Tote lächeln nicht - Franz Hafermeyer - E-Book
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Tote lächeln nicht E-Book

Franz Hafermeyer

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Beschreibung

Spektakuläre Morde erschüttern Augsburg: Der ansässige Zuhälterkönig und ein respektierter Stadtrat wurden kaltblütig umgebracht. Bei beiden Leichen findet sich ein Bild des Erzengels Gabriel. Offenbar ein irrer Fanatiker - so lautet zumindest die offizielle Devise.

Elsa Dorn, ehrgeizige Kommissarin und neu im Revier, hat ihre eigene Theorie. Hilfe findet sie ausgerechnet beim geschassten Polizisten Sven Schäfer. Bald erhärtet sich ihr Verdacht: In Schwaben geht ein Profikiller um - und der hat längst nicht alle Aufträge erledigt ...

Der erste Augsburg-Krimi - für alle Fans von Regionalkrimis und coolen Ermittlerduos. Geschrieben von einem echten Kommissar!

Ebenfalls in der Reihe "Schäfer und Dorn" erschienen:

Das Spätzle-Syndikat (Band 2)

Der Brezen-Trick (Kurzkrimi, Band 2.5)

Das Extrawurscht-Manöver (Band 3)

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Inhalt

Cover

Weitere Titel des Autors

Über dieses Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

NACHWORT

Leseprobe EISENHUT UND APFELSTRUDEL

Weitere Titel des Autors

Das Spätzle-Syndikat (Band 2)

Der Brezen-Trick (Kurzkrimi, Band 2.5)

Das Extrawurscht-Manöver (Band 3)

Über dieses Buch

Spektakuläre Morde erschüttern Augsburg: Der ansässige Zuhälterkönig und ein respektierter Stadtrat wurden kaltblütig umgebracht. Bei beiden Leichen findet sich ein Bild des Erzengels Gabriel. Offenbar ein irrer Fanatiker – so lautet zumindest die offizielle Devise.

Elsa Dorn, ehrgeizige Kommissarin und neu im Revier, hat ihre eigene Theorie. Hilfe findet sie ausgerechnet beim geschassten Polizisten Sven Schäfer. Bald erhärtet sich ihr Verdacht: In Schwaben geht ein Profikiller um – und der hat längst nicht alle Aufträge erledigt …

Über den Autor

Franz Hafermeyer heißt in Wirklichkeit gar nicht Franz Hafermeyer. Denn hauptberuflich jagt er selbst die bösen Jungs, und die sollen ja nicht erfahren, welche finsteren Abgründe der freundliche Kommissar hat, der ihnen da gegenübersitzt. Absolut wahr hingegen ist, dass er mit seiner Familie im bayrischen Schwaben ganz in der Nähe von Augsburg wohnt.

Franz Hafermeyer

TOTELÄCHELNNICHT

SCHWABENKRIMI

beTHRILLED

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur EDITIO DIALOG, Dr. Michael Wenzel.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stefanie Kruschandl

Covergestaltung: Mediabureau Di Stefano, Berlin unter Verwendung von Motiven von © www.doelz-fotografie.de/Christian Dölz; © Getty Images/Mark Tipple; © plainpicture/C. A. Vogel; © iStockphoto/Gordan1

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9829-8

Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Eisenhut und Apfelstrudel« von Jessica Müller.

www.luebbe.de

www.lesejury.de

KAPITEL 1

Die Tür des Besprechungszimmers flog auf, prallte gegen den Gummistopper an der Wand und federte zurück. Kriminaldirektor Jansenbrink hastete in den Raum, die Türklinke verfehlte seine rechte Hüfte um Haaresbreite. Dafür knallte der Edelstahlgriff gegen die Bauchdecke seines Mitarbeiters, der ein leises Fluchen nicht unterdrücken konnte.

Jansenbrink achtete nicht weiter darauf, der Chef der Augsburger Kripo hatte offenbar anderes im Sinn und schritt geradewegs auf die Pinnwand zu, die an der Stirnseite des Raums aufgebaut worden war.

Elsa Dorn betrachtete den Kriminaldirektor, der, die Hände in die Hüften gestützt, auf die mit Stecknadeln befestigten Fotos starrte. Sie hatte die letzte halbe Stunde damit verbracht, ebendiese Pinnwand zu studieren, miserablen Kaffee aus dem Automaten zu schlürfen und zu warten. Zu warten auf Instruktionen vom Chef.

Der heutige Tag hatte schon seltsam begonnen. Noch vor der ersten Tasse Kaffee hatte sie ihr Kommissariatsleiter im Büro aufgesucht, um ihr mitzuteilen, dass sie ab sofort zur Soko Gabriel gehörte. Sie solle sich daher umgehend im Besprechungsraum zu einem Termin mit Herrn Jansenbrink, dem Soko-Leiter, einfinden. Bisher war Elsa diesem Jansenbrink noch nicht vorgestellt worden. Sie hatte nur sein Bild im Intranet gesehen, als sie sich mit ihrer neuen Dienststelle vertraut gemacht hatte. Ebenso wenig hatte sie bisher von einer Soko gewusst, geschweige denn von einem Fall, der die Einberufung einer solchen rechtfertigte.

War das die normale Umgangsweise bei der Augsburger Polizei? Vielleicht hätte sie doch in München bleiben sollen, dachte Elsa und seufzte innerlich.

Andererseits war sie übers Wochenende mit einer Freundin nach Mailand gefahren und erst sehr spät am gestrigen Montag zurückgekommen. Und Zeitung las sie grundsätzlich erst im Büro, während der Pause, die ja noch bevorstand. Nach einem ersten Blick auf die Tatortbilder hatte sich zumindest die Frage nach dem Grund für die Einberufung einer Soko geklärt. Allerdings fehlten ihr bislang die Einzelheiten.

Elsa schluckte. Sie fühlte sich nicht besonders. Schuld daran waren nicht nur die grässlichen Pinnwandfotos, die jedem normalen Menschen auf den Magen geschlagen wären. Dazu kam auch noch diese Pizza. Auf der Rückfahrt von Italien waren sie und ihre Freundin in einen Mega-Stau geraten. Glücklicherweise konnten sie noch in eine Raststätte abfahren, um dort die Wartezeit mit einem ausgedehnten Essen zu überbrücken. Seitdem rumorte es in ihrem Magen. Und das wurde und wurde nicht besser. Ganz im Gegenteil.

Während sie auf das Eintreffen des Soko-Leiters wartete, hatte Elsa es mit etwas Frischluft versucht. Sie hatte das Fenster des Besprechungsraumes aufgerissen und den Kopf in die Dezemberkälte gestreckt, den Pferdeschwanz geöffnet und ihren Haaren freien Lauf gelassen. Eisige Luft wehte über ihr Gesicht und durchpflügte die braunen Strähnen, in die sich vereinzelt schon ein paar graue Haare mischten. Frische Luft sollte ja für die Darmflora von Vorteil sein. Zumindest hatte sie das kürzlich in der Zeitschrift aus dem Reformhaus gelesen, in dem sie ihre Naturkost einkaufte, wenn sie mal wieder ihren Diätwahnsinn bekam, der leider stets erfolglos ablief. Mit knapp über achtzig Kilo und einer Körpergröße von 1,65 m war sie von einer Modelfigur ungefähr so weit entfernt wie Rainer Calmund vom Titel des Mister Germany. Aber na und? Sie aß eben gerne. Laut ihrer Mutter war das der Grund für Elsas ewiges Single-Dasein. Was nicht stimmte. Natürlich war ein Mann daran schuld, eine ganz besondere Spezies Mann sogar. Doch Diskussionen mit ihrer Mutter waren zwecklos, das wusste Elsa aus Erfahrung.

Und jetzt saß sie also hier. Bei dieser Besprechung eines Falls, von dem sie nicht die geringste Ahnung hatte. Elsa strich ihre taubengraue Tweedhose glatt, zupfte an ihrer Stella-MacCartney-Bluse und räusperte sich vernehmlich. Überrascht drehte Jansenbrink sich um.

Ein kurzes Stirnrunzeln, ein fragender Blick zu dem Mitarbeiter, der sich noch immer den Bauch rieb. Dann erhellte sich das Gesicht des Kriminaldirektors: »Die neue Kollegin von der Sitte?«

Sie nickte. »Elsa Dorn. Ja, ich sollte mich bei der Soko Gabriel melden. Als Unterstützung.«

»Natürlich! Ich weiß. Verzeihen Sie meine Zerstreutheit, aber diese Geschichte«, Jansenbrink deutete auf die Pinnwand, »bringt mich an meine Grenzen.« Er schien sich seiner Manieren zu erinnern und trat mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Mit seinen fleischigen Fingern knetete er ihre Finger wie einen Kuchenteig, dann umfasste er ihre Hand und tätschelte sie. »Machen Sie sich auf etwas gefasst. So einen Fall gab es in Augsburg lange nicht mehr. Sie werden Tag und Nacht arbeiten. Freie Wochenenden sind nicht drin. Sollten Sie Urlaub beantragt haben, tja, der ist gestrichen. Alle Beamtinnen und Beamte der Soko Gabriel konzentrieren sich so lange auf diesen Fall, bis wir den oder die Täter gefasst haben.«

Jansenbrink schüttelte den Kopf. Ein blonder Haarkranz umzingelte die Glatze, auf der vereinzelte Schweißperlen glänzten. »Und das ein Jahr, bevor ich in Pension gehe. Tolles Timing! Wie würde das denn aussehen, wenn ich meinen Ruhestand anträte und der schlimmste Verbrecher, den Augsburg je gesehen hat, befände sich immer noch auf freiem Fuß?« Er ließ Elsas Hand los und sah ihr in die Augen. »Das dürfen wir nicht zulassen! Verstehen Sie? Ich habe meine besten Ermittler zusammengetrommelt, gemeinsam werden wir das Kind schon schaukeln, nicht?« Er lachte, klang dabei aber nicht besonders optimistisch. »Und wenn Sie sich fragen, Frau Dorn, warum ausgerechnet Sie bei der Soko dabei sind. Ähm, nun ja.«

Elsa runzelte die Stirn.

Der Kripo-Chef wedelte abwehrend mit der Hand, als wolle er eine lästige Fliege davonjagen. »Nun ja, wir brauchen hier jede Unterstützung, verstehen Sie? Jede Unterstützung. Sie sind noch nicht lange bei uns?«

»Vor zwei Wochen habe ich meinen Dienst angetreten, Herr Jansenbrink.«

»Aha. Zwei Wochen sind Sie also schon bei uns. Tut mir leid, dass ich mich so wenig um Sie kümmern konnte. Aber die Kriminalinspektion Augsburg ist groß und hat viele Mitarbeiter. Dazu der Stress mit dem Ministerialdirigenten und dem Staatssekretär wegen der Aufklärungsquote.« Jansenbrink verdrehte die Augen. »Sie wissen sicher, wie das ist.«

Sie wusste es nicht, schwieg aber lieber.

»Jedenfalls, ähm, haben Sie sich in Augsburg bereits eingearbeitet?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Bestimmt, Sie sind ja ehrgeizig, nicht wahr? Jedenfalls sind Sie ganz frisch bei uns und bisher wohl kaum mit Arbeit zugeschüttet worden. Was ich damit sagen will: Sie haben jede Menge Zeit. Weil … Sie noch keine großartigen Fälle bearbeiten. Bei der Sitte werden Sie momentan nicht benötigt! Sagte mir Ihr Kommissariatsleiter.« Jansenbrink schaute zur Pinnwand und wieder zu Elsa. »Sie haben gewisse Erfahrung mit Ermittlungstätigkeit?«

»Natürlich, ich war in München lange Zeit bei der Sitte.«

»Ja? Wusste ich gar nicht. Ich glaube, ich muss mir die Personalunterlagen in Zukunft mal genauer anschauen.« Er kicherte. »Immerhin, das ist gut. Für die Aufgabe, die Ihnen zukommt, sind Sie damit fast überqualifiziert. Aber macht nichts. Jede Arbeit bei der Soko ist von immenser Wichtigkeit. Und wer weiß, vielleicht finden Sie ja die berühmte Nadel im Heuhaufen.«

Irgendwie wurde Elsa das Gefühl nicht los, hier die Rolle der Quotenfrau zugeschoben zu bekommen, obwohl bei der Kripo Augsburg gar nicht so wenig Kolleginnen arbeiteten. Vielleicht hatte Jansenbrink einfach zu wenige Frauen in die Soko berufen und wollte diesen Fehler wieder gutmachen, bevor die Gleichstellungsbeauftragte meckerte. Und was war da besser, als eine Kollegin zu nehmen, die frisch nach Augsburg versetzt worden war und noch keine Fälle in ihrer Mappe hatte? Kurz gesagt: eine Polizeibeamtin also, die in ihrem Kommissariat abkömmlich war!

Es gab immer noch genügend Kollegen, die dem uralten Vorurteil anhingen, Frauen bei der Polizei wären das größte Missverständnis der Geschichte. Und Jansenbrink schien ein Paradebeispiel dieser Sorte Mann zu sein. Ein wenig resigniert wartete Elsa auf die näheren Ausführungen des Kriminaldirektors, der wieder die Pinnwand fixierte. Als nichts kam, fragte sie schließlich: »Und wann findet die Besprechung statt?«

»Wie? Welche Besprechung?« Mit einem Stirnrunzeln drehte Jansenbrink sich wieder zu ihr um.

»Die große Einsatzbesprechung?«

»Ach die?« Er winkte ab. »War schon längst.«

»Ich dachte …«

»Gestern habe ich die Soko ins Leben gerufen, ihr einen Namen gegeben und die Einteilung vorgenommen, wer was zu tun hat. Darüber hinaus galt es, geeignete Räume zu finden. Fragen Sie nicht, welches Gschiss die Computerfuzzis gemacht haben, weil wir ihren PC-Schulungsraum in Beschlag genommen haben. Ich habe mit den Kommissariatsleitern gesprochen, welche Beamte ich für die Soko abziehen kann und welche nicht abkömmlich sind, außerdem habe ich über das Personalbüro die grünen Jungs von den verschiedenen Polizeiinspektionen zur Unterstützung angefordert. Sie verstehen? Die grünen Jungs? Also die Jungs in Grün? Die Männer in Uniform?« Er schien sich über seinen Witz kaum einzukriegen. Dann winkte er ab. »Und so weiter und so weiter et cetera pepe.« Das letzte Wort klang aus Jansenbrinks Mund wie ein spanischer Vorname. »Aber was mich einmal interessieren würde, Frau Dorn. Als ich all das erledigt habe«, er zog die Augenbrauen hoch, »wo waren Sie da eigentlich?«

»Noch in Italien. Ein Wochenendausflug.« Elsa fragte sich, ob Jansenbrink all dieses organisatorische Zeugs wirklich selbst erledigt hatte oder er ihr damit nur zeigen wollte, wie groß ihr Versäumnis war.

»An einem Montag?« Jansenbrink legte den Kopf schief. »Zwei Wochen, nachdem Sie bei uns angefangen haben?«

»Ich stand in einem Stau, ein umgestürzter Lkw hat die Autobahn stundenlang blockiert. Deshalb bin ich erst am Montagabend wieder in Augsburg angekommen. Natürlich habe ich die Dienststelle verständigt«, verteidigte sich Elsa.

»Ah ja? Stau? Soso.« Sein strenger Blick haftete auf ihrem Gesicht wie Sekundenkleber.

So langsam fühlte Elsa sich wie ein Straftäter bei der Vernehmung. Die folgende Stille dauerte unangenehm lange. Sie presste missmutig die Lippen aufeinander und bohrte ihren Daumennagel in den Zeigefinger. Der Schmerz lenkte sie von einer unangemessenen Erwiderung ab. Wenn sie jetzt das sagte, was ihr auf der Zunge lag, hatte sie es sich mit Jansenbrink endgültig verscherzt. Daher blieb sie stumm und wartete auf den nächsten Vorwurf.

Ein Handy klingelte. Elsa zuckte. Hatte sie vergessen, den Klingelton auszuschalten? Bei ihrer Einführung in die Soko? Wie peinlich!

In diesem Moment zog Jansenbrink sein Telefon aus der Tasche, murmelte eine Entschuldigung und trat drei Schritte beiseite. Als er das Gespräch beendet hatte, wischte er sich mit einem Taschentuch über die schweißnasse Stirn. »Himmel! Das war eben der Innenminister. Er will auf den neuesten Stand der Ermittlungen gebracht werden. Und zwar von mir.« Hilfe suchend blickte sich Jansenbrink um. »Herr Zott.« Er winkte den hochgewachsenen Mann zu sich, der die letzten Minuten damit zugebracht hatte, Aktenordner auf einem Tisch zu sortieren. »Sie weisen Kollegin Dorn in ihre Aufgaben ein und bringen sie auf den aktuellen Stand. Ich muss weg! Dringende Angelegenheit, kann nicht warten.« Er verzog die Lippen zu einem hyänenhaften Lächeln und erklärte: »Das ist Kriminalhauptkommissar Zott. Er ist Ihr Ansprechpartner und bestimmt froh, diese Drecks … also, diese anspruchsvolle und fordernde Arbeit nicht mehr alleine machen zu müssen. Wir sehen uns heute um Achtzehnhundert zur Nachbesprechung. Auf Wiedersehen, Frau Dorn.«

Elsa sah Jansenbrink nach, der den Raum verließ, ohne die Türe zu schließen. »Achtzehnhundert? Bin ich etwa bei den Marines gelandet?«, kommentierte sie halblaut den militärischen Ausdruck.

»Übrigens, ich bin der Ludwig.« Hauptkommissar Zott trat einen Schritt vor und schüttelte ihre Hand. »Glückwunsch zur Aufnahme ins Bataillon der Verlorenen. Wahrscheinlich hast du dir als Einstand einen erfreulicheren Fall gewünscht. Obwohl«, er zwinkerte, »unsere Fälle sind allgemein nicht wirklich erfreulich, schließlich sind wir hier ja bei der Kripo. Du bist doch die Neue von der Sitte, stimmt’s? Ich habe dich in der Kantine gesehen.«

»Freut mich, dich kennenzulernen.« Elsa sah in das sommersprossige Gesicht des Kollegen, der sie neugierig musterte. Sie war froh, von jemandem mit gleichem Status instruiert zu werden. Außerdem gefiel es ihr, dass Zott gleich zum Du überging, wie es bei der bayerischen Polizei üblich war. Sie musste zu dem Kriminalhauptkommissar aufblicken, Zott war sicher über 1,90 m groß und dünn wie eine Scheibe Brot. Seine Nickelbrille verlieh ihm ein intellektuelles Aussehen, das durch den nachtblauen Anzug und die weinrote Krawatte noch verstärkt wurde. Dazu passte auch der blonde Pferdeschwanz, der Zott über die Schulter auf den schmalen Rücken fiel.

»Was meinst du damit – Bataillon der Verlorenen?«

»Leute, die auf Jansenbrinks Deppenliste stehen. Du hast den Rekord aufgestellt und bist schon kurz nach Dienstantritt drauf. Ich habe dafür ein halbes Jahr gebraucht. Aber jetzt muss ich diese Arbeit wenigstens nicht mehr alleine machen.«

»Welche Arbeit?«

»Staubige Akten der letzten zehn Jahre wälzen, tagelang im Büro sitzen, ohne die Sonne zu sehen. Kein Außendienst. So eine Arbeit eben. Du und ich, wir sollen unsere Nase in alte Fälle stecken und alles an den leitenden Ermittler weitergeben, was irgendwie von Belang sein könnte. Wir sortieren quasi vor und erleichtern anderen ihre Arbeit. Ermittlung vor Ort ist das leider nicht. Eher ein Job für Frischlinge.«

»Ich bin kein Frischling«, protestierte Elsa.

»Aber auf der Deppenliste. Wie ich.«

Elsa musste die Lippen zusammenkneifen, damit ihr nicht eine gereizte Bemerkung entschlüpfte.

»Wieso hat es dich aus der Landeshauptstadt München nach Schwaben verschlagen?«

»Ich wollte mich verändern«, antwortete sie ausweichend und deutete auf die Pinnwand, um das Thema zu wechseln. »Wer sind die Opfer?«

Ludwig Zott ging auf ihr Ablenkungsmanöver ein. Er tippte mit dem Zeigefinger auf das Bild eines menschlichen Körpers, bei dem man im ersten Anblick nicht sagen konnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Er war nur noch ein Klumpen blutigen Fleischs. Bis auf zwei weiße Socken war die Leiche unbekleidet und von oben bis unten mit Wunden übersät. Anscheinend hatte der Mörder verschiedene Schlag- und Hiebwaffen benutzt. Der Kopf sah aus wie eine aufgeplatzte Melone, statt des Fruchtfleisches quoll hier allerdings Hirnmasse hervor. Anstelle der Nase klaffte ein Loch, diese war mit – was auch immer – ins Innere des Gesichts getrieben worden. Beim Anblick der zugeschwollenen Augen musste Elsa unwillkürlich an Brad Pitt in »Fight Club« denken – auch wenn der restliche Körper nicht ganz so erfreulich anzusehen war. Dem Opfer waren die Zähne eingeschlagen worden, dadurch wirkten die Wangen eingefallen wie bei einem Greis. Und das war noch nicht mal das Schlimmste.

»Wir haben zwei Tote.« Zotts Worte drangen zu ihr wie aus weiter Ferne. »Ein Spaziergänger hat das erste Opfer im Siebentischwald gefunden. Am Samstagvormittag um halb neun. Der Tote war nur oberflächlich mit Erde und Laub bedeckt, dem Täter war es offensichtlich egal, dass sein Opfer bald gefunden wird.«

»Samstag, sagst du? Also der sechste Dezember«, murmelte Elsa. »Sein Name ist …« Gleichzeitig mit Zotts Antwort fiel ihr Blick auf den Namen unter dem Bild.

»Darko Kovac, 46 Jahre alt, Zuhälter und Betreiber eines Saunaclubs in Lechhausen sowie zweier Puffs im Oberhauser Industriegebiet.« Zott beäugte Elsa von der Seite. »Oberhausen ist ein Augsburger Stadtteil«, erklärte er. »Liegt im Norden der Stadt.«

Elsas Blick wanderte vom Namen des Opfers zum Datum, dann auf die Details der Fotos. Auch beim zweiten Hinsehen hatten sie nichts von ihrem Schrecken verloren, waren immer noch so ekelerregend. »Ich weiß«, erwiderte sie. »Ich bin hier aufgewachsen.«

»In Augsburg?«

»Kann man so sagen. Jedenfalls finde ich mich einigermaßen zurecht. Den Stadtteil Lechhausen kenne ich übrigens auch.«

»Okay. Beim Siebentischwald handelt es sich um den Ablegeort der Leiche«, kam Zott wieder auf den Fall zu sprechen. »Kennst du bestimmt auch.«

Natürlich kannte sie den nördlichen Teil des Augsburger Stadtwaldes. Als Kind hatte sie mit ihrer Schwester und ihren Eltern regelmäßig den Augsburger Zoo und den Botanischen Garten besucht. Im Anschluss waren sie immer in dem nahe gelegenen Siebentischwald spazieren gegangen, meist zum Hochablass, einem Stauwehr an der Ostseite des Siebentischwaldes. Sie erinnerte sich gerne an das Rauschen des Lechs, von dem Wasser über den Hochablass in die Augsburger Altstadt abgezweigt wird und in zahlreichen Kanälen durch die Innenstadt fließt. Es hatte auch was Gutes, wieder in der Heimat Dienst zu schieben, wo sie eine glückliche Kindheit verbracht hatte.

»Fundort und Tatort stimmen nicht überein«, riss Zott sie aus ihren Gedanken.

»Der Zeuge?«

»Wurde überprüft, war ohne Zweifel nur derjenige, der das Opfer gefunden hat. Er ist sauber.«

Elsa schluckte. »Das Opfer, Kovac, sieht grauenvoll aus. Ein Racheakt unter Zuhältern?«, fragte sie abwesend, den Blick immer noch auf eine bestimmte Stelle des Fotos gerichtet.

»Liegt nahe bei dem Anblick. Die ersten Befragungen laufen bereits, und unsere Informanten im Milieu werden abgeklappert. Razzien und Hausdurchsuchungen sind in Vorbereitung. Wir drehen jeden Stein im Rotlichtbezirk um. Das komplette Programm halt. Jansenbrink will, dass wir unser Hauptaugenmerk in diese Richtung lenken. Er und die Oberstaatsanwältin funken diesbezüglich auf einer Welle.«

»Andere Möglichkeiten?«

Zott zuckte mit den Schultern. »Natürlich denken wir gesamtheitlich und konzentrieren uns nicht nur auf Zuhälter. Die Kollegen nehmen die Verwandten, Bekannten, Freunde und Arbeitskollegen der Opfer unter die Lupe. Infolgedessen fallen jede Menge Alibiüberprüfungen, Persönlichkeitsprofile, Umfeldermittlungen, Durchleuchten der Vergangenheit an, du kennst das ja. Das braucht jede Menge Zeit und Manpower. Außerdem checken wir die einschlägig Vorbestraften durch, die in Augsburg und Umgebung wohnen. Wir ermitteln zwar von innen nach außen, aber unter der Prämisse, dass Jansenbrink ein Ziel vor Augen hat.«

»Die Zuhälter?«

Zott nickte, klopfte mit dem Zeigefinger auf eine weitere Reihe Bilder. »Aber schau her, den zweiten Toten gab es am Sonntag auf d’ Nacht. Genauso hingemetzelt wie Kovac.«

»Wer ist der andere Tote? Leo Trautwein sagt mir gar nichts.« Elsa deutete auf das Foto der zweiten Leiche.

»Liest du keine Zeitung, hörst du kein Radio?«

»Natürlich. Wenn ich zu Hause bin. War ich aber nicht. Ich war in Mailand und bin gestern Abend spät zurückgekommen, wie ich eben unserem Chef erklärt habe. Und heute Morgen bin ich direkt in die Dienststelle gefahren.« Elsa hatte das Gefühl, sich laufend wegen ihres zwangsweise verlängerten Wochenendes rechtfertigen zu müssen. Sah ganz so aus, als hackten hier alle aufeinander rum.

Typisch Augsburger Verhalten, dachte sie düster. Wahrscheinlich hatte sie zu lange in München gelebt. Obwohl Augsburg nicht gerade als Kleinstadt durchging, immerhin lebten hier knapp 280 000 Menschen, fühlte sie sich wie in der Provinz.

»Also: Leo Trautwein ist Augsburger Stadtrat. War es zumindest bis dato. Jetzt ist er tot, mausetot. Offensichtlich durch den gleichen Täter ins Jenseits befördert wie Kovac.«

»Weil?« Sie blickte den Kollegen fragend an.

»Weil er multiple Wunden aufweist und ihm ebenfalls Gegenstände eingeführt wurden?«, ergänzte Zott. »Und beide bis auf die Socken nackt waren? Außerdem …« Er unterbrach sich. »Dazu später. Zurück zu unserem ersten Mordopfer.« Zott klopfte auf eines der Bilder des toten Zuhälters. »Der Mann war ein geschätztes Mitglied der Augsburger Gesellschaft, Herr Darko Kovac. Vorstrafen: Dutzende! Gewalttätig? Ganz bestimmt. Sexualtäter? O ja! Missbrauchte gerne seine weiblichen Angestellten. Kurz gesagt, ich vermisse ihn nicht.« Er schlug einen Ordner auf. »Und trotzdem kriege ich immer wieder Gänsehaut, wenn ich in dem Obduktionsbericht lese, wie er ins Jenseits befördert wurde. Professor Dr. Haider hat die gerichtsmedizinische Leichenöffnung an der Rechtsmedizin in München durchgeführt. Er stellte …«

»Nur die Fakten bitte«, unterbrach ihn Elsa, die keine Lust auf den seitenlangen Bericht einer Obduktion verspürte.

»Okay, ich fasse zusammen. Der Professor stellte eine tief greifende Halsschnittverletzung mit Durchtrennung aller Halsorgane fest.«

»Moment, ein bisschen ausführlicher darf es schon sein.«

Zott befeuchtete mit der Zunge seine Lippen, offensichtlich freute er sich darauf, endlich loszulegen: »Damit sind beide Halsschlagadern gemeint, beide Drosselvenen, die Speiseröhre, Luftröhre, der Kehlkopf und die Schilddrüsenlappen. Außerdem wurden dem Opfer drei Bruststichverletzungen zugefügt, mit Öffnung des Brustkorbs. Diese Verletzungen schädigten die Lunge und die Leber. Weiter fanden sich eine Schnittverletzung am rechten Daumen, eine Stichverletzung am linken Unterarm sowie ein Durchstich des rechten Oberarmes. Im Bereich des Kopfs stellte der Professor zahlreiche Hämatome und Weichteilverletzungen fest. Das deutet auf mehrfache stumpfe Gewalteinwirkung hin. Insgesamt schließt Dr. Haider aus den Verletzungen, dass ein ziemlich einseitiger Kampf stattgefunden hat.«

»Kampf?« Elsa schüttelte den Kopf. »Wohl eher ein lustiges Schlachtfest.«

»Die Todesursache ist laut Gerichtsmedizin eine Kombination aus Blutverlust und Atembehinderung. Der Professor vermutet außerdem, dass der oder die Täter Kovac gewaschen haben, bevor er im Wald verscharrt wurde. Keine DNA. In den Wunden fanden sich nur Substanzen aus dem Wald. Moos, Erde, Reste von Laub und Rinde.«

»Abwehrverletzungen?«

Zott schüttelte den Kopf.

»Aber die Wunden am Arm und an den Händen?«

»Sind nicht durch eine typische Abwehrreaktion entstanden. Es gibt Anzeichen, dass Kovac gefesselt war, als ihm diese Schnitte und Stiche zugefügt worden sind.«

»Folter?«

»Sieht fast danach aus.«

»Aber das ist noch nicht alles«, sagte Elsa.

»Korrekt. Dem Opfer«, Zott deutete übertrieben schwungvoll auf eine Nahaufnahme von Kovac, »steckte eine Flasche im Anus.«

»Jaja, die Flasche. Ich bin nicht blind, das ist mir gleich als Erstes ins Auge gefallen.« Diese Flasche hatte Elsa von Anfang an abgestoßen und zugleich fasziniert. »Wieso steckt der Mörder dem Opfer eine Flasche in den Hintern?«

»Vielleicht wollte uns der Mörder etwas mitteilen?«

»Was denn, dass Kovac ein Alkoholiker war? Oder auf Bier stand?«

»Genau genommen Weißbier, denn es war eine Weißbierflasche. Ein Weizen sozusagen!«

Elsa verdrehte die Augen. »Sonst irgendwelche Spuren?«

»Nein.«

»Wie nein? Es hat offensichtlich ein Kampf stattgefunden. Dabei muss es doch einen Austausch von Spurenmaterial gegeben haben. Faserspuren, DNA-Spuren oder dergleichen. Irgendetwas.« Sie schnaubte. »Es gibt immer etwas. Man muss es nur finden. Vorausgesetzt, man sucht lange genug.«

»Wie gesagt, es gab nichts, überhaupt nichts. Bis jetzt zumindest, die Auswertung der Spuren ist noch nicht abgeschlossen. Außerdem fehlt noch der Obduktionsbericht aus München für Leo Trautwein.«

»Wird Zeit, dass Augsburg endlich mal eine eigene Rechtsmedizin bekommt«, kommentierte sie. »Was ist mit Kovac? Muss ich den kennen?«

»Als Augsburger Polizistin? Ja! Da du aber erst seit Kurzem bei uns bist, vermutlich nicht«, erklärte Zott gönnerhaft. »Er ist, er war Augsburgs Zuhälterkönig. Eine ziemlich dicke Nummer. Dazu kommt der tote Leo Trautwein. Deshalb macht Jansenbrink auch so viel Dampf bei den Ermittlungen. Weil er selbst gehörig Dampf bekommt, und zwar von allen Seiten. Vom Leiter der Staatsanwaltschaft, der zuständigen Oberstaatsanwältin, dem Polizeipräsidenten, dem Ministerialdirigenten, dem Staatssekretär und, seit eben, vom Innenminister. Fehlt nur noch der Ministerpräsident. Aber der meldet sich bestimmt noch. Schließlich geht es um einen toten Stadtrat.«

Elsa stieß zischend Luft aus und schob den Kopf vor, bis ihre Stirn fast die Nahaufnahme des toten Trautweins berührte. Die gleiche Matschbirne wie bei Kovac. Der Mörder hatte den Stadtrat richtig zu Brei geschlagen und ihn mit einem Messer verstümmelt. Und das war längst nicht die Krönung. »Ihm stecken zwei Karotten in den Augäpfeln«, sprach sie das Offensichtliche aus. »Mit dem stumpfen Ende unten, also drinnen, im Gesicht, meine ich. Was ist denn das da?« Sie klopfte mit dem Zeigefinger auf das Bild. »Sieht aus wie, wie ein …«

»Kondom«, vollendete Zott den Satz. »Zwei, genauer gesagt. Über jeder Karotte eins. Zur Hälfte abgerollt. Es handelt sich um billige Markengummis aus dem Drogeriemarkt.«

»Himmel! Wer zur Hölle rammt einem Menschen zwei Möhren in die Augen und stülpt anschließend noch Kondome drüber? Das ist doch irre. Völlig krank ist das!« Trotz ihrer Jahre bei der Münchner Sitte brachte Elsa die Brutalität mancher Täter immer wieder auf die Palme. Es ließ sie einfach nicht kalt, wenn sie an das Leid der Opfer dachte. Da kam bei ihr keine Routine auf.

»Korrekt«, stimmte Zott lapidar zu.

»Soll das irgendeine Anspielung auf ›Stielaugen‹ sein?« Sie legte den Kopf schief und musterte Trautweins Klumpgesicht mit den zwei Karotten darin genauer. »Im weitesten Sinne kann man schon sagen, die Karotten wurden eingeführt«, Elsa malte Anführungsstriche in die Luft, »wie die Weißbierflasche in Kovac’ Allerwertestem. Aber deswegen, und weil die beiden Opfer nackt waren, auf den gleichen Täter schließen? Ich weiß nicht.« Elsa zupfte sich an der Unterlippe.

Zott machte sie mit einer Bewegung seines Kinns auf ein Detail aufmerksam, das sowohl auf den Tatortfotos von Trautwein als auch bei Kovac zu sehen war, allerdings erst bei näherem Hinsehen.

»Was ist das?«

»Eine Fotokopie. Das Bild zeigt den Erzengel Gabriel, mit ausgebreiteten Flügeln in der Luft schwebend. Der Mörder hat das Bild beiden Opfern auf die Handinnenseite gelegt und die Finger zur Faust zusammengedrückt.«

»Ich gebe zu, das spricht natürlich für ein und denselben Täter. Und deshalb der Name?«

»Welcher Name?«

»Na, der Name der Soko. Gabriel! Sehr einfallsreich.«

»Hat Jansenbrink vorgeschlagen.«

»Sehr kreativ, der Herr Jansenbrink.«

»Jepp!« Zott nickte, sein Kopf schaukelte hin und her wie bei einem Wackeldackel.

»Gab es Anzeichen für einen Sexualmord?«

»Du meinst, außer den Kondomen auf den Möhrchen oder die Flasche im Arsch?«

»Ganz genau. Du weißt schon, Spermaspuren in bestimmten Körperöffnungen, Verletzungen diverser Art.«

»Nein, negativ. Zumindest auf den ersten Blick. Die Leichenschau durch den Münchner Gerichtsmediziner hat diesbezüglich nichts ergeben. An und in der Bierflasche hat Professor Haider ebenfalls nichts Verwertbares entdeckt. Bei Trautwein müssen wir den Obduktionsbericht abwarten für ein endgültiges Ergebnis. Vorerst gibt es jedenfalls keinen Hinweis auf Sperma oder Verletzungen, die auf bestimmte sexuelle Praktiken hinweisen. Andererseits, die Bierflasche, die gibt mir schon zu denken.«

»Das kann alles und nichts bedeuten«, lenkte Elsa ein. »Dieser Stadtrat …«

»Trautwein.« Zott deutete mit dem Kopf auf die Fotos des Toten.

»Was für eine Verbindung gibt es zwischen den beiden?«

»Wer weiß das schon?«

»Bitte?« Elsa glaubte, sich verhört zu haben. So hinterwäldlerisch konnten die Kollegen in Augsburg doch unmöglich sein.

»Soll heißen, wir wissen das nicht. Zumindest deutet nach bisherigem Stand nichts darauf hin, dass sich Kovac und Trautwein kannten.«

»Aber spätestens die Presse wird Vermutungen in diese Richtung anstellen.«

»Das befürchtet Jansenbrink auch.«

»Deshalb sollten wir diese Möglichkeit ebenfalls in Betracht ziehen. Was die Gerichtsmedizin wohl zur Todesursache bei Trautwein sagt? Anhand der Tatortbilder lässt sich das schwer feststellen. Ich meine, Trautwein sieht aus wie ein Truthahn. Blutig gerupft und auf dem Weg in den Ofen. Sein Körper ist übersät von Wunden. Himmel, seinem Kleinhirn sagen zwei Möhren guten Tag.«

»Zumindest achtet unser Mörder auf Naturkost, das sind Biokarotten.«

Elsa grinste und schielte zu Zott. Doch der lächelte keineswegs. Er meinte es völlig ernst.

»Doch, doch.« Er schien ihre Ungläubigkeit zu bemerken. »Schau dir die Form an, den krummen Wuchs. Ich esse selbst nur Bio. Diese Riesenkarotten aus dem Supermarkt kommen mir nicht auf den Tisch.«

Aha, wenn das mal kein Ansatzpunkt war, dachte Elsa. So langsam begriff sie, warum es Zott auf die Deppenliste geschafft hatte. Die hellste Kerze auf der Torte war er offensichtlich nicht. Himmel, wo war sie nur gelandet! Inzwischen sehnte sie sich immer mehr nach ihrer Münchner Dienststelle zurück. Gäbe es dort nur nicht diesen einen, ganz bestimmten Kollegen. Sie knabberte auf ihrer Unterlippe. »Lag Trautwein auch im Siebentischwald?«

»Nein, sondern im Norden des Präsidiumsbereiches. Bei Biberbach. Landkreis Augsburg. In einem Waldstück in der Nähe eines Reiterhofes. Ein Mädchen hat die Leiche auf dem ersten Ausritt mit ihrem Reitlehrer entdeckt. Lag direkt neben dem Reiterpfad. Die Kleine wäre fast aus dem Sattel gefallen vor Schreck.«

»Kann ich mir denken. Und der Reitlehrer?«

»Hat zuerst nichts mitbekommen, weil er die ganze Zeit seiner Schülerin auf den Arsch gestarrt hat. Er ist hinter dem Mädchen geritten.«

»Im Ernst?«

»Hat er so gesagt.«

»Tatsächlich?«

»Klar. Die Kleine ist ja auch eine Granate«, versicherte er ihr treuherzig.

»Okay, können wir jetzt wieder über den Fall sprechen?«, fragte Elsa mit einem leichten Knurren in der Stimme. Sie hasste nichts mehr als diese Macho-Sprüche. Doch Zott, der selbst ernannte Bio-Experte, schien das nicht zu merken.

»Oh, klar. Sicher.« Er errötete leicht. Offenbar war die Botschaft endlich angekommen.

»Gut.«

Elsas Blick blieb auf Trautweins Leichenfotos haften. Foto eins, eine Übersichtsaufnahme, zeigte den toten Stadtrat, bis auf die Socken völlig unbekleidet, wie er mit dem Gesicht nach oben auf dem Waldboden lag. Foto zwei war eine Nahaufnahme der Leiche in Seitenposition. Arme und Beine waren mit einem Strick auf dem Rücken zusammengebunden, zusätzlich die Handgelenke mit mehreren Kabelbindern fixiert und die Ellenbogen mit einem Elektrokabel verschnürt. Foto Nummer drei schien auf den ersten Blick den Querschnitt einer Lasagne zu zeigen, doch es handelte sich um die Detailaufnahme mehrerer Stichverletzungen am Oberbauch.

»Ein wahres Gemetzel«, murmelte Elsa. »Bei beiden Opfern. Das war jedes Mal ein ziemlich einseitiger Kampf, würde ich sagen.«

»Einseitiger geht es kaum. Ungefähr so, als würdest du gegen die Klitschko-Brüder boxen. Gegen beide. Gleichzeitig.«

»Du hast mich noch nie boxen sehen.« Elsa lächelte.

»Ehrlich jetzt?«

»Natürlich nicht! Was soll daran toll sein, sich in einem umzäunten Rechteck gegenseitig auf die Nase zu hauen?«

»Mir macht’s Spaß, das Zuschauen meine ich, aber egal.« Zott deutete auf die Bilder. »Der Täter muss sehr kräftig gewesen sein, wenn er beide überwältigen konnte, ohne großartig Spuren zu hinterlassen.«

»Oder es waren mehrere«, warf Elsa ein.

»Oder es waren mehrere. Das ist richtig. Leo Trautwein ist zwar Stadtrat gewesen und Bürohengst, aber er hat früher geboxt. Hah, da wären wir wieder beim Thema Boxen. Amateurklasse bloß, aber immerhin. Und der Zuhälterkönig Kovac war in Augsburg für seine Brutalität berühmt. Wer hat die Fähigkeiten, zwei solche Männer auszuschalten, und zwar ohne Gegenwehr?«

»Das ist eine wichtige Frage.« Elsa betrachtete die Tatortfotos. »Deren Beantwortung ein wichtiger Fortschritt in den Ermittlungen wäre.«

»Stimmt, aber wir haben anderes zu tun, schließlich gehören wir nicht zu den wichtigen Menschen innerhalb der Soko. Wir sind der Aktensichtung zugeteilt. Tiefsinnigere Gedanken sind von uns nicht gewünscht. Du kannst dich aber gerne für die operative Fallanalyse bewerben, wenn du Lust hast. Vielleicht liegt dir auch die Hinweisaufnahme, wenn du gerne telefonierst. Mir eigentlich egal. Aber«, Zott hob den Zeigefinger, »wir stehen auf der Deppenliste, schon vergessen? Jansenbrink und der leitende Ermittler Krenzin haben das Sagen, wir zwei sind lediglich Laufburschen. Die für das Aktensichten zuständig sind. Alles klar?«

Elsa brummte. »Krenzin ist der Chef des K 1, richtig? Ich hatte bisher nicht die Ehre, seine Bekanntschaft zu machen.«

»Korrekt. Erich Krenzin. Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter des Kommissariats 1, zuständig für Tötungsdelikte. Spitzname: Derrick von Augsburg. Krenzin hält die Fäden in der Hand, lässt aber Jansenbrink in dem Glauben, er wäre der Marionettenspieler. Der Jansenbrink braucht das für sein Ego. Krenzin hat keins.«

»Was?

»Ein Ego.«

»Eine imposante Charaktereigenschaft.«

»Stimmt. Vor allem hat er es trotz des fehlenden Egos weit gebracht bei der Polizei.«

Elsa nickte, sagte aber nichts. Stattdessen betrachtete sie die Fotos und kaute nachdenklich auf ihren Fingernägeln. »Weißt du, was seltsam ist?«

»Was?«

»Bei den Opfern liegt ein klarer Fall von Overkill vor, denn der Täter hat eindeutig mehr getan, als notwendig wäre, um den Tod herbeizuführen.«

»Da will ich dir nicht widersprechen.«

»Das passiert doch eigentlich nur bei einer Affekthandlung, zum Beispiel einer Tat, die aus einer Provokation heraus entsteht. Während Ehestreitigkeiten etwa, die aus dem Ruder laufen, oder einem Streit unter Saufkumpanen. Aber das hier, das sieht irgendwie nach einer geplanten Tat aus. Und zwar in beiden Fällen.«

»Jaja, kann schon sein, aber für diese Überlegungen gibt es doch die Fallanalysten, oder? Krenzin wird sicherlich einen Experten zurate ziehen, wenn er der Meinung ist, das würde ihm weiterhelfen. Wir sollten uns lieber langsam an unsere Arbeit machen. Die Aktenberge sichten sich nicht von alleine. Und je eher wir durch sind, desto besser. Die Aktenstelle ist keine Wellness-Oase, glaub mir. Solltest du eine Stauballergie haben, dann wünsche ich schon mal viel Spaß. Und jetzt komm.« Zott ging zur Tür.

»Können wir nicht hier oben …?«

»Vergiss es!« Ihr Kollege winkte ab. »Wir sichten an Ort und Stelle. Ich schleppe doch nicht den ganzen Tag die Ordner von einem Büro ins andere. Außerdem ist das hier ein Besprechungszimmer, hier kommt alle fünf Minuten jemand rein.«

Elsa konnte sich nur schwer von der Pinnwand lösen. Irgendetwas irritierte sie an den Fotos des toten Stadtrats. Sie wusste nur nicht, was. Immer wieder besah sie sich Trautwein, dem ein äußerst brutaler Mörder zwei Biomöhren wie zwei Minipfähle in die Augen gebohrt hatte.

»Kommst du endlich?«, quengelte Zott.

»Sofort.« Ihr lief ein Schauer über den Rücken, als sie die klaffende Halswunde Trautweins ein letztes Mal mit ihrem Blick streifte. Trautwein schien ihr zuzulächeln.

Aber das war unmöglich!

Elsa schloss die Augen.

Öffnete sie wieder.

Alles in Ordnung. Oder auch nicht. Jedenfalls lächelte Trautwein auf dem Foto nicht. Natürlich nicht.

Tote lächeln nicht!

KAPITEL 2

»Himmelherrschaftssakrament!« Sven Schäfer wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Dabei verschmierte er den roten Sabber nur noch mehr.

Schäfer blinzelte, sogar seine Augen waren verklebt. Ohne wirklich etwas sehen zu können, beugte er sich nach rechts. Beim dritten Versuch gelang es ihm schließlich, das Handschuhfach zu öffnen und zwischen allerlei Krimskrams ein dreckiges Stofftaschentuch rauszuziehen, mit dem er sich von der klebrigen Masse säuberte. Er ließ das Fahrerfenster nach unten surren, packte die Bratwurstsemmel und warf sie aus seinem Auto, einem knallgelben Ford Mustang. Der Hunger war verflogen. »Drecksketchup!«, schimpfte Schäfer und betrachtete sein rot glänzendes Gesicht im Rückspiegel. Er sah aus, als hätte ihm ein Zombie Wange und Kinn abgebissen.

Im Stillen verfluchte er seine Ketchupsucht, die ihn dazu genötigt hatte, ein Tütchen der roten Würzsoße aufzureißen, dessen Inhalt er anschließend mit seinem Brotzeitmesser auf der Bratwurst verteilen wollte. Wie üblich hatte die Metzgereiverkäuferin zu wenig in die Semmel geschmiert. Für solche Fälle lagerte Schäfer in der Seitenablage seines Mustangs einige Notrationen dieser kleinen Ketchuptüten, die er sich immer heimlich in die Tasche steckte, wenn er beim Schnitzelwirt zu Mittag aß. Beim Öffnen hatte er ein Massaker angerichtet. Diese spezielle Tüte hatte sich als äußerst widerspenstig erwiesen, sodass er brutale Gewalt anwenden musste, um die Lasche einzureißen. Das Ketchup war herausgeschossen und hatte nicht nur Lenkrad und Armaturen versaut, sondern auch sein frisch rasiertes Gesicht. Sogar auf seinem Schädel und dem weißen Anorak waren einzelne Ketchup-Spritzer gelandet. Er überlegte kurz, ob er nach Hause fahren und eine andere Jacke überziehen sollte, da kam seine Zielperson aus dem gegenüberliegenden Gebäude. Heinz Täuber, 48 Jahre alt, Versicherungsmakler und vermutlich untreuer Ehemann. Zumindest glaubte dies seine Frau, Gertrud Täuber, geborene Schmitz.

Frau Täuber hatte Schäfer vor zwei Tagen aufgesucht und ihn als Privatdetektiv engagiert, um die Seitensprünge ihres Ehemanns nachzuweisen. Diesen Auftrag wollte Schäfer rasch abschließen. Es war zwar langweilig, notgeile Ehemänner beim Fremdgehen zu überwachen, brachte dafür aber eine Menge Knete ein. Das Erfolgshonorar wollte er schnellstmöglich verdienen, momentan sah seine finanzielle Lage alles andere als rosig aus. Mit dem Auftauchen der Zielperson erübrigte sich die Frage nach anderer Kleidung, Schäfer entschied sich für die Fortsetzung der Überwachung. In seinem Auto sah ihn ja niemand.

Er wischte Lenkrad und Armaturen notdürftig sauber und wickelte das Brotzeitmesser in das durchtränkte Taschentuch. Hastig steckte er alles zusammen in die Tasche des Anoraks. Der musste sowieso in die Reinigung, da kam es auf ein paar weitere Flecken jetzt auch nicht mehr an.

Er wartete, bis Heinz Täuber in seinen Audi stieg und rückwärts auf die Maximilianstraße rangierte, die Augsburger Prachtstraße in der Innenstadt. Schäfer warf einen Blick auf den Herkulesbrunnen, der zu dieser Jahreszeit mit Holzplatten zum Schutz vor der Witterung abgedeckt war. »Jetzt geht’s los, alter Knabe, wünsch mir Glück, ich kann’s brauchen.« Schäfer startete seinen verbeulten Ford Mustang und folgte Täuber. Der Mustang hoppelte über das Kopfsteinpflaster. Täuber bog nach rechts in die Kapuzinergasse, Schäfer hintendrein. Es ging bergab die enge Gasse entlang, dann links in die Konrad-Adenauer-Allee, nachdem sie eine Straßenbahn passieren ließen, die vorbeiknatterte. Am Theodor-Heuss-Platz leuchtete der rechte Blinker von Täubers Audi.

»Das ist aber nicht der direkte Weg von der Arbeit nach Hause, Mister Täuber«, murmelte Schäfer, als der schwarze A6 an der Ampel nach rechts abfuhr. Wäre Täubers Eigentumswohnung das Ziel gewesen, hätte er links fahren müssen, Richtung Rote-Torwall-Straße, vorbei an der Freilichtbühne und dem Roten Tor. In der Ferne sah Schäfer den Augsburger Hotelturm. Jetzt, um kurz nach 15.00 Uhr im Dezember, leuchteten zahlreiche Lichter in dem Gebäude, und der 158 m hohe Turm machte seinem Spitznamen alle Ehre. »Maiskolben« nannten ihn die Augsburger, und das zu Recht. Bei Dunkelheit sah er aus wie ein angegessener Maiskolben, die einzelnen Lichter erinnerten dabei an die Maiskörner.

Schäfer drosselte das Tempo, um nicht aufzufallen, und folgte in sicherem Abstand. Täuber lenkte seinen Wagen über die Eisenbahnbrücke auf die Rosenaustraße und fuhr im weiteren Verlauf auf die B 17, in Richtung Norden. Auf Höhe des Autobahnkreuzes bog er auf die Bundesautobahn nach Stuttgart.

»Na, wo wartet deine Süße denn auf dich?«, fragte Schäfer, während er ebenfalls auf die A 8 steuerte. Täuber gab Gas und wechselte auf die linke Spur. An der nächsten Ausfahrt fuhr er ab, in einen Kreisverkehr und anschließend wieder auf die Autobahn, nur diesmal in entgegengesetzter Richtung. »Was soll jetzt das?« Schäfer wunderte sich, blieb aber dran. Einen Kilometer weiter lenkte Täuber den Audi auf einen Rastplatz, stoppte jedoch weder an der Tankstelle noch am Restaurant. Da ging Schäfer ein Licht auf. Der Mann wollte zum Autobahnmotel, dem geheimen Treffpunkt vieler liebestoller Paare.

Schäfer parkte in einiger Entfernung von Täuber, stellte den Motor ab und stieg aus. Er überlegte kurz, beugte sich dann ins Auto und öffnete das Handschuhfach. Dort lag seine Smith & Wesson – für den Notfall. Die Waffe brauchte er sicherlich nicht für eine stinknormale Überwachung, allerdings erschien es ihm zu riskant, sie an einem Autobahnrastplatz im Wagen zu lassen. Aus seiner Zeit bei der Polizei wusste er um die hohe Zahl an Autoaufbrüchen auf diesen Parkplätzen. »Scheiße«, fluchte Schäfer, als er vergeblich nach dem Gürtelholster tastete. Das lag blöderweise im Schlafzimmer auf dem Bett. »Dann muss es so gehen.« Er steckte den Revolver in den Hosenbund und wollte gerade zum Motel stiefeln, als Täubers Audi an ihm vorbeirollte. Gefrorener Schnee knirschte unter den Reifen.

»So schnell kann doch keiner fertig sein.« Schäfer sah dem Wagen nach, sein Blick sprang zwischen Täubers A6 und dem Motel hin und her. Als die Rücklichter des Audis in der Dunkelheit verschwanden, saß Schäfer bereits hinter dem Steuer und nahm die Verfolgung auf. Er achtete darauf, seine Zielperson nicht aus den Augen zu verlieren, schüttelte den Kopf, als Täuber am Autobahnkreuz Augsburg West abfuhr und diesmal ins Industriegebiet von Gersthofen steuerte, einer Kleinstadt vor den Toren Augsburgs. Schäfers Blick fiel auf einen Baumarkt und mehrere Supermärkte, dann bremste er abrupt, weil Täuber vor ihm langsamer wurde. Schäfer hielt am Straßenrand und beobachtete Täuber, der auf dem Parkplatz eines Discounters aus dem A6 stieg und sich verstohlen umsah.

»Aha, sind wir jetzt am richtigen Örtchen«, brummte Schäfer und schaute auf die hell erleuchteten Buchstaben über dem Eingang des Hotels, das sich zwischen eine Firma für Bodenbeläge und einen leer stehenden Gebäudekomplex quetschte. Schäfer wartete fünf Minuten, er wollte Täuber die nötige Zeit geben, um mit seinem Techtelmechtel warm zu werden. Dann stieg er aus und schlenderte auf den Parkplatz des Hotels, auf dem fünf Autos parkten. Bis auf einen silbernen Opel hatten alle auswärtige Kennzeichen.

»Wieso parkst du eigentlich nicht auf dem hoteleigenen Parkplatz?«, murmelte Schäfer. Wahrscheinlich wollte er nicht neben seinen Kumpels parken. Wer weiß, wie viele von Täubers Versicherungsfreunden hier ihre Klientinnen und Sekretärinnen intensiv befragten. Die Welt war durch und durch verdorben.

Schäfer zuckte die Schultern und blickte auf seine Armbanduhr. Kurz vor vier. Es war ein trüber Tag im Dezember, die Dämmerung brach bereits herein. Ideale Bedingungen für einen außerehelichen Beischlaf. Schäfer lächelte, er kannte dieses Hotel von seinen zahlreichen Überwachungen untreuer Ehemänner. Auch er selbst hatte ein- oder zweimal hier eingecheckt, aber da war er schon so gut wie geschieden gewesen, moralisch also völlig im grünen Bereich. Schön, dann konnte es jetzt also losgehen. Schäfer kramte sein Smartphone aus einer der vielen Taschen der erdfarbenen Cargohose und stellte es auf lautlos, dann steckte er es griffbereit in die linke Außentasche seiner Jacke. Mit dem Gerät wollte er die benötigten Beweisfotos schießen. Er hatte nie viel für Fotografie übrig gehabt, sein Wissen über Brennweite und ähnliche Dinge war kaum der Rede wert. Statt sich mit irgendwelchen Kameras rumzuschlagen, vertraute er daher auf sein ultramodernes Smartphone, die Bilder erfüllten jedes Mal ihren Zweck. Außerdem kostete eine Spiegelreflexkamera ein Vermögen, das er nicht besaß. Das Smartphone war schon teuer genug, aber unabdingbar für seinen Job.

Schäfer näherte sich dem Eingang und beobachtete den Mann am Empfang. Wie hieß er gleich wieder? Ach ja, Harry. Pförtner Harry hatte eine Nikotinsucht. Sein Chef sah es aber gar nicht gerne, wenn Harry am Arbeitsplatz rauchte. Das hatte der Pförtner einmal erzählt, als Schäfer im Hotel auf eine Frau warten musste. Auch jetzt sah Harry schon wieder unruhig nach links und rechts. Gleich darauf zog er eine Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug unter dem Tresen hervor und verließ seinen Platz. Zur Toilette, wie Schäfer wusste. Dort war die einzige Möglichkeit, unbemerkt eine Zigarette zu rauchen, nachdem Harrys Chef selbst das Rauchen vor dem Eingang verboten hatte. Angeblich aus Rücksicht auf die Gäste.

Schäfer schmunzelte, er hatte genau auf diese Gelegenheit gewartet. Schnell glitt er durch die Glastür und lief zur Treppe. Einen Blick ins Anmeldebuch ersparte er sich. Täuber war garantiert nicht so blöd, unter seinem richtigen Namen einzuchecken. Schäfer verließ sich lieber auf sein Gehör und die Geräusche, die ausgehungerte Männer beim Sex fabrizierten, schlich von Zimmer zu Zimmer, legte an jede Tür sein Ohr und horchte. Er hörte Radiogedudel, Stimmen aus dem Fernseher und Gäste, die telefonierten. Also Menschen, die aus harmlosen Gründen hier nächtigten oder deren Sexpartner noch nicht da waren. Nicht jeder Fremdgänger befriedigte seinen Trieb vor vier Uhr nachmittags, wie es anscheinend Heinz Täuber im Sinn hatte. Nach einem guten Dutzend Zimmer, hinter deren Türen keine Sauereien vonstattengingen, hatte sich Schäfer schließlich bis in den zweiten Stock hochgearbeitet. Gerade als er den Fuß auf den mit grauem Teppich ausgelegten Flur setzte, hörte er es.

Der Lustschrei eines Mannes!

Obwohl das in diesem Fall eher wie der Todesschrei eines Orks klang. Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte Schäfer den Ort des wilden Treibens lokalisiert und positionierte sich neben der Tür, die sich wohl kaum für einen Werbespot über Schallschutz eignete. Jedes Wort drang auf den Flur.

»Gib’s mir, du wilder Hengst.«

»Du geiles Miststück willst es haben? Du kriegst es von mir auf die harte Tour.«

»Ja, genau so!«

Schäfer lauschte den sinnlichen Spielen für einen Moment und fühlte sich, als würde hinter der Tür ein miserabler amerikanischer Pornofilm noch miserabler synchronisiert.

Es klatschte, als würde eine Horde Insekten mit einer Fliegenklatsche totgeschlagen.

»Dein Arsch ist so geil!«

Ein weiteres Klatschen, dann noch eins.

Schäfer verdrehte die Augen. »Das ist wirklich ein ganz mieser Streifen«, murmelte er. Da war der Täuber Heinz aber mächtig am Arbeiten. Jetzt musste Schäfer nur noch irgendwie ein paar Fotos von dem lüsternen Pärchen ergattern, dann war der Drops gelutscht, der Feierabend gerettet und der Auftrag in trockenen Tüchern. Er versuchte es auf die einfache Art, hielt sein Smartphone im Anschlag und drückte die Klinke.

Mist, verschlossen!

Wäre auch zu schön gewesen. Während die beiden Turteltäubchen ganz in ihrer Wollust versunken waren, hätte er schnell zwei oder drei Schnappschüsse machen können. Und ohne dass die beiden etwas gemerkt hätten, wäre er längst auf dem Weg zu seinem Büro gewesen, hätte dort sein Feierabendradler gezwitschert und auf Täubers Schniedel angestoßen. Doch das Glück war ihm nicht hold. Also zückte Schäfer seinen selbst gebastelten Dietrich und führte ihn in das Schloss ein. Gott sei Dank gab es hier nicht diese neumodischen Magnetkarten. Dafür stieß er allerdings gleich auf das nächste Hindernis. Der Schlüssel steckte von innen, also kam er auch auf diese Weise nicht weiter.

Schäfer dachte kurz nach und kratzte sich dabei am Kopf, dann klopfte er an der Tür neben dem Pornostudio für Arme. »Zimmerservice«, rief er halblaut, klopfte ein zweites Mal und drückte die Klinke. Ebenfalls verschlossen. Aber diesmal hatte er keine Probleme mit seinem Dietrich, die Tür glitt leise auf. Er schaute sich rasch um, dann schlüpfte er ins Zimmer und schritt schnurstracks zur Balkontüre, öffnete diese und trat in den eisigen Dezember hinaus. Er lehnte sich über das Balkongeländer, während er kleine Atemwölkchen ausstieß, und versuchte, ins andere Zimmer zu spähen. Zu seinem Leidwesen sah er nur die Ecke mit dem Fernseher, aber dummerweise nicht das Bett. Schäfer versuchte die Entfernung von seinem Balkon bis zu dem des Nachbarzimmers einzuschätzen. Eventuell wäre er in der Lage, mit einem Sprung …? Es war allerdings Dezember, das Geländer des Balkons bestimmt vereist und glatt. Nur im Kino gelang solch ein waghalsiger Akt. Er war aber nicht Spiderman und musste sich etwas anderes einfallen lassen.

Verdammt! Er war so nahe dran, und die Zeit drängte, wenn er Täuber in Aktion antreffen wollte. Seine Zielperson war bestimmt schon auf der Zielgeraden – ein Foto in diesem Zustand wäre der perfekte Beweis. Natürlich könnte er abwarten, bis die beiden Turteltäubchen das Zimmer verließen, und sie dann eng umschlungen ablichten. Das würde Frau Täuber womöglich reichen, aber Schäfer wollte lieber Handfestes fotografieren. Dann bekam er vielleicht einen kleinen Honoraraufschlag für besonders gelungene Arbeit. Und außerdem reizte es ihn, Täuber sozusagen auf frischer Tat zu ertappen.

Schäfers Blick schweifte über das Gelände und blieb an einer Leiter hängen, die unter seinem Balkon im Schnee lag. Wie sorglos von der Hotelführung. Er beschloss, mit ebendieser Leiter fensterln zu gehen, als ihm ein Schatten auffiel, der sich ganz langsam an der Außenmauer des Hotels bewegte. Schäfer kniff die Augen zusammen. Dieser Mensch da hatte Verbotenes im Sinn, davon war er überzeugt. Er ließ den Schatten nicht aus den Augen. Direkt unter dem Balkon verharrte der Unbekannte einen Moment, dann beugte er sich über die Leiter und hob sie mit einem kräftigen Ruck vom Boden. Eis klirrte, fiel in den Schnee und zeichnete dort ein Muster, während der Unbekannte sich die Leiter auf die Schulter legte.

»Was zum Teufel …?« Schäfer riss die Augen auf, weil der Mann – garantiert war das keine Frau – die Leiter an das Balkongeländer nebenan stützte. Schäfer trat einen Schritt zurück und beobachtete. Es klackte, als der Mann die Sprossen hochkletterte, das obere Ende der Leiter wackelte. Plötzlich zog Schäfer scharf die Luft ein. Jetzt erkannte er den Typen. Das war kein Unbekannter, ganz und gar nicht. Der Täuberich lag nicht wie angenommen im Inneren des warmen Hotelzimmers und vergnügte sich mit seiner Geliebten. Nein, Heinz Täuber kraxelte in diesem Augenblick auf einer verbogenen Aluleiter und spähte verstohlen in jenes erleuchtete Hotelzimmer, in dem Schäfer den Mann eben noch vermutet hatte.

Ein Spanner! Schäfer schüttelte den Kopf. Täuber war ein verdammter Spanner! Der ging nicht fremd, der holte sich einen runter, indem er anderen zusah. Dabei hatte es doch ganz so ausgesehen, als ob Täuber … Aber natürlich! Deswegen war der Mann zuerst ins Autobahnmotel gefahren. Um dort Voyeur zu spielen. Aber wahrscheinlich bumste da gerade niemand. Deshalb das Hotel hier. Täuber hatte seine Anlaufadressen, die er regelmäßig abklapperte. Anders konnte das gar nicht sein. Ob die Frau Gemahlin zufrieden war, wenn Schäfer ihr übermittelte, dass ihr Göttergatte keine Geliebte hatte, dafür aber gerne anderen zuguckte? Egal, sein Auftrag war erfüllt, sobald er eindeutige Beweise vorlegen konnte. Wurscht, was Täuber trieb! Während sich in Schäfers Kopf die Gedanken überschlugen, kletterte Täuber vollständig auf den Balkon und näherte sich dem Fenster.

Schäfer beschloss, seiner Zielperson auf demselben Weg zu folgen. Dadurch bekäme er einen besseren Einblick in die Situation, die Beweisfotos wären erste Sahne. »Okay, jetzt aber los.« Schäfer kehrte zurück ins Zimmer, auf den Gang und hastete ins Erdgeschoss. Der Pförtner weilte wieder an seinem Platz, gelangweilt zwar, allerdings würde er es garantiert bemerken, wenn jemand an ihm vorbeilief. Und dann würde Harry womöglich blöde Fragen stellen, deren Beantwortung äußerst unangenehm wäre. Deshalb öffnete Schäfer kurzerhand ein Fenster und sprang ins Freie.

Der Schnee unter seinen Stiefeln knirschte. Er tastete sich, wie wenige Minuten zuvor Heinz Täuber, an der Mauer des Hotels entlang bis zur Leiter, blickte kurz nach oben, dann setzte er Fuß für Fuß auf die Sprossen, bis er zwischen den Metallstäben des Balkongeländers hindurch Täuber und das hell erleuchtete Zimmer erkennen konnte. Täuber verharrte vor dem Fenster und sah auf den rosigen Arsch eines Mannes, der hinter einer Blondine kniete. Synchron zu den wuchtigen Stößen wackelte das Bett. Selbst hier draußen war noch das Klirren des Kaffeegedecks auf dem Nachttisch zu hören. Die Scheiben der Balkontüre fingen an zu beschlagen. Täuber hatte die Hände zu Fäusten geballt und wippte von einem Fuß auf den anderen. Wie gebannt starrte er auf die beiden, die nichts von ihrem Zuschauer ahnten. Der Spanner hatte seine volle Konzentration auf das Schauspiel vor ihm gerichtet.

Schäfer zückte sein Smartphone und hielt die Kameralinse in Richtung Täuber, die Leiter wackelte. Das würde ein toller Schnappschuss werden, wenn sich der Typ umdrehte. Im Hintergrund das lüsterne Pärchen und dazu Täubers erschrockener Gesichtsausdruck.

Unbezahlbar!

»Pssst!«, machte Schäfer. »Hey Täubchen.«

Täuber drehte sich abrupt um.

Schäfer drückte auf den Auslöser, ein greller Blitz zuckte durch den Dezemberabend.

Geblendet hielt Täuber sich die Hände vor die Augen. »Was soll das?«, schrie er und taumelte rückwärts gegen die Glastür, die dummerweise nachgab. Täubers Augen weiteten sich, er stolperte mit den Füßen über die Schwelle, verlor das Gleichgewicht und donnerte mit dem Rücken auf den Hotelteppich. Staub und Milben wirbelten auf.

»Scheiße!«, fluchte Schäfer und wollte bereits die Leiter nach unten rutschen und die Flucht ergreifen, als sein Blick auf die Blondine fiel. Diese hatte die Fingernägel in den Rücken ihres Partners gekrallt, der vor Schmerz laut aufschrie.

»Frau Täuber?« Schäfer schwang die Beine über das Geländer und trat ins Zimmer.

Täuber schaukelte wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte.

»Herr Schäfer?«, blubberte Frau Täuber.

»Gertrud Täuber, ich fall vom Glauben ab!«

»Gertrud, wie konntest du nur?«, schluchzte Heinz Täuber vom Teppichboden. Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln.

Schäfer befürchtete, dass der Mann gleich anfangen würde zu flennen wie ein Kleinkind.

Gertruds Blicke flogen zwischen Schäfer und ihrem Mann hin und her. »Heinz? Du?« Dann verengten sich ihre Augen zu Schlitzen: »Herr Schäfer, haben Sie meinen Mann hierher gelockt?«

»Gertrud, ich dachte, dein Mann wäre auf Geschäftsreise«, sagte der Fremde in ihr.

»Franz, das dachte ich auch.«

Gertrud rollte sich unter ihrem Spielgefährten hervor. Mit einer Schnelligkeit, die ihr Schäfer niemals zugetraut hätte, stand sie auf, die Bettdecke wie eine Tunika um ihren Gazellenkörper geschlungen, und zeigte vorwurfsvoll mit dem Finger auf ihn. »Herr Schäfer!«

»Verdammt, Frau Täuber, ich habe Ihren Gatten nicht in dieses Hotel geführt. Ich bin ihm gefolgt. Auftragsgemäß gefolgt!« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Diese ganze Angelegenheit wurde ihm so langsam zu viel. »Jesus, ich konnte doch nicht ahnen, dass Sie diejenige sind, die hier eine Affäre hat.«

Frau Täuber wollte etwas sagen, machte ihren Mund aber hastig wieder zu. Sie holte scharf Luft und betrachtete mit weit aufgerissenen Augen Schäfers ketchupdurchtränkte Jacke.

»Oh, das. Das ist nichts«, wiegelte er ab. »Nur Ketchup von der Bratwurschtsemmel.«

»Die isst man doch mit Senf. Das ist Blut! Haben Sie meinen Mann geschlagen? Sie haben ihn eben durchs Fenster gestoßen. Sie Grobian!«

»Nein, nein«, wehrte er ab. »Die Balkontüre war offen.«

Gertrud Täuber ignorierte ihn. »Das geht zu weit, Sie sollten Heinz nur beschatten. Himmel, war das denn zu viel verlangt? Einfach nur beschatten, sonst nichts.«

Heinz Täuber rappelte sich auf und deutete auf Schäfer. »Gertrud, du lässt mich beschatten?« Er wischte sich Tränen aus den Augen, aus Trauer wurde Wut. »Du lässt mich beschatten?«, wiederholte er, diesmal eine Spur schärfer. »BESCHATTEN! Ich glaub’s ja nicht. Du denkst, ich … Dabei bist du diejenige, die … verdammte Schlampe!« Er trat einen Schritt auf sie zu, die Fäuste erhoben, die Knöchel knackten.

»Ich dachte, dein Mann wäre mit der Scheidung einverstanden«, mischte sich Franz ein.

»Scheidung?« Täubers Blick flackerte. »Was für eine Scheidung?«

Die Emotionen kochten über. Bei allen Beteiligten. Schäfer wurde klar, dass er in der Scheiße saß.

»Welche Scheidung wohl?«, spie Franz die Worte in einem Speichelsprühregen Täuber entgegen.

»Halt die Klappe!«, zischte Frau Täuber.

»Genau, halt dein Maul!«, bestätigte Heinz Täuber. »Du hast meine Frau gevögelt. Und zieh was über, das ist ja widerlich.«

»Hey, jetzt mal langsam«, murrte Franz und schlüpfte in blaue Boxershorts.

»Okay, ich geh dann mal«, warf Schäfer vorsichtig ein.

»Halt!«, kreischte Gertrud. »Sie sind doch an allem schuld.«

»Ich?«, fragte Schäfer fassungslos.

»Natürlich Sie! Wer sonst?«

»Wieso das jetzt?«

»Hätten Sie Ihren Job als Privatdetektiv gut gemacht, wären wir jetzt alle hier nicht in diesem Schlamassel.«

Die drei sahen Schäfer an.

Franz nickte eifrig.

Was sollte man dazu sagen? Schäfer wusste es einfach nicht. Mit dieser Entwicklung hatte er nicht gerechnet. Ebenso wenig wie mit Frau Täubers Tobsuchtsanfall. Sie riss die Tischlampe aus der Steckdose und schleuderte sie ihm an den Kopf. Dann sah sie sich mit wutverzerrtem Gesicht um, wischte mit der Hand die Kaffeetassen weg, die an der Wand zerschepperten, und griff den Unterteller.

Schäfer riss die Hand hoch. In der letzten Sekunde gelang es ihm noch, das Diskusgeschoss abzuwehren.