Tourism NOW: Kulinarischer Tourismus - Jens Rüdiger - E-Book

Tourism NOW: Kulinarischer Tourismus E-Book

Jens Rüdiger

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Beschreibung

Reisen und Kulinarik bedingen einander! Reisen spricht alle Sinne an. Kein Wunder, dass besonders kulinarische Genüsse das Reiseerlebnis prägen - oder sogar im Mittelpunkt stehen. Jens Rüdiger geht dem Phänomen auf den Grund: Er erklärt, was sich hinter dem kulinarischen Tourismus verbirgt. Er zeigt Strukturen gastronomischer Märkte und deren Geschäftsmodelle auf. Dabei geht er besonders auf das Destinationsmarketing ein. Sogenannte Produktthemenreisen und Touristische Routen lässt er nicht außer Acht und arbeitet Synergien zum Rad-, Wander- und Weintourismus heraus. Im Buch kommen mit Stefan Wemhoener (Tourist Service GmbH Deidesheim) und Hansjörg Mair (Schwarzwald Tourismus GmbH) auch zwei Praktiker zu Wort. Das Buch richtet sich an kreative Köpfe in Hotellerie, Gastronomie und Destinationsmanagement und damit an all die, die Kulinarik in ihrer Destination zu einem Wettbewerbsfaktor ausbauen wollen. Es ist zudem ein aufschlussreiches Buch für Studierende der Tourismuswissenschaft und Schüler:innen an Hotel- und Gastronomiefachschulen. Aus dem Inhalt: 1 Kulinarischer Tourismus - Relevanz von Essen auf Reisen 2 Kulinarik und kulinarische Strukturen in der Destination 3 Erlebnisse im kulinarischen Tourismus 4 Kulinarische Reisen 5 Vermarktung im kulinarischen Tourismus

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Jens Rüdiger

Tourism NOW: Kulinarischer Tourismus

Reisen zwischen Genuss, Erleben und Gastlichkeit

UVK Verlag · München

Prof. Dr. Jens Rüdiger ist Professor für Tourismusmanagement an der IU Internationale Hochschule in Mannheim. Nach der Ausbildung zum Koch und mehreren beruflichen Stationen in Deutschland und der Schweiz absolvierte er den Küchenmeisterlehrgang in Heidelberg und die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich (Dipl. Hôtelier-Restaurateur HF). Er studierte an der Hochschule Geisenheim Weinbau und Oenologie (B.Sc.) und an der Justus-Liebig-Universität Gießen Oenologie (M.Sc.).

 

Umschlagabbildung: © Eloi_Omella ∙ iStockphoto

 

Bild Autor Michael Mibs: © privat

 

DOI: https://doi.org/10.24053/9783739882062

 

© UVK Verlag 2023— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

ISBN 978-3-7398-3206-7 (Print)

ISBN 978-3-7398-0615-0 (ePub)

Inhalt

Vorwort1 Kulinarischer Tourismus – Relevanz von Essen auf Reisen1.1 Was ist kulinarischer Tourismus?1.2 Ausprägungen des kulinarischen Tourismus1.3 Kulinarischer Tourismus als Teil des Kulturtourismus1.4 Wer ist der kulinarische Tourist?FoodiesGeneration Y als kulinarische TouristenPräferenzunterschiede in Bezug auf das AlterDer bewusste kulinarische TouristJe kürzer die Reise, desto höher die RelevanzKulinarischer Tourismus aus der Sichtweise des Nachfragers1.5 Warum reist der kulinarische Tourist?① physikalische Motivatoren② kulturelle Motivatoren③ soziale Motivatoren④ Status- und Prestigemotivatoren1.6 Weintourismus als Teil des kulinarischen TourismusBesenwirtschaften, Straußwirtschaften und Rädlewirtschaft1.7 Kulinarik als Teil des Wandertourismus1.8 Kulinarik als Teil des Radtourismus2 Kulinarik und kulinarische Strukturen in der Destination2.1 Kooperationen im kulinarischen TourismusFormen des Cross-Marketings2.2 Blick in die PraxisInterview mit Stefan Wemhoener | Geschäftsführer der Tourist Service GmbH DeidesheimInterview mit Hansjörg Mair | Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH3 Erlebnisse im kulinarischen Tourismus3.1 ErlebnisinszenierungErlebnisinszenierung im Weintourismus3.2 ErlebnisgastronomieErlebnisgastronomie3.3 Kulinarische ErlebnisseKulinarische Erlebnisse in Wiener Kaffeehäusern4 Kulinarische Reisen4.1 Kulinarischer StädtetourismusWeihnachtsmärkte als Teil des kulinarischen Städtetourismus4.2 Kulinarische Produktthemenreisen4.3 Kulinarische Themenrouten5 Vermarktung im kulinarischen Tourismus5.1 Kulinarischer Tourismus als Vermarktungsinstrument in Destinationen5.2 Kulinarik zur Unterstützung der lokalen kulinarischen Angebotsstruktur5.3 Kulinarik als Beitrag zur Identitätsbildung einer Destination5.4 Kulinarik als Vermarktungsmöglichkeit im Agrartourismus5.5 Soziale Medien als Marketinginstrument im kulinarischen TourismusInstagrammabilityInstagrammability zur Unterstützung des kulinarischen TourismusLiteraturAbbildungs- und TabellennachweiseAbbildungsnachweiseAutorenfotos InterviewsTabellennachweiseStichwörter

Vorwort

„Essen ist ein Bedürfnis, genießen ist eine Kunst.“

François VI. Duc de La Rochefoucauld (1613–1680)

Essen und Trinken sind elementare Bestandteile einer jeden Reisen. Sind deshalb alle Reisenden kulinarische Touristen? Oder ist es möglich, kulinarischen Tourismus abzugrenzen? In einer zurückliegenden Wissenschaftskonferenz hatte ich hierzu eine interessante Diskussion rund um die Frage, ob es generell von Nöten sei, solche genauen Unterteilungen und Abgrenzungen vorzunehmen. Die Frage ist durchaus berechtigt, wenngleich ich diese eindeutig mit „ja“ beantworte. Nicht nur, dass die Nachfrage und dadurch auch das Angebot an kulinarischen Leistungen immer mehr in den Fokus von Reisenden rückt. Auch die Thematisierung von Kulinarik in der jeweiligen Destination steht für weit mehr, denn sie ist oftmals ein kulturelles Erbe, welches es zu bewahren gilt. Da ich zehn Jahre meines Lebens als Koch, Pa­tis­si­er und Küchenchef in verschiedensten Sternerestaurants und Hotel gearbeitet habe, als Winzer einen Teil der Kulinarik lebe und als Wissenschaftler die Generierung von Wissen meine Profession ist, kenne ich die Kulinarik und den Tourismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Meine Erfahrungen und Beobachtungen machen es für mich unabdingbar, mich tiefergehend mit dem kulinarischen Tourismus zu beschäftigen.

Das Thema Kulinarik beschäftigt immer mehr Menschen: Sie möchten wissen, wo und wie ihre Lebens- und Genussmittel produziert werden, das „selbst Kochen“ erfährt eine Renaissance. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Destinationen und Reiseveranstalter Kulinarik als Teil des Angebotsportfolios für sich erkannt haben. In Destinationen werden – national wie international – Angebote geschaffen, bestehende kulinarische Angebote angepasst, um sich so auf dem Markt neue Zielgruppen zu erschließen oder sich im touristischen Markt zu etablieren. Mit der Zunahme der Nachfrage und des Angebots geht auch eine vermehrte Zahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Sammelbeiträgen und Journalartikeln einher. Da bis dato Monografien im Bereich des kulinarischen Tourismus noch Seltenheitswert haben, ist dieses Buch entstanden, um Dozierenden, Studierenden und Praktikern einen ersten gesammelten Eindruck der Materie rund um den kulinarischen Tourismus zu vermitteln.

Als Grundlage für dieses Buch diente eine Vielzahl nationaler und internationaler wissenschaftlicher Untersuchungen und Publikationen. Ergänzt wurde diese Grundlage durch eigene Untersuchungen, die neue Aspekte des kulinarischen Tourismus beleuchtet und die gezielt für dieses Buch erhoben wurden. Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Ableitungen der Tourismuswissenschaft bilden dabei die Basis für diese Publikation. Im Mittelpunkt stehen Merkmale und Motive von kulinarischen Touristen, die Besonderheiten und Bedeutung von kulinarischem Tourismus und die Ausprägungen, die der kulinarische Tourismus mit sich bringt. Hierbei werden die Vermarktungsoptionen und die Erlebnisgenerierung betrachtet, sowie Querverbindungen zu anderen Teilmärkten des Tourismus wie Wein- oder Radtourismus hergestellt. Selbstverständlich mussten wie bei jeder Monografie Abstriche in den Themengebieten und im Umfang der Betrachtung getroffen werden, da das Forschungs- und Publikationspotenzial im Bereich des kulinarischen Tourismus erst am Anfang steht. Hier bieten sich noch unzählige Möglichkeiten und Facetten.

Bei der Recherche, den durchgeführten Umfragen und beim Schreiben bin ich auf vielfältige Weise unterstützt worden. Hierfür möchte ich mich bei allen Beteiligten herzlich bedanken. Darüber hinaus danke ich meinen beiden Interviewpartnern Hansjörg Mair, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH, und Stefan Wemhoener, Geschäftsführer von der Tourist Service GmbH Deidesheim, dass sie ihre langjährigen Erfahrungen als Destinationsmanager geteilt haben. Die Interviews sind auszugsweise in diesem Buch abgedruckt und die berichteten Hintergründe spiegeln sich auch in anderen Teilen des Buchs wider. Bedanken möchte ich mich auch bei Rainer Berger vom UVK Verlag, in dessen Händen sich jeder Autor nur gut betreut fühlen kann.

Mein besonderer Dank gilt meiner Frau Dr. Sigune Wieland für die Korrektur, die konstruktive Kommentierung des Manuskripts und ihre Unterstützung. Außerdem danke ich unseren Kindern Lina, Gian und Ella Rüdiger, die mir zeigen, wie wichtig es ist, Kulinarik als Teil unserer Kultur zu bewahren.

Mannheim, im Sommer 2023

Jens Rüdiger

Genderhinweis

Aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet der Autor auf die verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren und verwendet in der Regel das generische Maskulin. Damit folgt er der Empfehlung des „Rats für deutsche Rechtschreibung“ vom 26.03.2021.

1Kulinarischer Tourismus – Relevanz von Essen auf Reisen

Der Konsum regionaler und saisonaler Lebensmittel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Megatrend entwickelt (Semmer, 2012). Der Ernährungsreport 2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bestätigt: Der Aspekt von regionalen Lebensmitteln rückt bei Verbrauchern immer stärker in den Fokus der Kulinarik (BMEL, 2022). Produktion, Herkunft und Zubereitung von Lebens- und GenussmittelGenussmittel nimmt in der Wahrnehmung der Deutschen eine immer zentralere Rolle ein (Harms & Köchling, 2021). Verstärkt wurde die ohnehin deutliche Zunahme des Trends zum „selbst kochen“ außerdem durch die CoronapandemieCoronapandemie (Hemmi & Brombach, 2020) mit der sprunghaften Zunahme der Nachfrage nach Kochboxen in Deutschland (Gillner, 2021).

Wissen | Kochbox

 

Eine KochboxKochbox enthält eine vorportionierte Menge an Zutaten für eine definierte Anzahl an Gerichten. Enthalten sind in Kochboxen die zugehörigen Rezepte mit bebilderten Anweisungen, dadurch wird der Kunde Schritt für Schritt durch den Prozess des Kochens begleitet (Gillner, 2021).

Jedoch ist das Interesse an Kulinarik generell von zunehmender Bedeutung: Eine Erhebung des Statista Global Consumer Survey aus dem Jahr 2021 zu den Interessen der Österreicher in der Freizeit belegt, dass 49 Prozent der 12.308 Befragten Essen und Kulinarik als Freizeitinteresse sehen (Statista Global Consumer Survey, 2022). Es ist daher naheliegend, dass dieses Interesse nicht nur im alltäglichen Umfeld, sondern auch im Urlaub oder auf Reisen eine immer wichtigere Rolle spielt. So gaben im Jahr 2019 58 Prozent der 1.540 Befragten im Rahmen einer Studie durch die Utopia GmbH an, dass sie während ihrer letzten Urlaubsreise auf den Konsum von regionalen und Bio-Lebensmittel geachtet haben (Utopia GmbH, 2021). Dieser Trend zahlt ebenfalls auf die Annahme der steigenden Bedeutung von Kulinarik im Bereich Tourismus ein (Harms & Köchling, 2021). Das verbraucherseitige Interesse ist dabei altersunabhängig, wenngleich mit zunehmendem Alter steigend (Rüdiger, 2022a). Weitergehende Studien dazu finden sich bei Stone und Migacz (2016), die mit ihrer Untersuchung belegen, dass Freizeitreisende, die sich um die Thematik Kulinarik drehen, stetig ihr Gewicht steigern. Abgesehen von individuellen Interessenslagen prägen Essen und Trinken natürlich als wesentliche Bestandteile nicht nur den menschlichen Alltag (Wagner, 2015), sondern die Identität ganzer Regionen und Kulturen (Klein & Rein, 2014; Moira et al., 2015) und sind Möglichkeit zur Kommunikation und des Zusammenkommens (Hayn et al., 2005). Die Kulinarik einer Urlaubsdestination bietet Reisenden damit einen ansprechenden und integrativen Rahmen, Kultur im praktischen Erleben direkt kennenzulernen. Generell nimmt der Wunsch nach authentischer Küche in Verbindung mit der Reiseaktivität zu, da Reisende vermehrt nach Erlebnissen suchen, die die Neugier nach fremden Speisen oder Kulinarik stillen (Pauser, 2002). So sind Essenserlebnisse ein wichtiger Anreiz für oder gegen ein Reiseziel: Nach Stone und Migacz (2016) sind unvergessliche Essens- und Getränkeerlebnisse direkt mit einer höheren ReisezufriedenheitReisezufriedenheit und positivem Weiterempfehlen verbunden. Es zeigt sich damit, dass Essens- und Getränkeerlebnisse eine direkte Auswirkung auf die Entwicklung und Ausprägung des ImageImages einer touristischen DestinationDestinationen haben (Harrington & Ottenbacher, 2013).

Bisweilen richtet sich das Hauptaugenmerk im Bereich des kulinarischen Tourismus auf den WeintourismusWeintourismus. Aufgrund der praktischen Bedeutung und der vielseitigen Verbindung von Essen und Trinken zu unterschiedlichen touristischen Schwerpunktbereichen ist es jedoch wichtig, kulinarischen Tourismus in seiner vielseitigen Gänze mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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Kulinarischer Tourismus tangiert unterschiedliche Aspekte des Tourismus, der Wirtschaft, der Destinationsentwicklung und des sozialen Zusammenlebens

Auch wissenschaftlich zeigt sich zunehmendes Interesse im Bereich der Kulinarik: Everett (2016) stellte fest, dass LebensmitteltourismusLebensmitteltourismus oder kulinarischer Tourismus zu einem eigenständigen Sektor im Tourismus lanciert. Neben vermehrten nationalen und internationalen wissenschaftlichen Konferenzen zum Thema kulinarischer Tourismus, zeigen internationale populäre akademische Bücher wie

Food Tourism around the World (Hall et al., 2003),

Foodies & Food Tourism (Getz et al., 2014) und

The Future of Food Tourism (Yeoman et al., 2015)

das große akademische Interesse.

1.1Was ist kulinarischer Tourismus?

Für die Verbindung von Reisen und Kulinarik finden sich in der wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedliche Namen: VerkostungstourismusVerkostungstourismus, GourmettourismusGourmettourismus, Food-TourismusFood-Tourismus, LebensmitteltourismusLebensmitteltourismus, GastronomietourismusGastronomietourismus und kulinarischer Tourismus sind nur einige Beispiele (Ellis et al., 2018; Getz et al., 2014; Wolf, 2014). Dennoch zeigen die Begriffe in ihrer Unterschiedlichkeit eine Evidenz in Bezug auf das Kernthema Kulinarik: Wenngleich Begriffe wie GourmettourismusGourmettourismus, GastronomietourismusGastronomietourismus oder Verkostungstourismus auch bestimmte Segmente innerhalb der Kulinarik anvisieren, können sie doch unter dem Überbegriff des Kulinarischen Tourismus subsumiert werden.

Die Kulinarik einer DestinationDestination kann einen wesentlichen Bestandteil in der Motivation bei einer Reise und Urlaubsplanung darstellen (Hall & Sharples, 2003). Auch wenn nicht alle Urlauber die Kulinarik gleich hoch einstufen, ist sie immer mit einer Erwartungshaltung von Touristen in Bezug auf ihren Urlaub verknüpft. Kulinarik nimmt damit in der Bewertung von Urlaubserlebnissen eine elementare Rolle ein, um positiv in der Gegenwart empfunden zu werden, in Erinnerung zu bleiben und schlussendlich zu einer Weiterempfehlung der DestinationDestination zu führen (Stone et al., 2019). So ist es nicht verwunderlich, dass die Bedeutung von Genuss bei unterschiedlichen Befragungen in Bezug auf die Urlaubsmotivation als prioritär eingestuft wird. Konsum in Form von „Essen und Trinken“ als basaler Bestandteil einer Reise hat sich weitestgehend zu einem elementaren Bestandteil der touristischen Erlebniskultur gewandelt (Getz et al., 2014). Das spiegelt sich auch in den Reiseausgaben wider:

So werden 30 Prozent aller Urlaubsausgaben für Essen und Getränke aufgewendet (UNWTO, 2012).

Für Anbieter verkörpert Kulinarik und das damit verbundene ImageImage einen wichtigen Pull-FaktorPull-Faktor, um Touristen für eine Destination zu begeistern (Berg & Sevon, 2014). Kulinarik steht damit auch durch das Genuss- und kulinarische Versprechen sowie Anpreisungen für ein Vermarktungsinstrument, das in verschiedensten touristischen Angebotsformen eingesetzt wird. Beispiel dafür ist der KreuzfahrttourismusKreuzfahrttourismus, bei dem auch zunehmend die Kulinarik an Bord zum Verkaufsargument lanciert (Schulz, 2020). Auch hier ist Kulinarik ein wichtiger Bestandteil des Urlaubserlebnisses. Die unterschiedlichen Perspektiven von Kulinarik, mit denen Urlauber und Reisende in Berührung kommen und die als Pull-StrategiePull-Strategie der Anbieterseite dienen, zeigt folgender Überblick (Feineis & Peters, 2015):

der Konsum von Getränken und zubereiteten Speisen

Teilhabe bei der Produktion von Rohstoffen

die eigene Verarbeitung von Produkten

die Nahrungsmittelbewertung, der Einkauf von Grundprodukten

die Bewertung im Rahmen einer Verkostung

die Teilhabe bei kulturellen Veranstaltungen in Verbindung mit Speisen und Getränken

1.2Ausprägungen des kulinarischen Tourismus

Kulinarischer Tourismus, Gastronomie oder gastronomischer Tourismus, Verkostungstourismus, Gourmettourismus, Cuisine-TourismusCuisine-Tourismus, Essen&Wein-Tourismus, WeintourismusWeintourismus, BiertourismusBiertourismus und einige mehr – bei zunehmendem akademischen Interesse an der Thematik des Kulinarischen Tourismus führen unterschiedliche Begrifflichkeiten, die in Bezug auf den kulinarischen Tourismus verwendet werden, zu begrifflichen Überschneidungen und TerminologieTerminologie-Verwirrungen (Williams et al., 2014). Da die Kulinarik einer Destination auch immer die KulturKultur des Reisziels widerspiegelt, wird der kulinarische Tourismus unter den Bereich des KulturtourismusKulturtourismus subsumiert, bei dem das Erlebnis der Kulinarik im Fokus steht (Peters, 2020). Kulinarik und deren Erleben stellt dabei immer einen Bestandteil der KulturKultur der besuchten Destination dar und steht damit in Bezug auf die Reisemotivation an der Spitze. Da Kulinarik jedoch durch die notwendige Nahrungsaufnahme natürlicher Bestandteil jeder beliebigen Reise ist, muss die reine VerpflegungstätigkeitVerpflegungstätigkeit vom kulinarischen Tourismus abgegrenzt werden. Nach Wolf (2006) beschreibt kulinarischer Tourismus eine Kombination aus Reisen, Erkundungen und Genießen von lokaler Kulinarik und unterscheidet sich damit grundlegend von der eigentlichen Verpflegungstätigkeit.

Allgemein wurden Getränke und Lebensmittel als Teil des touristischen Produktes lange Zeit vernachlässigt ebenso wie die damit verbundene kulturelle Identifikation. Erstmals wurden kulinarische Reisen in den 2000er-Jahren angeboten und damit einhergehend auch die Tradition des kulinarischen Kulturerbeskulinarisches Kulturerbe gestärkt.

Dies zeigt sich in der vermehrten Gestaltung von Landkarten und Informationsmaterial zur Esskultur einer DestinationDestination (Long, 2012). Die kulinarische und gastronomische Tradition ist damit untrennbarer Bestandteil eines Landes oder einer Region, da diese auch immer die Lebensweise und Glaubenssysteme einer Gemeinschaft widerspiegeln. Essen und Trinken prägen so auf ganz natürliche Weise die Identität von Regionen und Kulturen (Klein & Rein, 2014; Moira et al., 2015). In der englischsprachigen Literatur haben sich für die Bezeichnung

Culinary TourismCulinary Tourism (kulinarischer Tourismuskulinarischer Tourismus) (Getz et al., 2014) oder

Food TourismFood Tourism (LebensmitteltourismusLebensmitteltourismus) (Wolf, 2014)

durchgesetzt. Kivela und Crotts (2006) merken an, dass die Definition für Food Tourism auch immer auf Getränke anzuwenden ist – eine einheitliche Definition für diese Form des Tourismus existiert aber nicht. Im Gegensatz zu Food Tourism bezieht sich der Begriff des Culinary TourismCulinary Tourism nicht nur auf die Lebensmittel allein, sondern beinhaltet auch die Zubereitungsmethoden, die Konsumation und den sozialen Kontext (Ignatov & Smith, 2006). Allerdings stößt die definitorische Eingrenzung des Begriffes des Kulinarischen Tourismus immer wieder an ihre Grenzen. Da bei einer Reise immer von einem Motivbündel ausgegangen werden muss, ist die Hauptmotivation einer Reise nicht immer klar abzugrenzen. Auch Hall und Sharples (2003) kämpfen mit dieser Abgrenzungsproblematik: Sie sprechen von Gourmet TourismGourmet Tourism, Gastronomic TourismGastronomic Tourism und Cuisine TourismCuisine Tourism wenn Essen und Trinken das primäre Reisemotiv darstellt. Aber auch sie sehen das Reisemotiv gepaart mit anderen Motiven gleicher Intensität. So ist bei einem Wanderurlaub in den Bergen, bei dem jeden Abend ein Sternerestaurant besucht wird, nicht klar abzugrenzen, ob die Hauptmotivation dem Wandern oder der Kulinarik gilt. Weiterhin ergibt sich die Schwierigkeit der Trennung zwischen speisegeprägtem und getränkegeprägtem Tourismus – Beispiele sind der Weintourismus und der Besuch eines Produktionsbetriebes wie einer Käserei.

Die unterschiedlichen Ausprägungen kategorisiert Wagner (2015) in vier unterschiedliche Typologien des kulinarischen Tourismus:

gastronomischer KulturtourismusKulturtourismus

u.a. Schlemmertourismus, Erlebnis-Kulturtourismus, Weintourismus

 

Besuch von Kulturerbestätten

bei denen kulinarische Traditionen der regionalen Geschichte durch Verkostungen, Vorführungen und Workshops nahegebracht werden

 

nachhaltiger kulinarischer Tourismus

bei dem eine Förderung von Angeboten im Bereich der regionalen Küche, lokalen Produkte und Vernetzung von regionalen Anbietern von kulinarischen Produkten erfolgt

 

Agrar- oder ländlichen Tourismus

wie HofbesucheHofbesuche und Teilnahme an landwirtschaftlichen Produktionsschritten (z. B. Erntearbeiten), Besuche bei Produktionsbetrieben wie Käsereien, Molkereien und Fischzuchtbetrieben oder der Besuch von Nahrungsmittel produzierenden Betrieben bei denen Kostproben zu Obst, Gemüse oder Fleisch ausgegeben werden

Wissen | Kulinarischer Tourismus

 

Die Vorrausetzung für kulinarischen Tourismuskulinarischer Tourismus ist eine temporäre räumliche Veränderung des Aufenthaltsortes mit dem Ziel, zu Orten außerhalb der gewohnten Umgebung zu reisen. Zum kulinarischen Tourismus gehören mehrtägige Reisen ebenso wie TagesausflügeTagesausflüge. Weitergehend kann man zwischen kulinarischem Tourismus im engeren Sinne (eigenständige Reiseart mit dem Hauptmotiv Kulinarik) und kulinarischer Tourismus im weiteren Sinne (Kulinarik innerhalb eines Motivbündels) unterscheiden.

 

Kulinarischer Tourismus ist die bewusste Entscheidung, eine DestinationDestination aufzusuchen aufgrund der vor Ort bestehenden Kulinarik. Im Rahmen des kulinarischen Tourismus möchte der Reisende die ortstypische Ess- und Trinkkultur kennenlernen. Es kann hinsichtlich der Gestaltung von kulinarischen Angeboten festgehalten werden, dass beide in der Literatur erwähnten Gruppen – der primäre ebenso wie der sekundäre kulinarische Tourist – wichtig für die Kulinarik in der Destination sind. Beide Gruppen werden als potenzieller Nutzer von kulinarischen Angeboten betrachtet, bei denen es gilt, die Erwartungshaltung zu erfüllen, um dadurch die Angebotsattraktivität einer Destination zu steigern.

1.3Kulinarischer Tourismus als Teil des Kulturtourismus

KulturtourismusKulturtourismus zu definieren, zeugt von einer ähnlichen Herausforderung, wie den Versuch zu unternehmen, Kultur zu definieren. Im Bereich des Kulturbegriffs finden sich – je nach wissenschaftlichem Forschungsgebiet – umfangreiche weite und enge Definitionen (Maletzke, 1996). Identisch verhält es sich beim Begriff des Kulturtourismus: Auch hier existiert keine allgemeinverbindliche Definition (Antz, 2020). Generell kann jedoch festgehalten werden, dass sich Kulturtourismus auf das (immaterielle oder materielle) kulturelle Erbe einer Destination bezieht und für Reisende oder Tagesausflügler nutz- und konsumierbar gemacht wird (Hausmann, 2019). Hausmann (2019) definiert Kulturtourismus daher wie folgt:

„Kulturtourismus umfasst Tages- und Übernachtungstourismus, bei dem das Haupt- oder ein Nebenmotiv der auswärtigen Gäste darin besteht, das kulturelle Erbe bzw. Angebot einer Destination zu nutzen.“

Dabei können aus Sicht der Anbieter drei Arten von Kulturtouristen unterschieden werden (Antz, 2020):

Kulturtouristen im engeren Sinne (Kultur als Hauptreiseanlass)

Kulturtouristen bei Gelegenheit (Kultur als Reisebaustein)

Kulturtouristen der Spontaneität (Kultur als Nebensache)

Die Kulinarik spiegelt dabei als Teil des Kulturtourismus das kulturelle und historische Erbe einer Region wider (Jiménez Beltrán et al., 2016):

Kulinarische Produkte sind damit untrennbar mit dem Ort verbunden, an dem sie produziert werden und können als Ausdruck lokaler Konsumgewohnheiten, Anbau- oder Herstellungspraktiken gesehen werden und sind dadurch mit der Destination und seiner Geschichte verbunden (Cianflone et al., 2013).

Es sind die Verhaltensweisen, das Wissen und die Bräuche, die in Verbindung miteinander die Identität einer Destination schaffen. Kulinarik repräsentiert dabei die Sprache, den Ursprung und die Entwicklung des Ortes, an dem Lebensmittel als Symbol für die Kultur eines Ortes fungieren und Touristen den Zugang durch Probieren, Erleben und Kaufen zu diesem kulturellen Erbe von Reisezielen ermöglichen (Ellis et al., 2018). Dieses Ideal in der Pflege der kulinarischen Identität findet sich in der Slow-FoodSlow Food-Vereinigung (🔗 www.slowfood.de). Ziel dieser Bewegung ist die Wahrung des önologischen und landwirtschaftlichen Erbes einer Region und das Wissen sowie Kenntnisse über regionale Produkte zu verbreiten (Endres, 2012). Zu den bekanntesten Projekten der internationalen Slow Food Stiftung gehört das Projekt der Arche des Geschmacks. Hierbei werden regional wertvolle Lebensmittel, Nutztierarten, Kulturpflanzensorten und traditionelle Zubereitungsarten von Lebensmitteln katalogisiert und bekannt gemacht. Die Mehrzahl der sogenannten Archepassagiere sind vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen und Nutzpflanzensorten. Weitere Passagiere sind handwerklich produzierte Lebensmittel wie Wurst- und Käsespezialitäten – beispielsweise der Ostheimer Leberkäs, Würchwitzer Milbenkäse, das Filder-Spitzkraut oder die Nordhessische Ahle Wurscht. Weltweit beherbergt die Arche derzeit etwa 4.900 Passagiere, 85 Passagiere finden sich derzeit in Deutschland (slowfood.de).

Um in die Arche des GeschmacksArche des Geschmacks aufgenommen zu werden, müssen Passagiere folgende Kriterien erfüllen (slowfood.de):

Die Produkte müssen an ein bestimmtes Gebiet, an lokale Traditionen und an das Gedächtnis und die Identität einer Gruppe gebunden sein.

Die Produkte müssen in begrenzten Mengen erzeugt werden.

Die Produkte müssen in ihrer Existenz bedroht sein.

1.4Wer ist der kulinarische Tourist?

Essen und Trinken als Teil der physiologischen Bedürfnisse stellen nicht nur im Alltag, sondern auch im Rahmen einer Reisetätigkeit einen elementaren Bestandteil dar, um die menschlichen Grundbedürfnisse zu decken. Dies spiegelt sich auch in den Reiseausgaben wider:

So werden 30 Prozent aller Urlaubsausgaben für Essen und Getränke aufgewendet (UNWTO, 2012). Dabei muss generell unterschieden werden zwischen dem eigentlichen Konsum von Getränken und zubereiteten Speisen und der darüberhinausgehenden Partizipation an der Kulinarik einer bereisten Destination. Je nach ReisemotivationMotiveReisemotivation und Reiseart ist die Intensität der kulinarischen Thematisierung von Reisenden unterschiedlich hoch einzustufen.

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Stellenwert von Kulinarik in der Reiseentscheidung

Da Reisen in aller Regel aus einem MotivbündelMotivbündel bestehen, müssen beim kulinarischen Tourismus folgende Differenzierungen getroffen werden:

Reisende, die eine Reise aus kulinarischen Gründen antreten

Reisende, die ihre Reiseentscheidungen von anderen Faktoren abhängig machen, die Kulinarik jedoch als wichtigen Bestandteil wahrnehmen (Hall & Sharples, 2003)

Reisende, die die Kulinarik als reine Befriedigung der Grundbedürfnisse ansehen

FoodiesFoodies