Transferbarometer: - Marion Schmid - E-Book

Transferbarometer: E-Book

Marion Schmid

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Beschreibung

In der pflegerischen Fachweiterbildung ist die Förderung der Lerntransfersicherung relevant, damit den Lernenden der Praxistransfer des theoretischen Wissens gelingt. In diesem Band wird das Transferbarometer beschrieben, ein neu entwickeltes Instrument, das die Lehrperson bei der Reflexion, Planung und Gestaltung des Unterrichts unterstützt. Das eigene transferfördernde Handeln, die Gestaltungsaspekte des Lernangebots für die Lernenden und die curricularen Voraussetzungen werden betrachtet, um die Transferqualität des Unterrichts einschätzen und verbessern zu können. Abgeleitet aus empirisch belegten bzw. von Experten empfohlenen lerntheoretischen und didaktischen Prinzipien, werden Anregungen gegeben, um mehr berufliche Handlungskompetenz der Lernenden zu ermöglichen.

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Abstract

In der pflegerischen Fachweiterbildung Intensivpflege und Anästhesie fehlt es zunehmend an Praxisbetreuung für die Lernenden. Für die Lehrperson stellt sich die Herausforderung, die Lerntransfersicherung in die Praxis vermehrt zu unterstützen. Als Forschungsansatz wurde in dieser Ausarbeitung nach Ansätzen zur Transferförderung gesucht, mit denen die Lehrperson den Praxistransfer des theoretischen Wissens bei den Lernenden verbessern kann. Als Nebenfrage war zu ermitteln, wie ein Instrument zur Transferförderung für die Lehrperson gestaltet sein könnte. Im Rahmen einer konzeptionellen Arbeit wurden anhand einer Literaturrecherche empirisch belegte oder von Experten empfohlene lerntheoretische und didaktische Konzepte und Methoden zusammengestellt, die den Transfer zur Fortentwicklung der beruflichen Handlungskompetenz der Lernenden fördern können. Durch Anlehnung an ein Evaluationsmodell wurde ein pyramidenförmiges Transfertool für die Lehrperson zur Planung, Gestaltung und Reflexion des Unterrichts konzipiert. Mit der Zusammenstellung der transferfördernden Ansätze des Lernangebots entstand ein Transferbarometer und ein ergänzender Fragebogen mit Beispielmethoden als Anregungen für die Lehrperson. Mit den Fragen kann die Lehrperson ihr eigenes transferförderndes Handeln, die Gestaltungsaspekte des Lernangebots für die Lernenden und die curricularen Voraussetzungen in die Betrachtung einbeziehen und folglich die Transferqualität des Unterrichts einschätzen und optimieren. Das Pyramidenmodell bietet eine Hilfestellung zur Transferförderung und kann von Lehrpersonen in den pflegerischen Weiterbildungen sowie auch in der Ausbildung für Pflegeberufe verwendet werden.

Vorwort

Transfer ist ein Topos, welcher die aktuellen Debatten um eine gelingende Bildung bestimmt. In der Ausbildung der Gesundheitsberufe gibt es zahlreiche Theorie-Praxis-Probleme. Ein zentrales Theorie-Praxis-Problem ist, dass das, was im Lernfeld Schule oder Weiterbildung gelernt wird, oftmals den Weg nicht in die Praxis findet und umgesetzt wird. Oft widersprechen sich auch einfach die Lehraussagen zwischen den Lern- und Praxisorten. Ein Transfer des Gelernten bleibt aus.

SchülerInnen und TeilnehmerInnen erleben den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis nämlich oftmals dadurch, dass an keinem der Lernorte darauf Bezug genommen wird. Die Autorin greift daher dieses Thema auf und versucht aus Sicht des Lernorts Schule und Weiterbildung einen Lösungsansatz herauszuarbeiten, mit dem der Theorie-Praxis-Transfer bereits im Lernfeld durch die LehrerInnen für das Anwendungsfeld vorbereitet wird. Dabei wird nicht einfach dem vielfach zu hörenden Lamento nach mehr Praxis im Unterricht gefolgt. Vielmehr wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren sowohl beim Lehrenden als auch beim Lernenden und vor allem im Raum dazwischen, nämlich den Transferbedingungen der Kollegen und KollegInnen in der Praxis und der Perspektive auf die Übergänge, den Transfer ermöglichen oder verhindern.

Mit dem Konzept des Transferbarometers werden durch die Autorin dazu geschickt die Erkenntnisse der pädagogischen Lehr-Lern-Transferforschung zu einem praxistauglichen und anwendbaren Instrument für LehrerInnen zusammengefasst. Das Instrument unterstützt die LehrerInnen dabei, die Lernortkooperation bzw. den Theorie-Praxis-Transfer der TeilnehmerInnen „im Kopf“ herzustellen, indem zahlreiche Fragen gestellt und Impulse formuliert werden, was eine Lehrkraft für den TeilnehmerInnen tun kann.

Es wird im Instrument aber auch ein Angebot für die Lernenden gemacht, dass sie die Transferorientierung aus ihrer Perspektive betrachten. Transfer wird damit nicht allein als Bringschuld der Lehrenden oder der „Lernorte“ herausgearbeitet, sondern darüber hinaus als Holschuld der Eigeninitiative der Lernenden. Transfer bedeutet dabei Lernen anzustoßen und zusätzlich zum Inhaltsübertrag in die berufliche Praxis, Weiterlernen zu initiieren. Die zielorientierte, steuernde Begleitung von TeilnehmerInnen, Bildungsmaßnahmen und allen Akteuren im Unternehmen sind Bedingungsfaktoren für den erfolgreichen Transfer.

Münster im April 2022

Prof. Dr. habil. Thomas Prescher

Inhaltsverzeichnis

Abstract

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Bedeutung von Transferförderung in der Weiterbildung

1.1 Aktuelle Transfersituation in der Weiterbildung

1.2 Forschungsinteresse zur Transferförderung und Vorgehensweise

Bedingungen für eine Transferförderung

2.1 Überblick zum Transfer und den Kompetenzen in der Weiterbildung

2.2 Konzeptionelle Ansätze zur Transferförderung

2.3 Grundvoraussetzungen für den Transfer

2.4 Subjektive Theorien als Transferhindernis

2.5 Transferförderung mit Anwendungsorientierung und Praxisbezug

2.6 Gewinnung der Lernenden für die Transferumsetzung

2.7 Transferbegünstigende curriculare Voraussetzungen

Entwicklung des Transferinstruments

3.1 Von der Idee zum Transferbarometer

3.2 Transferevaluation mit dem Kirkpatrick Modell

3.3 Übertragung der vier Ebenen auf das Transferbarometer

3.4 Fragebogen zur Transferpyramide

Transferförderung im Unterricht mit dem Transferbarometer

4.1 Ableitung von Methoden zu den Ansätzen des Transferbarometers

4.1.1 Die Lehrperson

4.1.2 Die curricularen Voraussetzungen

4.1.3 Die Lernenden

4.2 Einschätzende Bewertung des Transferbarometers

4.3 Grenzen des Transferbarometers und Entwicklungsperspektiven

Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang: Mehrfeldermatrix

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modell zum Transferprozess

Abbildung 2: Zusammenfassung der Ansätze und Strategien

Abbildung 3: The New World Kirkpatrick Model

Abbildung 4: Pyramidenseite - Evaluations- bzw. Reflexionsebenen

Abbildung 5: Pyramidenseite - Die Lehrperson

Abbildung 6: Pyramidenseite - Die Lernenden

Abbildung 7: Pyramidenseite - Die curricularen Voraussetzungen

Abbildung 8: Modell des Transferbarometers

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Fragebogen Teil I - Die Lehrperson

Tabelle 2: Fragebogen Teil II - Die Lernenden

Tabelle 3: Fragebogen Teil III - Die curricularen Voraussetzungen

Tabelle 4: Mehrfeldermatrix der Ansätze

Abkürzungsverzeichnis

AK DQR

Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen

CINAHL

Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature

DeGEval

Deutsche Gesellschaft für Evaluation e.V.

DGF

Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V.

DIP

Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.

DIVI

Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

DKG

Deutsche Krankenhausgesellschaft

DQR

Deutscher Qualifikationsrahmen

I+A

Intensivpflege und Anästhesiepflege

peDOCS

Pedagogical Documents

SMS

Short Message Service

WVO

Weiterbildungsverordnung

1 Bedeutung von Transferförderung in der Weiterbildung

Durch die Weiterbildungsstätten, die die pflegerische Weiterbildung Intensivpflege und Anästhesiepflege (I+A) anbieten, ist nach der formalen Vorgabe der DKG (2015, S. 5) der „zielorientierte Theorie-Praxistransfer“ sicherzustellen. Das am Lernort Weiterbildung vermittelte Wissen soll an den Praxiseinsatzort anschlussfähig sein und dort übertragen werden können.

Der Lernzuwachs in der Weiterbildung zeigt sich zunächst als Leistungsentwicklung der Lernenden am Lernort. Doch in welchem Umfang die Anwendung der neu hinzugewonnenen Fähigkeiten im Funktionsfeld bei der Pflegetätigkeit gelingen kann, ist abhängig von der Eigeninitiative der Lernenden und der Unterstützung am Praxisort. Die Arbeitsverdichtung und der Personalmangel in der Intensivpflege sind inzwischen coronabedingt nach Einschätzung der DGF und der DIVI (2021, S. 2) „teilweise dramatisch“ angestiegen. Das hat auch Auswirkungen auf die individuelle Begleitung und Anleitung der Lernenden beim Transfer. Hinzu kommt die steigende Komplexität der beruflichen Aufgaben und die Integration verschiedener Fachrichtungen in der Weiterbildung, was den Lernenden das Selektieren, der für sie transferrelevanten Inhalte, erschwert.

Die Lehrpersonen der Weiterbildung I+A sind vermehrt gefordert, die „Transferlücke“ (Wilkening, 1992, S. 427), d. h. die auftretende Diskrepanz zwischen dem erwünschten Soll und der erreichten Ist-Lernkurve, wenn der Lerntransfer nicht gelingt, zu reduzieren, indem sie einen Teil des Transfermanagements übernehmen. Bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts sind transferfördernde Impulse wichtig, um den Unterricht vermehrt auf die Lerntransferziele für die Praxis auszurichten, sowie den Lernenden Anwendungssituationen im Arbeitsalltag aufzuzeigen und für sie nutzbar zu machen. Sind die Faktoren bewusst, die eine Transferförderung wahrscheinlicher werden lassen, kann die Lehrperson die Transferwirksamkeit der Veranstaltung gezielter planen, im Verlauf beeinflussen, sowie nach der Einheit auswerten.

In dieser Ausarbeitung wird ein Konzept zur Umsetzung und zur Beurteilung der Transfersicherung entwickelt und vorgestellt, das Transferbarometer. Die Lehrpersonen der Weiterbildung I+A können damit die hilfreichen Ansätze für ihre Zielgruppe als Zusammenfassung überblicken. Die Transferwirksamkeit kann eingeschätzt, prognostiziert und gezielt durch Erweiterung des Handlungsrepertoires der Lehrperson gesteigert werden.

1.1 Aktuelle Transfersituation in der Weiterbildung

„Knowledge is of no value unless you put it into practice.“ Dieses Zitat wird Anton Chekhov zugeschrieben (Eremit & Weber, 2016, S. 148) und unterstreicht die Relevanz des Transfers. Das Erlernte kann nur gefestigt werden, wenn es in der Praxis zum Einsatz kommt, eingeübt wird, mit Reflexion der Nutzen offengelegt wird. Renkl (1996, S. 79) bezeichnet es als „träges Wissen“, wenn neue Lerninhalte nicht angewendet werden. Die Lehrperson hat den Auftrag, mit ihrem Unterricht Kompetenzförderung für die praktische Umsetzung im Arbeitsfeld der Lernenden zu ermöglichen. In der Weiterbildungsverordnung (WVO, S. 1004) für Pflegeberufe des Sozialministeriums Baden-Württemberg von 2020 wird in § 4 Absatz 1 gefordert, dass parallel zum theoretischen und praktischen Unterricht „Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den fachbezogenen Arbeitsbereichen angewendet und vertieft“ werden.

Die Weiterbildung I+A am Lernort der Weiterbildungsstätte findet als schulische Veranstaltung berufsbegleitend außerhalb der praktischen Tätigkeit im Funktionsfeld als „Training-off-the-Job“ (Becker & Bader, 2019, S. 435) statt. Der Unterricht umfasst 720 Unterrichtseinheiten, die im Zeitraum von 24 Monaten auf 80 Unterrichtstage verteilt sind. Die Veranstaltungen werden an der Weiterbildungsstätte der Autorin überwiegend in Zweitagesblöcken alle zwei bis drei Wochen während der laufenden Praxiseinsätze angeboten. Die Lernenden haben 2350 Stunden Praxiszeit zu absolvieren, wovon mindestens 800 Stunden in der Anästhesie und mindestens jeweils 600 Stunden in der konservativen und in der operativen Intensivpflege nachzuweisen sind. Ein Teil der Lernenden kommt von Kooperationshäusern, die auf unterschiedliche Fachabteilungen spezialisiert sind. Nicht für alle Lernenden kann die zeitliche Passung der Unterrichtsinhalte parallel zum Einsatzgebiet gewährleistet werden.

Frühestens nach einer einjährigen Berufstätigkeit als Pflegefachkraft kann die Weiterbildung begonnen werden, davon müssen mindestens sechs Monate in der Intensivpflege oder Anästhesie gearbeitet worden sein. Die Lernenden können dementsprechend bereits zwölf Monate nach dem Pflegeexamen oder auch erst in höherem Berufsalter mit der Weiterbildung beginnen. Die Lernenden sind somit unterschiedlich lange im Pflegeberuf tätig und haben ein individuell variierendes Erkenntnisinteresse zu Fragen aus ihrem Praxisfeld. Zu beachten ist, dass die Älteren teilweise eine höhere Erwartungshaltung an Lernangebote haben als Jüngere, die sich weniger mit der Frage beschäftigen, ob das Wissen auch verwendet werden kann (Hörwick, 2003, S. 4). Seidel und Krapp (2014, S. 468) empfehlen für Erwachsene die Inhalte des Unterrichts, die Vermittlungsformen, die Methodenwahl und die Lernumgebung auf diese Bedürfnisse abzustimmen. Im Allgemeinen ist der Wissenserwerb vor allem ergebnisorientiert auf die geforderten Prüfungsanforderungen ausgerichtet (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001, S. 637), mit dem Ziel, die Weiterbildung erfolgreich abzuschließen.

In der Weiterbildung I+A können die Lernenden integrativ mit der pädiatrischen Intensivpflege, der Notfallpflege und der Intermediate Care Weiterbildung zu vielen Themen gemeinsam unterrichtet werden. Die zu versorgenden Patientengruppen der Zielgruppen sind entsprechend der verschiedenen Spezialisierungen sehr heterogen. Aufgrund der integrativen Kurskombination können die Lernenden Mühe haben, die Nützlichkeit der Lerninhalte für sich zu erkennen und das vermittelte Fachwissen auf ihren Bereich zu übertragen. Das zeigt sich besonders bei Unterrichtsthemen, Theorien und Konzepten, die nicht offensichtlich auf pädiatrische oder erwachsenenspezifische Pflegeinterventionen und Krankheitsbilder eingehen, sondern allgemein gehalten sind.