Tore zur Freiheit - Andrea Dinkel-Tischendorf - E-Book

Tore zur Freiheit E-Book

Andrea Dinkel-Tischendorf

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Beschreibung

"Den inneren Weg zu erkennen und zu verstehen, warum wir als Seele auf diese Erde gekommen sind, führt zu Zuversicht, Mut, Vertrauen und in das Wissen: Nichts geschieht umsonst!" Ein berührendes, fesselndes und informatives Buch, das die Arbeit eines Mediums anhand wahrer Geschichten beschreibt. Die Autorin zeigt durch zahlreiche Beispiele aus der eigenen Biografie und ihrer Arbeit mit Klienten, wie uns die geistige Welt - Jenseits, Engel und Geistführer - liebevoll unterstützt und leitet. Aber auch wie frühere Leben auf das heutige Leben Einfluss nehmen und wie wir beispielsweise durch das Erkennen der Ursachen von Ängsten und Schuldgefühlen Klarheit und Verständnis, Vergebung und letztlich Freiheit erreichen können. All dies birgt immense Wachstumschancen für die eigene Seele. Wir werden flexibler, geduldiger und mitfühlender. Die Seele entfaltet mehr Licht und unsere Liebesfähigkeit wächst. So können wir die in uns bereits angelegte göttliche Freude und Kraft entdecken und authentisch leben!

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Andrea Dinkel-Tischendorf

Tore zur Freiheit

Für Maya, in Liebe und tiefer Dankbarkeit
Der Weg der Liebe ist kein
raffiniertes Argument.
Das Tor dorthin ist Verzweiflung.
Die Vögel ziehen am Himmel
große Kreise voller Freiheit.
Wie lernen sie zu fliegen?
Sie fallen und im Fallen
wachsen ihnen Flügel.
Kabir

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Einleitung
Frühe Kindheit
Gottes liebende Licht
Wieder verlassen
Ein neuer Weg
Heute begegnest du deinem Schicksal
Meine Suche findet ein Ende
Heilung durch Vergebung
Kapitel 1 ‒ Das Jenseits
Angst vor Verstorbenen?
Meine erste Sitzung
Hilf ihr!
Du hast dich genug im Loslassen geübt
Der Zuhälter aus dem Jenseits
Angelika und ein Tötungsdelikt
Hörst du meine Musik?
Abschiednehmen leichter gemacht
Praktische Übung
Kapitel 2 ‒ Das Wirken der Engel
Wie begegnen uns Engel?
Erinnerungen aus der Tiefe der Seele
Die Seeleneigenschaften
Engel in Menschengestalt
Veränderung durch Berührung
Eine engelsgleiche Seele spendet Licht
Engel schenken Heilung
Eine besondere Heilung meines Körpers
Menschen helfen, Toleranz zu entwickeln
Tina und ihre Engel-Schwester
Spiele die Oboe
Ein musikalischer Schutzengel
Hannas himmlische Hotline
Der Schutzengel und ein Meisterbrief
Engel warnen vor Gefahren
Engel schenken Frieden
Geh doch nackt!
Meine Hündin Gina als Engel an meiner Seite
Negative Denk- und Verhaltensmuster verstehen und wandeln
Praktische Übung
Kapitel 3 ‒ Die Geistführer
Und du hast doch Talent!
Geistführer brauchen auch etwas zu tun!
Wounded Knee schenkt mir Vertrauen
Zur rechten Zeit am richtigen Ort
Schwere wird in Leichtigkeit gewandelt
Praktische Übung
Kapitel 4 ‒ Frühere Leben
Heilung durch das Sehen früherer Leben
Unsicherheit
Markus und das Kinderheim
Sandro, der Geigenspieler
Manuela und die Nazis
Die Radiomoderatorin, die ihren Seelenauftrag lebt
Pfarrer Paul
Ute und der fehlende Arm
Birgit und das Feuer
Martina und der Hungertod
Praktische Übung
Kapitel 5 ‒ Wenn die Seele sich erinnert
Beate und der Friseur
Meine Angst vor Übergewicht
Ein gewaltsamer Tod
Ein merkwürdiger Schmerz
Praktische Übung
Gebete für Mutter Erde
Nachwort
Anmerkungen
Ich möchte Danke sagen
Über die Autorin

Vorwort

Dieses Buch ist in der Hoffnung geschrieben, es möge jedem Leser und jeder Leserin Erkenntnis schenken über die Liebe und Weisheit, die aus Gott geboren in unserer Seele wohnt, und über die Kraft, die aus seinem Licht ein Feuer in unserem Herzen entfesselt, das jegliches Leid zu transformieren vermag.
Es ist ein Buch voller Geschichten … wahrer Geschichten ‒ von Menschen, die durch ihre Offenheit, ihren Mut und ihr Vertrauen in der Lage waren, die nicht immer einfachen Herausforderungen ihres Lebens anzunehmen und ihnen mit Liebe, Verständnis und Vergebung zu begegnen.
Jede einzelne Geschichte hat mich selbst tief berührt und den Wunsch freigesetzt, sie zu teilen, um den Sinn des eigenen Lebens zu erkennen und das Geschenk Gottes, welches uns vom ersten Atemzug in die Hand gelegt wird, mit kindlicher Neugier, Begeisterung und Leichtigkeit anzunehmen.
Was wäre die Menschheit ohne guten Willen, ohne Glaube, Hoffnung, Kraft und Hingabe und vor allem – was wären wir ohne Liebe?
Ich hoffe, dass du durch dieses Buch Mut findest, dein eigenes Leben kraftvoll in die Hand zu nehmen; dass du Trost findest und die Erfahrung machst, dass alles im Leben einen tieferen Sinn hat und nichts umsonst war; dass du lernen darfst, wie Vergebung die Tore zur Freiheit und zu wahrem Frieden öffnen kann, und dass deine Seele ihre Flügel weit öffnet, um endlich zu fliegen.

Einleitung

Wir schreiben den 13.12.2015. Bald ist Weihnachten. Ein kalter Wind fegt über Freilassing, meine Wahlheimat seit nunmehr drei Jahren. Die goldenen Strahlen der Sonne breiten sich wärmend und, der Kälte zum Trotz, über das Lattengebirge aus. Mein Blick schweift zum Himmel.
Eindrucksvoll und majestätisch zeichnet sich die schlafende Hexe, der Ostausläufer des Lattengebirges, vom zarten Blau des Horizonts ab. Die Wolken fügen sich reizvoll in das zarte BlauGrau ihrer Umgebung. Das gleißende Licht der Sonne, die hoch am Horizont steht, wandelt das strahlende Weiß ihres Seins in eine augenscheinliche Öffnung des Himmels.
Je näher ich die riesige Wolke vor mir betrachte, die sich wie ein weites Band in den Himmel erstreckt, desto mehr dehnt sich mein Bewusstsein aus. Mein Körper beginnt zart zu schwingen, und ein Teil von mir ist sich darüber bewusst, wie nah doch tatsächlich das Tor zur anderen Seite ist und wie wenig es bedarf, dies zu spüren. Nur ein bisschen Ruhe und Stille.
Meinen Blick verklärt auf die Wolke gerichtet, beginnt sie sich in einigen schillernden Farben des Regenbogens zu präsentieren: Ein zartes Rosa durchwebt sie, Gold kommt hinzu, Grün und Blau, und der Himmel dazwischen färbt sich in Indigo. Als würde sich auch die Sonne über ihr Erkennen freuen, breitet sie nun ihr Licht über die zuvor grau gefärbte Umgebung.
Ich erinnere mich an die Worte meiner geliebten Freundin Maya: »Die Sonne ist eine Manifestation von Christus, von Ananda, dem Glückseligen«, und kehre zurück in das Jahr 2003, als ich mit geschlossenen Lidern zwischen einer Gruppe von Menschen stehe. Plötzlich erscheint vor meinem inneren Auge die Sonne in ihrem goldgelben, mächtigen Licht ‒ gerade so, als würde sie allmählich vor mir aufgehen. Als sie in vollem Glanz vor mir steht, ist es, als würde sie mein Wesen in sich selbst aufnehmen. Ich lasse mich glückselig in ihr Licht fallen. Es gibt nichts anderes zu tun!
Und da falle ich … ungebremst und mit dem Gesicht nach vorne … platsch … auf den Boden! Während ich glückselig mit der Nase nach unten auf dem Boden liege und darüber nachdenke, was mein Körper vom Sturz abbekommen haben könnte, richte ich mich langsam wieder auf und stelle fest: Mein Körper ist wohlauf, kein blauer Fleck, keine Beule, einfach nichts! Ich weiß noch, dass ich dachte: »Ja, was soll auch passieren ... ich bin doch nur in die wunderschöne Sonne gefallen! ›Die Sonne ist eine Manifestation von Christus.‹ … Ja, natürlich!«, und mein Erleben bestätigt die Essenz dieser Wahrheit. Was wären wir ohne ihr Licht? Es gäbe kein Leben auf unserem wunderschönen blauen Planeten.
Als ich von Maya erfuhr, dass die Erde ein ebenso lebendiger Körper wie die Sonne ist und zugleich die Dualseele von Christus, machte all dies Sinn für mich. Was wären wir ohne Mutter Erde, die uns nährt?
All das kommt mir wieder ins Gedächtnis, während ich die schlafende Hexe und den gegenüberliegenden, sagenumwobenen Untersberg betrachte. Ist es nicht merkwürdig, dass es mich ausgerechnet hierher verschlagen hat? Dass wir ein Haus finden, das uns vom Garten aus den Blick freigibt auf diesen mystischen Berg, dessen Existenz Anlass für Zukunftsweissagungen einiger Propheten des letzten Jahrhunderts gab?
Die schlafende Hexe wird im Übrigen in der Frühzeit als Verehrung und Verkörperung der Bergmutter angesehen und beschrieben. Für mich sieht sie eher aus wie ein junges, weibliches Äffchen, und da mein Hang zu Tieren immer ein besonderer war, bin ich mit diesem Bild sehr zufrieden.
»Ich bin angekommen, endlich ›zu Hause‹ … nach all den aufreibenden Jahren endlich daheim!« Dankbarkeit kommt auf. Gott hat meinen Weg geebnet und mich hierher gebracht, an einen Ort der Stille und des Einklangs mit Mutter Natur. Mit einem Mann an meiner Seite, der die Natur genauso, wenn nicht noch mehr, schätzt und mich immer wieder daran erinnert, dass es nicht nur Arbeit gibt und es genauso verantwortungsvoll ist, die Schönheit, die Gott uns geschenkt hat, wertzuschätzen und uns bewusst mit ihr zu verbinden.
Eine Vision dieser wunderschönen Voralpengegend und auch des Mannes, mit dem ich hier leben würde, zieht in meinem Geiste vorbei: 2008 war ein schwieriges Jahr für mich. Die Trennung meiner langjährigen Partnerschaft brachte viel emotionalen Schmerz mit sich, und doch war es ein transformierendes Jahr, das, wie es nach einem Abschied nun einmal oft ist, auch eine Neugeburt bedeutete.
Zunächst beschloss ich voller Überzeugung, keinen Partner mehr zu haben. Ich hatte die Nase voll von all den komplizierten Beziehungen der Vergangenheit und zog mein Resümee in der innerlichen Auflehnung meiner Seele: »Entweder meinen Seelenpartner, oder niemanden mehr!«
Da stehe ich nun in der Küche meiner alten Wohnung und denke über die kommende Zeit nach. Ich bitte Gott um einen kleinen Einblick in meine Zukunft: Eine bergige Landschaft zieht an meinem geistigen Auge vorbei, ich sehe blauen Himmel, viel Grün. Einige Wochen vor dieser Vision hatte ich in England einen Mann kennengelernt, in den ich mich Hals über Kopf verliebte. Als wir uns während einer medialen Ausbildung begegneten, hatte er bereits seinen Job als Polizist in London aufgegeben und war nach dem tragischen Tod seiner Frau mit seiner damals 13jährigen Tochter nach Kanada ausgewandert, um dort ein neues Leben zu beginnen.
Die inneren Bilder versetzen mich in ein aufgeregtes Staunen, obgleich ich immer wusste, dass ich einmal einen Ausländer heiraten würde. Vielleicht kennst du das auch: Es gibt Dinge im Leben, die weiß man einfach. Es ist ein tiefes Wissen, das aus der Seele herausströmt und nicht gleichzusetzen ist mit logischem, rationalem Denken.
»Wow!«, denke ich: »Das muss Kanada sein! Das ist ja wunderbar!« Jonathan war also wieder in greifbare Nähe gerückt, obwohl unser Abschied keineswegs einer Trennung zweier Liebender glich, die wissen, ein Wiedersehen steht außer Frage. Vielleicht hätte ich mir die Berge doch etwas genauer betrachten sollen!
Nach der anfänglichen Begeisterung ereilte mich der Schock. Nein, ich hörte keine englische Sprache, wie ich es mir vorstellte. Ich hörte unmissverständlich einen österreichischen Akzent meines zukünftigen Liebsten! Du kannst dir sicher vorstellen, wie erstaunt ich war. Ausländer hin oder her, einen Deutschsprachigen hätte ich mir jedenfalls nicht vorgestellt!
Nun bin ich mit meinem österreichischen Mann Volker verheiratet und zähle mich zu einem sehr glücklichen und zufriedenen Menschen auf dieser wunderbaren Erde, der gerade die schneeweiße Wolke vor sich betrachtet. Die Kulisse am Himmel wirkt wie ein Gemälde, das sich unter den Wetterbedingungen und Lichteinstrahlungen immer wieder in neuen Farben und Formen präsentiert. »Wie mein Leben«, denke ich. Stetige Bewegung, Höhen und Tiefen, und kaum tritt etwas in Erscheinung, ist es auch schon wieder weg ‒ wie die Wolke am Himmel.
Von meiner Arbeit als Medium weiß ich, dass die meisten Menschen durch Gewohnheit ihre Lebendigkeit verlieren. Es gibt für mich nichts Schöneres, als sie mit Hilfe der geistigen Welt daraus zu befreien, um ihr tatsächliches Potential zu leben. Betrachten wir doch nur einmal die Natur: Nichts ist von Bestand, stetige Veränderung und Bewegung sind ihre Begleiter. So sind wir Menschen auch. Die Natur erscheint in wunderschönen Farben. Ich mag den Vergleich mit einem Teich: Ist genug Sauerstoff vorhanden, blüht das Leben in und um den Teich herum. Man sieht Libellen, Insekten, Frösche, lebendiges Grün. Ist zu wenig Sauerstoff im Wasser, kippt der Teich, und allmählich schwindet das Leben. Bewegung ist der Lauf des Lebens.
Bewegung ist auch unser Atem: Er kommt und geht, kein Atemzug gleicht dem anderen. Ist einer gegangen, ist er unwiderruflich Vergangenheit. Nicht wiederholbar! So erleben wir ständiges Ableben und augenblickliche Neugeburt. Im Ein- und Ausatmen wird gezeigt: Jeder neue Atemzug ist die Möglichkeit, lebendig zu sein.
Leider denken wir im Westen zu wenig darüber nach und sind schockiert, wenn unser letzter Atemzug naht oder ein geliebter Mensch seinen letzten Odem aushaucht. Dann fangen wir an, über das Leben nachzudenken, und fragen uns, was unserem Leben mehr Inhalt gegeben hätte. Tun wir dies besser heute, jeden Tag von neuem! Wie oft höre ich von lieben Verstorbenen: »Ich habe versäumt, dieses oder jenes zu tun, zu sagen und so weiter …« Ehrlich gesagt, sind diese Gespräche auch für mich immer sehr lehrreich, kann ich doch dann versuchen, noch etwas besser und intensiver zu leben.
Zufrieden blicke ich auf mein Leben. Vor ein paar Jahren fand ich beim Ausmisten staubiger Kisten einen Zettel wieder, den ich als 25-Jährige geschrieben hatte. Auf dem Zettel standen meine Wünsche für dieses Leben: Einen lieben Mann, drei Kinder, einen Hund, ein Haus mit Garten, drei Sprachen sprechen, ins Ausland gehen, Ski fahren lernen, Fallschirm springen, Malen …
Der gewünschte Mann ist nun da: Volker ist der Mensch, den ich mir immer erträumt habe. Er nimmt mich, wie ich bin, und gibt mir trotz meiner Schwächen stets das Gefühl, geliebt zu sein. Was kann sich ein Mensch mehr wünschen? Die drei Kinder hat er mitgebracht, die waren also schon fertig. Das Haus mit Garten haben wir angemietet, und das Hündchen ist nun auch da. Skifahren habe ich durch meinen Mann ein bisschen gelernt. Und das mit dem Fallschirmspringen ist mir nicht mehr wichtig; es darf also gerne ohne Wehmut von der Liste gestrichen werden!
Die drei Sprachen: Englisch durfte ich mir während meiner Zeit in Florida aneignen, und naja, mein Französisch ist gegangen, wie es gekommen ist. Aber auch das ist nicht tragisch, und schließlich bin ich noch nicht zu alt, um eine neue Sprache zu lernen. Okay, auf meinem Zettel stand: bis 30 …, aber: welche Bedeutung hat das schon … man muss ja nicht immer im ICE fahren!
Endlich finde ich Zeit zum Malen. Kreativ und somit schöpferisch tätig sein zu können und zu dürfen, liegt in der Natur des Menschen; es sind Gottesgeschenke an uns. Dieser Gabe Raum zu geben und meiner Seele trotz der vielen Arbeit Zeit zu schenken, ist eine bedeutungsvolle Aufgabe, derer ich mir bewusst bin.
An Heiligabend werde ich 46 Jahre alt und während ich mein Leben Revue passiere, denke ich an Mayas Worte im Jahr 2008, als ich Volker kennenlernte, zurück. Mit dem Hinweis auf diese Beziehung gab sie mir zu bedenken: »Wenn du es jetzt nicht schaffst, schaffst du es nie!« Merkwürdig, dass ich gerade jetzt daran denke.
Es wird mir klar, dass sie die Liebe und das Leben meinte. Ich bin mir sicher, dass sie mit ihrem durchdringenden Blick und ihren ungewohnt strengen Worten eine Anspielung auf die damals nicht vorhandene Wertschätzung von Liebe und Leben machte. Meine kluge Freundin, die mit ihrer Ehrlichkeit und Klarheit und vor allem ihrer Liebe mein Leben so reich beschenkt hat. Jetzt fühle ich sie, die Dankbarkeit und Wertschätzung, ohne die sich ein Mensch nicht als glücklicher Mensch bezeichnen kann.
Bevor ich meine alte Heimat verlassen habe, um mit meinem Mann an der Grenze von Österreich und Deutschland zu leben, gab es noch einen Wehmutstropfen: Ich musste Abschied nehmen von Gina, meinem kleinen Dackelmischlingsmädchen, meiner geliebten und treuesten Weggefährtin, und auch diese Erinnerung kehrt zurück:
Ich sitze am Schreibtisch in meiner alten Wohnung und schaue mir Häuser unserer jetzigen Heimat an. Fünf Jahre suchen wir nun schon nach einem gemeinsamen Domizil. Als ich das Haus im Internet finde, das wir heute bewohnen, kehrt die Vorahnung zurück, die ich einige Monate zuvor spürte. Damals wusste ich: »Wenn ich Richtung Österreich ziehe, wird es Gina nicht mehr geben!« Ein Stich fährt mir ins Herz, und mit Schrecken und Tränen in den Augen betrachte ich meine innig geliebte Hündin, die unter meinem Schreibtisch sitzt. »Ach, Gina!«, seufze ich und blicke in ihre warmen, braunen Augen, die mich ebenso traurig ansehen. Da sie kein gewöhnlicher Hund ist, weiß sie natürlich wie ich Bescheid.
Es kam wie vorhergesehen: Im Sommer 2012 zogen wir ein, im Februar zuvor verstarb meine engste Begleiterin seit sieben Jahren. Ohne ihre Freundschaft, Loyalität und ihre großzügige Liebe hätte ich es nicht bis hierher geschafft. Jetzt ist sie im Himmel, wo wir uns eines Tages wiedersehen, und zwischenzeitlich steht sie mir immer noch treu zur Seite ‒ als Engel im wahrsten Sinne des Wortes. Ab und an sehe oder spüre ich sie, und hin und wieder macht sie sich über unsere neue Hündin Amira bemerkbar. Auch bei Botschaftsabenden, wenn verstorbene Tiere Kontakt aufnehmen, ist sie meist diejenige, die mich zu ihren trauernden Besitzern führt.
Gina kündigte mir Amira an, die gemäß meinem Wunsch, ein wirklicher Hund zu sein, auf wundersamen Weg zu uns kam. Kurz nachdem Gina verstarb und ich hierher zog, hörte ich bei einem Spaziergang plötzlich ihre Stimme in mir: »Eine neue Hündin wird kommen! Sie wird, wie ich, eine Dackelmischlingshündin sein und durch eine österreichische Freundin zu euch geführt. Ihr Name ist Mia!«
Ich war mir nicht sicher, ob ich richtig hörte … Mia oder Mira? »Na, egal, wenn es so ist, werde ich sie Amira nennen.« Das bedeutet auf Arabisch ›Prinzessin‹ und ist die weibliche Form von Amir, einem indischen Yogi, der im Himalaya lebt und dessen Stimme ich erstmals 2008 wahrnahm.
»Sie kommt früher als du denkst ... noch vor eurem Indienurlaub!«
»Oh weh!«, dachte ich, »Wie soll das funktionieren?« Es kam 1:1 genauso, wie es mir Gina angekündigt hatte. Selbst der Name des Tieres war der gleiche.
Nun, im 47. Lebensjahr angekommen, beginne ich meine persönliche Aufgabe anzugehen: Neben meiner Arbeit, die ich liebe, auch zu leben und mich selbst genauso wichtig zu nehmen wie jeden anderen. Kaum zu glauben, dass ich hierfür 46 Jahre gebraucht habe, um das zu tun, was ich mir persönlich vorgenommen habe, oder besser gesagt: meine Seele!

Frühe Kindheit

Meine Eltern waren noch sehr jung, als ich in ihr Leben trat, und man kann nicht behaupten, dass ich eine unbeschwerte Kindheit hatte. Meine Mutter war Alkoholikerin, eine sogenannte Quartalstrinkerin, die sich seit ihrem vierzehnten Lebensjahr immer wieder aus dem realen Leben in den Alkohol flüchtete. Häufig saß meine Oma stundenlang am Fenster, um auf ihren Mann, ihre Tochter und ihren Sohn zu warten. Mein Halbonkel war der Grund dafür, dass meine Mutter alkoholabhängig wurde. Jahre des Missbrauchs durch ihn und seine Freunde hatten sie beinahe zerstört; ein normales Leben war nicht mehr möglich.
Angefangen hatte der Missbrauch bereits mit elf Jahren, als ein ›Freund‹ der Familie sie erstmals vergewaltigte. Ich weiß noch, dass ich mir Kinderbilder meiner Mutter ansah, speziell ihr Konfirmationsfoto, und dabei dachte: »Wie traurig sie doch ausschaut!«
Mein Opa, ein warmherziger, kluger und sensibler Mann, entdeckte meine Oma beim Spaziergang, als sie damit beschäftigt war, den Garten umzugraben und alle anderen im Haus feierten. »Schön blöd sind Sie!«, sprach er meine Oma an. »Da drinnen wird gefeiert, und Sie sind mit Umgraben beschäftigt!« Er brachte damit zum Ausdruck, was allen Angehörigen der weiblichen Ahnenreihe meiner Großmutter zu eigen war, und das galt auch für mich: Arbeit bekam im Leben absolute Priorität.
Als ich dreizehn Jahre alt war, sprach meine Mutter erstmalig über ihre traurige Vergangenheit. Anlass war ein Übergriff auf mich selbst, den ich glücklicherweise verhindern konnte. Ein Polizist hatte sich, während ich schlief, an mich herangemacht. Eine Freundin der Familie, die aufgrund eines stationären Aufenthalts meiner Mutter im Krankenhaus auf meine jüngere Schwester und mich aufpasste, brachte ihn mit ins Haus. Als ich spürte, dass mich etwas am Körper berührte und ich deshalb aus dem Schlaf gerissen wurde, um sogleich in ein fremdes Gesicht zu blicken, schrie ich im Schock nach Leibeskräften aus und schlug den Mann damit in die Flucht.
Meine Mutter spürte im Krankenhaus, dass etwas vorgefallen sein musste, und nachdem ich widerwillig aussprach, was geschehen war, packte sie kurzerhand ihre Sachen und eilte vorzeitig nach Hause. Dort angekommen, erzählte sie mir ihre deprimierende Geschichte, die mich erschütterte und mir die Tränen in die Augen trieb.
Nach einer langen Pause, in der ich ihr voller Mitgefühl den Arm streichelte, fragte ich sie: »Warum hast du Oma nichts davon gesagt?«
»Oh, das habe ich versucht. Aber sie hat mir nicht geglaubt, und bevor ich zu Ende reden konnte, hat sie mich als Spinnerin abgetan. Kurz darauf schickte sie mich zu Verwandten an die Ostsee. ›Zwangsausweisung‹! Ich habe nie wieder versucht, mit ihr darüber zu reden.« Meine Oma und meine Mutter hatten deshalb ihr Leben lang ein schwieriges Verhältnis.
Ich denke, dass ich in meiner medialen Tätigkeit deshalb auch immer wieder vielen Frauen begegne, die das gleiche Schicksal wie meine Mutter teilen, weil ich durch diese Erfahrungen sensitive Antennen für das Erkennen von Missbrauch und Alkoholismus entwickelt habe. Und natürlich, weil ich am eigenen Leib erlebt habe, was dies für den Betreffenden selbst sowie für seine Angehörigen bedeutet.
Mein Vater hatte eine gleichermaßen schwierige Kindheit. Bereits als Baby wurde er zur Adoption freigegeben. Er kam in eine Pflegefamilie, die bereits drei Kinder aufgenommen hatte. Seinen Pflegeeltern ging es vor allem um das Geld, welches sie für die Aufnahme und Betreuung der Kinder erhielten. Es gab für alle vier Kinder weder Liebe oder Zärtlichkeit, noch Mitgefühl oder Verständnis.
Mit diesen Kindheitserfahrungen lernten sich meine Eltern kennen und beschlossen, gemeinsam alles besser zu machen. Sie mieteten ein Haus in Calw, wünschten sich eine große Familie und wollten ihre eigenen Kinder mit Liebe großziehen. Zwei Menschen, denen die Flügel gestutzt worden waren und die versuchten, gemeinsam wieder ganz zu werden und fliegen zu lernen. Weder Vater noch Mutter schafften es, sich von ihrer Vergangenheit zu lösen, und Alkoholkonsum spielte bei beiden eine große Rolle. Trotzdem waren sie bemüht, eine normale Familie zu sein und uns Liebe zu schenken.
Meine eigenen Kindheitserinnerungen sind spärlich, sie liegen im undurchsichtigen Nebel der Vergangenheit. Das Wenige, das ich in mir bewusst gespeichert habe, waren Umstände und Situationen, die später beim Erkennen und Verstehen meines Wesens eine maßgebliche Rolle spielten. Ich weiß zum Beispiel noch sehr genau, wie ich mit zwei Jahren das Gitter des Kinderbetts meiner Schwester, die als Neugeborene friedlich in ihrem Bettchen schlummerte, festhielt. »Endlich bist du da!«, dachte ich, und betrachtete sie mit Entzücken. Stundenlang hätte ich sie so anschauen können. Lange, bevor sie in dieses Leben geboren wurde, freute ich mich schon über ihre Ankunft. Maya sagte ihr einmal, sie habe eine engelsgleiche Seele. Das muss ich bereits als Kind gespürt haben. Irgendwie wusste ich, dass jetzt mehr Licht gekommen war und somit auch für mich Unterstützung. Obwohl so viele Geschehnisse ausgeblendet sind, gibt es doch diese schöne Erinnerung an die Ankunft meiner Schwester ‒ ein Stern in dunkler Nacht!
Eigentlich hätte ich auf sie eifersüchtig sein müssen, war sie doch das bevorzugte Kind meiner Mutter. Ich selbst fühlte mich als Kind an der Seite meiner Mutter unsicher, ja sogar ängstlich. Der Grund hierfür sollte sich später, als ich bereits in die spirituelle Welt eingetaucht war, zeigen.
Wir lebten in einer winzigen Wohnung in einer einfachen Gegend. Graue, eintönige Gebäude reihten sich aneinander, es gab einen steinigen Innenhof und kaum Grün. Der Kindergarten war nur einen Sprung entfernt, die Schule ebenso. Als Kind empfand ich die Dimensionen natürlich anders. In der Küche stand eine winzige Sitzbadewanne aus Zink, was ich damals schon als ulkig empfand, und meine Schwester und ich teilten uns ein Zimmer. Die Wohnung selbst war gruselig, überall gab es Geister von Verstorbenen, und niemals wollte oder konnte ich ohne Licht einschlafen. Hier begann mein Sehen und Hören.
Jahre später, als ich bereits erwachsen war, erzählte mir mein Vater, dass ich mit zwei oder drei Jahren meine Eltern warnte, sich nicht ins Wohnzimmer zu begeben. »Ihr könnt da nicht rein! Seht ihr nicht, dass schon alles voll ist? Viel zu viele Leute!« Ich sprach schon sehr früh, noch bevor ich gehen lernte. Natürlich glaubten mir meine Eltern nicht. Sie dachten, das Kind hätte einfach eine rege Phantasie.
Ich fürchtete mich sehr in dieser Wohnung, und für meine Schwester und mich gab es nur einen sicheren Ort zwischen diesen Wänden, nämlich außerhalb davon! Wir richteten uns den Balkon her, mit Tüchern als Himmelsdecken, und bauten somit unseren sicheren ›Bunker‹ als Schutz vor den Geistern. Oft hörte ich in der Nacht klar ›die andere Seite‹, die immer wieder, wenn der Abend den Tag ablöste, meinen Namen rief, und jedes Mal erschrak ich aufs Neue bis ins Mark. Ich wusste innerlich, dass dies nicht die Stimmen des Lichts waren, die mich bedrängten und auch in meinen Träumen verfolgten.
Mit fünf Jahren wachte ich eines Tages, im Bett zwischen meinen Eltern liegend, auf. Ich wurde von einem fremden Wesen, das vor mir am Fußende des Bettes stand, geweckt. Der Mann, mit einem dunklen Umhang und einem merkwürdigen altmodischen, schwarzen Hut bekleidet, hielt seinen Blick durchdringend auf mich gerichtet. Ich erschrak zu Tode!
In meiner Panik war mein nächster Gedanke, meine Eltern zu wecken, doch gleichzeitig wusste ich, dass sie den Mann nicht sehen würden. Also zog ich die Bettdecke zum Schutz über mein Gesicht in der Hoffnung, er würde sich von alleine in Luft auflösen. Sehr langsam zog ich die Decke wieder herunter, gerade so weit, dass meine Augen frei lagen und ich erspähen konnte, ob der Mann noch da war.
Unglücklicherweise hatte er sich nicht in Luft aufgelöst. Da stand er immer noch, die dunklen Augen auf mich gerichtet. Er versuchte, mir etwas mitzuteilen, doch meine Angst war übergroß, und so nahm ich die Decke wieder zu Hilfe. Decke hoch, Decke runter … irgendwann muss ich vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Erst heute, vierzig Jahre später, habe ich die Antwort darauf erhalten, wer dieser Mann war und dass ich mich vor ihm zumindest nicht hätte fürchten müssen.
Meine Kindheit erlebte ich als eine dunkle Zeit. Selbst der tägliche Aufenthalt im Ganztageskindergarten lässt keine schönen Erinnerungen aufkommen, im Gegenteil: Ich hasste es, dorthin zu müssen.
Eines Tages spielten wir im Hof des Kindergartens Cowboy und Indianer. Als Kind liebte ich Indianerfilme, und wenn mein Vater ankündigte: »Heute Abend gibt es im Fernsehen einen Cowboyfilm!«, war meine erste Frage: »Ist er auch mit Indianern?« Ohne sie interessierte mich der Film nämlich nicht im Geringsten. Wir spielten also Cowboy und Indianer.
Im Innenhof des Kindergartens gab es eine große Buche, sie muss schon viele Jahre alt gewesen sein. Natürlich war ich der Indianer! Eine Gruppe Kinder fing mich ein und fesselte mich an den Baum. Am Anfang war es ein Spiel, doch bald wurde bitterer Ernst daraus. Als Kind hat man nicht das Zeitgefühl wie ein Erwachsener, aber ich schätze, dass ich mindestens eine Stunde lang am Buchenstamm gefesselt war und schließlich in Panik ausbrach. Ich schrie und schrie, aber keiner kam, um mich zu erlösen.
Einige Leben zurück: Gefesselt an einen Pfahl auf einem Hügel schaue ich hinunter auf ein Dorf. Mit Tränen in den Augen erblicke ich ein grauenvolles Bild: Die Bewohner des indianischen Dorfes, das ich sehe, werden von weißen Männern regelrecht massakriert. Keiner kommt mit dem Leben davon. Mein Geist befindet sich unter hilflosen, schreienden Menschen.
Einige davon sind mir auch aus diesem Leben bekannt. Ich schaue nach rechts … ein junger Mann ist parallel zu mir an einen weiteren Pfahl gebunden. In tiefer Trauer um diesen Mann, der, wie mir mein inneres Wissen mitteilt, meine zweite Hälfte ist, sehe ich, wie ihm die Kehle durchgeschnitten wird. Danach bin ich an der Reihe. Ich sehe, wie mein Körper, in dessen Bauch ich ein Kind trage, aufgeschlitzt wird.
»Ich bin schuld an diesem Massaker!« Während dieses Gedankens fühle ich unendliche Traurigkeit über den Verlust und all das Leid und den Schmerz, den diese Menschen durchlebt haben.
Später erfuhr ich die Hintergründe zu meinen inneren Bildern und das erneute Miterleben: Meine Dualseele und ich hatten die Obhut über dieses indianische Volk. Die Weißen verlangten von uns, ihnen zu sagen, wo wir unser Gold versteckt hielten. Für uns war klar: Wenn wir es ihnen sagen, werden sie es sich nehmen und uns töten. Doch die andere Option brachte das gleiche Ergebnis.
Dieses Ereignis und die wiederkehrende Erinnerung daran, als Fünfjährige an einen Baum gefesselt gewesen zu sein, wurden in der nachfolgenden Zeit ein Nährboden für mein daraus resultierendes Denken und Fühlen. Das verbleibende Gefühl von Schuld spielte eine maßgebliche Rolle in meinem weiteren Leben. Meine damalige Inkarnation wirkte immer noch bis in diese Existenz, und so nahm ich ein großes Gefühl von Verantwortung, Angst, etwas Falsches zu tun, und das Gefühl von Hilflosigkeit mit in dieses Leben hinein. All das legte sich wie ein Schatten auf meine Seele und erwirkte die Begrenzungen, die ich später nur mühevoll durch Vergebung auflösen konnte.
Erst wenn der Mensch in der Lage ist, nicht nur anderen, sondern sich selbst zu vergeben, werden die Schatten von unserer Seele genommen, wie Maya es gerne ausdrückte. »Weißt du, eigentlich bin ich eine Fensterputzerin!« Ich höre ihr helles Lachen noch heute in meinem Ohr nachklingen. »Jaja, nichts anderes ... eine Fensterputzerin! Ich bin mit Putzen beschäftigt. Ich putze die Flecken, die auf den Seelen liegen weg, so dass das Licht durchbrechen kann!«
Funktioniert das bei jedem Menschen? Für diejenigen, die auf Seelenebene ihre Einwilligung geben, ja! Das bedeutet, dass ein Mensch auf innerer Ebene bereit sein muss für Vergebung. Dafür haben wir unseren freien Willen von Gott bekommen, um entscheiden zu können.
Wir können uns stets für die Liebe oder das Leid entscheiden; wir können wählen, ob wir am Elend festhalten wollen, oder unser Herz in Hingabe öffnen für den Frieden, der im richtigen Augenblick der Bereitschaft Heilung schenkt. Es ist keine Frage und liegt auf der Hand, was Gottes Hoffnung und Wunsch für uns bedeutet: Er liebt uns alle so sehr, dass er uns in Freude sehen möchte, und deshalb ist es so wichtig, dass wir auflösen, was wir an ›Unverdautem‹ aus vergangenen Zeiten mitgebracht haben.
Mein damaliges Indianer-Leben ist ein gutes Beispiel dafür, wie diese alten Schuldgefühle sogar für eine krankhafte Manifestation im Körper sorgen können.

Gottes liebende Licht

Als ich 25 Jahre alt war, nahm sich meine Mutter das Leben. Nach vielen Versuchen hatte sie es nun geschafft und ihr Ziel erreicht. Ich fühlte mich schuldig, nicht für sie da gewesen zu sein. Mein ganzes Leben lang fühlte ich mich für meine Mutter verantwortlich, und erst mit neunzehn Jahren hatte ich beschlossen, dass auch ich mein eigenes Leben haben müsste. Da ich praktisch der einzige Mensch war, der Kontakt mit ihr pflegte, verurteilte ich mich nach ihrem Tod selbst: »Du warst die Einzige, die noch für sie hätte da sein können, und du hast versagt!«
Diese Zeit, die Trauer und das Schuldgefühl, aber auch das viele Arbeiten, um über die Runden zu kommen, trugen dazu bei, dass ich schwer erkrankte. Ein halbes Jahr nach dem Freitod meiner Mutter durchzog ein heftiger Schmerz meinen Körper, so als würde jemand mit einem glühenden Messer meinen Unterleib malträtieren.
Ich suchte unterschiedliche Ärzte auf, aber keiner konnte etwas finden. So lebte ich mehrere Monate mit immer wiederkehrenden, heftigen Schmerzattacken, die letztlich zu einer Notoperation führten. An jenem Tag wusste ich allerdings intuitiv, dass ich meine Tasche fürs Krankenhaus richten müsste. Und als ich dann bei einem Freund zusammenbrach, stellte sich mein Pragmatismus als hilfreich heraus, hatte ich doch einige Vorbereitungen bereits getroffen. Nur sehr knapp war ich mit dem Leben davongekommen, denn wie sich herausstellte, hatte ich eine schwere Bauchfellentzündung, die sich vom Blinddarm bis zum Herzen erstreckte.
Im Krankenhaus hatte ich viel Zeit, über mein Leben nachzudenken. Ich wusste, ich hatte zu viel gearbeitet und der Trauer über den Verlust meiner Mutter keinen Raum gegeben. Jetzt hatte ich Muße, mir auszumalen, was ich alles in meinem Leben verändern wollte, sobald ich entlassen würde.
Doch daraus wurde nichts. Ich bekam noch im Krankenhaus zwei neue Erkrankungen. Nun war ich der Verzweiflung nah, hatte ich doch bereits so viel erkannt! Ich hatte verstanden, was ich falsch lebte und mir ganz fest vorgenommen, mein Leben zu ändern, und jetzt das! Warum musste ich so bestraft werden?
Während ich ganz in meinem Selbstmitleid und meiner Verzweiflung aufging, erteilte mir eine Freundin den Rat, ein Medium zu kontaktieren. Wir telefonierten miteinander.
»Du hast einen Freund, der nicht passt.« So auf die Art sprach die freundliche, aber bestimmt klingende Stimme zu mir. »Absorbiere diesen Mann, so als würde sein Spiegelbild verschwinden.« Tatsächlich wurde mir klar, dass wir nicht zueinander passten.
Ich war mit einem Mann verlobt gewesen, hatte die Verlobung aber bereits gelöst, als ich meinen einstigen Jugendfreund zufällig wiedertraf, und besaß keinen Glauben mehr an die Liebe. Ich dachte mir, die Liebe könne sich auch entwickeln und vielleicht sei dies der Weg, ihr zu begegnen. Auf diese Art hatte ich wenigstens die Sicherheit, einen treuen und liebevollen Menschen an meiner Seite zu haben. Und so ließ ich mich ‒ entgegen meinem guten Vorsatz, niemals etwas mit einem guten Freund anzufangen ‒ auf eine Beziehung ein. Ich war desillusioniert und enttäuscht von den Männern und tat zum ersten Mal etwas in meinem Leben, das ich bereute. Kein Wunder, dass das Medium das gespürt hatte.
Und so tat ich wie geheißen. Sie führte mich in einen meditativen Zustand. »Atme! Stell dir vor, wie eine grüne, heilsame Decke um dich gespannt wird …« Ich bedankte mich bei der fremden Dame, die mir so selbstlos ihre Hilfe angeboten hatte, und führte die Meditation, die sie mir gab, fort.
So einfach? Einfach atmen? Na, ich hatte nichts zu verlieren. Und so atmete ich, ein und aus … ein und aus. Es war merkwürdig, denn alles geschah in der Natürlichkeit und Einfachheit des Moments. Ich wurde immer leichter, und mein Bewusstsein weit und offen. Mein Geist dehnte sich aus, bis ich eins war mit und in meinem Atem. Im Einklang mit meinem Atem fühlte ich mich wie in einem grenzenlosen Raum.
Und dort, in dieser Grenzenlosigkeit, erfuhr ich GOTT. Ich fühlte IHN ‒ in mir und außerhalb von mir. Meinen Körper spürte ich nicht mehr. Stattdessen war ich grenzenloser Geist. Mein Atem zog mich nach innen. Eine große Freude kam in mir auf, ich verspürte Leichtigkeit und tief in mir brannte das Wissen aus Gott, unserem Schöpfer: »Nichts kann dir geschehen. Du liegst in meiner Hand. Alles ist gut, wie es ist!« Ein tiefer, niemals zuvor erlebter Friede kehrte in mein Wesen ein. Gott war das intelligente, liebende Licht, das mich umgab und in mir strahlte!
Dies war der Beginn meiner bewussten spirituellen Reise. Am nächsten Tag hatte ich weitere Untersuchungen. Erstaunt stellten die Ärzte fest: Beide Krankheiten waren verschwunden ‒ von einem auf den nächsten Tag. Ich war geheilt. »So ist das also mit Wundern?«, dachte ich und fühlte mich unendlich erleichtert und dankbar. Bald durfte ich das Krankenhaus verlassen.
Damit ich mein Versprechen mir selbst gegenüber auch halten würde, brach ich mir kurz darauf beim Überqueren der Straße den Knöchel an.
So musste ich mehr ruhen als ich es mir zugestanden hätte, und nutzte die Zeit, um nachzuholen, was ich für mich selbst versäumt hatte: Ich löste meine Beziehung, gab mir Zeit, um die Trauer über den Verlust meiner Mutter zu verarbeiten, und suchte sogar einen Psychologen auf, den ich dann allerdings während der zweiten Sitzung ›therapierte‹. Somit beendete ich diese letzte Maßnahme. Aber mir wurde bescheinigt, normal zu sein, und das beruhigte mich sehr. Ich hatte es sozusagen schwarz auf weiß!
Einige Monate nach meiner Erkrankung bekam ich ein Jobangebot für ein Jahr in den Vereinigten Staaten. Vor meiner Abreise hatte ich einen Traum: Ein Bote überbringt mir mannshohe rote Rosen. Sie sind umwerfend. Daran ein Briefchen, in englischer Sprache an mich adressiert. Ich wachte lächelnd aus dem Traum auf, wissend, dass eine wunderbare Zeit für mich anbrechen würde.
Und so kam es. Ich verliebte mich in den Mann, der mir im Traum gezeigt worden war. Bereits zu Beginn unserer Beziehung fühlte ich eine tiefe Verbundenheit, die nicht rational zu erklären war.
»Willst du mich heiraten, Andrea?«, fragte mich mein Partner nach nur einigen Monaten. Geschockt von der Frage, denn ich stand einer Ehe immer misstrauisch gegenüber, antwortete ich mit einem einfachen: »Ja!«
Die Einwilligung, die auf natürliche Art und Weise und ohne Überlegung aus mir herauskam, verwunderte mich selbst. Die Fernbeziehung, die wir führten, als ich wieder nach Deutschland zurückkehrte, endete in einer bitteren Enttäuschung: Mein Freund erklärte mir nach fast fünf Jahren Beziehung nüchtern und schriftlich, dass er eine andere Frau heiraten würde.

Wieder verlassen

Wenige Tage nach diesem Ereignis fand ein Seminar des Heilers Armin Mattich in Speyer statt, zu dem ich mich bereits viele Monate im Voraus angemeldet hatte. Den blauen, sehr schlicht und einfach gehaltenen Flyer hierzu hatte ich auf einer Messe entdeckt. Mein Gefühl sagte mir, fast einem Auftrag gleich, dass ich genau dorthin müsste. Nun stand ich da, abserviert von meinem Freund und durcheinander im Kopf. Ich fragte mich, warum mir das wieder passierte: Ein Mann, der mich angeblich liebte, wollte plötzlich eine andere heiraten.