Trans. Frau. Sein. - Felicia Ewert - E-Book

Trans. Frau. Sein. E-Book

Felicia Ewert

0,0

Beschreibung

Das Buch beschreibt bestehende Diskriminierungsmechanismen, die sich gegen transgeschlechtliche Menschen richten. Die Kritik der Autorin bietet auf gesellschaftlicher Ebene Einblicke in rechtliche Aspekte des „Transsexuellengesetzes“, in medizinischpsychologische Bereiche wie z. B. die Gutachtenpraktiken und auch in ausschließende Mechanismen cisnormativer Feminismen. Trans. Frau. Sein. ist eine Kombination wissenschaftlicher Arbeit, überspitzter satirischer Darstellung, Dekonstruktion von Cissexismus und autobiographischer Elemente aus dem persönlichen (Er)-Leben der Autorin.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 194

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Felicia Ewert

TRANS. FRAU. SEIN.

Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung

3. Auflage

Felicia Ewert

TRANS. FRAU. SEIN.

Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung

3. Auflage 2021

© 2021 by edition assemblage

Postfach 27 46

D- 48041 Münster

[email protected] | www.edition-assemblage.de

Mitglied der Kooperation book:fair

Die edition assemblage unterstützt die Förderung einer freien, unabhängigen Verlagslandschaft in der Kurt-Wolff-Stiftung KWS

Eigentumsvorbehalt:

Dieses Buch bleibt Eigentum des Verlages, bis es der gefangenen Person direkt ausgehändigt wurde. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushändigung im Sinne dieses Vorbehalts. Bei Nichtaushändigung ist es unter Mitteilung des Grundes zurückzusenden.

Umschlag: Alma Lauer, H. C. Rosenblatt

Digitalsatz: Zeilenwert GmbH | zeilenwert.de

Digitalvertrieb: Libreka GmbH | info.libreka.de

ISBN ePub: 978-3-96042-805-3

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Begriffliche Definitionen

Grundlegende Definitionen

Warum ich „Feindlichkeit“ und nicht „Phobie“ schreibe?

Was bitte sind Cissexismus, Transfeindlichkeit und Transmisogynie?

„Gatekeeping / Gatekeeper*innen“

Der Privilegienbegriff

AFAB

AMAB

Non Binary / enby

Cistem

Cisfeminismus

Dyadismus / dyadisch

Wozu überhaupt cis / cisgeschlechtlich / Cisgender?

Was ist Geschlecht?

Geschlechtliche Sozialisation

Was ist geschlechtlicher Biologismus?

Drei Perspektiven auf das trans Sein

Medizinisch-psychologisch-rechtliche Perspektive

Universitäre Gender Studies als Perspektive

Trans aktivistische Perspektive

Harry Potter und die „Geschlechtsumwandlung“

Dysphorie und Euphorie – Leid und Freude im trans Ich

Kategorien der geschlechtlichen Dysphorie

Geschlechtliche Euphorie? Ist das überhaupt erlaubt?

Die „Sex / Gender“ Problematik

Nicht auf deren Terrain ziehen lassen

„Trans Personen können nicht transfeindlich sein.“ – Mediale Darstellung von trans Personen

„Beischlafpflicht mit trans Personen“

Sexuelles und romantisches Begehren

„Persönliche Erlebnisse online / offline“

Öffentliche Toilette

Zwangsouting im Seminar

An der Bushaltestelle

Wie alles begann – Eine Twittergeschichte. Mit transfeindlichem Feminismus.

„Du eignest dir Frau Sein an!“

Das Problem mit dem *

Zum geschlechtlichen Selbstverständnis im Patriarchat

„Alle Frauen sind gemeint.“

„Für dich!“

Was bitte ist TERF?

Konzentration auf Einzelpersonen ist gefährlich

Die drei Kategorien des Ausschlusses

Vorsätzlicher Ausschluss

„Wohlwollender“ Ausschluss

Unbeabsichtigter Ausschluss / Ausschluss durch Reproduktion

Das Problem mit der „Geschlechtsidentität“

„Biologismus gegen die Pathologisierung“

„Circle of Shit“

„Das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen, Transsexuellengesetz“ (TSG)

Voraussetzungen

Gerichtliches Verfahren

Unwirksamkeit

Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit

Eltern-Kind-Verhältnis

TSG Nachwirkungen und der 3. Geschlechtseintrag

Die Postironie des Ganzen?

Hier, ein Spiegel. Schau mal rein!

Kein Abschluss

Literatur

Endnoten

Weitere Bücher

Die Autorin:

Felicia Ewert ist 33 Jahre alt und lebt in Marburg. Sie ist mit einer wundervollen Frau verheiratet und studiert Politikwissenschaft im Master, Schwerpunkt Geschlechterforschung. Sie ist eine Frau, transgeschlechtlich und ziemlich lesbisch. Während ihres Bachelorstudiums entwickelte sie das Interesse an einer grundlegende Auseinandersetzung mit Fragen zu der Konstruktion von Geschlecht und wie es als Ordnungskategorie und hierarchisches Machtinstrument in Erscheinung tritt. Neben ihrem Studium hält Felicia Vorträge zu Cissexismus, Transfeindlichkeit und Transmisogynie.

Twitter: @redhidinghood_

Instagram: @feliciaewert

Vorwort

An meine trans Geschwister,

ich möchte euch hiermit wissen lassen, dass jede*r Einzelne von euch ganz und gar echt ist. Völlig unerheblich, ob ihr euch (noch) nicht sicher fühlt, wer ihr wirklich seid oder sein wollt. Ihr habt einen Weg beschritten, euch mit eurer eigenen geschlechtlichen Zuweisung auseinanderzusetzen, und seid deshalb zur Gewissheit gekommen, dass diese auf euch nicht oder vielleicht nicht vollständig zutrifft. Vielleicht wisst ihr dies gerade erst seit kurzem, vielleicht bereits seit Jahrzehnten. Es ist völlig unerheblich für eure Echtheit. Leider werdet ihr unweigerlich auf viele Hindernisse treffen und ich hoffe für euch, dass ihr ein ebenso unterstützendes Umfeld haben werdet wie ich. Für alles weitere hoffe ich, euch mit diesem Buch eine kleine Unterstützung mitgeben zu können. Sei es bei gerichtlichen Verfahren, sei es im Alltag oder im Umgang mit euch selbst.

Als ich anfing mir Gedanken über den Aufbau dieses Buchs zu machen, war ich zunächst sehr ratlos, wohin es eigentlich gehen soll. Eine reine Autobiographie? Das wäre dann ein insgesamt doch sehr kurzer Ausflug geworden. Ein reines Unterhaltungsbuch? Schon besser, doch die Thematik und die bestehenden Verhältnisse sind zu ernst, als dass ich ein vollkommen humoristisches Werk fabrizieren würde. Ein reines Fachbuch, das sich so differenziert mit der Thematik auseinandersetzt, wie es allgemein als „wissenschaftlich“ verstanden wird? Das wäre grundsätzlich toll, gerade deshalb, weil trans Personen abgesprochen wird, überhaupt Wissenschaft betreiben zu können. Klare Sache, woher sollten sie auch die notwendigen Kompetenzen, die Vernunft, die Sachlichkeit, die Differenzierung und die Distanz zur Thematik haben? Diese Fragen werden cis Biolog*innen, cis Mediziner*innen, cis Psycholog*innen wohl seltener gestellt, wenn sie über Geschlechter und deren angebliche biologische Eindeutigkeit referieren. Doch da ich auch kein rein verhochschultes Buch schreiben wollte, entschied ich mich, eine Kombination aus allen drei Kategorien zu wagen – und ihr sollt daran teilhaben.

Zu meiner Person: Ich bin 33 Jahre alt und bin eine Frau, die trans ist. Wenn ihr bei Twitter seid, könnt ihr liebend gerne @redhidinghood_ folgen. Ich bin weiß und nicht intergeschlechtlich. Ich bin mit einer wundervollen Frau verheiratet. Ich habe eine abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen und einen Bachelor of Arts in Politikwissenschaft. Während meines Studiums wurde mein Interesse angeregt, mich mit Geschlechterfragen, Machtverhältnissen und letztendlich mit der grundsätzlichen Konstruktion von Geschlecht zu befassen. Hierin erkannte ich die massiven Diskriminierungen, die gesellschaftlich, medizinisch-psychologisch, rechtlich und staatlich gegen trans Menschen wirken. Auch wenn in der Politikwissenschaft in Marburg die Gender Studies glücklicherweise ein fester thematischer Schwerpunkt sind, bemerkte ich rasch den Mangel an trans und queerer Repräsentation. Der Fokus liegt allzu oft auf weißen, deutschen, cis Frauen in Beziehungen mit Männern. Dies bewegte mich dazu, meine Abschlussarbeit zur Diskriminierung und Marginalisierung von trans Personen zu schreiben. Es sollte ein Anstoß sein, die doch recht passivierte und ironischerweise auch dort marginalisierte bis nicht existente Rolle von trans Menschen aufzuzeigen und zu kritisieren.

Transgeschlechtlichen Menschen wird leider auch hier vorwiegend eine passive Rolle als Forschungsobjekt eingeräumt und damit eine Selbstbestimmung verunmöglicht. Die Arbeit sollte somit auch zeigen, dass trans Personen nicht ausschließlich für Umfragen oder Zeitungsartikel interviewt werden, sondern eine aktive und forschende Rolle einnehmen können und sollen. Leider zeigt sich, dass trans Personen hierbei nur allzu oft auf die Gunst und das Wohlwollen von cis Personen angewiesen sind, um Raum und Plattformen zu erhalten, und dies noch einmal deutlich verschärfter, wenn es um queerfeministische Ansätze geht. Diese formulieren umfassende Ansprüche, die die bestehenden geschlechtlichen Überzeugungen vieler Menschen und Institutionen aufzeigen und kritisieren. Dies kollidiert oftmals mit der Erwartungshaltung, die an trans Personen gerichtet wird, möglichst zurückhaltend, ruhig und vor allem dankbar zu sein. Doch ebenso in feministischen Kontexten entfaltet der Wunsch von trans Personen, in ihrer Existenz anerkannt zu werden und Kritik an biologistischen Praktiken zu üben, oftmals großes Konfliktpotenzial. Personen, die gerade noch zu Recht energisch patriarchale, sexistische Zustände bekämpften, lassen davon mitunter ab, da sie queere trans Personen als neue „Gegner*innen“ ausmachen. Ebenso trans Personen, die sich nicht damit begnügen, eingleisig Sexismus zu bekämpfen, sondern ebenso weitere Diskriminierungsmechanismen erkennen und benennen, die eben auch in Feminismen reproduziert werden. Sie gelten zumeist als ein Störfaktor und werden als eine „umfassende Macht“ eingestuft. Eine „umfassende Macht“, die Feminismen zerstören will“, „die Bewegung spaltet“, die transfeindliche, biologistische Zustände in Feminismen erkennt und kritisiert. Diese Zustände motivierten mich, mein Masterstudium in der Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gender Studies anzustreben und letztendlich auch dieses Buch zu schreiben.

Dieses Buch soll, unter Berücksichtigung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse, ausdrücklich auf cissexistische, transfeindliche und transmisogyne Einstellungen eingehen, die eben auch in Feminismen bestehen. Es soll existierende Missstände darstellen, zeigen, welche Formen des Ausschlusses von trans Personen bestehen und diese kritisieren. Es soll bei Leuten, vorrangig cis Personen, einen Reflexionsprozess anstoßen, der eigene biologistische Einstellungen zu Geschlecht klar werden und überdenken lässt. Ich möchte hiermit verdeutlichen, dass diese Diskriminierungsformen nicht erst mit wutschnaubenden Beleidigungen und körperlichen Attacken auf trans Personen beginnen, sondern in der Regel deutlich gesetzter, akzeptierter und ruhiger verlaufen. Cissexismus, Transfeindlichkeit und Transmisogynie sind viel häufiger der Versuch, sachlich zu begründen, weshalb es in Ordnung sei, trans Personen das Geschlecht abzusprechen. Ich werde darstellen, weshalb die in Feminismen oftmals verwendete Einteilung von Geschlecht in „Sex“ und „Gender“ hochgradig problematisch ist. Ich werde euch handfeste Beispiele aus persönlichen Erfahrungen mit alltäglichem Cissexismus zeigen und deren diskriminierende Elemente Stück für Stück zerlegen. Da es allerdings nicht die Diskriminierung von trans Menschen in Feminismen gibt, werde ich diese Einstellungen und Ausschlüsse in drei Kategorien einteilen, um euch einen Überblick zu verschaffen. Ich möchte auf explizit transfeindliche Feminismen eingehen, die auf bewusstes Absprechen unserer Geschlechter setzen, geschlechtlichen Biologismus mit vielen Formen des Widerspruchs verteidigen und uns schlicht nicht existente gesellschaftliche Machtpositionen unterstellen. Des Weiteren möchte ich aufzeigen, wie Mainstreamfeminismen1 bzw. Cisfeminismen ebenso Geschlecht weiterhin in „biologisch“ und „sozial“ einteilen und hierdurch Ausschlüsse produzieren, was ich als „wohlwollenden“ Cissexismus bezeichne. Ebenso möchte ich auf Cissexismus „in bester Gesellschaft“ eingehen, der zwar nicht vorsätzlich und bewusst betrieben wird, sich jedoch stetig wiederholt und ebenso für langwierige Aufklärungsarbeit durch trans Personen sorgt. Nicht selten führt eben jenes Verhalten zu Rückzügen von trans Personen, um Konflikte und ständiges Von-neuem-erklären-müssen zu vermeiden. Trans Personen kommen an den Punkt der Einzelfallerklärung, wenn sie quasi gezwungen sind, jede einzelne Situation und Begebenheit erneut aufzuschlüsseln und die diskriminierenden Elemente freilegen zu müssen.

Dennoch möchte ich ebenso persönliche Erlebnisse in dieses Buch einfließen lassen, die ich mit dem wissenschaftlichen Forschungsstand aber auch mit der bestehenden Rechtslage verknüpfen werde. Da es mir sehr wichtig ist, die rechtliche Situation für trans Personen in Deutschland darzustellen, werde ich ausführlich auf das so bezeichnete „Transsexuellengesetz“ eingehen. Dessen tatsächlicher Titel „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“ lautet. Da dieses Gesetz weiterhin besteht, die rechtliche Anerkennung des Geschlechts und der Vornamen von trans Personen regelt, und aufgrund des Umstands, dass für trans Personen eine „eigene“ Rechtslage existiert, halte ich es für unbedingt erforderlich, dieses Gesetz einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. Daher nimmt die Auseinandersetzung mit diesem Gesetz in meinem Buch einen großen Raum ein. Darüber hinaus verfolge ich mit diesem Buch einen intersektionalen Ansatz. Dieser soll die verschiedensten Identitäten von Menschen und deren Diskriminierungserfahrungen aufzeigen. Intersektionalität dient nicht als eine Aufzählung von Diskriminierungen. Intersektionalität soll nicht darstellen, „zu wie viel Prozent“ eine Person diskriminiert wird. Intersektionalität soll verdeutlichen, dass Menschen gleichzeitig verschiedensten Machtstrukturen unterworfen werden, und wie sich diese auf sie auswirken. Daraus können dann Kritiken formuliert werden.

Begriffliche Definitionen

Grundlegende Definitionen

Ich möchte an dieser Stelle keine umfassende begriffliche Abhandlung schreiben, da ein starres Glossar niemals Zeiten überdauern und alle Diskurse einschließen kann. Eine gewisse Grundlegung von Begriffen halte ich allerdings für zwingend erforderlich, weil ich nicht voraussetzen kann und will, dass alle Personen, die dieses Buch lesen werden, dieselbe Basis und denselben Kenntnisstand haben. Im Zuge von ständiger Diskussion und dem Überdenken von bestimmten Termini wird weiterhin diskriminierendes Potenzial erkannt, wandeln sich diese, werden angepasst und neue Begriffe werden etabliert. Ein statisches, hunderte Wörter umfassendes Glossar erscheint also als unangemessen. Jedoch sehe ich es als unausweichlich, einen begrifflichen Leitfaden mitzugeben, um Leuten einen Überblick und möglichst einfachen Einstieg zu geben. Für trans Personen selbst ist der Weg durch viele Ausdrücke oftmals ein sehr schwerer. Für uns selbst, die von vielerlei Anfeindungen und bewusster Ignoranz betroffen sind, ist es meist schon ein schwieriger, langwieriger Prozess, sich in den bestehenden Bezeichnungen wiederzufinden. Für mich war es damals eine Art von Abklopfen, ob gelesene Erfahrungsberichte und Gefühle auf mich zutreffen. Neben der Frage, ob diese zutreffend sein können, beherrschten mich auch oft Selbstzweifel, ob ich überhaupt eine Berechtigung besitze, diese für mich zu benennen. So ganz ohne Echtheitszertifikat meinerseits. Ich möchte damit den großen Stellenwert von Begrifflichkeiten, der Kritik und der ständigen Weiterentwicklung von diesen zeigen. Ich möchte auch klarmachen, dass wir trans Personen als Betroffene von verschiedensten Diskriminierungserfahrungen selbst ebenso die Arbeit leisten müssen, Begriffe kennenzulernen, für uns als passend zu finden, uns anzueignen und nach außen vertreten zu können. Dadurch, dass wir uns über uns selbst bewusst werden, über unsere Geschlechter, haben wir häufig bereits einen langen Weg der Auseinandersetzung mit vielen Begriffen hinter uns. Wir haben oft einen langen Weg der Wissensaneignung hinter uns, bevor wir uns unserer selbst bewusst sind. Dies soll Ignoranz von cis Personen nicht relativieren oder gar entschuldigen. Ich möchte hiermit vielmehr auf deren, auf eure Verantwortung drängen. Ich möchte hierdurch klarmachen, dass wir als trans/non binary Personen bereits oftmals enorme Zeit investieren mussten, um unser Wissen aufzubauen. Ich möchte euch als cis Personen hiermit verdeutlichen, dass nicht-Betroffenheit eben kein Grund sein kann, nicht einmal ein Minimum an respektvollem Umgang, Offenheit und ehrlich interessierten Fragen zu zeigen. Ich will damit zeigen, dass uns nicht auf magische Weise ein Buch oder Datenstick mit allen relevanten Begrifflichkeiten in die Hand gedrückt wird, sobald wir uns unserer selbst bewusst sind. Es kommt kein kostenloses, automatisches Update aus dem Appstore, das uns alle Worte auf Anhieb wissen, verstehen und vertreten lässt. Wir müssen uns dieses Wissen als trans/non binary Personen Stück für Stück selbst erarbeiten, um uns über uns selbst klarzuwerden, um uns selbst bewusst zu machen, dass wir tatsächlich als unser Geschlecht auftreten können. Ohne diese investierte Zeit könnten auch wir selbst nicht über dieses Wissen verfügen. Es geht mir weder darum, Ignoranz zu relativieren, noch darum, Leute mit mangelndem Zugang zu Wissen zu kritisieren. Es geht darum, eure eigenen Einstellungen als cis Personen zu realisieren, nach der wir 24/7 zur Verfügung zu stehen haben, um Wissen zu vermitteln, das wir uns neben allen Schwierigkeiten in Kleinstarbeit selbst angeeignet oder mit erschaffen haben. Deshalb verlange ich ebenso, dass Außenstehende gelegentlich die Zeit investieren und uns zuhören, statt die Herausgabe von Wissen einzufordern. Zusätzlich erwarte ich, dass cis Personen realisieren, dass trans Menschen keine homogene Gruppe von Personen sind, die irgendwo im unabhängigen Raum diffus existieren. Wir existieren neben und mit euch, wir sind überall. Ihr seid sicherlich schon häufig trans Menschen begegnet, ohne es überhaupt zu bemerken. Ich möchte, dass euch klar wird, dass wir hier und jetzt SIND und dass wir unsere Kritik an Menschen richten, die diese transfeindlichen Verhältnisse aufbauen, mittragen und somit am Laufen halten. Das trifft sehr wahrscheinlich auf euch zu.

Zu meiner Schreibweise, also zum Beispiel „trans Sein“, ist zu erwähnen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, dieses schriftlich und sprachlich zu formulieren. So bezeichnen sich trans Personen möglicherweise selbst als „TranssexuelleR“, als „Transmann/Transfrau“ oder schlichtweg als beispielsweise „ein Transgender“. Das sind allesamt gültige Selbstbezeichnungen. So gelten für mich zum Beispiel: „Ich bin trans/transgeschlechtlich“ oder „Ich bin eine trans Frau“ als korrekte Bezeichnungen, wobei diese bei anderen Personen stark variieren können. Ich verwende das „trans“ oder „transgeschlechtlich“ hierbei als Adjektiv und nicht als Substantiv. Das „trans“ als Adjektiv zu verwenden erfüllt bei mir gegenüber anderen Personen die Möglichkeit, es als eine Eigenschaft meines Frau Seins darzulegen. „Ich bin eine Frau, die trans ist“ als Abgrenzung zu einem möglichen „Ich bin eine Frau, die cis2 ist“, wäre eine ebenso denkbare und sprachlich sensible Formulierung. Hierdurch soll keine „Spaltung“ von Frauen bezweckt werden, sondern die Vielfältigkeit soll Sichtbarkeit erlangen. Des Weiteren erfüllt dies den Zweck, vorrangig mein Frau Sein präsentieren zu können. Dies soll bestehende Normen durchbrechen, die davon ausgehen, eine Person sei Mann, Frau oder eine trans Person. Bei trans oder cis handelt es sich somit um ein Adjektiv, das Auskunft über die Eigenschaft des Geschlechts geben kann. Im Verlauf des Buches werde ich ebenso auf Selbstdefinitionen des trans Seins eingehen.

Warum ich „Feindlichkeit“ und nicht „Phobie“ schreibe?

Leider werden Diskriminierung und Hass immer noch vorrangig als „Phobie“ benannt. So zum Beispiel als „Homophobie“, „Transphobie“ oder auch „Islamophobie“. Auch wenn dies vorwiegend nicht beabsichtigt ist, wird hierbei Diskriminierung mit einer Angst verknüpft und dadurch teilweise entschuldigt. Ich lehne diese Verknüpfung, ja auch die unbeabsichtigte, ab. Diskriminierende Einstellungen und Taten geschehen nicht aus „Furcht und Angst“, sondern aus Hass und aufgrund von bestehenden, schädigenden Normen.

Was bitte sind Cissexismus, Transfeindlichkeit und Transmisogynie?

Transfeindlichkeit bezeichnet zunächst einmal die vielschichtigen Formen des Ausschlusses von trans Personen, der Gewalt ihnen gegenüber und auch ihre Einstufung als Fehler oder Abweichung. Vielschichtig auch deshalb, weil sich diese Feindlichkeit auf unterschiedlichste Weisen in sprachlicher und physischer Gewalt zeigen kann. Auch wenn eine Differenzierung zur Analyse unbedingt erforderlich ist, darf keineswegs in „harmlos“ oder „weniger diskriminierend“ unterteilt werden. Transfeindlichkeit umfasst somit alle Begebenheiten, in den trans Personen Ausschluss und Gewalt erfahren. Zur genaueren Bestimmung und Definition dient der Begriff Cissexismus. Dieser kehrt die Problematik um und zeigt, wo die Diskriminierung ihren Ursprung hat. Sie nimmt somit die Verantwortung von trans Personen weg und weist diese cis Personen zu. Daher wäre auch der Begriff der Cisnormativität oder geschlechtlicher Biologismus denkbar. Cisnormativität, ähnlich der Heteronormativität, geht davon aus, dass alle Personen cis seien. Selbst wenn dem Großteil der Bevölkerung nicht einmal die Bedeutung dieses Begriffes geläufig ist. Daraus ergibt sich ein Othering-Prozess, der trans Personen als Abweichung vom gesetzten Normalzustand definiert. Sie gelten hiernach als eine Art Ausnahme oder gar Fehler. Das Wort Cissexismus ist natürlich angelehnt an den Begriff Sexismus. Sexismus beruft sich auf die fälschliche Herleitung von bestimmten Charaktereigenschaften, Interessen, Fähigkeiten etc. aufgrund des Geschlechts. Cissexismus greift grundlegender und leitet aus Organen, Hormonen und Chromosomen bestimmte Geschlechter ab. Im Einzelfall kann diese Zuweisung auch noch detaillierter erfolgen, ich werde später darauf eingehen. Der Kern des Cissexismus ist somit die Herleitung eines bestimmten Geschlechts, indem dieses einem Körper aufgrund vermeintlicher Eindeutigkeit zugewiesen wird. Hieraus werden dann Einschlüsse und Ausschlüsse formuliert, die einer geschlechtlichen Selbstbestimmung von Menschen zuwiderlaufen. Anders ausgedrückt wird ein Körper betrachtet und ihm aufgrund von Cissexismus ein bestimmtes Geschlecht zugewiesen. Umgekehrt wird das Vorhandensein oder nicht Vorhandensein bestimmter Organe mit einem Geschlecht verknüpft. So gilt die universelle, jedoch cissexistische Annahme, dass eine Person mit Vulvina eine Frau zu sein hat und eine Person mit Penis ein Mann sein müsse. Ich kann dir im Namen von trans Personen garantieren, dass dies nicht der Fall ist und du unabhängig vom Status von Reproduktions- und/oder Ausscheidungsorganen, oder salopp ausgedrückt „Intimbausätzen“, dein selbstbestimmtes Geschlecht innehaben kannst. Dass weiterführende Faktoren wie geschlechtliche Vorstellungen, Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und rechtliche Aspekte existieren, steht auf einem anderen Blatt.

Echt!

Wozu ist nun noch der Begriff der Transmisogynie erforderlich, wenn doch mit den vorangegangen prinzipiell alles geklärt ist? Transmisogynie soll auf die spezielle Form von Feindlichkeit gegenüber trans Weiblichkeiten, trans Frauen, Femmes, enby Personen aufmerksam machen (vgl. Serano 2007: 14; 140). Er soll die Verwobenheiten (Intersektionen) von Transfeindlichkeit und Misogynie aufzeigen. Die Geschichte der Transfeindlichkeit zeigt, dass sich Hass und Verachtung vorwiegend gegen trans weibliche Menschen entlädt. Der Kern ist somit die Ablehnung, Abwertung und der Hass auf Femininität beziehungsweise Weiblichkeit, wie auch immer sich diese äußert. Dieser Zustand und die Tatsache, als z.B. trans Frau nicht heute mal Sexismus und morgen mal Transfeindlichkeit zu erleben, macht eine besondere Benennung erforderlich. Es soll hiermit ebenso auf speziellere Ausschlüsse verwiesen werden, die trans weibliche Personen treffen, wohingegen trans männliche Personen mitunter unbeachtet bleiben. Beispielweise werden trans Frauen oftmals gezielt aus feministischen Räumen ausgeschlossen, weil sie als Männer betrachtet und misgendert werden. Dass dies für trans männliche Personen mitunter nur ein scheinbarer Vorteil ist, erläutere ich im späteren Verlauf des Buches.

„Gatekeeping/Gatekeeper*innen“

Als Gatekeeper*innen werden alle Personen bezeichnet, die in entsprechenden Positionen sitzen, um über Abschnitte im Leben von trans Personen zu entscheiden. Dies können Therapeut*innen in der Begleittherapie sein, Endokrinolog*innen, die in der Regel die Hormonersatztherapie einleiten und begleiten, aber ebenso Richter*innen und Gutachter*innen, die über eine Vornamens- und/oder Personenstandsänderung entscheiden. Der Begriff „Gatekeeping“ mutet gefährlich an und ist durch die oftmals langfristigen und erniedrigenden Prozeduren begründet, die trans Personen auferlegt werden.

Der Privilegienbegriff

Ich verwende den Privilegienbegriff äußerst selten, weil es unterschiedliche Auslegungen des Begriffes und somit völlig verschiedene Formen gibt, ihn zu verwenden und ihn zu begreifen.

Wenn ICH von Privilegien spreche, meine ich prinzipiell:

„Du bist von dieser Diskriminierung nicht negativ betroffen“.

Wenn ich von Privilegien spreche, meine ich NICHT:

„Du erlebst keine negativen Situationen in deinem Leben und bist immer glücklich.“

Es geht darum, klarzumachen, dass eine Person von einer bestimmten Diskriminierung, im Fall dieses Buches hauptsächlich Cissexismus, Transfeindlichkeit, Transmisogynie, nicht negativ betroffen ist.

AFAB

Assigned female at birth: Eine Person, der bei der Geburt das Geschlecht „weiblich“ zugewiesen wurde.

AMAB

Assigned male at birth: Eine Person, der bei der Geburt das Geschlecht „männlich“ zugewiesen wurde.

Beide Begriffe sollen den vermeintlich natürlichen Zustand von Geschlecht in Frage stellen. Statt von einem „biologischen“ Geschlecht zu sprechen, wird somit der Begriff zugewiesenes Geschlecht verwendet.

Non Binary/enby

Der Begriff steht für nicht binäre Geschlechter. Beispielweise agender, neutrois, genderfluid, oder auch genderqueer. Der Punkt ist, hierbei geht es um Menschen, die sich nicht oder nicht ausschließlich mit einem bestehenden binären Geschlecht (Mann oder Frau) identifizieren. Weil hierzu häufiger die Frage aufkommt: Wenn sich non binary Personen als trans verstehen, dieser Oberbegriff für sie selbst also zutreffend ist, dann sind sie es auch.

Cistem

Mit „Cistem“ wird das bestehende System der Zweigeschlechtlichkeit bezeichnet. Also das System aus binärer Geschlechterzuweisung. Darüber hinaus soll dies den strukturellen cissexistischen und transfeindlichen Normalzustand bezeichnen.

Cisfeminismus

Cisfeminismus bedeutet nicht zwingend, dass es sich ausschließlich um cisgeschlechtliche Menschen handelt. Mit diesem Begriff soll eine bestimmte Prägung und Ausrichtung benannt werden. Hierbei geht es um Feminismen, die trans Personen nicht vorsätzlich ausschließen. Es geht um verinnerlichte, erlernte Vorstellungen über Geschlechter, die unreflektiert reproduziert werden. Der Begriff cisnormativer Feminismus wäre auch denkbar.

Dyadismus/dyadisch

Dyadismus oder Interfeindlichkeit bezeichnet die Diskriminierungen und Gewalt, die sich gegen intergeschlechtliche/inter Personen richten. Diese Gewalt kann sich sowohl in falschen und entwürdigenden Darstellungen als auch in Zwangsoperationen widerspiegeln. Dyadisch bezeichnet also den Zustand, nicht inter zu sein. Ähnlich wie bei cis und trans dient der Begriff dazu, den vermeintlichen Normalzustand korrekt zu benennen.

Wozu überhaupt cis/cisgeschlechtlich/Cisgender?

Der Begriff „cis“ soll den vermeintlichen Normalzustand sichtbar machen, weil dieser bisher unmarkiert war. Hiermit soll klargemacht werden, dass cis Personen nicht „normal“, sondern eben cis sind. Dies soll die gängige Sichtweise brechen und die Bedingungen ändern, unter denen transgeschlechtliche Menschen stets als Abweichung, als Fehler begriffen werden und sich immer wieder für ihre Geschlechter rechtfertigen müssen.

Trans, trans*, transgeschlechtlich, transsexuell oder auch Transgender sind Begrifflichkeiten, die im weitesten Sinne dasselbe beschreiben. Jedoch werden diese Begriffe von Personen oftmals nicht gleichbedeutend verwendet oder gar als Selbstbezeichnung geführt. Besonders der Asterisk in „trans*“ wird so nicht von allen Personen verwendet. Ursprünglich sollte dieser bezwecken, auch nicht-binäre trans Personen sprachlich zu integrieren und auf sie aufmerksam zu machen. Das „trans“ oder „trans*“ kann auch als Abkürzung für „transgeschlechtlich“, „transident“ etc. verstanden werden. Ich für mich sage, dass nicht-binäre trans Personen trans Personen sind und von mir keinesfalls ausgeschlossen werden. Deshalb verwende ich ihn nicht. Trans