Tod im Tee - Birgit Ebbert - E-Book

Tod im Tee E-Book

Birgit Ebbert

4,6

Beschreibung

Die Hagener Krimibuchhändlerin Anja Henke hat sich wie rund 100 weitere Gäste auf einen gemütlichen Abend im Theater an der Volme gefreut. Doch statt des Stückes »Die mörderische Teerunde« nach Agatha Christie erleben die Besucher einen echten Tod auf offener Bühne. Unversehens findet sich die Hobbydetektivin in einer Mordermittlung wieder und gerät dabei selbst ins Visier des Täters. Nachdem ein zweiter Toter gefunden wird, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

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Birgit Ebbert

Tod im Tee

Kriminalroman

Impressum

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2016

Lektorat: Dominika Sobecki

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © VICUSCHKA / photocase.de, © Jan Matoska / Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5149-2

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Kapitel 1

Ein kleiner Tee aus Adonisröschen gegen Herz­beschwerden, ein großer gegen Herzensbrecher.

»Komm, Anja, sonst kannst du doch auch nicht genug bekommen von Mord und Totschlag!« Oliver Henke sah seine Frau mit einem flehentlichen Blick an. »Ich habe keine Lust, allein zu dieser Premiere zu gehen.«

Anja Henke seufzte. Sie hatte sich so auf einen Samstagabend vor dem Fernseher gefreut. Ihre siebenjährige Tochter Ida übernachtete bei einer Freundin, ihr großer Sohn Tobias war in seiner Bochumer Studentenbude und im Fernsehen gab es eine Inspector-Barnaby-Nacht. Dass an dem Abend die Laienspielgruppe, in der Olivers Mitarbeiter Lars Wollenweber mitspielte, ihre Premiere im Theater an der Volme gab, hatte sie völlig vergessen. Dabei hing das Plakat, das »Die mörderische Teerunde« von Agatha Christie ankündigte, seit Wochen im Fenster ihrer Krimibuchhandlung »Mord & Ortschlag«.

»Gerd Neubert kommt übrigens auch!«

Anja lachte, weil Oliver das in einem Tonfall sagte, als wäre dies das stichhaltigste Argument dafür, dass sie mitgehen musste. Sie kannte Kriminalkommissar Gerd Neubert von einigen Fällen, bei deren Auflösung sie ihm mit wertvollen Tipps geholfen hatte. Gerd würde das natürlich weit von sich weisen, aber insgeheim wusste er doch, was er an ihr hatte. Dank ihrer Buchhandlung war sie mitten im Hagener Geschehen und bekam mehr mit als er in seinem Büro auf der Hoheleye. Inzwischen hatte sich fast so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, die allerdings noch nicht so weit ging, dass er etwas über seine Vergangenheit preisgab. Auch seine Lebensgefährtin Rosina hatte nur angedeutet, dass es da etwas gab, über das er nicht sprechen wollte.

»Na, wenn Gerd Neubert da hingeht, dann muss ich wohl auch, was?« Anja zwinkerte ihrem Mann zu. »Lass mich nur schnell den Festplattenrecorder programmieren, vielleicht kann ich mir beim Frühstück wenigstens die erste Barnaby-Folge ansehen.«

Oliver beeilte sich ihr zuvorzukommen. »Mach du dich ruhig fertig, ich kümmere mich darum«, sagte er und erntete ein lautes Lachen, das durch den Flur, der zum Schlafzimmer führte, herüberklang. »Du meinst wohl, ein Jogginganzug wäre nicht die passende Kleidung für die Premiere, was?«

Wenig später stand Anja in einem schwarzen Over­all, der durch einen roten Seidenschal farblich aufgepeppt wurde, vor ihm.

Oliver sah leicht zu ihr hinauf. »Musstest du denn diese Totschläger anziehen?«, murrte er und zeigte auf die hohen Absätze ihrer Pumps, mit denen Anja ihren Mann um einige Zentimeter überragte. »Die mag ich überhaupt nicht.«

»Ich weiß!« Ein spitzbübisches Lächeln zog über Anjas Gesicht. »Strafe muss sein.«

Ihr Mann schüttelte nur den Kopf und zog sein Jackett über. »Von mir aus können wir. Ich hoffe nur, dass du mit den Absätzen nicht im Kopfsteinpflaster auf dem Elbersgelände hängenbleibst!«

Lachend gingen die beiden zum Auto und machten sich auf den Weg zu dem kleinen privaten Theater auf dem Areal einer längst geschlossenen Textilfa­brik, auf dem sich heute Büros, Werkstätten, Restaurants und Kultureinrichtungen befanden.

»Gut, dass du so hartnäckig warst«, meinte Anja unterwegs. Eigentlich war sie gespannt, was die Theatergruppe auf die Beine gestellt hatte. Erst vor einem halben Jahr hatte sie das Plakat ins Fenster gehängt, mit dem das Theater an der Volme für dieses Projekt Laienschauspieler suchte. Anlässlich des 40. Todestages der Queen of Crime, Agatha Christie, sollte ein Stück inszeniert werden, an dem neben Hagener Amateurdarstellern auch Schauspieler aus Torquay, der englischen Partnerstadt, teilnahmen. Torquay war die Heimatstadt von Agatha Christie, ihren 125. Geburtstag hatte das englische Seebad mit einem neuntägigen Festival begangen, zum 40. Todestag gab es Austauschreisen mit verschiedenen Städten, unter anderem Hagen. Auch die Laienspielgruppe rund um »Die mörderische Teerunde« sollte nach Torquay reisen, um das Stück dort zu zeigen, was bei einigen Hagenerinnen im Vorfeld zu einiger Verwirrung geführt hatte.

Anja erinnerte sich gut daran, dass zwei Kundinnen, die sich beide für das Projekt beworben hatten, darüber stritten, welche Englischkenntnisse die Darsteller mitbringen sollten. Die eine meinte, gute Englischkenntnisse seien unverzichtbar, die andere war gegenteiliger Meinung. Ob die beiden in dem Stück mitspielten? Sie hatte das nicht verfolgt.

»Weißt du, wer außer Lars Wollenweber an dem Projekt teilnimmt?«, erkundigte Anja sich bei Oliver in dem Augenblick, als dieser eine Parkkarte zog.

»Ich!«, scholl eine weibliche Stimme durch das offene Fahrerfenster hinein. Eine stämmige Frau mit kurzen weißen Haaren blieb an der anderen Seite der Parkscheinsäule stehen. »Das finde ich ja schön, dass Sie auch kommen, Herr Henke«, sagte sie zu Oliver.

Anja drehte sich weg, damit die Frau ihren Gesichtsausdruck nicht sah. Das hätte sie sich denken können, dass Margret von Klaten mit von der Partie war. Es gab kaum ein kulturelles Angebot in Hagen, an dem sie nicht beteiligt war und sei es als Fotografin, Platzanweiserin oder selbst ernannte Presse­sprecherin, die sich gerne in der Nähe des Mikrofons von Radio Hagen oder der Kamera von TV58 aufhielt.

»Vielleicht war die Idee doch nicht so gut«, meinte Oliver, nachdem er Frau von Klaten erklärt hatte, dass die Autohupen hinter ihnen ihm galten und er den Weg frei machen musste. Bis dahin hatte die Weißhaarige ihm erklärt, dass seine Stiftung dieses Theaterprojekt unbedingt unterstützen müsste, damit es außerhalb der Stadtgrenzen groß herauskam.

»Diese Frau schreckt echt vor nichts zurück.« Oliver schüttelte noch den Kopf, als er den Motor ausstellte. »Wie kann man so sein. Soll sie doch in die Stiftung kommen und einen Antrag stellen, aber mich nicht bei der Einfahrt ins Parkhaus zuquatschen!«

Anja begnügte sich damit, verständig zu nicken und ihm über die Wange zu streichen. Es gab solche Menschen. Sie hatte sich darauf einstellen müssen, als sie vor neun Jahren mit Tobias nach Hagen zog. Gleich bei ihrem ersten Besuch einer Ausstellung an Olivers Seite hatte sie erlebt, wie manche Hagener ihn umschmeichelten, weil er als Geschäftsführer einer Kulturstiftung über Fördermittel verfügen konnte, mit denen sich stattliche Projekte realisieren ließen.

Oliver grummelte weiter, als sie die Treppe vom Parkhaus hinuntergingen. »Am besten gehe ich auch nur noch mit einer Maske aus dem Haus!« Dabei spielte er auf einen Freund seines Stiefsohns Tobias an, der die Professoren an der Ruhr-Uni mit seinen wechselnden Kostümierungen verwirrte und stets eine Maske trug.

»Für den nächsten Bühnenball im Theater Hagen basteln wir dir eine schöne Maske«, versprach Anja und schaute konzentriert auf den Boden, um mit ihren hohen Absätzen nicht zwischen zwei der alten Pflastersteine zu rutschen.

»Ich sehe, Anja hat sich auch mit Totschlägern bewaffnet«, ertönte eine tiefe Männerstimme neben ihr.

Als Anja aufsah, bemerkte sie Gerd Neubert und neben ihm Rosina Schönberg, deren Pumps im Gegensatz zu ihren eigenen schwarzen Schuhen knallbunt waren, aber mindestens ebenso hoch. Die Absätze waren wie Korkenzieher gedreht und wirkten dadurch besonders martialisch. Wo Rosina nur immer diese verrückten Schuhe fand? Vielleicht gab es dort auch welche mit Messerabsatz, die würden gut ins »Mord & Ortschlag« passen. Sie nahm sich vor, Gerds Lebensgefährtin danach zu fragen, jetzt musste das warten, weil Rosina die Treppe hinaufeilte. Oliver scheuchte auch sie die Stufen zum Theater hinauf, das sich im ehemaligen Pumpenhaus der Textilfabrik befand, auch wenn auf dem Schild neben dem Eingang »Kapelle« stand. Niemand konnte sich vorstellen, dass vor über 100 Jahren ein Unternehmer ein solch hübsches Gebäude um Wasserpumpen herum gebaut hatte.

»Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?« Eine junge Frau in einem karierten Wollkostüm, das sehr englisch wirkte, unterbrach Anjas Gedanken über das Theater. Sie lachte und wählte unter den farbigen Teetassen die rote aus. Gerade wollte sie die Tasse an den Mund führen, da hörte sie, wie hinter ihr Gerd Neubert sagte: »Danke nein, ich schaue mir die mörderische Teerunde lieber nur an und muss nicht darin mitspielen. Wer weiß denn, was die in den Tee gemischt haben? Erst kürzlich hat mir ein Kollege von einem alten Fall erzählt, bei dem eine Nichte ihre Erbtante mit einem Tee aus Adonisröschen ins Jenseits befördert hat!«

Kapitel 2

Statt eines Rauschs wartet nach Verzehr von Almrausch mitunter der Tod.

Anja hob lachend ihre Tasse an den Mund und nippte an dem Tee. Als sie noch in Oldenburg gelebt hatte, ehe sie Oliver begegnet war, hatte sie manchmal in einem Teeladen ausgeholfen und an Teeverkostungen teilgenommen. Durch Oliver und die luxuriöse Kaffeemaschine, die er ihr zur Eröffnung ihrer kleinen Buchhandlung geschenkt hatte, war sie auf den Kaffeegeschmack gekommen. Dennoch erkannte sie gleich, dass der Tee wohltemperiert war, ohne Milch, eher ungewöhnlich für englischen Tee, aber dieser schmeckte auch nicht wie Earl Grey, sondern fast ein bisschen süß. Mit einem leicht bitteren Nachgeschmack. Gerd würde doch nicht recht haben mit seiner Unkerei? Sie stellte die Tasse auf das Tablett, das ein junger Mann mit einem Zopf hielt, der in einem blauen Overall steckte, der so gar nicht zu einer Premiere passte.

»Schmeckt Ihnen der Tee nicht?«, erkundigte sich der Mann, als er Anjas halbvolle Tasse sah.

Was sollte sie darauf antworten? Ich habe Angst, dass Gift darin ist? Das kam ihr albern vor. Wieso ließ sie sich auch von Gerd so verrückt machen. »Doch! Er ist ausgezeichnet«, sagte sie hastig. »Ich möchte mir allerdings vor Beginn der Vorstellung die Bilder von Rosina Schönberg ansehen und die Tasse nicht mit in den Zuschauerraum nehmen.«

Die leicht gerunzelte Stirn des Mannes verriet, dass er das für eine Ausrede hielt.

Anja folgte Oliver durch den dicken schwarzen Samtvorhang, der den Kassenvorraum vom Zuschauer­raum trennte. Auf der Bühne standen drei kleine Bistrotische, auf denen Harlekine in verschiedenen Farben saßen. Links neben dem Fenster zur Regie, das sie von einer Führung durch das Theater kannte, stand ein Regal mit farbigen Teetassen. Genau solchen Tassen wie die, in denen ihnen beim Eintritt der Tee serviert worden war. An der Wand hinter den Tischen hingen ein Spiegel mit einem breiten goldenen Rahmen und das Bild eines Harlekins. Ein solches Bild hatte Anja lange nicht gesehen, es erinnerte sie an ihre Jugend, als Pierrot- und Harlekin-Puppen in waren und in vielen Mädchenzimmern Kunstdrucke von Clowns jeglicher Couleur hingen. Aber Agatha Christie war vor 40 Jahren gestorben, die Harlekin-Mode hatte sie sicher nicht erlebt. Aus welchem Jahr stammte eigentlich die Vorlage für das Theaterstück? Das sollte sie als Krimibuchhändlerin eigentlich wissen. Vermutlich hätte ihre Mitarbeiterin Britta Jansen die Jahreszahlen sofort parat. Sie selbst wusste nicht einmal, worum es in der Kurzgeschichte »Die mörderische Teerunde« ging. Rasch fischte sie unter dem strafenden Blick ihres Mannes einen Programmzettel von einem Stuhl, der ganz außen in der Reihe stand.

Sie wollte gerade die Inhaltsangabe des Stückes lesen, da forderte ein Gong die Zuschauer bereits auf, ihre Plätze einzunehmen.

»Sind wir so spät?« Anja blickte zu Oliver hinüber.

Ihr Mann zog die Schultern hoch. »Ich war schnell fertig.«

Gerd Neubert, der direkt hinter Oliver stehen blieb, grinste. »Ich auch!«

Ehe Anja etwas antworten konnte, ließ Rosina ein trockenes »Das sieht man!« verlauten.

Unter leisem Lachen suchten sie ihre Plätze auf. Anja war froh, dass sie am Rand saß. Von dort aus konnte sie während der Vorstellung aufstehen und fotografieren. Oliver hatte sie zum Glück daran erinnert, ihre Kamera mitzunehmen. Sie hatte mit den Besitzern des Theaters wie auch mit manchen Museen und Veranstaltern ein Abkommen, dass sie Fotos machen durfte. Als nächstes Ausstellungsprojekt schwebte ihr eine Sammlung von Fotos mit möglichen Krimi-Tatorten vor, zu denen sie einen Mini-Krimi-Wettbewerb ausloben wollte. Seit sie bei einer Mord-am-Hellweg-Lesung eine Postkarte mit einem Mini-Krimi mitgenommen hatte, spukte ihr das Projekt im Kopf herum. Das wäre eine schöne Möglichkeit, ihren erlernten Beruf als Fotografin mit ihrer Tätigkeit als Krimibuchhändlerin zu verbinden.

Anja betrachtete das Bild, das neben ihr an der Wand hing. Was Rosina sich wohl gedacht hatte bei dem schwarzen Bild, aus dem eine einzelne Rosenblüte in Rosa hervorstach? »Almrausch«, stand unter dem Werk. Da immer noch nicht alle Plätze besetzt waren, drehte Anja sich zu Rosina, die mit Gerd direkt hinter ihnen saß. »Wieso heißt das Bild ›Almrausch‹?«, fragte sie leise und deutete mit dem Kopf auf die Wand.

Rosina beugte sich zu ihr vor. »›Almrausch‹ ist ein anderer Name für die Alpenrose, eine wunderschöne Blume, die allerdings ebenso giftig wie schön ist. Hinter dem märchenhaften Aussehen kann der Tod lauern.«

»Psst!«, zischte ein älterer Mann, der zwischen Rosina und einem Rollator saß, der in schwarz-rot-gold angemalt war. »Können Sie sich denn nicht in der Pause unterhalten?« Er schaute die beiden Frauen mit einem griesgrämigen Gesicht an.

Anja öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, da ging die Beleuchtung im Zuschauerraum aus und es war für einen kurzen Moment stockfinster. 99 Zuschauer starrten auf die Bühne, als eine Bewegung im Gang Anjas Aufmerksamkeit erregte. Schon wurde der Scheinwerfer auf eine Stelle hinter ihr gerichtet. Dort stand Olivers Mitarbeiter Lars Wollenweber mit einem Schnurrbart, wie Anja ihn nur vom Kaiser-Friedrich-Denkmal an der Hohensyburg kannte, und der unter dem dunkelbraunen Hut ein wenig grell hervorstach. Die Maskenbildnerin hatte es geschafft, den 27-Jährigen in einen alten Mann zu verwandeln. Auf dem Programmzettel sah sie, dass er in seinem hellbraun karierten Tweed-Anzug einen Mr. Sattersway spielte. Der Platzierung in der Darstellerliste nach war das eine der Hauptrollen.

»Dauert das noch lange hier?«, näselte Lars Wollenweber-Sattersway und ging langsam die Stufen zur Bühne hinunter. »Ich werde um 16 Uhr in Doverton Kinsbourne erwartet.«

Aus der Tür neben der Bühne erschien der junge Mann mit dem Zopf, der ihr eben erst die Teetasse abgenommen hatte, in einem blauen Arbeitsanzug. »Zehn Minuten noch. Das haben wir gleich. Ein paar Kleinigkeiten nur, dann läuft das Fahrzeug wieder. Trinken Sie doch solange drüben im ›Café Harlekin‹ einen Tee.«

Bei den letzten Worten wurden die Bistrotische, die Anja beim Betreten des Theaters ins Auge gefallen waren, in Scheinwerferlicht getaucht.

Ehe Anja ihre Kamera aus der Tasche holen und Lars Wollenweber-Sattersway und den Auto­mechaniker fotografieren konnte, ging Lars in seinem karierten Anzug zur Bühne. Im gleichen Augenblick kam von links eine Frau mit schulterlangen grauen Haaren auf die Bühne. Das war doch Clarissa Möllmann, eine der Kundinnen, die über ihre schlechten Englischkenntnisse gejammert und sich trotzdem beworben hatte. Hatte sie also eine Rolle ergattert! Anja versuchte, auf dem Programmzettel den Namen der anderen Kundin zu finden, mit der Frau Möllmann im »Mord & Ortschlag« über die Rollenbesetzung diskutiert hatte.

Durch das »Guten Tag!« mit dem Lars Wollenweber-Sattersway die beiden Stufen zur Bühne hochging, wurde ihre Suche unterbrochen. Anja schob das Papier zu Oliver hinüber und hob ihre Kamera, um die erste Szene auf der Bühne nicht zu verpassen. Dort ließ sich Lars Wollenweber-Sattersway an einem Tisch nieder und sah die Bedienung, die neben dem Teetassenregal wartete, auffordernd an.

»Guten Tag, was darf ich Ihnen bringen?«, erkundigte sich Clarissa Möllmann in ihrer Rolle als Kellnerin und verschwand gleich wieder, nachdem der Gast einen Tee mit wenig Milch und ohne Zucker geordert hatte.

»Schöne Tassen haben Sie da«, empfing Lars Wollenweber-Sattersway die Bedienung, als sie mit einer bauchigen Teetasse und einem Kännchen Milch zurückkehrte.

Die Frau kam nicht zu einer Antwort, weil ein leises Klingeln ertönte und eine zweite Frau mit kastanienrotem Haar, in dessen silbernen Strähnen sich das Licht der Scheinwerfer spiegelte, die Bühne betrat und so tat, als würde sie eine Ladentür öffnen und schließen.

Anja lachte leise. Da hatten sich ja zwei gesucht und gefunden. Annegret Bäumler, die zweite streitsüchtige Kundin, war also tatsächlich ebenfalls in das Ensemble aufgenommen worden. Vielleicht dank ihrer Englischkenntnisse, die sie zur Erheiterung des Publikums schon im ersten Satz unterbrachte. »Guten Tag, meine Tassen, äh, my cups.« Schon verhedderte sie sich im Text.

Anja war froh, dass sie ihr Gesicht hinter der Kamera verbergen konnte. Es war gemein, dass sie lachen musste. Frau Bäumler war eigentlich eine nette Frau, die mit ihrem Übersetzungsbüro gut im Geschäft war. Aber wie sie sich damals aufgespielt hatte! Und dann dieses krampfhafte Zurschaustellen ihrer Sprach­fähigkeiten, die hier in Hagen niemanden interessierten. Selbst die meisten Delegierten aus der englischen Partnerstadt im Publikum beherrschten anscheinend so viel Deutsch, dass sie den bisher schlichten Dialogen des Stückes folgen konnten. Jedenfalls hatten sie soeben an der richtigen Stelle gelacht.

Annegret Bäumler auf der Bühne hatte sich wieder gefangen. Ausführlich erzählte sie – eher dem Publikum als der Bedienungs-Darstellerin –, dass ein paar ihrer Tassen zu Bruch gegangen waren, sie Gäste erwartete und daher Ersatztassen benötigte.

»Wir erwarten einen alten Freund meines Schwiegervaters«, berichtete Annegret Bäumler der Verkäuferin und Bedienung, während diese eine Tasse nach der anderen in Papier drehte. »Er hat den alten Tom lange nicht besucht. Ich kenne Mr. Sattersway überhaupt noch nicht.«

Anja sah, wie Lars Wollenweber-Sattersway an seinem Bistrotisch den Kopf hob und die Frau ansah. »Verzeihen Sie, dass ich mich einmische«, näselte er. »Ich hörte meinen Namen. Gestatten, Sattersway!«

Die Rothaarige stellte die Tasse zurück, die sie zuletzt angesehen hatte. »Das ist ja ein Zufall. Ich bin Beryl Gilliat. Wie kommt es, dass Sie noch hier sind? Wir erwarten Sie jeden Moment. Mein Mann Simon und mein Schwiegervater Tom sind schon ganz ungeduldig. Als warteten sie auf die Queen.«

Anja schmunzelte, als sie das künstlich-alberne Kichern hörte, genauso hatte Annegret Bäumler bei ihr im Laden schon gekichert. Entweder war sie ein schauspielerisches Naturtalent oder sie war von Natur aus so.

Lars Wollenweber-Sattersway schilderte die Autopanne, lehnte jedoch das Angebot zur Mitfahrt ab.

Anja war beeindruckt, wie überzeugend er spielte, dass ihn etwas an Annegret-Beryls Art abstieß. Diese trug die Überheblichkeit ihrer Rolle fast zu stark auf. Allerdings schien von der Anspannung zwischen den Frauen, die Anja von der Bühne bis zu ihrem Platz spürte, außer ihr niemand etwas zu bemerken. Vielleicht spielten die beiden aber auch einfach gut und Anja war nur voreingenommen von dem erbitterten Streit der beiden in ihrer Buchhandlung.

»Dann nehme ich noch eine rote Tasse«, ließ Annegret in ihrer Rolle als Beryl verlauten und hob ihre Nase so hoch wie ein Jagdhund, der eine Fährte witterte.

»Mit ihr möchte ich keine längere Zeit im Auto sitzen«, wisperte Lars Wollenweber-Sattersway dem Publikum zu, während die Frauen ihren Handel abschlossen. »Sie ist doch ganz anders als Simons erste Frau, Lily, von der mein Freund Tom Adison immer nur geschwärmt hatte und die unter seltsamen Umständen in Kenia gestorben ist.«

Anja schaffte es gerade noch, die drei Darsteller aufs Bild zu bannen, da gingen die Scheinwerfer aus und drei Reihen vor ihr wurde geklatscht und »Lars!« skandiert. Anscheinend hatte der Mitarbeiter ihres Mannes seinen Fanclub mitgebracht. Das konnte heiter werden, wenn die nach jeder Szene applaudierten. Noch hatten sie lediglich das erste Bild hinter sich. Während auf der Bühne Schatten umherhuschten und Möbel verrückten, erklang über die Lautsprecher der Song »Tea for Two«, der Anja an Fernsehabende ihrer Kindheit erinnerte, an denen sie mit ihren Eltern den Doris-Day-Film »Tea for Two« gesehen hatte.

Sie zog Olivers Hand mit dem Programmheft zu sich hinüber, um endlich herauszufinden, worum es in dem Stück ging. Bis die Scheinwerfer die Bühne wieder erhellten, hatte sie erfahren, dass die Tassen, die Frau Bäumler-Gilliat gerade gekauft hatte, eine wichtige Rolle in dem Stück spielten. Hoffentlich nur in dem Stück. So ganz war sie den bitteren Geschmack des Begrüßungstees nicht losgeworden trotz des Lutschbonbons, das sie mit leisem Knistern unter dem entsetzten Blick ihres Mannes in den Mund geschoben hatte.

Kapitel 3

Schönheit und Knollengift des Alpenveilchenskönnen den Atem stocken lassen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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