Todesmuster - Norbert Horst - E-Book
SONDERANGEBOT

Todesmuster E-Book

Norbert Horst

3,8
8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vor einer stillgelegten Erzmine in der Nähe des Dorfes Ingsen wurden Blutspuren gefunden. Reine Routine, denkt Kommissar Kirchenberg. Bis seine Kollegen von der Spurensicherung einen Raum in der alten Mine entdecken, in dem offensichtlich vor kurzem jemand gefangen gehalten, gefoltert und getötet wurde. Die Befragung der Dorfbewohner bringt zwar einige Geheimnisse ans Tageslicht, aber alle Spuren verlaufen im Nichts. Und auch von der Leiche fehlt jede Spur …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 302

Veröffentlichungsjahr: 2005

Bewertungen
3,8 (24 Bewertungen)
7
10
3
4
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Norbert Horst

Todesmuster

Roman

Copyright

PeP eBooks erscheinen in der Verlagsgruppe Random House

Copyright © 2005 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

ISBN 3-89480-882-9

www.pep-ebooks.de

Inhaltsverzeichnis

MontagDienstagMittwochDonnerstagFreitagSonnabendSonntagMontagDienstagMittwochDonnerstagGlossarDanksagungÜber das BuchÜber den AutorCopyright

Für meine Eltern

Handlungen und Figuren dieses Romans sind reine Fiktion. Sollten Ähnlichkeiten zu realen Personen oder Ereignissen bestehen, so sind diese zufällig und ausdrücklich nicht gewollt.

Montag

11 Uhr 15

»…warum…«

Die Kirchentür schmettert schwer ins Schloss, es hallt. Verdammt, aufpassen. Der Pfarrer stockt, sieht hoch. Die in den hinteren Bänken drehen sich um, ein Alter im schwarzen Anzug schüttelt den Kopf. Die letzten Reihen sind frei, schnell rein und setzen.

»…ist er gegangen, liebe Frau Peters, lieber Jan, liebe Sina, liebe Gemeinde? Von uns gegangen, plötzlich, ohne Vorankündigung, mitten aus dem Leben, wie man so sagt. Wir stehen hier vor seinem Sarg, dem Sarg des Mannes, der uns ein Ehemann war, ein Vater, ein Sohn, ein Kollege, der er uns so vieles war, was uns wertvoll…«

Ganz schön viele Leute hier. Aber kein Wunder. Roberts Sarg vor dem Altar, rundherum wie im Gartencenter. Die Tür öffnet sich leise, der Küster schlurft vorsichtig, das Futter der rechten Jackentasche hängt heraus, glänzt. Mein Gott, ist ja das halbe Präsidium vertreten, sogar der Präsident persönlich. Wäre Robert wahrscheinlich gar nicht so angenehm. Wo sind denn unsere Leute? Da vorne, das könnte Helmut sein. Und das sieht aus wie Ullas Kopf. Was hat die denn wieder für Haare? Der Küster kommt zurück, gebückte Haltung.

Der Pastor hört auf zu reden. Orgel. Schöne Melodie. Sie singen zurückhaltend, einige kräftige Stimmen dazwischen.

»Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein’ Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.« Drei Strophen. Bei den letzten Takten geht der Pastor wieder hinter den Altar, versinkt im Gebet. Alle stehen auf. Stille.

»Herr, himmlischer Vater. Du Schöpfer aller Dinge und Gebieter über Leben und Tod, wir bitten dich: Sei in dieser schweren Stunde bei uns. Schenke uns Trost, wenn wir ihn bei dir suchen, zeige uns den Weg aus der Verzweiflung, wenn wir dich darum bitten, und, Vater, gib uns Antworten, wo wir Fragen haben. Wenn nicht jetzt, dann vielleicht irgendeines Tages, wenn nicht heute, dann zu irgendeiner Zeit, denn neben aller Klarheit, mit der wir in unserer letzten Stunde vor dir, Vater, stehen, so bleiben wir, wenn wir gehen, einigen – vielleicht auch ganz Nahestehenden – ein Rätsel. Denn auf den Grund unserer Seele siehst nur du, Gott. Auch auf den Grund der Seele von Robert Peters. Nimm sie zu dir. Amen.«

Noch mal Amen im Chor. Was redet der für ein Zeug? Die Orgel setzt wieder ein. Keiner singt. Das kenne ich doch. A whiter shade of pale. Mann, das ist tatsächlich A whiter shade of pale. Donnerwetter, Pop in der Kirche. Hätte es bei uns früher nicht gegeben. Hat sich wahrscheinlich Monika gewünscht. Unser Lied oder so. Eine Frau mit lila Fransenschal zwei Reihen voraus heult wie ein Schlosshund.

»Lasst ihn uns nun auf seinem letzten Weg begleiten.«

Vorne räumen sie die Kränze weg, der Küster öffnet beide Flügel der Eingangstür. Sie tragen den Sarg durch den Mittelgang, weiße Handschuhe, Gleichschritt. Der Pastor, Monika mit den Kindern dahinter. Eine Rosenblüte fällt ab, rollt unter eine der Bänke. Hinter den vieren ist eine Lücke, schnell durch und raus. Die Sonne blendet.

Auf dem Kies vor der Kapelle der Leichenwagen. Opel Admiral. Ganz schön altes Schätzchen, lange nicht gesehen. Sie setzen den Sarg mit der Kante auf die Rollschiene. Beim Reinschieben hakt es, ein Ruck, Klappe zu. Sie setzen die Zylinder ab, der Fahrer steigt ein. Sattes Blubbern des Achtzylinders. Langsam, ganz langsam fährt er die Allee hoch bis zum Tor. Einige winken, eine Frau sogar mit Taschentuch. Furchtbar, warum fährt der so langsam. Blinker. Fast alle bleiben stehen, unbeweglich. Weg.

Monika dreht sich als Erste um, die Arme um die Schultern der Kinder gelegt. Sie sieht auf, nickt stumm. Bloß kein »herzliches Beileid«. Komm, sag was Passendes, du kannst das.

»Tag Monika«.

»Tag Konni.«

»Kein guter Tag heute, hmm? Ich habe erst heute Nacht davon erfahren. Tut mir sehr Leid für euch. Wie ich ihn kannte, wart ihr der Mittelpunkt seines Lebens. Wahrscheinlich wart ihr auch sein letzter Gedanke.« Nicht schlecht.

Ihre Kaumuskeln arbeiten, sie geht ohne Gruß. Meine Güte, ist die fertig. Kein Wunder. Von hinten eine Hand auf der Schulter. Helmut.

»Na, du Weltreisender.«

»Tag, Helmut.«

»Wann bist du zurückgekommen?«

»Heute Nacht, halb drei.«

»Und da bist du jetzt schon hier?«

»Ich habe die Post nur durchgesehen, den Totenbrief habe ich natürlich geöffnet.«

»Na, du Urlauber. Hätte dich fast nicht wiedererkannt nach so langer Zeit«, Ulla, feste Umarmung, sie riecht angenehm nach Nikotin und Pfefferminz. »Und? Wie war’s?«

»Ganz schön hohe Berge haben die da.«

Pohlmann, Gerber und Grote kommen, rauchen, grüßen, kräftige Hände.

»Was ist eigentlich passiert?«

»Was ist passiert«, sie zieht die Stirn kraus, blickt aus den Augenwinkeln, »er hat wahrscheinlich einen Herzinfarkt gekriegt.«

»Herzinfarkt?! Mit fünfundvierzig? Die Einschläge kommen näher.«

»Sechsundvierzig.«

»Mann soll sich halt nicht überanstrengen«, Pohlmann mit vielsagender Miene.

»Was soll das heißen?« Alle drucksen rum. »Kommt, macht hier jetzt kein Quiz, ja.«

»Er war in der Wohnung seiner Freundin. Robert hatte seit Jahren eine Geliebte«, Ulla mit gedämpfter Stimme.

»Was? Robert?«

»Über fremdem Gebiet abgeschossen.« Pohlmann aus dem Hintergrund. Helmut zieht die Augenbrauen hoch.

»Und in ihrer Wohnung ist das passiert? Weiß Monika davon?«

»Jetzt ja. Der Notarzt hat keinen natürlichen Tod bescheinigt und die Kollegen aus der PI Süd hatten keine Ahnung, dass er Kollege ist. Die haben die Todesbenachrichtigung durchgeführt wie immer.«

Robert! Der trockene Robert. Und ich Idiot hab eben noch was von Mittelpunkt des Lebens gefaselt. Letzter Gedanke. Scheiße.

In einer Gruppe unter der Kastanie wird gelacht, die Sonne verschwindet hinter einer Wolke. Die meisten gehen langsam Richtung Ausgang.

»Seit Jahren?« Ulla nickt.

»Du kennst sie sogar. Es ist Frau Rother aus der Verwaltung.«

»Die Dunkle von den Reisekosten?«

»Genau.«

»Alte Beamtenregel. Hausfick bringt Unglück.« Pohlmann zieht den rechten Mundwinkel nach oben, macht eine Grimasse.

»Verdammt noch mal, jetzt isses aber gut!« Helmut schnaubt mit gedrückter Stimme. »Wir sind hier auf einer Beerdigung, auf seiner Beerdigung, genauer gesagt. So ein Rest Pietät sollte doch wohl noch möglich sein.«

»Nun reg dich man nicht künstlich auf. Bin ich fremdgegangen oder er?« Pohlmann leise und bissig.

»Aber man muss an so einem Tag denjenigen nicht noch mit Scheiße und Häme bewerfen. Außerdem hast du doch wohl auch keinen Heiligenschein, oder?«

»Ich habe Lobhudeleien auf Trauerfeiern schon immer gehasst«, er geht näher heran, »außerdem mochte ich ihn nicht besonders. Das ändert sich auch nach seinem Tod nicht.«

»Kommt, lasst gut sein.« Die sollen sich woanders streiten. »Lasst uns lieber irgendwo einen Kaffee trinken.«

Helmut atmet tief durch. »Ist doch wahr.«

»Gibt es keinen Beerdigungskaffee?«

»Ne«, Ulla fingert an ihrer Handtasche, »hatte Monika wohl keinen Bock mehr drauf, von jedem noch einen warmen Spruch. Ich muss auch dringend zur Dienststelle. Wir haben nämlich ’ne Menge zu tun.«

»Wir haben zwei MKs laufen«, Helmut nimmt den schwarzen Schlips ab, steckt ihn in die Jackentasche. »Ulla hat einen Taximord und Franz einen erstochenen Penner. Beide noch mit voller Mannschaft.«

»Hat’s euch ja richtig getroffen in meiner Abwesenheit!«

»Das kannst du laut sagen. Deshalb waren auch nur sieben von uns heute hier, der Rest arbeitet. Wir sehen uns morgen?«

»In alter Frische.«

»Bis dann.«

Die anderen gehen zum Parkplatz. Eine alte Frau steht fast allein mitten vor der Kapelle und blickt die Allee entlang Richtung Tor. Sie schüttelt ganz langsam den Kopf, unaufhörlich.

Das mit Monika muss ich wieder gerade biegen.

Junge, Junge. Robert.

12 Uhr 40

Auf den Klingelknöpfen mit Tesakrepp ein gelber Zettel. Altkleidersammlung, übermorgen. Im Briefkasten Werbung und etwas von den Stadtwerken, wahrscheinlich eine Rechnung. Die Wohnungstür muss auch mal wieder geputzt werden, sind ja richtige Striemen drauf, sie schlägt beim Öffnen gegen die Reisetaschen. Auspacken nachher, erst mal Fenster auf, am besten Durchzug. Pah, ist hier eine Luft. Im Radio irgendeine Boygroup, auf WDR III ein Klavierkonzert, ist okay. Einkaufen. Im Kühlschrank nur zwei Flaschen Weißwein, Riesling und Chardonnay, durch den milchigen Einlegeboden schimmert es dunkel in der Gemüseschublade. Beim Aufziehen schwappt etwas grünliche Flüssigkeit hin und her, mit kleinen Stückchen drin, saurer Geruch. Das waren wahrscheinlich mal Paprikaschoten. Wohl übersehen.

Es schellt.

Wer weiß denn, dass ich wieder da bin? Harte Absätze auf den Flurfliesen, Carmens Kopf schiebt sich schräg durch den Türspalt. Die dunklen Locken schwingen wie kleine Spiralfedern. Sie bleibt in der Tür stehen.

»Kennst du mich noch?«

»Frau Berg, welcher Glanz in diesen Mauern zu dieser frühen Stunde.«

Sie kommt herein, schließt die Tür. Die Bluse raschelt sacht beim Armeheben, schweres Parfum, wie immer. Ihre Hände am Hinterkopf.

»Wusste fast schon nicht mehr, wie du dich anfühlst. Nach sieben Wochen.« Sanfter Kuss, ihre Finger bewegen sich im Haar. »Ich habe nur fünfzehn Minuten Zeit.«

»’ne Viertelstunde? Nach sieben Wochen?«

»Blödmann! Mein Mann hat ein Geschäftsessen, da soll ich dabei sein.«

»Darum der Fummel?«

»Hmmh«, noch ein Kuss. »Und? Wie war’s?«

Tja. Wie war es? Glänzende Eisfelder, Wolkenhüte, hinter Gipfeln immer wieder Gipfel.

»Ich kann dir das kaum beschreiben. Faszinierend? Überwältigend? Das trifft es nicht richtig. Es war anders, anders als alles, was ich bisher erlebt habe.«

Sie löst sich, lächelt, ihre Hände auf der Wange sind angenehm kühl. Parfum an ihren Handgelenken. Sie fällt rückwärts in den Sessel, Beine übereinander, der rechte Pumps löst sich an der Ferse vom Fuß. Sieht heute wirklich aus wie aus der »Vogue«.

»Ich kann dir nicht mal Kaffee anbieten. Ich war noch gar nicht einkaufen. Was anderes? Wasser? Einen Wein?«

»Ne, lieber nicht, nachher komme ich noch mit einer Fahne da an…«

»Dann gehen die Geschäfte bestimmt gleich leichter von der Hand.«

»Lass man. Ich wollte dich nur kurz sehen. Wusste gar nicht genau, ob du schon wieder da bist.« Beim Baumeln des Unterschenkels fällt der Schuh vom Fuß, dunkelrote Nägel.

»Ich bin auch einen Tag früher zurück als geplant. Mit den Flügen war es so günstiger.«

Sie reibt mit der Hand auf der Sessellehne, hebt den Kopf, klarer Blick. »Komm, setz dich mal ’ne Minute.« Ihre Hand warm auf dem Oberschenkel, die Bluse fällt zwei Zentimeter auf, schwarzer Spitzenrand am BH.

»Und? Was ist so in der Zwischenzeit passiert? Wichtiges? Klatsch? Tratsch?«

»Was soll hier schon passieren, die Tage kommen, die Tage gehen. Du hast bestimmt mehr erlebt.« Ihre Fingernägel kraulen das Knie.

»Kann schon sein. Ich erzähl’s dir mal, wenn wir mehr Zeit haben.« Sie nickt. »Aber wir können den Rest der Zeit ja nutzen für eine kurze ekstatische Wiedersehensfeier. Fünf Minuten? Wenn wir uns beeilen, reicht das.«

»Doofmann«, sie boxt sacht in die Rippen, »du weißt, ich mag keine Blitzfeten. Außerdem hat die Gastgeberin heute nur Blutwurst im Angebot, da muss die Fete ausfallen.« Schulterzucken mit gespielter Unschuldsmiene.

»Dann sollte die Feier aber wenigstens anständig abgeblasen werden.«

Sie boxt heftiger in die Rippen. Aua. Skeptischer Blick aus zusammengezogenen Augenlidern, länger. Schweigen.

»Wir kennen uns jetzt ein halbes Jahr, nicht? Sag mal, was fühlst du eigentlich, wenn wir uns sehen?« Oh, Gott! Schwierige Fragen am Nachmittag. Durchatmen.

»Wir haben uns jetzt sieben Wochen nicht gesehen, und da muss ich gleich so was Schweres beantworten?«

Sie steht auf, geht zum Fenster, kommt zurück, ihre Hand im Haar, leise Schauer. »Hab ich mich in den letzten Wochen häufiger gefragt. Würde mich einfach mal interessieren.«

Komm! Ehrlich sein! »Problemloser Sex ohne tiefere Gefühle, aber mit Sympathie! Wer von uns beiden hat das eigentlich am Anfang gesagt?«

»Ich weiß. Aber was ist, wenn Dinge sich ändern?«

Kein Ausweichen. »Dann wird’s problematisch.«

»Für wen?« Ihre Hand immer noch im Haar. Immer noch leise Schauer. Aufstehen. Das Klavierkonzert ist zu Ende, es quatscht jemand. Suchlauf, irgendwo die Stones.

»Für beide.«

Sie hält dem Blick stand, Seufzer.

»Ich muss los, Glückspilz«, sie geht zur Tür, öffnet, zärtlicher Kuss, »aber ich spreche dich noch mal darauf an«, gestreckter Finger mit Herausforderung. Die Absätze hell auf den Fliesen. Das hört man im ganzen Treppenhaus. Die Tür schmettert ins Schloss. Ist der Stopper schon wieder kaputt. Der Kühlschrank. Im Abflusssieb bleiben einige Paprikastückchen hängen. Mein Gott, stinkt das.

Die Schelle. Was vergessen?

Frau Gierths Gesicht zwischen zwei Benjaminis.

»Die Pflanzenflüsterin bringt Ihre Kinder zurück.« Mit eiligem Schritt in die Küche, stellt beide auf den Tisch. »Mein Gott, hier riecht es aber sauer, Sie müssen mal lüften.«

»Haben die sich bei Ihnen vermehrt? Ich hatte Ihnen doch nur einen zur Pflege gegeben.«

»Genau! Den Krüppel hier. Ich habe es mit viel Liebe probiert, aber ein Prachtstück wird das nicht mehr. Das liegt daran, dass er allein ist. Da habe ich Ihnen den hier dazugetan. Selbst gezogen. Pflanzen sind nicht gern allein. Wie Menschen.« Blick von unten nach oben, eine Augenbraue hochgezogen. Ja, ja.

»Das kommt auf die Menschen an.«

»Blödsinn. Stellen Sie die beiden mal zusammen, dann geht’s denen auch besser.« Erhobener Zeigefinger. »Und, schon gehört? Letzte Woche zwei Tötungsdelikte…«

»…schon gehört…«

»…und wissen Sie schon was Näheres?«

»Gar nichts. Morgen ist mein erster Arbeitstag. Heute war ich nur auf der Beerdigung eines Kollegen.«

»Ja«, klagender Unterton, »habe ich gelesen. Tragische Geschichte. Klang etwas eigenartig in der Zeitung…«

»Ja, tragisch. 46 Jahre.«

»Ja, ja. Aber was soll ich sagen, mit 74«, sie hebt die Arme, wendet sich zur Tür.

»Ach, Frau Gierth«, sie dreht sich, bleibt stehen. »Augenblick noch.« Das müsste doch in der Reisetasche ganz unten sein. Ja, das ist die Tüte. »Fürs Gießen und Pflanzenflüstern. Kleines Dankeschön.«

»Oh, Herr Kirchenberg, das wäre…«

»…nicht nötig gewesen, ich weiß. Trotzdem. Danke.«

Sie lässt den bunten Stoff durch die Finger gleiten, legt sich den Schal um den Hals.

»Wunderschön«, fast etwas verlegen. Sie sieht hoch, lächelt jugendlich.

»Schon gut.«

»Wenn Sie mal wieder Hilfe brauchen…«, sie zeigt auf wie in der Schule, geht, dreht sich in der Tür, wieder ganz ernstes Gesicht, »wenn Sie etwas über die Morde wissen, also, ich will nicht unverschämt sein.«

»Ich halte Sie auf dem Laufenden.« Die ändert sich nicht mehr. Sie tätschelt den Oberarm.

»Wir verstehen uns.« Die Treppe rauf, ohne das Geländer anzufassen, spielt mit den Schalenden.

Bei Sener an den Plastiktischen unter den Sonnenschirmen zwei Jugendliche. Sener an der Theke stützt sich auf beide Ellenbogen, liest Zeitung, wahrscheinlich Hurriyet. Die Tür schnarrt, er sieht auf, ganz langsam ein Lachen, kommt mit ausgestreckten Armen. Er nimmt die Rechte, schüttelt mit der Linken den Oberarm, vermeidet im letzten Augenblick eine Umarmung.

»Wieder da?!«

»Ja, wieder da. Seit heute Nacht.«

Er löst den Griff, geht in die Küche, kommt mit einer Flasche wieder. Die Flüssigkeit in den Schnapsgläsern ist milchig.

»Aus der Gegend, aus der ich komme. Ein Getränk für Freunde. Gute Freunde.«

Schmeckt gut, bisschen süß, und irgendein Gewürz, aber was?

»Ich muss einkaufen, wollte eigentlich nur kurz Hallo sagen.«

»Schön, siehst gut aus. Wie war es?«

»Erzähl ich dir heute Abend. Muss mal wieder was essen, was ich kenne.«

»Was richtig Deutsches, verstehe.« Er lacht breit.

»Genau. Kannst mir schon mal einen Döner warm halten. Und ein großes Bier.«

»Alles klar.« Er stellt das Tablett auf den Tresen. »Bis dann.«

Die beiden Jungen am Tisch reden über eine Britta, lachen.

Dienstag

07 Uhr 36

An der Innenseite der Fahrstuhltür ein neues Graffiti. Hand mit Victory-Zeichen und »Der Sieg ist unser«. Ist fast ein Siebziger-Jahre-Slogan. Der Boden im Flur glänzt wie immer. Es riecht wie immer. Strunkemöller liest im Gehen eine Rotakte, kurzer Blick.

»Schau an, der Abenteurer. Siehst ja aus wie’n Bimbo. Pass auf, dass du nicht festgenommen wirst.« Er bleibt kurz stehen. »Kannst du dich überhaupt wieder an Arbeit gewöhnen nach dieser Zeit?«

»Wird schon klappen.«

Er schmettert im Weitergehen mit der flachen Hand auf den Rücken, es brennt. Strunkemöller ist echt ein Kamel.

»Dann häng dich mal rein. Wie war’s überhaupt?«

»Nachher beim Kaffee erzähl ich es für alle. Sonst muss ich zehnmal dasselbe runterbeten.« Er zeigt Verständnis, liest wieder im Gehen.

Petra sitzt im Vorzimmer mit Knopf im Ohr hinter ihrem PC und tippt. Kurzes Aufblicken, sie stoppt, nimmt den Kopfhörer ab, dreht sich auf ihrem Stuhl.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!