor den gröbsten Schlechtigkeiten, die das Leben für Mädchen wie sie bereithielt, zu schützen – den Tritten und Schlägen ihres Vaters und den schmerzhaften Geburten ihrer Mutter. Nach Mara waren zwei Babys tot geboren worden. Arme, blasse Würmchen, die zu früh gekommen waren. Ihr Vater hatte sie im Dunkel der Nacht auf einer Ecke des Kirchhofs begraben. Tagelang hatte ihre Mutter sich die Augen ausgeweint. Auch nach Keara hatte es noch einen Bruder gegeben, doch der war kurz nach seinem ersten Geburtstag gestorben, und die Schwester nach Ismay hatte nur wenige Wochen gelebt.

Ihre Mutter stöhnte. »Ah, ich bin froh, wenn ich es diesmal hinter mir habe. Schon seit Tagen hab ich ein ganz grausiges Ziehen im Bauch.«

Keara hatte gesehen, wie sie sich in letzter Zeit öfter den dicken Bauch gerieben und in sich hineingemurmelt hatte. Die Schmerzen mussten wirklich schlimm sein, denn so deutlich drang der Lancashire-Dialekt ihrer Mutter nur dann durch, wenn es ihr sehr schlecht ging. Für gewöhnlich sprach sie leise und bemühte sich, den weichen Singsang der anderen Dorfbewohner zu imitieren, um sich gut einzufügen. So hatte sie es all die Jahre über gehalten, seit Mick Michaels seine schwangere junge Frau aus England mit in sein kleines irisches Heimatdorf gebracht hatte. Aber so wohlwollend die Einwohner von Ballymullan ihr auch begegneten, war sie doch keine von ihnen.

»Halt meine Hand, Mam«, drängte Keara, doch Betsy war schon nicht mehr ansprechbar und begann laut stöhnend, zu pressen. Wenn Keara es richtig einschätzte, würde das Baby sehr bald zur Welt kommen. Sie hoffte nur, Mrs Raney würde schnell eintreffen.

Als hinter ihr Schritte ertönten, seufzte sie erleichtert auf, doch an der Tür stand nur Ismay.

»Mrs Raney ist auf Besuch bei ihrer Tochter. Sie schicken sie her, sobald sie wieder da ist.« Das Mädchen zögerte. »Soll ich hierbleiben, um zu helfen?«

»Nein, du bist noch zu jung.« Keara wusste, ihre Mutter wollte nicht, dass ihre jüngeren Töchter sie so sähen. Um genau zu sein, wollte sie keine ihrer Töchter da haben, doch nun ging es nicht anders. »Geh am besten mit Mara woandershin, bis es vorbei ist.«

Sie trat an die Tür, um für einen Moment ihren Schwestern hinterherzuschauen, wie sie über den Pfad davonliefen. Ismay hielt Mara bei der Hand, und in deren anderer Hand baumelte noch immer die Stoffpuppe. Es war, als würde sie jüngere Ausgaben ihrer selbst betrachten. Immer wieder hörten sie, wie ähnlich sie einander sahen mit ihren schwarzen Locken und den Michaels-Augen. Oh, diese Augen sind unverkennbar, pflegten die Leute zu sagen. Dieses leuchtende Blau und die langen, dunklen Wimpern.

Seufzend ging Keara wieder ins Haus und machte sich daran, die Decken für das Kind hervorzuholen.

Zwischen zwei Wehen blickte Betsy auf. »Kommt Mrs Raney – bald?«

»Sie ist nicht daheim, Mam. Sie schicken sie her, sobald sie zurück ist.«

»Neiiin! Das Baby kommt jetzt.«

Keara kniete sich neben den Strohsack. »Ich war auch letztes Mal dabei, Mam. Ich weiß, was zu tun ist.«

»Ach, Kleines, dafür bist du noch viel zu jung.«

Keara rang sich ein Lächeln ab. »Ich bin alles, was du hast, also finde dich damit ab.«

Über die folgenden Minuten schrie und stöhnte Betsy in stetem Wechsel, dann war das Baby plötzlich da. Schwer atmend ließ sie sich auf den Strohsack sinken. »Was ist es?«

»Ein Mädchen.« In Erinnerung an Mrs Raneys Tun beim letzten Mal beugte Keara sich geschwind vor, um die Kleine hochzuheben und ihr einen festen Klaps auf den Hintern zu geben.

»Geht es ihr gut? Ich höre sie nicht schreien.«

»Sie atmet nicht, Mam.«

»Gib ihr noch einen Klaps.«

»Sie ... ist verkehrt gewachsen, Mam.«

»Zeig sie mir.« Betsy starrte auf den reglosen kleinen Leib mit dem übergroßen Kopf, berührte sachte das Gesicht und schloss dann abgekämpft die Augen. »Binde die Nabelschnur ab und wickle das arme Ding ein.«

Als Mrs Raney gehetzt das ärmliche Haus erreichte, pries sie die junge Keara für ihr Handeln und machte sich daran, die Mutter zu versorgen. Ihr gefiel nicht, wie schwach die arme Betsy noch immer war. »Du solltest dich nicht mehr von ihm benutzen lassen«, flüsterte sie. »So kannst du nicht weitermachen.«

»Wie soll ich ihn denn davon abhalten?«, entgegnete Betsy, und wieder stiegen ihr Tränen in die Augen.

»Ich an deiner Stelle würde ihm einen Tritt dorthin verpassen, wo es wehtut«, sagte Mrs Raney unverblümt. Doch noch während sie es aussprach, wusste sie, dass Betsy Michaels ihren Ehemann niemals würde hindern können, zu tun, was ihm beliebte. Dazu besaß sie ein zu sanftes Gemüt. Was Mick anging – er mochte ein gut aussehender Kerl sein, doch wahre Schönheit kam von innen, wie Mrs Raney zu sagen pflegte, und er war ein selbstsüchtiger Teufel, herzlos und ein schlechter Ernährer noch dazu.

Später am selben Tag fing sie ihn auf dem Heimweg ab und sagte ihm ins Gesicht, wenn er seine Frau nicht in Frieden ließe, würde er seine Kinder bald ohne Betsys Hilfe großziehen müssen.

»Was wissen Sie schon über solche Sachen?«, gab er abfällig zurück. »Sie sind kein Arzt.«

»Es war schon diesmal verteufelt schwer, die Blutung zu stoppen. Haben Sie gesehen, wie blass sie ist?«

Er marschierte ohne ein Wort weiter und hätte ihre Mahnung komplett ignoriert, hätte nicht in der kommenden Woche eine Witwe aus Dublin ein Haus im Nachbardorf bezogen. Eine Frau, die ihre fruchtbaren Jahre hinter sich gelassen hatte, doch einen Mann in ihrem Bett vermisste und unmissverständlich zu erkennen gab, wie anziehend sie Mick fand.

* * *

Am nächsten Tag ließ der Gutsverwalter Diarmid O'Neal fünf Schillinge zu Familie Michaels bringen, um mit den Ausgaben zu helfen. Diesen Brauch hatte sein Herr nach seiner Heirat mit der reichen Lavinia Hardwick eingeführt, und die Dorfbewohner sandten Theo Mullane Gottes Segen dafür.

»Dabei ist es solch eine Kleinigkeit für uns«, hatte Theo zu Diarmid gesagt. »Eine halbe Guinee für ein lebendiges Kind, fünf Schillinge für ein totes.«

»Für sie ist es eine große Hilfe, auch wenn Ihr Vater sich im Grabe umdrehen muss.« Der alte Mr Mullane war seinen Pächtern gegenüber äußerst knauserig gewesen, während er für sein eigenes Vergnügen mit dem Geld nur so um sich geworfen und so das Familienvermögen verprasst hatte. Nur aus diesem Grund hatte sein Sohn eine Erbin heiraten müssen.

Seit der Heirat verbrachte Theo den größten Teil seiner Zeit in Lancashire, weil es seiner Frau in Irland nicht gefiel. Doch er kam regelmäßig zu Besuch nach Ballymullan und brachte sie gelegentlich sogar mit.

Niemand mochte die Gattin des Gutsherrn, eine untersetzte, wohlgenährte Frau, die trotzdem immer unglücklich aussah. Wie man mit vollem Bauch, einem hochherrschaftlichen Haus und feinen Kleidern unglücklich sein konnte, ging über den Verstand der Menschen in Ballymullan.

Keara hielt nach dem Geldboten Ausschau und fing ihn ab, um die Münzen rasch zu verstecken, bevor ihr Da von der Arbeit heimkam.

Nicht einmal eine ordentliche Tracht Prügel konnte sie dazu bewegen, das Versteck preiszugeben, denn sie wusste genau, was er mit dem Geld anstellen würde: In Benny Noonans illegale Spelunke gehen – von der jeder im Dorf wusste – und seinen Kumpanen so viele Gläser spendieren, wie er sich von fünf Schillingen leisten konnte. ›Die Könige des Schwarzbrands‹ nannte Mrs Raney sie mit einem angewiderten Naserümpfen.

»Gib deinem Da das Geld, Liebes«, wisperte Betsy auf ihrem Lager, während die Schläge auf Keara niederprasselten.

Doch Keara würde nichts verraten, nur weiterhin bei jedem Hieb nach Kräften aufjaulen, denn dann hörte er meist schneller auf.

»Undankbares kleines Miststück«, grollte er schließlich und stieß sie quer durch den Raum. »Das kommt dabei heraus, wenn ein Mann von seiner Frau nur Töchter bekommt.« Dann aß er die Hälfte der Kartoffeln, die Keara gekocht hatte, um anschließend auszugehen und mit seinen Kumpanen seinen Kummer zu ertränken.

Erst da brachte Ismay die kleine Mara wieder ins Haus. »Hat er uns was übrig gelassen?«

»Die Hälfte hat er aufgefressen, das gierige Schwein.«

Entmutigt sahen die beiden älteren Schwestern einander an, dann hinunter auf die Schüssel mit den Kartoffeln. Sorgsam teilte Keara die Reste auf und brachte einen der Teller ihrer Mutter.

Betsy schob ihn beiseite. »Esst ihr nur, Liebes. Ich habe keinen Hunger.«

»Du musst etwas essen, Mam, sonst erholst du dich nicht. Wenn du deine nicht isst, esse ich meine auch nicht.«

Nachdem sie ihr karges Mahl verspeist hatten, gingen die drei Mädchen zu Bett und kuschelten sich unter den löchrigen Decken aneinander, während Keara eine Geschichte erzählte. Als Mara und Ismay eingeschlafen waren, lag sie noch lange wach. Mit vor Hunger krampfendem Magen wünschte sie, sie könne eine richtige Arbeit finden, wünschte, ihr Vater würde sich besser um seine Familie kümmern.

In dieser Nacht kehrte er nicht zurück. Sie hörte ihre Mutter leise weinen, sagte jedoch nichts. Betsy weinte nur dann, wenn sie sich unbeobachtet glaubte.

Keara hingegen weinte nur dann – oder gab es vor –, wenn ihr Vater sie schlug, denn Weinen brachte einen nicht weiter.

* * *

Erst zum Frühstück kam ihr Vater heim und beschimpfte sie alle, dass es nichts zu essen gab. Im Hinausgehen hieb er nach Keara. »Heute Abend kriege ich dieses Geld aus dir heraus«, drohte er, dann stapfte er aus dem Haus und warf die Tür krachend hinter sich zu.

Erst als er in sicherer Entfernung bei der Arbeit am Herrenhaus war, ging Keara zum oberen Ende ihres Kartoffelackers und grub die Münzen aus. Eilig suchte sie den Dorfladen auf und befragte die Inhaberin Arla, wie sie das Geld am effektivsten einsetzen könnte. Nach langen, ernsthaften Beratungen entschied sie sich für einen Laib Brot und etwas Käse, von dem Keara heute nur die Hälfte mitnehmen und den Rest morgen holen würde. Da war ein großer Käsefreund und neigte dazu, jedes Stück, das ihm in die Finger fiel, sofort aufzuessen.

Vom restlichen Geld kaufte sie Mehl. Da ihr Vater ihren kleinen Acker nicht bestellte, wuchs darauf nichts, um die Familie sicher zu ernähren. Schon beim bloßen Gedanken an heiße Puffer aus Mehl und Stampfkartoffeln, in der Pfanne knusprig gebacken, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Am besten würden sie noch heiß mit Butter schmecken, doch Butter war in ihrer Familie ein seltenes Gut. Manchmal hatten sie allerdings Glück, und nichts schmeckte Keara besser.

»Ein kluger Kopf, dieses Mädchen«, sagte Arla Lynch zu ihrer nächsten Kundin.

»Den braucht sie auch bei der Familie«, entgegnete die andere Frau säuerlich. »Mick wird mit dem Alter nur noch schwieriger, und dieses arme Frauchen an seiner Seite hatte ihn noch nie unter Kontrolle. Hast du von dieser Witwe gehört, die ihm schöne Augen macht?«

»Sicher, wer hat das nicht? Und hast du die blauen Flecken gesehen, die das Mädchen heute im Gesicht und auf den Armen hatte?«

»O ja, o ja. Jetzt schlägt er neben der Mutter also auch noch sie.«

Mitleidig seufzend schüttelten sie die Köpfe, doch Arla ging das verhärmte Gesicht des Mädchens nicht mehr aus dem Kopf. Keara war so dünn, dass sie die Kauffrau an ihre eigene Tochter Shealagh erinnerte, die während der Großen Hungersnot gestorben war. Lag das wirklich schon zehn Jahre zurück? Shealagh hatte sich Fieber eingefangen und war einfach dahingeschwunden. Seit jener schlimmen Zeit hatte Arla regelmäßig ein Mädchen aus dem Dorf unter ihre Fittiche genommen. Viel hatten sie und ihr Mann weiß Gott nicht übrig, denn das Dorf war winzig und der Laden keine Goldgrube, doch mit ihrer Hofstelle kamen sie gut über die Runden. Brian arbeitete hart, anders als so manch anderer. Und so konnten sie immerhin genug erwirtschaften, um im Gedenken an Shealagh immer wieder einzelnen Mädchen zu helfen.

Der Priester nannte es eine segensreiche Tat, und tatsächlich tat es Arlas gebrochenem Mutterherz gut wie nichts sonst. Die Hungerjahre hatten ihren Monatsfluss versiegen lassen, sodass sie keine weiteren Kinder hatte bekommen können.

Ihr jüngster Schützling hatte erst vorige Woche das Dorf verlassen, um eine Stelle als Dienstmagd anzutreten – wohlgenährt dank Arlas reichhaltigem Essen und zudem des Lesens und Schreibens mächtig. Auch wenn der Priester den Kindern des Dorfs in seiner kleinen Nachmittagsschule die Buchstaben beibrachte, schlug sich dabei keines besonders gut, weil sie öfter zu Hause gebraucht wurden, als sie im Klassenzimmer saßen. Deshalb hatte Brian es auf sich genommen, ihren Schützlingen zu helfen, ihre Kenntnisse zu verbessern.

Mit einem Nicken fällte Arla ihre Entscheidung und ging zu ihrem Mann, um ihn darüber zu informieren.

»Ist Keara nicht schon ein wenig alt?«

»Zum Lernen ist man nie zu alt.«

»Also gehen wir es ihr heute Abend sagen?«, fragte er gutmütig.

»Ich werde erst einmal ein kleines Gespräch mit ihr führen, wenn sie das nächste Mal herkommt.«

Denn dieses Kind war etwas Besonderes, das wusste Arla einfach. Irgendetwas hatten Kearas klarer Blick und der feste Zug um ihren Mund an sich, das verkündete, sie würde sich nicht einfach vom Leben herumstoßen lassen.

* * *

In dem großen, mit allem Komfort ausgestatteten Gutshaus in Lancashire stieg Theo Mullane nach dem Genuss einer Flasche Wein vorsichtig die Treppe zum Schlafzimmer hinauf, nur um sich ein weiteres Mal vor verschlossener Tür wiederzufinden. Genau das hatte Lavinia ihm angedroht, sollte er noch einmal versuchen, ihr beizuwohnen, doch er hatte nicht geglaubt, sie würde den Mut besitzen, ihre Drohung wahrzumachen. Sie war eine Frau wie eine weiche Mehlspeise, die ihm außer einer ordentlichen Mitgift nicht viel gegeben hatte, nicht einmal ein Kind. Und dumm war sie obendrein. Wie dumm, war ihm erst aufgegangen, seit er mit ihr im selben Haushalt leben musste.

Mit finsterer Miene starrte er auf die Tür. Wenn seine liebe Frau glaubte, er würde brav davontrotten und sich in sein eigenes Bett legen oder sich von ihr einschüchtern lassen, hatte sie sich gründlich getäuscht. Ein grimmiges Lächeln trat auf seine Züge, als er sich mit seinem kräftigen Leib gegen die Tür warf. Schon beim ersten Aufprall gaben die Angeln leicht nach, und so machte er lachend weiter, bis er sie ganz eintreten konnte.

Dick Pearson hörte aus dem Schlafzimmer nebenan, wie seine Herrin kreischend ihre Zofe anflehte, sie nicht zu verlassen. Als ob das dem törichten Weibsstück etwas bringen würde!

»Verschwinden Sie auf der Stelle, Mary, wenn Ihnen etwas an Ihrer Anstellung liegt!«, fuhr Theo die Zofe an, sobald er im Zimmer war, und bedachte sie mit einem derart bohrenden Blick, dass ihr ein ängstliches Quieken entfuhr und sie zum Ausgang huschte.

Er schmetterte die Tür hinter ihr zu, die allerdings nicht mehr recht schließen wollte, und stapfte zum Bett. Als er so dastand und auf seine Frau hinabsah, fragte er sich, ob es das wert war. Doch abgesehen vom Geld war sein Hauptgrund für diese Ehe der Wunsch nach Kindern gewesen, und niemand würde ihm seine Rechte verwehren.

»Das tust du nicht noch einmal«, warnte er seine Frau und ließ dabei eine Hand auf ein Beistelltischchen niederfahren, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Irgendein Tand sprang dabei vom Tisch und zerschellte klirrend am Boden.

Lavinia kreischte auf, zog sich die Decke bis ans Kinn und brach in Schluchzen aus.

»Sei still!«, brüllte er sie an.

Doch ihr Geheul wurde nur lauter, und ehe er sich's versah, hatte er ihr eine Ohrfeige gegeben. Er starrte auf sie hinunter, wütend auf sich selbst, dass er die Beherrschung verloren hatte. Doch diese Frau würde selbst einen Heiligen zur Weißglut treiben mit ihrem Gejammer und Gestöhne, ihrer grenzenlosen Selbstsucht. »Sei – still!«, wiederholte er und schüttelte sie diesmal nur.

Mit einem erstickten Laut verstummte sie und starrte ihn geschockt an. »Theo, nicht!«, bettelte sie, und in ihre blassblauen Augen stiegen Tränen. »Ich kann das nicht ertragen.«

»Lavinia, doch«, äffte er sie nach und blickte aufgebracht auf sie hinunter. Die Frau hatte keinen Farbtupfer an sich: helles Haar, das weder blond noch braun war, fahle Haut – jetzt gerötet, wo seine Hand sie getroffen hatte – und dazu diese kleinen Äuglein, die aus aufgedunsenen Falten zu ihm emporschauten, als versetzte sein Anblick sie in schieres Entsetzen. »Solltest du mir je wieder dein Bett verwehren«, sagte er langsam und deutlich, »werde ich die Tür zu deinem Schlafzimmer dauerhaft entfernen lassen.«

»Du bist grausam«, klagte sie.

»Zum Teufel! Was ist grausam daran, wenn ein Mann mit seiner Frau das Bett teilen möchte? Ich will Söhne, Weib. Was bedeutet, dass ich dich damit schwängern muss, denn du bist nun einmal die einzige Ehefrau, die ich habe.«

»Ich bin noch nicht wieder kräftig genug. Die letzte Fehlgeburt liegt erst wenige Monate zurück.«

»Der Arzt sagt, du hast dich lange genug erholt. Und nun, da diese Tür derzeit ihren Zweck nicht erfüllt, können wir den Akt entweder hier in aller Öffentlichkeit vollziehen oder dazu in mein Schlafzimmer gehen. Du entscheidest.«

Ohne ein Wort erhob sie sich, doch jeder Zoll ihres teigigen Körpers unter dem zeltartigen, furchtbar hässlichen Flanellnachthemd verkündete ihr Martyrium, als sie nach nebenan in sein Zimmer voranging. Dort lag sie wie ein toter Fisch unter ihm, während er den Akt vollzog, der ihm hoffentlich endlich ein lebendes Kind bescheren würde.

Immer noch schweigend verließ sie danach sein Bett, und erst als sie sich nebenan wusch, hörte er sie wütend in sich hineinmurmeln. Dann ächzten die Bettfedern unter ihrem Gewicht, als sie sich hinlegte.

Theo starrte noch lange schlaflos in die Dunkelheit. Es war ein Fehler gewesen, Lavinia Hardwick zu heiraten, doch sein Vater hatte ihn dazu getrieben, als er ihm die desaströse Finanzlage des Guts offenbart hatte. Und ihr Vater hatte ihm eine völlig übertriebene Mitgift geboten – jetzt wusste Theo, weshalb –, damit er seine törichte Tochter heiratete. Um Ballymullan Manor halten zu können, hatte er sich darauf eingelassen, wenn auch nur unter der Bedingung, dass die Mitgift an ihn und nicht an seinen Vater ausgezahlt würde. Was zu weiteren Auseinandersetzungen geführt hatte.

Doch ein voll im Saft stehender Mann wie er brauchte eine Frau mit Feuer, kein blasses Wesen, das zusammenzuckte, wenn man es auch nur streifte. Und er brauchte einen Erben. Welchen Sinn hätte es sonst, das Landgut zu bewahren? Außerdem liebte er Kinder, sehnte sich verzweifelt danach, selbst welche zu haben. Und zwar ehelich geborene. Bastarde zu zeugen hatte noch nie zu etwas Gutem geführt, und er hatte dafür Sorge getragen, dass ihm das bei seinen gelegentlichen Stelldicheins niemals passiert war.

Auch Lavinia lag noch lange wach. Zornig auf ihren Ehemann, wünschte sie, wie sie es schon seit ihrer Hochzeit tat, ihr Vater hätte ihr erlaubt, Nancy zu behalten. Nancy war zuerst ihre Amme, dann ihre Zofe gewesen, und bei ihr hatte Lavinia sich sicher gefühlt. Doch ihr Vater hatte gesagt, es sei an der Zeit, dass sie sich von der alten Hexe löse, und Nancy in den Ruhestand geschickt.

Was einfach ungerecht war. Alles war so ungerecht. Und so versuchte sie, sich in den Schlaf zu weinen, bis Theo an ihrer Tür erschien und brüllte: »Sei still!«

* * *

Als Keara am folgenden Tag den Laden betrat, tauschte Arla ein Lächeln und ein Nicken mit ihrem Mann aus. Sie bediente das Mädchen, sah zu, wie sie ihre mageren Einkäufe in einen ausgefransten Leinenbeutel legte, und verschränkte dann die Arme vor der Brust. »Hast du einen Moment Zeit? Ich würde mich gern ein wenig mit dir unterhalten.«

Keara nickte, überrascht von der Einladung.

»Gut, gut. Kommst du mit nach hinten und trinkst einen Tee mit mir?«, fragte die Ältere und deutete in die entsprechende Richtung.

Auf der Schwelle zum Hinterzimmer blieb Keara ehrfürchtig stehen, um alles einen Augenblick auf sich wirken zu lassen. Nur wenige Menschen wurden hier hereingebeten. Bis heute hatte sie nur hier und da einen Blick erhaschen können. Der Raum war ausgestattet wie ein kleiner Palast, mit Steinfliesen, einer echten Leinentischdecke auf einem Tisch, dessen Beine auf Hochglanz poliert waren, zwei blutrot gepolsterten Schaukelstühlen und einem richtigen Teppich, in einem Geschäft erstanden, sogar mit Muster. »Oh, was für ein königlicher Raum, Mrs Lynch. Königlich.«

Zufrieden blickte Arla sich um. »Ja, ich habe es gern schön. Nun denn ...« Sie trug ihr Angebot vor und beobachtete das Mädchen genau, um ihre Reaktion einschätzen zu können (hauptsächlich fassungsloses Staunen). Schließlich sagte sie: »Also, wäre es dir recht, wenn Brian und ich dir ein wenig helfen?«

Mit Tränen in den Augen starrte Keara sie an und brachte einen Moment lang kein Wort heraus. Sie wusste – das ganze Dorf wusste, dass das Ehepaar Lynch schon Breda und Colleen und Mona geholfen hatte, indem sie sie mit Essen versorgt und unterrichtet hatten, damit sie eine gute Anstellung finden konnten. Doch niemals hätte sie damit gerechnet, dass die beiden sie als ihren nächsten Schützling auswählen würden. Sie musste schwer schlucken, bevor sie herausbekam: »Oh, Mrs Lynch, ich wäre Ihnen so dankbar!«

»Das Essen, das ich dir gebe, wirst du hier bei uns essen«, fuhr Arla fort. »Das wird nicht nach Hause zu deiner Familie mitgenommen. Hätte ich genug, um auch sie zu versorgen, würde ich es sofort tun. Himmel, ich würde das ganze Dorf verpflegen, wenn ich es könnte.«

Keara errötete. Tatsächlich hatte sie bei sich gedacht, sie könnte vielleicht ab und an eine Kleinigkeit für ihre Schwestern beiseitelegen und hinausschmuggeln.

»Ich weiß, wie schwer das ist, aber wir wollen sicherstellen, dass unsere Unterstützung auch wirklich dir zugutekommt.« Angesichts der Enttäuschung auf den Zügen des Mädchens gab Arla ein wenig nach. »Allerdings wage ich zu behaupten, dass hier und da wohl auch einmal ein Bröckchen für Ismay und Mara abfallen wird.«

»Ich danke Ihnen, Mrs Lynch.«

»Im Lesen und Schreiben wird dich Brian unterrichten. Ich werde dich Manieren lehren und dir etwas über ordentliche Hausarbeit und die Welt da draußen beibringen.« Denn Arla hatte vor ihrer Heirat in Sligo als Hausmädchen gearbeitet und wusste, was der Adel erwartete.

Überglücklich schloss Keara die Augen, und als sie sie wieder öffnete, versprach sie heiser: »Ich werde Sie niemals enttäuschen, Mrs Lynch, das verspreche ich Ihnen. Ich werde hart arbeiten und lernen, so viel ich kann.«

»Gott segne dich, mein Kind. Als ob ich das nicht längst wüsste.« Arla nahm ihre Schürze ab und griff sich ihre Haube, um sie sorgfältig unter dem Kinn zuzubinden. »Dann begleite ich dich nun heim, damit wir es deiner Mammy zusammen sagen können.«

Doch zu Kearas Bestürzung war auch Da zu Hause, weil ihn ein neu eingetroffenes Pferd beim Auskeilen so heftig am Kopf getroffen hatte, dass es ihn umgeworfen hatte. Man hatte den Bewusstlosen auf einen Karren gelegt und heimgebracht, damit er sich erholen konnte. Schon von draußen sah Keara ihm an, dass er grässlicher Laune war, deshalb zupfte sie Arla am Ärmel und flüsterte schnell: »Können Sie vielleicht ein anderes Mal herkommen, Mrs Lynch? Wenn Da nicht so ... mitgenommen ist? Es ... es könnte sein, dass Ihr Angebot ihm missfällt.«

Überrascht sah Arla sie an. »Also, warum um alles in der Welt sollte es denn das?«

Keara ließ den Kopf hängen, denn sie wusste nicht, wie sie erklären sollte, wie verstockt ihr Vater sein konnte – und wie er es noch mehr auf sie abgesehen hatte, seit sie ihm das Geburtsgeld vorenthalten hatte. Jetzt wischte er ihr eins aus, wo immer er konnte, und zog Freude daraus, ihr das Leben schwer zu machen. Ihre blauen Flecken waren der beste Beweis!

Unbekümmert betrat Arla das Haus als Erste, gewiss, dass man ihr Angebot mit gebührender Dankbarkeit annehmen würde. Sie grüßte Kearas Eltern und sagte, was sie zu sagen hatte.

Mick lauschte mit finsterer Miene, und bevor irgendjemand sonst etwas sagen konnte, blaffte er ein schroffes: »Nein. Wir danken dir für deine guten Absichten, Arla, aber du suchst dir besser ein anderes Mädchen. Eins, das deine Wohltätigkeit mehr verdient als das hier.«

Keara stiegen Tränen in die Augen. Wie konnte er ihr das antun? Und warum? Es würde doch auch zu seinem Vorteil sein, wenn sie eine Stellung als Dienstmädchen im Herrenhaus ergattern und damit ein regelmäßiges Einkommen erzielen könnte.

Zaghaft legte Betsy ihrem Mann eine Hand auf den Arm, nur um grob abgeschüttelt zu werden. »Mick, tu das nicht«, flehte sie.

Aufgebracht sprang er auf und verzog das Gesicht, als sein Kopf offenbar vor Schmerzen dröhnte. »Ich hab Nein gesagt!«, brüllte er. »Bin ich noch Herr in meinem eigenen Haus oder etwa nicht?«

Auf seinen Zügen loderte ein derartiger Zorn, dass Arla ungewollt einen Schritt zurückwich, dann noch einen.

Keara stürzte laut schluchzend aus dem Haus.

Als Arla ihr folgte, konnte sie keine Spur des Mädchens entdecken. Langsam ging sie nach Hause, verblüfft von Micks Reaktion.

In dem kleinen Haus stand Mick da und lächelte wie eine große, zufriedene Katze, die soeben einen Vogel gefressen hatte.

»Warum in Gottes Namen hast du das getan?«, fragte Betsy.

»Weil dein Balg zu lernen hat, mir zu gehorchen, solange es die Füße unter meinen Tisch stellt. Ich bin immer noch Herr in diesem Haus!«

Unfähig, seinen Anblick noch eine Sekunde länger zu ertragen, ging Betsy tränenblind zur Tür und ignorierte ihn, als er brüllte: »Komm sofort zurück, Weib!«

Und so konnte Mick den errungenen Sieg allein genießen, während sein Kopfverband sich bereits zu lösen begann. »Denen bringe ich noch bei, wer hier der Herr ist«, murmelte er und setzte sich dann abrupt hin, weil die Wände sich um ihn zu drehen schienen.

Als er sich wieder etwas besser fühlte, ging er nach draußen zu dem kleinen Schuppen hinterm Haus, holte seine Flasche Schwarzbrand heraus und nahm sie mit in den Wohnraum. Nach einem großen Schluck seufzte er erleichtert. Es gab doch nichts Besseres als Schnaps, um einem Mann durch eine harte Zeit zu helfen.

»Dem Miststück hab ich's gezeigt!« Lächelnd stürzte er einen weiteren Schluck des feurigen Branntweins hinunter.

Ein wenig später lugte Ismay zur Tür herein, doch er brüllte sie an, sie solle verschwinden.

Nachdem er die Flasche geleert hatte, schlief er am Tisch ein, den Kopf auf die Arme gelegt.

2

März 1859

Blindlings stolperte Betsy in das winzige Gotteshaus des Dorfs. Im Vestibül hielt sie inne, um wieder zu Atem zu kommen. Sie hatte nicht gewusst, wohin sie sich sonst wenden sollte – nur hier fand sie dieser Tage noch einen Hauch von Frieden und Ungestörtheit. Sie trat ein, bekreuzigte sich und ließ sich in einer der hinteren Bänke nieder.

Was sollte sie nur tun? Die Vorstellung, Keara müsse sich diese goldene Gelegenheit entgehen lassen, war unerträglich. Dies war womöglich die einzige Chance ihrer Tochter, je ein besseres Leben zu führen.

Wie gern hätte sie um die Führung des Herrn gebetet, doch außer Bitte, Gott wollte ihr einfach nichts einfallen, und so neigte sie schließlich das Haupt, ließ die Tränen fließen und ihr Herz für sich sprechen. Wie schon so oft wünschte sie, Mick Michaels nie begegnet zu sein. Damals hatte sie als Dienstmädchen im Haushalt der Hardwicks in Lancashire gearbeitet, als Mick aus Irland herübergekommen war, um in den Stallungen auszuhelfen. Der alte Mr Mullane hatte ihn geschickt, weil sein Freund Chas Hardwick einen Stallknecht brauchte, der ein Händchen für Pferde hatte, und Mick etwas von der Welt hatte sehen wollen.

In jenen Tagen war sie hübsch gewesen und hatte sich von Mick im Sturm erobern lassen. Der schlimmste Fehler seines Lebens, wie er offen erklärte, wann immer er betrunken war. Das sei überhaupt erst der Grund, warum er trinke.

Nun, es war auch der schlimmste Fehler ihres Lebens, für den sie seither bitter bezahlte. Mr Hardwick hatte darauf bestanden, dass Mick das schwangere Dienstmädchen heiratete, und die beiden dann zurück nach Irland geschickt, da er – so seine Worte – in seinem Haushalt keine Schürzenjäger und Huren duldete. Dabei waren sie nur zwei einsame junge Menschen auf der Suche nach etwas Zuneigung gewesen, die sich eingebildet hatten, verliebt zu sein. Zumindest, was Betsy anging. Mick war nur auf ihren Körper aus gewesen.

»Was ist geschehen?«, ertönte eine Stimme hinter ihr.

Erschrocken zuckte sie zusammen und fuhr herum, voller Angst, Mick könnte ihr hierher gefolgt sein. Doch es war Vater Cornelius, was beinahe genauso schlimm war. Er hatte nichts gemein mit dem freundlichen Priester, den sie als junges Mädchen in Lancashire gekannt hatte. Dieser Mann sagte ihr immer nur, sie solle ihrem Ehemann gehorchen, während er sie zugleich dafür schalt, dass sie besagten Ehemann nicht öfter zum Kirchgang bewegte.

»Sagen Sie mir, was Sie sorgt, Betsy Michaels«, befahl er nun.

In ihrer Verzweiflung vergaß sie, wie nervös er sie machte. »Es ist wegen Mick. Er ruiniert unserer Keara aus reiner Boshaftigkeit das Leben.« Als sie die ganze Geschichte erzählt hatte, entwich ihr ein langes, zittriges Seufzen, während sie darauf wartete, dass der Priester sie anwies, sich in dieser wie in allen anderen Angelegenheiten dem Willen ihres Gatten zu fügen. Doch ausnahmsweise einmal überraschte er sie.

»Lassen Sie mich mit dem Ehepaar Lynch darüber sprechen, dann unterhalte ich mich mit Ihrem Ehemann. Das ist eine vortreffliche Gelegenheit für Ihre Tochter, und es ist falsch von ihm, ihr das zu verwehren.«

»Danke, Vater, aber das wird nicht helfen. Wenn Mick sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist seine Meinung nicht mehr zu ändern.«

»Das werden wir noch sehen. Nun lassen Sie uns gemeinsam den Herrn um Hilfe anrufen, und dann gehen Sie heim und überlassen die Angelegenheit mir.«

Anschließend begleitete er sie noch zur Kirchentür und blickte ihr nach, als sie langsam die schlammige Straße entlangging. Aus jeder Bewegung ihres Körpers sprach Erschöpfung. Wie viele der Frauen hier wirkte Betsy Michaels älter, als sie war. Mittlerweile war sie so dünn, dass ein Windhauch sie hätte davontragen können, und hatte tiefe Schatten unter den Augen. Sie sah krank aus. Im leichten Regen spritzte mit jedem Schritt Schlamm von der Straße an ihren Rocksaum und ihre Waden, doch sie schien es nicht zu bemerken. Anders als einige andere Dorfbewohner ging sie niemals barfuß, doch ihre Schuhe waren ebenso abgetragen wie ihre Kleider. Nur eine ausgefranste Schnur hielten sie an ihren Füßen.

* * *

Am folgenden Morgen bekamen die Michaels-Töchter kein Essen, da Mick das Brot fand, das Betsy für sie beiseitegelegt hatte, und alles aufaß. Angeblich, weil er nach seinem Unfall wieder zu Kräften kommen müsse. Im Anschluss stapfte er widerwillig nach draußen, um ein paar Kartoffeln aus der Miete auszugraben. Als er von seiner beschwerlichen Aufgabe zurückkehrte, warf er sich auf einen Stuhl am Tisch und starrte seine Familie missmutig an.

»Kannst deinem Mann nicht mal einen lebenden Sohn gebären, was?« warf er Betsy an den Kopf.

Sie senkte nur das Haupt und sagte nichts, denn sie wusste, es hatte keinen Zweck, mit ihm zu streiten.

Da sein erster Plan damit offenbar vereitelt war, wandte er sich nun Mara und Ismay zu, die ihn nervös aus der Ecke beobachteten. »Verschwindet, ihr zwei! Ich bin verletzt und brauche meine Ruhe!«

Keara war dabei, die blutbefleckten Lappen zu waschen, die ihre Mutter für den Wochenfluss benutzte, und wartete nur darauf, dass er auch ihr irgendeine Beleidigung zuwarf. Glücklicherweise kam jedoch in diesem Augenblick Diarmid O'Neal zur Tür herein.

»Wie geht es Ihnen, alter Knabe?«

»Schlecht«, antwortete Mick sogleich.

Mr O'Neal besah sich das geschwollene Gesicht, auf dem ein riesiger Bluterguss prangte. »Dann bleiben Sie wohl besser noch einen Tag daheim.«

»Aber wir brauchen das Geld«, jammerte Mick.

»Wir werden Ihnen nichts von Ihrem Lohn abziehen. Ich habe selbst gesehen, was passiert ist – Sie haben nur Ihre Arbeit gemacht.«

Mick lachte abfällig, als der Verwalter wieder fort war. »Nette Abwechslung, mal fürs Nichtstun bezahlt zu werden. Dieser O'Neal ist ein Sklaventreiber, ich sag's euch.«

Wenig später erschien Vater Cornelius.

Mick begrüßte ihn mit einem Stirnrunzeln und fragte: »Was wollen Sie?«

»Mit Ihnen sprechen, mein Sohn.«

»Tja, ich will aber nicht mit Ihnen sprechen, und ich bin auch nicht Ihr Sohn.«

Betsy keuchte erschrocken auf angesichts seiner Unhöflichkeit, doch Vater Cornelius ließ sich davon nicht beirren. »Wie ich hörte, haben Sie es abgelehnt, Ihre Tochter bei Arla in die Lehre zu schicken.«

Drohend blickte Mick zu Betsy hinüber. »Wer hat Ihnen das erzählt?«

»Das ganze Dorf weiß davon.« Doch obwohl Vater Cornelius mit Engelszungen auf ihn einredete, erntete er nur Unflätigkeiten von dem Stallknecht und ließ schließlich von ihm ab. Mit zusammengepressten Lippen verließ er das Haus und überlegte ernsthaft, ob er dem Gutsherrn schreiben sollte, um sich über den Kerl zu beschweren. Es war eine Schande, mitansehen zu müssen, wenn ein Mann des Alkohols wegen seine Familie hungern ließ.

Als er ein Stück die Straße hinunter die beiden jüngeren Mädchen sah, blieb er einen Moment bei ihnen stehen. »Habt ihr Hunger?«

»Ja, Vater.«

Er konnte es einfach nicht ertragen, kleine Kinder so abgehärmt zu sehen. »Wenn ihr mich begleitet, kann ich vielleicht irgendwo ein Stück Brot für euch auftreiben.«

Freudestrahlend stießen sie einander an und folgten ihm zu dem behaglichen kleinen Haus neben der Kirche.

* * *

Als der Nachmittag anbrach, war Mick dazu übergegangen, sich erbost zu beschweren, dass kein Essen im Haus war.

»Gib mir das Geld, und ich kaufe dir etwas zu essen.« Für Betsys Verhältnisse kam das einer offenen Herausforderung gleich, da sie beide wussten, dass er sein letztes Kleingeld zwei Abende zuvor für Schwarzbrand ausgegeben hatte – daher auch sein Kater und die daraus resultierende Unachtsamkeit mit dem Pferd gestern Vormittag.

»Ach, geh einfach hin und frag Arla Lynch nach Geld«, grummelte er. »Sag ihr, ich zahle es zurück, wenn ich am Samstag meinen Lohn kriege.«

»Nachdem du sie gestern so beleidigt hast, wird sie mir bei so einer Bitte bloß ins Gesicht lachen.«

»Ich hab gesagt, geh und frag sie!«, brüllte er und versetzte ihr einen so heftigen Stoß, dass sie schwer gegen den Türrahmen fiel. Im nächsten Moment reckte er drohend die Faust gegen seine älteste Tochter, die wutentbrannt herbeigestürzt war und sich zwischen ihn und ihre Mutter stellte. Sie versuchte nicht einmal, ihre Abscheu zu verbergen, als sie ihrer Mutter nach draußen half.

»Keara, begleitest du mich ins Dorf? Ich brauche einen stützenden Arm.«

»Natürlich, Mam. Warum bleibst du nicht hier und lässt mich an deiner Stelle gehen?«

»Weil er dann behaupten wird, du hättest nicht vernünftig gefragt, und dich dafür schlagen.«

Doch gegen dieses Schicksal war ihre Mutter dieser Tage auch nicht gefeit, dachte Keara bei sich. Es wurde immer schlimmer mit ihm. Warum hatte Gott sie mit einem solchen Vater strafen müssen?

Betsy ging langsam und stützte sich schwer auf ihre Tochter. Schon vor dem Aufbruch war sie erschöpft gewesen, hatte sich noch nicht wirklich von der Geburt erholt. Als sie Arlas Laden betraten, wurde ihr so schummrig, dass sie gegen die Theke sackte.

Mit großen Augen starrte Arla sie an, dann hielt sie einen Finger in die Höhe, um ihnen zu bedeuten, einen Moment zu warten. Sie verschwand ins Hinterzimmer und kam kurz darauf mit zwei Butterbroten zurück. Mit einem gebieterischen »Esst das« hielt sie ihnen die Brote hin. Als sie Betsys prüfenden Blick bemerkte, setzte sie scharf hinzu: »Aber hier unter meinen Augen. Zu dem Kerl bringt ihr mir nichts.«

»Aber die Mädchen ...«

»... sind deutlich besser dran mit einer Mutter, die nicht gleich vor Hunger in Ohnmacht fällt. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen, Betsy Michaels? Verrat mir das.«

Aus Betsys Augen quollen Tränen der Scham und Schwäche.

Keara lief beim Anblick der Brote das Wasser im Mund zusammen, und schon streckte sie die Hand nach einem aus, zog sie dann jedoch zurück und blickte ihre Mutter um Erlaubnis heischend an.

Nichts davon war Arla entgangen. »Ach, nun esst schon das Brot, und dann schickt ihr mir die Kleinen vorbei, damit ich ihnen auch noch etwas gebe. Aber nur das eine Mal, dass das klar ist! Ich bin auch kein Goldesel.«

»Aber Mick wird immer noch Hunger haben, und wenn er in dieser Laune ist, dann ...« Betsy errötete. Es mochte ja sein, dass alle Welt wusste, wie er sie und die Kinder herumschubste, doch es offen anzusprechen, war etwas ganz anderes.

»Der Kerl kriegt von mir gar nichts, und mehr hat er auch nicht verdient.« Mit einem entschlossenen Zug um den Mund verschränkte Arla die Arme.

Kaum jemand wagte es, sich mit ihr anzulegen, wenn sie so dreinblickte, nicht einmal ihr Ehemann. Ein paar Sekunden zauderte Betsy noch, dann nahm sie das Brot und biss ein kleines Stück ab. In tiefer Glückseligkeit schloss sie die Augen – es war frisch gebacken. Sie wandte sich an Keara. »Iss deine Stulle langsam, Liebes. Dann hält es länger vor.«

Als sie wieder nach Hause kamen, sah Mick seine Frau fordernd an. »Und?«

»Arla sagt, sie gibt keinen Kredit, und ich soll dir ausrichten, nachdem du so mit ihr gesprochen hast, gibt sie dir gar nichts.«

Dafür schlug er sie so hart, dass sie ungelenk auf dem Fußboden landete. Die eben hereingekommene Mara heulte los, und Mick schrie seine Frau an, sie solle das verfluchte Balg ruhigstellen, bevor er hinausstürmte.

Einen Moment lang blieb Betsy mit geschlossenen Augen liegen, dann richtete sie sich auf und rieb sich die Wange. »Ist er weg?«

Keara, die gerade noch einem Tritt ihres Vaters hatte ausweichen können, beobachtete, wie er über die Felder davonstapfte, und seufzte erleichtert. »Er geht zum Gutshaus. Soll ich Mara und Ismay jetzt zu Mrs Lynch schicken?«

»Geh mit und pass auf sie auf. Ich denke, ich werde ein wenig schlafen.« Betsy sah die hängenden Schultern ihrer Tochter, wusste, wie unglücklich sie war, eine solche Gelegenheit zu verpassen, und versuchte sich zusammenzunehmen. »Ach, und Keara, Liebes ...«

Das Mädchen wandte sich zu ihrer Mutter um.

»Hol uns für einen Penny Sonnenschein. Ich kann den Regen nicht mehr sehen.«

Es war ein vertrauter Spruch von Betsy, und als Keara ihn nun vernahm, wusste sie, dass ihre Mutter endlich auf dem Weg der Besserung sein musste. »Nur für einen Penny?«

»Das soll für den Anfang reichen.«

»Und worin soll ich ihn tragen?« Auch das gehörte zu ihrem kleinen Scherz.

»Lass ihn dir in die zusammengelegten Hände strömen. Aber nur ja nichts verschütten auf dem Heimweg.«

»Ist gut, Mam.«

Diese Redewendung benutzte ihre Mutter schon, seit Keara denken konnte. Und so sehr sie Betsy liebte, so sehr verabscheute sie mittlerweile ihren Vater. Ihm war alles außer ihm selbst gleich, und sie verstand bis heute nicht, was ihre Mutter je an ihm gefunden hatte.

Sie wünschte, sie könnte wirklich etwas warmen Sonnenschein mit heimbringen. In dem feuchten Häuschen hatte ihre Mutter oft Husten, und nicht einmal diesen einen Raum konnten sie richtig heizen, weil ihnen das Geld für Brennholz fehlte.

* * *

Überrumpelt blinzelte der Gutsverwalter zu seiner Cousine Arla empor, die unverhofft in sein Arbeitszimmer geplatzt war.

»Ich brauche deine Hilfe, Diarmid O'Neal, und ein Nein lasse ich nicht gelten.«

Mit wachsender Verärgerung lauschte er ihrer Erzählung. Mick Michaels war in letzter Zeit kaum je vollständig nüchtern, auch wenn er ihn bislang noch nicht dabei ertappt hatte, bei der Arbeit zu trinken. Das Problem bestand darin, dass der Mann wirklich mit Pferden umzugehen wusste und damit ein wertvoller Angestellter war, betrunken oder nicht. Hätte er seine Finger bei sich behalten, hätte Mick tatsächlich etwas aus sich machen können. Stattdessen war er missmutig und verbittert aus England zurückgekehrt und hatte jetzt nur noch für die Pferde und den Schwarzbrand etwas übrig.

»In ein paar Tagen kommt Mr Mullane für eine Weile her«, sagte Diarmid nun. »Ich werde ihn darauf ansprechen, aber versprechen kann ich nichts.« Natürlich hätte er Mick schlicht befehlen können, das Mädchen zu Arla gehen zu lassen, doch wenn er das täte, würde der Stallknecht sich dafür an Keara rächen. Und das Mädchen hatte es so schon schwer genug. Nein, diese Angelegenheit würde er besser Theo überlassen. Er war einer der wenigen Menschen, die Mick fürchtete.

Wenn Theo Mullane beschloss, auf dem Gut solle etwas geschehen, dann geschah es auch. Diarmid betrachtete ihn als Freund, doch selbst er würde Theo nichts abschlagen, sobald der einen bestimmten Ausdruck in den Augen bekam.

Als auch noch der Priester mit der Angelegenheit zu ihm kam, unter seinem großen Regenschirm zusammengekauert wie eine schwarze Krähe, gab Diarmid ihm dieselbe Antwort.

»Und Sie sind sich sicher, dass Mr Mullane eingreifen wird?«, vergewisserte sich Vater Cornelius.

»Ja, Vater. Absolut.« Nun ja, er war sich ziemlich sicher. Bei Theo wusste man nie, denn er hatte zwar ein gutes Herz, war aber auch schwer geprüft durch seine törichte Frau, und manchmal fuhr er einen dann grundlos an.

* * *

In Lancashire stürmte es, und der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Gereizt blickte Theo nach draußen, während er darauf wartete, dass Dick mit dem Packen fertig wurde. Sein Leibdiener war zugleich auch sein Stallmeister und beinahe eine Art Freund, da sie zusammen auf Ballymullan aufgewachsen waren. »Fertig, Dick? Also gut, bring in Erfahrung, ob deine Herrin aufbruchbereit ist. Ich gehe nach unten und sammle meine Briefe ein. Mittlerweile sollte die zweite Post eingetroffen sein.«

Dick verzog das Gesicht. Seine Herrschaften kommunizierten zunehmend über ihre persönlichen Bediensteten, und das war weder für ihn noch für Mary angenehm. »Jawohl, Sir.«

»Ach, nenn mich Theo. Das hast du doch vor meiner Heirat auch getan.«

»Aber das gefällt Mrs Mullane nicht, Sir.«

»Zum Teufel mit Mrs Mullane!«

»Ich lasse es lieber, Sir.« Unvermittelt schmunzelte er. »Zumindest, wenn sie in der Nähe ist.«

Als Theo mit einer Handvoll Briefe zurückkehrte, die er im Gehen durchsah, musste Dick sich räuspern, um auf sich aufmerksam zu machen. »Mary hat wie von Ihnen angewiesen die Koffer gepackt, aber die Herrin ist noch zu Bett. Es scheint, als sei sie recht – äh – aufgewühlt.«

Theo seufzte. Übersetzt bedeutete das, Lavinia protestierte noch immer heulend, sie sei zu krank, um die Reise auf sich zu nehmen. »Dann ist es wohl an der Zeit, dass ich ihr einen Besuch abstatte.« Ohne anzuklopfen stieß er die Verbindungstür auf und stand dann einen Moment schweigend da, die Hände in die Hüften gestemmt. Er musterte seine herzzerreißend ins Kissen schluchzende Frau. Zumindest wäre es herzzerreißend gewesen, hätte Lavinia es nicht ruiniert, indem sie zur Seite lugte, um die Wirkung auf ihn abzuschätzen.

»Nur im Nachthemd wird es eine kalte Reise«, bemerkte er in beiläufigem Tonfall.

Sie hielt lange genug in ihrem Wehklagen inne, um zu fragen: »Wie meinst du das?«

»Genau so, wie ich es gesagt habe. Wir nehmen den nächsten Zug, und solltest du noch nicht angezogen sein, wenn wir zum Bahnhof aufbrechen, wirst du so mitkommen müssen, wie du bist.«

Der Tränenstrom schlug in Wut um. »Das wagst du nicht!«

»Ach, nein?« Er verschränkte die Arme und betrachtete sie leidenschaftslos. Sie war teigig und blass, weil sie sich keinerlei körperlicher Ertüchtigung befleißigte und sich weigerte, auch nur einen Finger krumm zu machen, wenn es nicht absolut unvermeidlich war. Und sie war das dümmste Weibsstück, das ihm je begegnet war. Er fragte sich zum hundertsten Mal, warum ihm das nicht schon aufgefallen war, als er um sie geworben hatte.

Doch im Grunde kannte er die Antwort. Er hatte ihr keine besondere Beachtung geschenkt, weil nicht sie ihn angezogen hatte, sondern das Geld, das sie mitbringen würde – seine einzige Möglichkeit, sein Landgut zu retten. Und ihre Familie hatte ihn niemals mit ihr allein gelassen, sondern sie mit Menschen umgeben und nur solche Unternehmungen und Unterhaltung geboten, die Lavinia zugesagt hatten und sie im besten Licht erscheinen ließen. Genauer gesagt hatte ihr Vater all das getan. Ihre Mutter war immer kränklich gewesen und kurz nach der Hochzeit verstorben. O ja, Mr Hardwick hatte sein Blatt äußerst geschickt ausgespielt und Theo gründlich an der Nase herumgeführt.

Doch zwei Jahre später war sein Schwiegervater bei einem Kutschunfall ums Leben gekommen und hatte alles Lavinia hinterlassen – beziehungsweise ihrem Ehegatten. Und es war nicht annähernd so viel Geld gewesen wie erwartet, ganz zu schweigen von einer erstaunlichen Zahl an Außenständen, die das Gut der Misswirtschaft von Mr Hardwick zu verdanken hatte. Manchmal dachte Theo, er wäre besser gefahren, hätte er seine Besitzungen verkauft und sich mit dem Erlös in die Kolonien aufgemacht, wo man angeblich ein Vermögen machen konnte. Doch für Lavinia konnte er sich ein solches Leben beim besten Willen nicht vorstellen.

Er schüttelte seine Grübeleien ab. Was brachte es schon, verstrichenen Gelegenheiten nachzutrauern? Nun war sie seine Frau, und er musste das Beste daraus machen. Also zückte er seine Taschenuhr und erinnerte sie: »In exakt einer halben Stunde verlassen wir dieses Haus, ob du angekleidet bist oder nicht. Und zieh für die Reise bloß keinen von diesen verfluchten Reifröcken an, oder ich ziehe ihn dir persönlich wieder aus. Eine derart törichte Mode habe ich noch nicht gesehen.«

Missmutig blickte Lavinia ihm hinterher. Sie hasste ihn. Und das Gut in Irland hasste sie ebenfalls. Das Haus war eine Bruchbude, und die Bediensteten schlugen einen viel zu vertraulichen Tonfall an, als hielten sie sich für ihren Herrschaften ebenbürtig.

Mary ergriff ihre Gelegenheit. »Ich glaube, wir ziehen Sie besser an, Ma'am. Sie wissen ja, wie der Herr ist, wenn er erst einen Entschluss gefasst hat, und in meinen Augen sah er ziemlich entschlossen aus.«

Lavinia stemmte sich hoch. »Ach, meinetwegen! Hol mir etwas zum Anziehen – was, ist egal. Ich überlebe diese Reise sowieso nicht. Und pack mir ein paar Kirschpralinen zur Stärkung ein.«

Mit Mühe unterdrückte Mary ein erleichtertes Seufzen und beeilte sich, ihre Anweisungen zu befolgen.

Einen Augenblick lang blieb Lavinia noch liegen, ihr wollte jedoch kein Weg einfallen, wie sie doch noch um die Reise herumkommen sollte. Eine halbe Stunde später gestattete sie ihrer Zofe, ihr langsam die Treppe hinunterzuhelfen.

Die Eingangstür stand offen und Theo wartete im Foyer, ungeduldig mit dem Fuß tippend. »Beeilung, Frau! Der Zug wartet nicht.«

Daraufhin bewegte Lavinia sich noch langsamer, doch als sie am Fuß der Treppe ankam, packte Theo sie beim Arm und zerrte sie mit sich. Weder ging er auf ihr erschrockenes Quieken ein noch auf ihren Versuch, sich von ihm loszumachen, während er sie nach draußen schleifte und ohne Rücksicht auf ihre Würde in die Kutsche verfrachtete.

Am Bahnhof fasste er sie beim Ellenbogen und sorgte dafür, dass sie flotten Schrittes zum Zug ging. »Sie können heute mit Dick fahren, Mary«, rief er über die Schulter, als sie ihr Abteil erreichten.

»Aber ich brauche auf der Reise ihre Unterstützung«, protestierte Lavinia. »Mary fährt immer bei uns mit.«

»Nun, heute nicht. In einem Abteil sitzen kannst du auch ohne ihre Hilfe. Na los, Mary!« Auffordernd sah er die Zofe an, die hastig knickste, ihrer Herrin einen Korb übergab und über den Bahnsteig zu Dick eilte.

Kurz nachdem der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, griff Lavinia sich den kleinen Picknickkorb, doch Theo nahm ihn ihr ab, noch ehe sie ihn öffnen konnte. Dann holte er das Schälchen mit den Kirschpralinen hervor, einen neuen Roman, ein Stück Kuchen, das in eine feine Leinenserviette eingeschlagen war, sowie einige Kekse in einer weiteren Serviette. Ein Teil nach dem anderen reihte er auf der Bank neben sich auf, dann musterte er sie unbewegt. »Du wirst mit jedem Tag fetter, und das Zeug macht es nicht besser.« Ohne ein weiteres Wort öffnete er das Fenster und warf die Süßwaren samt Servietten zum Fenster hinaus. Anschließend gab er ihr den Korb zurück, der nun nur noch das Buch und ein leeres Silberschälchen enthielt.

Abgesehen von einem empörten Aufschrei, gefolgt von etwas halbherzigem Schluchzen, sprach sie kein Wort mehr, bis sie Liverpool erreichten. Doch die Blicke, mit denen sie ihn bedachte, waren mehr als garstig.

Als man sie zu ihren verbundenen Fährkabinen geleitete, schlug sie Theo schnell die Tür vor der Nase zu und schob von innen den Riegel vor.

Geduldig wartete er draußen, bis ihre Zofe erschien und von ihrer Herrin eingelassen wurde, dicht gefolgt von Theo. »Von jetzt an abseits der Hauptmahlzeiten keine Süßwaren, Kuchen oder Kekse mehr für deine Herrin, Mary. Und wenn ich dich dabei erwische, dass du meine Anweisung missachtest, wirst du auf der Stelle entlassen. Ist das klar?«

Mit offenem Mund starrte die Zofe ihn an, brachte jedoch einen hastigen Knicks und ein schwaches »Jawohl, Sir« zuwege. Als die Tür hinter ihm zuschlug, wandte sie sich an ihre Herrin, die bereits aufmüpfig das Kinn vorschob. »Verzeihung, Ma'am, aber ich wage es nicht, mich ihm zu widersetzen. Ums Leben nicht.« Die mühselige Aufgabe, Mrs Mullane – beileibe keine einfache Herrin – zu umsorgen, war gut bezahlt, und diese Stellung wollte sie nicht verlieren.

Lavinia steigerte sich in einen ausgewachsenen hysterischen Anfall hinein und war durch nichts zu besänftigen.

Ein oder zwei Minuten später platzte Theo in die Kabine und schüttelte seine Frau grob. »Wenn du nicht mit diesem Geplärre aufhörst, muss ich dich knebeln. Ist dir denn völlig egal, dass dich alle Welt hört?«

»Warum bist du so grausam zu mir?«, schluchzte sie, allerdings schon deutlich leiser.

»Weil ich einen Sohn will. Oder eine Tochter. Sobald ich eins von beiden habe, lasse ich dich mit Freuden in Ruhe. Wirst du dich jetzt ruhig verhalten oder muss ich etwas unternehmen?«

Sie nickte.

Als er wieder fort war, starrte sie mit einem regelrecht bösartigen Blick auf die Tür. »Sollte ich je einen Sohn von ihm zur Welt bringen, würde ich die Kreatur mit ihrer eigenen Nabelschnur erdrosseln. Einer von der Sorte ist schon zu viel.« Nie hatte sie sich in jemandem so getäuscht wie in ihm. Dabei hatte sie ihn so anziehend gefunden, als ihr Vater ihn ihr als Ehegatten vorgeschlagen hatte. Er war etwas größer als der Durchschnitt und auf eine nachlässige Art gut aussehend mit seiner kräftigen Gestalt und jener gesunden Gesichtsfarbe, die man nur hatte, wenn man viel Zeit an der frischen Luft verbrachte. Sie hatte schon immer eine Vorliebe für dunkles Haar gehabt, und wenn er guter Stimmung war, tanzte das Lachen in seinen graugrünen Augen.

Und doch hatte er sich als große Enttäuschung erwiesen, denn er gab sich mit dem Gesinde ab und schien nur an zwei Dingen auf der Welt interessiert zu sein: Pferde zu züchten und Lavinia zu schwängern. Beidem konnte sie selbst nicht das Geringste abgewinnen. Und niemand hatte sie darüber aufgeklärt, was im Ehebett geschah, sonst hätte sie niemals zugestimmt, ihn oder überhaupt einen Mann zu heiraten. Ohne Gesellschaft, die das Gespräch am Laufen hielt, neigten sie dazu, schweigend dazusitzen, wenn sie einmal einen Abend miteinander verbrachten. Sie zog ihre Freundinnen vor, bei denen sie sich nicht ständig den Kopf zerbrechen musste, was sie erzählen sollte, weil diese Frauen stets den neuesten Klatsch und Tratsch zu berichten wussten und mehr als zufrieden waren, wenn Lavinia einfach dasaß und ihnen lauschte.

Und dass Theo so unbedingt auf Kindern bestehen musste. Als wollte sie sich damit abplagen! Kinder waren lärmende, schmutzige Kreaturen, für die sie noch nie etwas übriggehabt hatte – nicht einmal, als sie selbst eines gewesen war, denn die anderen hatten sie gehänselt und verspottet, sie als dumm bezeichnet. Hätte sie Nancy nicht gehabt, sie wäre ein furchtbar unglückliches Kind gewesen.

Mary sagte nichts, sondern setzte sich nur wartend in die Ecke. Es sah aus, als würde ihnen eine raue Überfahrt bevorstehen, und schon bald würde es ihrer Herrin zu schlecht gehen, als dass sie noch irgendjemanden drangsalieren könnte. Tatsächlich war auch Mary schon etwas unwohl, doch konnte sie es sich nicht leisten, dem Gefühl nachzugeben. Ganz gleich, wie die Überfahrt verliefe, Lavinia Mullane würde immer erwarten, von vorn bis hinten bedient zu werden. Ihr käme überhaupt nicht in den Sinn, wie schwierig es war, über ein schwankendes Deck zu stolpern, um einen Nachttopf oder eine Schale Erbrochenes über die Reling auszuleeren. Sie bestand schlicht darauf, derlei stinkendes Zeug auf der Stelle loszuwerden.

* * *

Diarmid saß bei einer Flasche Bordeaux mit Theo Mullane in dem kleinen Zimmer, in dem die Waffen aufbewahrt wurden. Soeben hatten sie die jüngsten Geschäfte des Landguts besprochen, und erst jetzt berichtete er seinem Herrn von Mick Michaels' Bosheit seiner Tochter gegenüber.

»Als ob ich noch mehr Probleme bräuchte«, seufzte Theo. »Und warum sollte mich dieses überhaupt betreffen?«

»Es war Arla Lynch, die dir die neue Küchenmagd vermittelt und ausgebildet hat. Wenn sie nicht wäre, hätten wir große Schwierigkeiten, anständiges Gesinde zu finden. Junge Frauen arbeiten nicht gern in einer so abgeschiedenen Gegend, so weit von jeder größeren Stadt entfernt, wenn sie nicht gerade hier geboren sind. Außerdem ist es für die Mädchen im Dorf wirklich ein Segen, was Arla tut.«

Dabei beließ Diarmid es, starrte in sein Glas und betete, dass der Fall das Interesse seines Herrn wecken würde. Als Theo nichts sagte, setzte er noch hinzu: »Ach, gib dir einen Ruck! Keara ist ein gutes Mädchen und verdient etwas Besseres vom Leben. Und gescheit ist sie auch. Das hat sie von ihrem Vater, nicht von ihrer Mutter, auch wenn sie sich diese Bemerkung verbitten würde. Ein selbstsüchtiger, bösartiger Kerl, dieser Mick Michaels. Für nichts gut außer zur Pferdepflege und dazu, sich einen hinter die Binde zu kippen. Es wäre eine Schande, ihn so über ihr Schicksal bestimmen zu lassen. Eine andere Chance auf ein besseres Leben wird sie nicht kriegen.«

Theo zuckte die Achseln. Auch mit Diarmid hatte er schon als Junge gespielt. Mit ihm fühlte er sich wohl, anders als mit dem Verwalter in Eastwood House, der sich in seiner Gegenwart einfach nicht entspannen konnte und ein Langweiler vor dem Herrn war. »Ach, meinetwegen! Dann spiele ich eben den elenden Philanthropen für dich. Was genau erwartest du denn von mir? Soll ich Mick befehlen, das Mädchen bei Arla in die Lehre gehen zu lassen?«