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Skurriles, Amüsantes, Wissenswertes Der etwas andere Blick hinter die Kulissen des Polizeialltags: von den gefährlichsten Einsätzen, den dümmsten Kriminellen, den kuriosesten Unfällen, den kreativsten Ausreden, den dreistesten Bestechungsversuchen, den rührendsten Momenten und vielen anderen Superlativen aus ihrem langen Berufsleben erzählen Toto & Harry, Deutschlands beliebteste Polizisten. Gleichzeitig geben sie Einblicke in die merkwürdige Welt der Polizei-Abkürzungen und antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen: Welche Ausrüstung tragen sie am Gürtel? Und sind Polizisten eigentlich immer im Dienst?
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Seitenzahl: 212
Veröffentlichungsjahr: 2011
Torsten Heim • Thomas Weinkauf • Frank Schneider
Toto & Harry. Was Sie schon immer über die Polizei wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten
Rowohlt Digitalbuch
Was Sie schon immer über die Polizei wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten. Die erste Frage wird wahrscheinlich sein: Wie kommen Toto und Harry auf diesen Buchtitel?
Eigentlich war das ganz einfach. Obwohl uns viele Menschen schon oft im Fernsehen gesehen und somit bei der Arbeit in unserem Revier begleitet haben, blieben doch manche Fragen offen.
Und auch Sie haben sich vielleicht bei besonders kuriosen Fällen gefragt: «Das gibt’s doch gar nicht. Ob Toto und Harry so etwas schon jemals erlebt haben?»
Genau das wollen wir in diesem Buch nun beantworten.
Wir sagen Ihnen, ob ein Polizist eigentlich immer im Dienst ist und eine Beamtenbeleidigung besonders teuer ist. Wir erklären Ihnen die unfassbare Vielfalt von nützlichen, aber auch kuriosen und unsinnigen Abkürzungen aus dem Polizei-Alltag. Denn eins muss man wissen: Polizisten werfen mit Abkürzungen nur so um sich. Manchmal hat man wirklich das Gefühl, wir Schutzleute könnten ohne diese Buchstaben-Kürzel nicht mehr leben.
In diesem Buch lesen Sie, welche Informationen der Polizist beim Notruf von Ihnen erwartet, um schnell und professionell helfen zu können. Das ist in Notsituationen entscheidend, um Menschenleben zu retten oder Straftäter schnell festzunehmen. Und wenn Sie demnächst bei einem Streifenwagen in den Kofferraum schauen, werden Sie genau wissen, was darin alles so herumliegt. Und Sie werden auch nicht mehr rätseln, was bei uns beiden alles so am Gürtel der Uniform hängt. Ja, dass Sie die Pistole erkennen, wussten wir auch. Aber da gibt es noch so manches mehr.
So manches mehr gibt es auch in diesem Buch: Wir werden Ihnen in kuriosen, spannenden und aufregenden, aber auch lustigen und traurigen Geschichten schildern, was für unglaubliche Fälle wir beiden in unserer Polizei-Karriere schon erlebt haben.
Da waren zum Beispiel der Pinguin im Stadtparkteich und die ängstliche Fledermaus, aber auch der fremde Mann im Bett und der Mann am Pranger. Wir nehmen Sie mit zum Schäferstündchen unter Polizeischutz, in den Kerker der Lust und ins brummende Schlafzimmer.
Schmunzeln Sie mit uns über den Einbrecher mit dem goldenen Brecheisen, den Amateur-Räuber und die Parkplatz-Piraten. Und wenn es bei der Puppen-Oma und Harry Potter nachdenklich wird, spiegelt auch das unseren Polizei-Alltag wider. Denn es ist nicht immer lustig, auch wenn wir uns das manchmal so wünschen würden. Spätestens beim Lesen der gefährlichsten Einsätze wir das jedem klar.
Doch bevor wir Ihnen nun ganz viel Spaß beim Lesen wünschen, noch ein wichtiger Hinweis: Die folgenden Fälle und Geschichten waren im Fernsehen so noch nie zu sehen. Sie werden überrascht sein, was uns beiden fernab der Kamera so alles passiert ist, von dem Sie vorher noch nie gehört haben.
Herzlichst, Toto & Harry
Wir standen nachts mutterseelenallein in unserem grün-weißen Bulli vor einer roten Ampel in der Bochumer City. Im Rückspiegel sah ich einen Radfahrer auf uns zukommen. Ganz langsam fuhr der Typ, ein junger Kneipenheimkehrer mit Basecap, an uns vorbei. Toto guckte aus dem Beifahrerfenster, und der Radler schaute in den Streifenwagen. Er nickte, lächelte freundlich und fuhr dann einfach stumpf weiter über die rote Ampel. Wir beide guckten uns völlig verdattert an.
Toto sagte leise: «Das hat der doch jetzt nicht gemacht, oder? Wie dreist muss man sein. Oder der ist stracke dicht.» Das wollten wir natürlich herausfinden und fuhren nun auch über Rot, um den Radfahrer zu stoppen und zu kontrollieren. Über Lautsprecher sprach Toto ihn an: «Halten Sie mal bitte an.» Der Radler stoppte auch sofort und lächelte uns schon wieder an. Toto und ich stiegen aus, und die erste Frage war: «Was glauben Sie wohl, warum wir mit unserem Streifenwagen vor der Ampel gewartet haben?» Er lächelte immer noch: «Wahrscheinlich, weil sie rot war.»
Toto nickte: «Genau. Und dann die nächste Frage: Warum fahren Sie einfach drüber und halten nicht an? Gerade als Radler ist das sehr gefährlich.» Immer noch lächelnd, als wäre das Grinsen festgefroren, antwortet der Nachtschwärmer: «Das kann ich Ihnen sagen: Ich wollte den Verkehr nicht aufhalten!»
Der Opel fiel uns auf, weil er immer wieder Schlangenlinien fuhr. Toto meinte nur: «Da will wohl einer unbedingt seinen Lappen abgeben. Muss das denn ausgerechnet bei so einem Regenschauer sein, da sind wir ja gleich nass bis auf die Unterhose.» Da hatte er recht: Es war Samstagabend, und es schüttete wie aus Kübeln. Aber es war nun mal ziemlich sicher: Dieser Opel-Fahrer hatte getrunken, und wir mussten ihn aus dem Verkehr ziehen.
Wir stoppten den Vectra mit unserer Anhaltekelle kurz hinter dem Bermuda-Dreieck, Bochums bekanntem Kneipenviertel. Toto ging mit der Kapuze seiner gelben Regenjacke auf dem Kopf ans Fenster auf der Fahrerseite. «Steigen Sie mal aus, wir haben den Verdacht, dass Sie nicht ganz nüchtern unterwegs sind.» Der Mann folgte bereitwillig in unseren Bulli, da war es wenigstens trocken. Ich fragte den 35-Jährigen: «Sind Sie mit einem Alkotest einverstanden?»
Er nickte und meinte: «Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Aber eins muss ich Ihnen gleich sagen: Es könnte sein, dass ich ein bisschen was im Blut habe.»
Toto zeigte sich interessiert: «Das glauben wir auch. Aber wie kommt das denn, dass Sie sich dann noch hinters Steuer setzen? Das müssten auch Sie wissen, dass man den Wagen stehenlässt, wenn man getrunken hat.»
Der Mann zuckte mit den Schultern: «Ich habe ja nicht getrunken, ich habe gegessen.» Ich staunte: «Gegessen? Alkohol? Wie soll das denn gehen?»
Der Mann grinste: «Das liegt an meiner Oma. Ich war gerade zu Besuch bei der. Und die liebt Mon Chéri. Und wenn ich da bin, muss ich mit ihr immer eine Packung essen, sonst ist die beleidigt. Und ich will ja nicht mein Erbe aufs Spiel setzen.»
Toto fragte: «Wie viele Mon Chéri haben Sie denn gegessen?»
«Bestimmt 15 Stück, ich darf erst aufhören, wenn sie alle sind.»
Wir haben nie geklärt, ob 15 Mon Chéri wirklich für 1,2 Promille verantwortlich sein konnten. Seinen Führerschein hat der Mann aber trotzdem verloren, auch wenn es eine sehr kreative Ausrede war. Den Richter hat das nicht interessiert.
Besonders dreiste Ausreden erleben wir am häufigsten bei Geschwindigkeitskontrollen. Die gerade erwischten Autofahrer haben natürlich immer Gründe parat, warum sie gerade jetzt zu schnell waren und so etwas sonst nie machen würden.
Besonders verrückt war die Ausrede eines Rasers, den wir an einem strahlenden Sommertag abends auf dem Sheffieldring erwischten. Dort ist nur 100 erlaubt, der Mann wurde aber mit 142 gemessen. Als wir ihn stoppten und ihm das stolze Ergebnis auf dem Display der Laserpistole zeigten, erwiderte er prompt: «Das kann ich Ihnen erklären. Eine Biene oder Wespe ist eben im Auto um mich herumgeschwirrt. Deshalb gab ich Gas bis Tempo 140. Ich dachte, so schnell kann sie bestimmt nicht fliegen. Dann bleibt sie hinten im Auto und lenkt mich nicht mehr ab. Ich wollte doch damit den Verkehr nur sicherer machen.»
Wir wollten dem Mann ja gerne glauben, aber im Auto war beim besten Willen kein Insekt zu sehen. Aber auch dafür hatte er sofort eine Erklärung: «Wahrscheinlich ist die rausgeflogen, als Sie mich gestoppt haben und ich die Scheibe runtergelassen habe. Da kann ich nun gar nichts dafür.»
Er bekam trotzdem eine Anzeige. Harry sagte ihm freundlich lächelnd: «Sie haben ja die Möglichkeit, sich zu dem Vergehen zu äußern. Vielleicht finden Sie einen Richter, der Ihnen diese, sagen wir mal, gewagte Version abnimmt.» Ob der Mann später vom Vorwurf freigesprochen wurde, haben wir leider nie erfahren.
Ähnlich ungewöhnlich war einmal die Ausrede einer jungen Blondine. Wir hatten sie an einer Ampel in ihrem BMW Cabrio entdeckt – nicht angeschnallt. Wir hielten sie an und konfrontierten sie mit dem Vorwurf. Sie lächelte uns verführerisch an und meinte dann mit rausgestreckten Brüsten: «Jungs, das hat seine Gründe. Ich habe den Gurt nicht angelegt, weil ich Stripperin bin, das ist mein Job. Und der Gurt drückt so stark gegen meine Brust-Piercings, dass es echt wehtut. Und hinterher sieht das auf der Bühne nicht schön aus.» Als sie dann begann, ihren Pullover hochzuziehen, meinte Harry: «Lassen Sie mal, nicht dass hier noch ein Auffahrunfall passiert, wenn Sie blankziehen. Selbst wenn Sie jetzt riesige Eisenklammern da dran haben, brauchen Sie ein ärztliches Attest zur Gurtbefreiung.»
Das hatte die Blondine natürlich nicht. Trotzdem ließ sie nicht locker: «Wenn ihr zwei Schutzmänner meine beiden grandiosen Markenzeichen mal sehen würdet, hätte ich sofort euer Verständnis, versprochen.» Obwohl wir bereits durch die Kleidung die Dimensionen erahnten, mussten wir dankend ablehnen und die Frau verwarnen. Sie nahm es mit Humor und meinte: «Wenn ihr irgendwann in meinem Strip-Laden auftaucht, dann hole ich mir die Kohle zurück und lass mich von euch auf ’ne Flasche Schampus einladen.»
Aus Altenbochum wurde ein Einbruch in ein Einfamilienhaus gemeldet. «Die Täter könnten noch am Tatort sein, fahrt ohne Martinshorn hin.» Wir rasten mit zwei Streifenwagen zu der gemeldeten Adresse und umstellten das Gebäude. Das ist immer aufregend, besonders weil man in der Dunkelheit Täter schlecht hinter Büschen erkennen kann und nie weiß, ob noch einer im Haus ist. Die betroffene Familie stand ängstlich auf der Straße und hatte den Schock noch in den Knochen: «Wir waren einkaufen, und als wir wiederkamen, sah die Wohnung aus wie nach einem Bombenangriff. Alles ist rausgerissen und durchwühlt.»
Doch diesmal gingen wir leider leer aus. Die Täter waren bereits weg. Eigentlich war ja nur der Diensthund enttäuscht, den wir bestellt hatten. Die Hunde freuen sich ganz besonders, wenn sie Erfolg bei der Suche haben. Deren Spiel- und Jagdtrieb lässt sie vor jedem Einsatz am ganzen Körper zittern. Aber der Hundeführer belohnte seinen treuen Vierbeiner nach dem Einsatz, sonst würde der Trieb des Hundes irgendwann nach vielen Misserfolgen nachlassen.
Nachdem klar war, dass keiner mehr im Haus ist, schauten wir uns den Tatort an. Die Täter waren anscheinend mittels Räuberleiter auf den Balkon geklettert. Dort fanden wir einen sauberen Schuhabdruck auf dem weißen Fensterbrett. Ich rief zu Harry: «Hier, da freuen sich gleich die Kripokollegen.» Man glaubt es vielleicht nicht, aber die Polizei hat auch eine Schuhabdruckdatenbank. Darin werden sichergestellte Abdrücke gespeichert, die dann miteinander verglichen werden können. Da dieser Schuh einen markanten, tiefen Riss in der Sohle hatte, wurde dieser später auch beim Täter sichergestellt und als Beweis anerkannt. Aber dazu gleich mehr.
In der Wohnung hatte man alle Schränke durchwühlt und den Familienschmuck geklaut. Die Frau weinte und schluchzte: «Nicht nur der Schaden, das sind doch alles Erinnerungen. Und ich finde es eklig, dass die sogar in meiner Unterwäsche gewühlt haben. Widerliche Typen, hoffentlich kriegen Sie die.»
Zu diesem Zeitpunkt wollte ich nicht zu viel versprechen, doch die Dummheit von einem der Täter würde uns wenige Augenblicke später weiterhelfen. Denn bei näherem Hinschauen, Harry bestellte gerade über Funk schon die Kollegen von der Kriminaldauerwache, sah ich etwas unter der Couch liegen. Ich zog mir Einweghandschuhe an und bückte mich. Und dann konnte ich mein Glück kaum fassen: Es handelte sich um einen Personalausweis.
«Gucken Sie mal, was ich hier habe.» Fast stolz lief ich mit dem Ausweis wedelnd durch die Wohnung zu den aufgelösten Hausbewohnern in die Küche. Dort saßen alle geschockt am Tisch, die Hausherrin machte gerade Kaffee. «Ich glaube, der Vogel hier gehört nicht zu Ihrer Familie, oder?» Dann deutete ich auf das Foto im Ausweis und fragte: «Kennen Sie den?» Alle schüttelten sofort den Kopf. «Dann ist das wohl einer der Einbrecher. Mann, das nenn ich mal einen prompten Fahndungserfolg.» Harry hatte so was auch noch nicht erlebt und meldete den Fund und die Personalien des mutmaßlichen Einbrechers der Leitstelle.
Zwei Streifenwagen fuhren sofort zu der Adresse und überraschten die drei Einbrecher beim Aufteilen der Beute. Der eine trug auch noch die Schuhe mit dem Riss in der Sohle. Als wir die Meldung per Funk bekamen, fiel mir die beklaute Frau um den Hals. Wieder weinend, aber diesmal mehr vor Erleichterung: «Jetzt kriege ich die Perlenkette meiner Mutter wieder zurück, Sie sind ein Schatz.»
Ich grinste verlegen: «Danke, aber eigentlich müssen Sie sich beim Einbrecher bedanken. Dafür, dass er sich so doof angestellt hat.» Da konnten alle Einbruchsopfer zum ersten Mal wieder lachen. Und wir lachten herzlich mit.
Wir fuhren nachts durch den Bochumer Westpark. Auf einmal sahen wir einen Typen, der einen Rollkoffer stehenließ und schnell wegging. Außerdem warf er einen offensichtlichen Joint ganz schnell weg. Ich sprang aus dem Wagen und rief: «Bleiben Sie mal stehen!» Der Typ tat so, als wüsste er überhaupt nicht, was wir von ihm wollten. Harry meinte sofort: «Was ist denn mit dem Koffer hier, gehört der Ihnen?» Der offensichtlich benebelte Mann meinte: «Nee, ist nicht meiner.» Harry schüttelte den Kopf: «Ist klar, und wo kommt der her? Und warum haben Sie ihn eben ganz schnell losgelassen, als wir kamen?»
Wir öffneten den Koffer und entdeckten umfangreiches Diebesgut aus Einbrüchen. Und das Beste: In dem Koffer lag ein goldenes Brecheisen. Der Mann knickte dann doch langsam ein und gab einen Einbruch zu. In dem Koffer entdeckten wir auch seinen Ausweis, da hätte Leugnen nichts gebracht. Der Typ hatte kurz vorher eine Wohnung in Wattenscheid aufgehebelt und ausgeräumt. Bei der Durchsuchung seiner Klamotten staunten wir erneut: Wir fanden drei Uhren, alle vom Tatort.
Auf der Wache wurde er immer gesprächiger, gab viele Einbrüche zu. Eigentlich war der Täter ein armer Kerl, drogenabhängig. «Ich brauch Kohle, dann geh ich auf Beutezug.» Das goldene Brecheisen war sein Talisman, bei uns hatte ihn das Glück aber im Stich gelassen. Weil er alles erzählte, keine Mätzchen machte, ließen wir ihn noch eine rauchen, bevor er in die Gewahrsamszelle kam. Denn von dort ging es am nächsten Tag für mehrere Jahre hinter Gitter, da er nur auf Bewährung draußen war.
Und da war noch der obdachlose Einbrecher, der nachts in die Räumlichkeiten einer Lokalzeitung eindrang. Obwohl dort alles von mehreren Videokameras überwacht wurde, ließ er sich nicht stören. Hinterher war es für die Kollegen der Kripo natürlich einfach, sein komplettes Tatverhalten war auf Video festgehalten. Der Täter brach zuerst ein Büro auf, machte mit geklauten Lebensmitteln Brotzeit am Schreibtisch des Redaktionsleiters und ließ sich dabei die ganze Zeit von der Überwachungskamera filmen. Das Schlimmste aber war, dass er nach dem ungewöhnlichen Nachtmahl auch noch sein Geschäft mitten im Büro auf dem Teppich verrichtete und seine Hinterlassenschaft dann auch noch mit Zeitungen bedeckte und sie anzündete. Zum Glück griffen die Flammen aber nicht auf Schränke und Schreibtische über.
Danach ging er vollgefressen und bereits wieder erleichtert in den Keller des Bürogebäudes. Immer noch gefilmt von der Videokamera. Man konnte später sekundengenau sehen, was der Einbrecher wann und wo gemacht hatte. Als wir von der Alarmanlage alarmiert eintrafen, umstellten wir das Gebäude. Dann gingen wir mit der eingetroffenen Verstärkung und gezogenen Waffen ins Haus. Kaum waren wir drinnen, hörten wir aus dem Keller schon eigenartige Geräusche. Und dann fanden wir ihn auf dem Boden: Er lag in einer Ecke, schlief tief und fest. Und die eigenartigen Geräusche waren sein lautes Schnarchen. Wir weckten ihn unsanft und verkündeten ihm, dass er nun festgenommen sei. Das störte ihn aber nicht besonders. Er meinte nur: «Dann schlaf ich halt bei euch in der Zelle weiter, ist sogar bequemer.»
Dieser Einsatz liegt noch gar nicht so lange zurück. Im vergangenen Sommer, wir hatten unsere Nachtschicht gerade begonnen, bekamen wir einen Einsatz, der unter dem Stichwort «Hilflose Person im Hotel» lief. Die Feuerwehr schickte sofort wie üblich einen Rettungswagen und den Notarzt. Eine Anruferin hatte um Hilfe gebeten, da ihr Partner reglos im Hotelzimmerbett lag und nicht mehr reagierte. Mit Blaulicht und Martinshorn rasten wir zum Einsatzort. Toto meinte: «Bestimmt ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Schöner Mist, und dann noch im fremden Bett.»
Das Hotel lag im Bochumer Stadtteil Riemke. Eigentlich wurde die Herberge in der Regel von Fernfahrern oder auch gerne als Stundenhotel für erotische oder weniger erotische Treffen genutzt, denn die Zimmer waren günstig, man muss eher sagen billig in jedem Sinne, und dazu war alles sehr anonym. Es gab keinen Portier, und man hatte die Möglichkeit, per Kreditkarte einzuchecken. Offenbar fiel Toto diese Stundenhotel-Variante auch gerade ein: «Nicht, dass da einer beim Sex abgenippelt ist, das wäre natürlich megapeinlich. Hoffentlich ist der nicht verheiratet, das möchte ich keiner Ehefrau erklären. Was sagste denn da? ‹Ihr Mann ist glücklich gestorben›?»
Zeitgleich mit den Einsatzkräften der Feuerwehr trafen wir am Hotel ein. Wir begrüßten uns mit einem Kopfnicken und gingen mit Notarzt und Rettungssanitätern in den dritten Stock. Nach den Informationen der Leitstelle sollte der Mann in Zimmer 302 liegen. Auf unser Klopfen öffnete eine Dame. Sie war geschätzt Mitte dreißig, hatte lange blonde Haare und war nur mit einem Bademantel bekleidet. Hektisch blickte sie uns an und stieß dann hervor: «Da sind Sie ja endlich, kommen Sie schnell rein! Er liegt dort auf dem Bett.» Wir ließen die Sanitäter und den Arzt vorgehen und kümmerten uns um die leichtbekleidete Dame.
Unter Tränen schilderte die geschockte Frau die Situation: «Es ist mir alles sehr, sehr unangenehm, ja peinlich. Ich kenne den Mann, der da auf dem Bett liegt, kaum. Wir haben uns vor ein paar Tagen im Internet kennengelernt und hier zu einem Treffen verabredet. Bitte, bitte, eines müssen Sie mir versprechen! Mein Mann darf davon nichts erfahren! Der schlägt mich tot.»
Toto erklärte der Dame, dass ihr Mann nichts erfahren würde, wenn es sich hier um einen Krankheitsfall handelt.
«Wenn hier aber Drogen im Spiel waren oder eine ungeklärte Ursache für die Bewusstlosigkeit, müssen wir ermitteln. Und dann sind Sie natürlich unsere erste Ansprechpartnerin.»
Währenddessen schaute ich rüber zum Bett. Der Notarzt bemühte sich um den Mann, der nackt und reglos auf dem Bett lag. Herzmassage, Spritzen und sogar Elektroschocks kamen zum Einsatz. Sie kämpften um das Leben des Mannes. Offensichtlich war es vor der Herzattacke, oder was es auch immer war, im Zimmer ordentlich zur Sache gegangen, denn auf dem Nachtschränkchen und neben dem Bett lagen zahlreiche Sexspielzeuge jeglicher Art. Der Akt als solcher schien für den Mann dann zu viel gewesen zu sein. Minuten später gaben die Rettungskräfte ihre Bemühungen auf, und mit einem Kopfschütteln sagte der Notarzt: «Es hat keinen Sinn mehr. Der Mann ist leider verstorben.»
Die Frau bekam einen hysterischen Weinkrampf, der Notarzt gab ihr eine Spritze. Nach ein paar Minuten hatte sie sich beruhigt. Wir benachrichtigten die Kriminalwache, denn der Arzt konnte sich der Todesursache nicht sicher sein, und in diesen Fällen wird die Kriminalpolizei aktiv, beschlagnahmt den Leichnam, und wir haben einen Tatort. So wie es Toto der Dame geschildert hatte. Wie sich herausstellte, war der Tote ebenfalls verheiratet, und die unangenehmste Aufgabe der Kollegen von der Kripo war es, der Ehefrau die Todesnachricht zu überbringen. Da der Mann extra aus Hessen angereist war, mussten wir die Witwe nicht informieren. Zum Glück, denn nicht umsonst hatte Toto schon auf der Fahrt zum Einsatz die Frage gestellt: «Was sagste denn da?»
Es war Herbst, im Scheinwerferlicht unseres Bullis sahen wir überall die gelben und braunen Blätter auf der nassen Straße. Wir hatten in dieser Nacht kaum Einsätze. Deshalb fuhren wir gerade in Altenbochum Streife, wo es in letzter Zeit öfter mal zu Einbrüchen gekommen war. Hinter einigen Fenstern flackerte das blauweiße Licht von Fernsehern. Viele Häuser lagen allerdings im Dunkeln, die meisten Menschen schienen schon zu schlafen. Als ich den Streifenwagen langsam in eine kleine Nebenstraße lenkte, konnte ich in einiger Entfernung eine Person erkennen, die sich langsam auf dem Gehweg bewegte.
Es handelte sich um einen Mann. Er blickte sich kurz um, und als er uns bemerkte, rannte er in den Vorgarten eines Einfamilienhauses und versteckte sich hinter einem dichten Gebüsch. Toto hatte den Typ ebenfalls bemerkt und sagte erstaunt: «Hast du den gesehen? Ich glaube, der war so gut wie nackt. Komm, den holen wir uns!»
Wir stoppten den Wagen und stiegen aus. Dann gingen wir leise zu dem Gebüsch, hinter dem sich der Mann versteckte. Wir schalteten unsere Taschenlampen ein, und ich sagte laut: «Hier ist die Polizei! Kommen Sie langsam raus!»
Sofort kam der Mann mit erhobenen Händen hinter dem Busch hervor. Verblüfft stellte ich fest, dass der Typ tatsächlich lediglich eine Unterhose trug und sonst nichts. Toto hatte recht gehabt.
Die Situation war ihm sichtlich peinlich, er hatte einen hochroten Kopf. Stotternd und eingeschüchtert schilderte er, was vorgefallen war. «Ich bin kein Exhibitionist. Ich hatte eigentlich einen heißen Abend bei meiner Freundin. Das Dumme ist, dass sie verheiratet ist.» Der Ehemann war im Außendienst tätig und auf Montage. Das jedenfalls dachten die beiden. «Doch wie wir gerade so richtig losgelegt hatten, stand ihr Ehemann plötzlich in der Tür des Schlafzimmers. Und ich muss Ihnen nicht erklären, wie der reagiert hat. Wütend wäre noch stark untertrieben. Und da ich den Abend überleben wollte, bin ich so abgehauen. Wenigstens meine Unterhose konnte ich auf dem Weg zum Fenster noch schnell vom Stuhl reißen.»
Um den eigenartigen Sachverhalt zu klären und um uns vom Wohlergehen der Frau und dem Zustand des gehörnten Ehemannes zu überzeugen, suchten wir die Wohnung des Ehepaares auf. Toto fragte über Funk bei der Leitstelle nach, ob es an der Adresse vielleicht schon einen Einsatz gab. «Keine Ruhestörung, keine häusliche Gewalt? Na, vielleicht kommt das noch.»
Doch an dem Haus war es ruhig. Nachdem wir geklingelt hatten, machte eine verheulte, aber zum Glück offensichtlich unversehrte Frau die Tür auf. Die Lage in der Wohnung war zwar zum Zerreißen angespannt, aber dennoch ohne Gewalt oder wilde Schreierei. Der Ehemann sprach von schnellstmöglicher Trennung, hegte aber keine Aggressionen gegen seine Frau. «Du wirst es noch bereuen, wenn ich erst mal weg bin, mal sehen, ob der Typ dich auch so verwöhnt und so viele Schichten macht, damit alle deine Wünsche erfüllt werden. Euch viel Spaß.»
Der gehörnte Ehemann war sogar bereit, dem Nebenbuhler die restlichen Kleidungsstücke auszuhändigen. Die Frau weinte die ganze Zeit und wusste nicht so richtig, von wem sie sich jetzt trösten lassen wollte. Nachdem sich der nackte Flitzer im Hausflur angezogen hatte, verabschiedeten wir uns und nahmen den Geliebten sicherheitshalber mit vor die Tür.
«Lassen Sie die beiden das erst mal klären, der Mann scheint ja ganz vernünftig. Morgen können Sie dann mit Ihrer Freundin klären, wie es weitergeht. Nicht, dass das hier doch noch eskaliert.»
Danach setzten wir uns in den Polizeibulli und fuhren zur Wache. Unsere Kollegen hatten bei einem Kaffee im Aufenthaltsraum sichtlich Spaß an der Geschichte. Und wir müssen zugeben, auch wir konnten uns ein Lachen beim Erzählen nicht verkneifen.
«Irma 11/35, fahrt mal zur Poststraße. Eine ältere Dame hat angerufen. In ihrem Bett liegt angeblich ein fremder Mann und schläft.» Diesen ungewöhnlichen Funkspruch bekamen wir vor einigen Jahren im Frühdienst.
Toto antwortete grinsend: «Ja, sind wir denn hier bei den Gebrüdern Grimm? Die sieben Zwerge, oder was? Hat die Anruferin auch gesagt, ob jemand von ihrem Tellerchen isst?» Lachend fuhren wir zur angegebenen Adresse, gespannt auf die Geschichte, die hinter diesem eigenartigen Einsatz stecken würde. Vielleicht war die alte Dame ja auch nur verwirrt, und da lag gar keiner. Auf unser Schellen öffnete uns die Rentnerin, die schon weit über siebzig war. Sie blickte uns erleichtert an: «Gut, dass Sie kommen, Herr Wachtmeister. Eigentlich ist es mir sehr unangenehm, Sie rufen zu müssen, aber da hat sich ein fremder Mann in mein Bett gelegt, und ich bekomme ihn nicht mehr wach.» Mit schelmischem Grinsen fügte sie hinzu. «Fremde Männer in meinem Bett, aus dem Alter bin ich nämlich so langsam raus.»
Auf die Frage, wie denn der Mann in ihre Wohnung gekommen sei, entgegnete sie: «Nun, ich habe auf einen Handwerker gewartet. Meine Spüle ist undicht, und der Klempner wollte heute kommen. Ich dachte, der Mann sei der bestellte Handwerker, und so habe ich ihn hereingelassen. Er ist dann allerdings sofort in mein Schlafzimmer gegangen, hat sich ausgezogen und in mein Bett gelegt. Dann ist er eingeschlafen, und ich bekomme ihn nicht mehr wach.»
Toto blickte mich ungläubig an. Dann folgten wir der Frau in ihr Schlafzimmer. Und dann sahen und hörten wir den ungewollten Gast. Im Bett lag ein junger Mann laut schnarchend.
Toto zeigte auf ihn: «Und den haben Sie noch nie gesehen?» Die Omi lächelte: «Nee, wirklich nicht, könnte ja mein Enkel sein.» Wir stießen den Mann heftig an, und ich sagte laut: «Polizei, werden Sie mal wach, Sie sind hier im falschen Bett!» Es dauerte zwei Minuten, bis der junge Mann das erste Mal blinzelnd seine Augen öffnete. Er war offensichtlich total betrunken. Das sah man und roch es jetzt auch, als er stammelte: «Was ist los, ich will nur schlafen.»