Träume, die im Dunkeln liegen - Ingo R. R. Höckenschnieder - E-Book

Träume, die im Dunkeln liegen E-Book

Ingo R. R. Höckenschnieder

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Beschreibung

Licht und Dunkel
Dunkelheit ist mächtig. Sie ist der Anfang und das Ende.
In ihr werden Welten geboren.
Pyramos ist die erste Welt, erschaffen im Dunkel. Noch bevor die Sterne das Firmament berührten und die Götter die Menschen formten.
Als das Licht ihre Horizonte traf, offenbarte es die Schönheit der vier Ebenen, geprägt durch ihre Elemente.
Auch die Dunkelheit der Träume erschafft Welten. Oder vernichtet sie …

In den Träumen der Sterblichen wird eine Prophezeiung geboren.
Sie schickt Londarel und Hombroohr auf die Suche nach Macht, alten Zeichen und einem Schlüssel. 
Doch sind sie nicht die einzigen, die von einer besseren Zukunft gelockt werden.
Auch der Kriegsfürst Nurit Iurk macht sich auf den Weg, mit einem ganz eigenen Ziel.
Im Dunkel der Träume beginnt alles. Eine Prophezeiung. Eine Suche. Ein Krieg. 
Es ist der Anfang von etwas Neuem oder das Ende von Allem.
Dunkelheit ist der Anfang und das Ende von Allem.
In ihr werden Welten geboren.
Aus dem Dunkel kommen die Träume. Eine Prophezeiung die eine Suche startet, eine Suche nach Macht, alten Zeichen und einem Schlüssel
Götter und Dämonen führen einen Krieg, der unweigerlich auch die Sterblichen in seinen Bann ziehen wird.
Licht und Dunkel

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Träume, die im Dunkeln liegen

 

 

 

 

 

 

Text Copyright © 2025 Ingo Höckenschnieder

Alle Rechte vorbehalten

 

Internet: www.lichtunddunkel.de

[email protected]

 

Das vierte Zeitalter ist mehr als tausend Jahre alt und nun beginnt etwas Neues. Die Welt Pyramos ist im Umbruch. Sie ist eine magische Welt, hat vier flache Dreiecke als Seiten, die zusammen einen Körper ergeben, den man auch Tetraeder nennt. Götter und Dämonen sind kein alltäglicher Anblick auf den vier Ebenen dieser Welt und dennoch wundert sich niemand, wenn ihm ein Gott über den Weg läuft. Magier und Krieger, Bauern und Adelige, Kunsthandwerker mit fantastischen Talenten, Reisende und allerlei seltsam anmutende Kreaturen prägen das Bild dieser wundersamen Welt. Die vier Seiten sind so unterschiedlich, wie man sie sich nur vorstellen kann. Große Wälder, Gebirge, Wiesen und Städte bedecken Eridas, die Erdebene. Fliegende Wolkenstädte, geflügelte Gestalten, ein wallendes Nebelmeer formen das Antlitz von Lias, der Luftebene. Auf Hyrion, der Wasserebene, herrschen große Ozeane, schwimmende Städte und Unterwasserschiffe vor. Feuer, Vulkane, riesige Drachen und Geysire machen Vulnaris, die Feuerebene, aus. Und auf jeder Seite leben andere Völker, Tiere und Pflanzen.

Unsere Geschichte jedoch, die eine wahre Begebenheit ist, die wir Ihnen, lieber Leser, nur in ausgeschmückter, aber den Tatsachen entsprechender Form berichten wollen, zeigt, wie stark diese vier Ebenen zusammengehören ...

Ingo, Berichterstatter einer fremden Welt.

Inhaltsverzeichnis

 

Inhaltsverzeichnis 3

Metalog 4

Träume, die im Dunkeln liegen 5

Hombroohr 5

Londarel 11

Nûrit 17

Hombroohr 25

Londarel 30

Arkranatia 35

Nûrit 37

Hombroohr 43

Londarel 49

Nûrit 54

Wichtige Personen 62

Begriffe und Orte 64

Über den Autor 66

 

Metalog

Eridas 1083, IV. Zeitalter der Erde

Hitze.

Schwere.

Drückende Last.

Der Boden heiß.

Die Luft flimmert.

Der Mann setzte einen Fuß vor den anderen. Sein Gang war schwer, sein Schritt müde. Hätte er innegehalten, so wäre er gestürzt und liegen geblieben, vielleicht für immer. Doch er zog seinen anderen Fuß nach, unter seinem Körper am noch vorn stehenden vorbei, ließ ihn über den Boden schleifen und vollendete schließlich den nächsten Schritt. Ich werde immer so weiterlaufen, dachte er. Der Mann war müde, hungrig, geschunden und doch gab es noch einen kleinen, gleichwohl unbändigen Lebensfunken in ihm; einen Funken, der ihn weiterlaufen ließ. Der Weg war ein weiter, die Strecke, die hinter ihm lag, lang und öd, steinig, staubig, verhasst. Er hätte gerne einen Moment verweilt, einen Schluck getrunken, doch der war ihm nicht vergönnt.

Die Landschaft war zusehends flacher geworden. Die Ausläufer der letzten Gebirge lagen weit hinter seinem Rücken und nur kleine Hügelchen erhoben sich da und dort. Noch vor zwei Tagen war er durch einen Wald gelaufen, nun gab es kaum noch Bäume. Endlose Wiesen und Steppen zogen sich in alle Blickrichtungen dahin. Ab und an sah oder hörte er die Tiere einer Herde.

Vor ihm stieg Rauch auf. Rauch, der grau war, nicht schwarz wie der eines brennenden Hauses oder Dorfes, sondern grau wie der Rauch aus einem Schlot oder Schornstein. Mochte dort eine Siedlung liegen oder nur ein einsamer Hof? Oder gar eine ganze Stadt? Er hatte keine Ahnung. Er würde es erfahren. Im Moment interessierte er sich auch nicht dafür, er hatte ohnehin keinen Einfluss darauf, wann er den Kamin erreichen würde, von dem er den Rauch aufsteigen sah, und er war sich nicht einmal sicher, ob es ihm dort gefallen würde.

Was erwartet mich dort? Was für Leute leben dort? Ist es das Ziel meiner Reise oder werde ich weiter vorangejagt? Während er in seinen Gedanken umherschweifte und Schritt für Schritt tat, knallte plötzlich die Peitsche.

„Los, ihr Hunde! Bewegt eure faulen Hintern oder ich mache euch Beine! Freigrund liegt vor uns und ich habe nicht vor, eine weitere Nacht in beschissenen Zelten zu verbringen!“ Erneut ließ der Wächter seine Peitsche knallen und trieb damit die ganze Gesellschaft vorwärts.

Der Mann betrachtete die halbnackte Frau vor ihm. Mehr als einen alten Lendenschurz trug sie nicht, und damit passte ihre Kleidung perfekt zu seiner. „Ich bin Pâmir“, flüsterte der Mann. „Ich bin Pâmir!“ Wie ein Mantra wiederholte er den Namen so leise, dass er ihn selbst kaum vernahm. „Ich vergesse meinen Namen nicht! Ich bin Pâmir!“

 

Träume, die im Dunkeln liegen

Hombroohr

Lias 1079, Epoche der Häuser

Wieder suchte ihn die Vision heim, die ihm das herrliche Gefühl verlieh, großmütig und weise zu sein. Wie ein Held, ja, wie der Erlöser von Pyramos gar fühlte Hombroohr sich, wenn er das goldene Zepter vor sich sah, dessen oberes Ende eine herrliche Kreatur mit flammendem Haar zierte. Er fühlte sich körperlos, bestand ganz und gar aus diesem Hochgefühl.

Es war ihm, als zöge ihn der funkelnde Gegenstand förmlich an. Es gelüstete ihn, mit seinen rechten Händen danach zu greifen, ihn zu besitzen, aber er konnte ihn nicht erreichen, fast so, als gehorchten ihm seine Hände nicht mehr oder als wären sie gar nicht vorhanden. Bald, so sagte er sich.

„Dieses Zepter ist das Symbol der Macht. Der erste Großmogul Phalsamts hielt es in den Händen, als er sich auf den Thron niederließ. Der nächste Großmogul, dem es zu eigen ist, läutet die Zeit der Veränderung für ganz Pyramos ein“, dröhnte eine Stimme eindringlich, die Hombroohrs ganzes Haupt erfüllte.

Endlich werde ich die Stellung und die Macht besitzen, um etwas zu bewirken, dachte er. Gierig versuchte er, erneut nach dem Zepter zu greifen, doch wieder gelang ihm das nicht und es verschwand.

Hombroohr hatte keine Zeit, enttäuscht zu sein, denn vor seinen geistigen Augen entstand ein neues Bild. Ein sich drehender Ring, gebildet von zwei miteinander verschlungenen Wesen, in Flammen gehüllt, die Hombroohr an die erhabenen Luftdrachen seiner Heimatebene erinnerten.

Auch dieses Kleinod, so schien es ihm, strebte zu ihm hin und er malte sich aus, wie das Gold sich um einen seiner Finger schmiegte, einen wunderbaren Kontrast zu seiner bläulichen Haut bildete und ein Zeichen seiner eigenen Erhabenheit wäre.

„Es ist das älteste Zeichen: das Symbol des Feuers. Dieser Ring wird die Herrschaft Phalsamts begründen, das Reich über alle Grenzen hinaus bekannt machen, das Ende über die Alten Königreiche bringen. Eine strahlende Zukunft für Pyramos“, versprach die tiefe Stimme.

Der Ring verblasste und wurde abgelöst durch eine menschliche, nackte Frauengestalt. Sehr helle Haare hatte sie und übte ebenso, wie Zepter und Ring zuvor, eine starke Anziehungskraft auf Hombroohr aus, obwohl sie keine Lunga war und ihre Haut viel heller leuchtete, als er es gewöhnlich als ansprechend empfand. Doch die Haut des Mädchens war unglaublich rein und ihm gefielen die auffälligen Tätowierungen, die sich auf ihrer Brust, ihrem Rücken und ihrer Schulter befanden. Sie erschienen ihm dominierend, obgleich das Mädchen viel weniger Tätowierungen hatte als er selbst.

Und obschon Hombroohr die Hautbemalungen genau und interessiert betrachtete, konnte er sich später nie exakt daran erinnern, was sie eigentlich darstellten, so sehr er sich auch das Gehirn zermarterte. Jetzt, in eben diesem Moment, bestaunte er sie jedoch.

Die Menschenfrau bewegte sich fast, als würde sie zu einer lautlosen Musik tanzen.

Oftmals wollte Hombroohr sie anrufen, doch er hatte vergessen, dass er einen Mund besaß.

Mit sich führte sie zwei außergewöhnliche Langschwerter, die so aussahen, als wären sie aus Glas, in das drachenartige Gestalten eingelassen waren. Das eine schimmerte in einem weißen Farbton, der ihn an Eis erinnerte, das zweite war von einem rauchigen rötlichen Glanz erfüllt.

„Sie ist der Schlüssel der Macht. Die schönste Frau aller Ebenen von Pyramos. Sie wird das Blut bringen und die Heilung. Finde sie, den Ring und das Zepter“, befahl die donnernde Stimme.

Oh! Sie ist wunderschön, fand Hombroohr, obgleich er Menschen zuvor niemals hübsch oder erregend empfunden hatte und er sich überhaupt nicht vorstellen konnte, ein Wesen mit nur zwei Armen zu lieben. Doch diese Frau ...

 

Hombroohr erwachte und fühlte sich voller Tatendrang. „Ich muss sie finden. Und den Ring und das Zepter“, rief er aus.

Heute wollte er endlich herausfinden, wo dieses Phalsamt lag und was das Wort „Großmogul“ bedeutete. Und er würde Mooldrad von der Vision berichten, die ihn immer wieder übermannte. Wollte er sie zunächst eigentlich als sein Geheimnis wahren, so platzte er doch fast, so sehr wünschte er sich, davon zu berichten, wie er sich in Zukunft für das Gute einsetzen würde und auch etwas bewegen und erreichen konnte. Oh, wie würde auch Perlieke ihn unterstützen, vielleicht sogar bewundern. Vor dem Spiegel richtete er sein Hemd. Wie alle seines Volkes - dem Volk der Lungas - hatte er vier kräftige Arme und einen Oberkörper, den er aufblasen konnte, um Stürze abzufangen. Natürlich trugen nur zwei Beine seinen muskulösen Körper. Langsam raffte er die Ärmel ein Stück hoch und legte damit Teile seiner bläulichen Haut und seiner zahlreichen Tätowierungen frei, die Geschichten von Drachen, Greifen und den Heldentaten seines Volkes und seiner Götter erzählten. Seine schwarzen Haare waren zu langen Zöpfen geflochten. Die Augen funkelten fröhlich und mit einem breiten Grinsen auf den Lippen sprang er aus dem Zimmer und rannte durch die Festung auf der Suche nach seinem besten Freund.

Er fand Mooldrad bei den Stallungen. Beide, er und sein Freund, hatten dort ihre Greife untergebracht, wie alle anderen Greifenreiter in der Festung. Sie waren stolz, den Greifenreitern am Ort anzugehören, auch darüber, gerade in den Rang eines Flugmeisters erhoben worden zu sein. Dafür hatten sie drei Jahre auf Iliki Ipa Ipa gelebt, waren über den weichen Boden der Wolken spaziert und hatten das alte Wissen ihres Volkes studiert. Iliki Ipa Ipa war eine der seltsamen Städte der Vranen, dem Volk, das von sich selbst behauptete, die Luftebene zu beherrschen. Die Stadt war auf einer magischen Wolke erbaut oder besser gesagt aus der Wolke selbst geformt worden. Natürlich mussten sie auch ihre Kunstfertigkeit im Greifenritt beweisen, den sie zusammen mit allerlei anderen Künsten bereits während ihrer Ausbildung und in den Jahren danach geübt hatten. Neben dem Wissen über Strategie, Luftkampf, Heraldik, Sprachen und Tierkunde, die jedem höheren Greifenreiter zu eigen sein mussten, beherrschte Hombroohr den Umgang mit den Peitschen, die er immer mit sich trug, und Mooldrad verstand sich auf das Führen des Speeres und das Werfen von Dolchen.

„Da ist er ja! Unser zukünftiger Oberer“, lachte Mooldrad und spielte damit auf die Ambition an, dass Hombroohr es schon immer darauf anlegte, irgendwann zum Oberen gewählt zu werden. Immer bemühte er sich, Stärke, Gerechtigkeit und Klugheit zu zeigen und somit an Ansehen zu gewinnen und nicht zuletzt auch das Herz eines bestimmten Mädchens. Er achtete ebenso darauf, seine wenigen Schmuckstücke auffällig zur Schau zu stellen, wie er seine kunstvollen Tätowierungen auf seiner blauen Haut präsentierte. Seinen Kopf zierten aufwendig geflochtene, lange, ineinander verschlungene und dicke Zöpfe.

Auch Mooldrad interessierte sich für Perlieke, das wusste Hombroohr wohl, auch wenn sie niemals darüber sprachen, bis auf das eine Mal, als ihre Freundschaft ihren Anfang genommen hatte.

Mooldrad hatte alle vier Hände damit zu tun, seinem Greifen die Federn zu pflegen, reinigte sie mit den speziellen Bürsten, um damit das Ungeziefer aus den Federn und von der Haut zu kämmen. Hombroohrs Freundes Haut war eher grünblau, natürlich auch bedeckt mit Tätowierungen, aber dessen Haare waren genauso schwarz wie die aller Lungas von Natur aus.

„Ich muss dir etwas erzählen, mein alter Freund“, stieß Hombroohr hervor.

„Ist ja gut“, antwortete sein Herzensbruder, ,,du musst dich nicht gleich von der Wolke stürzen. Kümmere dich erstmal um Krei, dann genehmigen wir uns einen Schluck und du kannst mir von deinen Heldentaten berichten.“

Hombroohr atmete tief ein, dass sich sein Rumpf wölbte. Mooldrad hörte sich immer etwas spöttisch an, doch er kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass dieser so nur seine Unsicherheit ihm gegenüber verbarg.

„Nun gut“, meinte er und ging in den Verschlag nebenan. „Hallo, Kleiner“, begrüßte er sein Tier, welches ihn um einiges überragte. Er kannte seinen Greifen schon fast vom Ei an. Dies war auch nötig. Nur so konnte sich das wilde Wesen an seinen Reiter gewöhnen, nur so folgte es den Befehlen seines Reiters und trug ihn durch die Lüfte. Inzwischen bestand eine enge Verbundenheit zwischen ihnen. Liebevoll kraulte Hombroohr Krei mit allen vier Händen und machte sich dann daran, ihm die hellbraunen Federn zu reinigen. Obzwar er es eilig hatte, tat er dies gründlich und gewissenhaft. Krei war mehr als ein Flugtier und nicht so einfach zu ersetzen wie andere Reittiere, die weitaus gewöhnlicher waren. Ikpinei gab es in jeder einigermaßen großen Ortschaft in den Bergen Lias‘, und wurde ein Ikpinei zu alt oder gar krank, so ersetze man es einfach. Ein Greif war ein Begleiter für das Leben. Nachdem er das Federkleid gereinigt und gestriegelt hatte, füllte er dem Tier die Tränke und setzte ihm frische große Fleischstücke vor. Schließlich verabschiedete er sich von dem Greif und begab sich mit Mooldrad in die Schenke.

 

Die Schenke „Arteseis1 Freunde“ lag auf der anderen Seite von Illaman, der kleinen Ortschaft, in der sie seit ihrer Kindheit lebten und die sie nur für die paar Jahre, die sie auf Iliki Ipa Ipa verbrachten, verlassen hatten. Freilich war dies nicht die einzige Schenke im Ort. „Zur Klamm“ bot gutes Essen und „Die sechs Winde“ viele Spiele. „Zum lächelnden Luftdrachen“ war den Gutbetuchten vorbehalten, denn ein einziges Glas Wein hätte Hombroohr und Mooldrad mehr als derer zwei Humpen Bier in „Arteseis Freunde“ gekostet. In der „Ratstränke“ kehrten die Ratsherren ein und andere Leute, die sich für wichtig hielten und das gerne zeigten. „Albertus’ Turm“ war ihr Treffpunkt, wenn sie mit den anderen Greifenreitern tranken, doch dort würden sie nicht auf Perlieke treffen, und natürlich gefiel ihm der Gedanke, sie zu sehen.

Illaman war nicht wirklich groß, lag jedoch im Zentrum der Region und eine größere Stadt war weit, breit und hoch nicht zu finden. Die Festung der Greifenreiter lag direkt am Rand der Ortschaft, wie auch die Magiergilde „Vier Hände der Luft“, deren einzige Vertretung der Gegend ebenfalls in Illaman angesiedelt war. Der Wochenmarkt war ein beliebter Treffpunkt für die Bewohner der Dörfer, der Bauern und der Händler der Region und fand jeden Medium und jeden Supremus statt - Mittelwoch2 und Sonnenabend, wie die Menschen diese Tage meist nannten. Gut dreihundert kleine Häuser reihten sich um den Dorfplatz, an dem die wichtigsten und größten Gebäude lagen: Das Dorfhaus, in dem der Rat tagte und Schule für die Kinder gehalten wurde, die „Ratstränke“, die Mooldrad und er so gut es ging mieden, und die Bücherrei von Illaman. Daneben war Amysa, der Tempel des geschlechtslosen Gottes Aphix, Pate des Fliegens, und der Emphysa, Göttin der Luft, zu finden. Das Gildenhaus der „Vier Hände der Luft“ zwängte sich zwischen die Tempel des Todes und des Lebens. Neben letzterem lag das Schreinhaus, der größte Tempel Illamans, in dem weitere Götter der Luft, der Ordnung, der Erde, des Wassers und des Feuers verehrt wurden. Dieses schloss sich wieder an das Dorfhaus an, sodass der Kreis vollendet war.

Eben jenen Dorfplatz galt es zu überqueren, um sich dann den Weg an der alten Klamm entlang, auf dem sie auch das „Gasthaus zur Klamm“ passierten, abwärts zu wagen. Hier wohnten zahlreiche Handwerker und so mancher Laden bot seine Waren an. Am Ende des Weges, ganz am anderen Rand des Ortes, gab es zwei Pfade. Der eine führte hinab zum Nebelozean, der andere hinauf in die Berge, den sie nahmen, um ein kleines Stück aufwärts zu gelangen. Dort auf einem Absatz, einem kleinen Felsplateau, lag „Arteseis Freunde“. Von hier aus ging es nur noch zu den Höfen, den benachbarten Orten und zum Magi.

Ein Besuch beim Magi lag an diesem Abend nicht im Interesse Hombroohrs und so warf er nur einen kurzen Blick auf den alten Turm, der anders als alle anderen Häuser, die er je betreten hatte, aus Metall war. Nirgendwo hatte er ein zweites solches Gebilde gesehen und nirgendwo einen so seltsamen Mann getroffen. Der Magi hieß eigentlich Bulgraam und gehörte, wie Hombroohr und die meisten anderen Einwohner Illamans, dem Volk der Lunga an. Der Magi war natürlich nicht der einzige Magier - oder eben Magi - im Orte, schließlich gab es die Gilde, doch wenn jemand Magi sagte, so meinte dieser mit Sicherheit Bulgraam, den Sonderbaren.

Sein Blick verweilte nur kurz auf dem eigentümlichen Turme, denn sie hatten bereits die Türe des Gasthauses erreicht und Mooldrad hielt sie ihm offen. Er würde den Turm wiedersehen, wenn sie das Gasthaus verließen, denn dieser metallene Koloss thronte über dem Schober auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Hofs, direkt neben der Stallung, wo man sein Ikpinei3 für die Nacht unterbringen konnte. Wagen hatten hier freilich keinen Platz, denn kein einziger Weg aus Illaman heraus ließ sich befahren.

„Kommt rein, ihr zwei!“, empfing sie der Wirt lauthals. Sein Ebenbild lächelte von einem Portrait hinter der Theke herab, doch es zeigte nicht den Wirt Ulemeis4, sondern dessen Vater Arteseis. „Ich setze einen schwarzen Ring, dass es euch nach einem Leichten gelüstet!“

„Fürwahr, Herr Wirt, zwei Humpen bringet uns!“, lachte Mooldrad und warf einen schwarzen Ring in die Luft, den er just vom Finger gezogen hatte. „Ihr sehet, ich zahle in barem Ring!“

„Stecke er sein Ringlein auf und ziehe er zwei Goldene ab, dann will ich ihm wohl zwei Rote herausgeben“, lachte der Wirt, „ansonsten wird es kein Bier geben für euch!“

„Dann will ich wohl die 40 Ringe aufbringen“, stimmte Moodrad zu und legte zwei Goldene auf den Tisch, die den Wert von 50 Ringen zusammen hatten. 10 Ringe, also zwei Rote, gab es dafür zurück. Drei unterschiedliche Ringe konnte man finden. Die Schwarzen besaßen den geringsten Wert und zählten eins. Fünf Schwarze entsprachen einem roten Ring und fünfundzwanzig schwarze einem goldenen. Für einhundert Ringe - also einhundert der schwarzen oder vier der goldenen - gab es einen Brunnen, der einem Ring auf dem ersten Blick sehr ähnlich sah, doch das Ringloch wurde durch einen Tropfen flüssigen Metalls ausgefüllt, das hinfortwich, steckte man seinen Finger hindurch, und zurückfloss, wenn man ihn abzog. Zwölf Brunnen hatten den Wert einer Wolkenperle, die es wiederum mit einfachem Wert in Weiß, dem fünffachen Wert in Gelb und dem fünfundzwanzigfachen Wert in Blau gab. Er steckte die beiden Ringe mit den rot leuchtenden Gravuren auf einen seiner Finger.

„Mooldrad“, flüsterte Hombroohr verschworen, nachdem sie sich niedergelassen und einen Humpen mit Wasser gestreckten Fruchtwein vor sich hatten, „mir träumte immer wieder der gleiche Traum.“

„Wie? Hombroohr, der Große und Mutige, hat Albträume?“, antwortete sein Gegenüber scherzhaft und etwas zu laut und nahm einen tiefen Schluck.

„Nein. Hör zu, es scheint mir kein gewöhnlicher Traum zu sein. Eher eine Vorsehung.“

„Ach?“ Mooldrads Blick zeugte von überraschter Skepsis.

„Ja. Ich muss bestimmte Dinge finden und damit ein Land mit Namen Phalsamt erlösen. Nur weiß ich nicht, wo dieses Land liegt. Ich weiß aber genau, dass es kein Traum ist. Eine göttliche Stimme sprach zu mir und befahl es mir. Sie hat mich ausgesucht, ich darf mich nicht widersetzten. Ich glaube, es ist meine Aufgabe diese Objekte aus meinen Träumen zu suchen und zusammenzutragen.“

Währenddessen wich das spöttische Lächeln auf Mooldrads Gesicht echter Überraschung mit einer Spur von Besorgnis. „Hast du heute schon mehr Wein getrunken, als ich annahm? Möchtest du mich irgendwie hereinlegen oder dich wichtigmachen? Oder hat dich dein Aufstiegsdrang nun überschnappen lassen? Du wolltest doch unserer Heimat zu neuem Glanz verhelfen und nicht irgendwelchen Hirngespinsten erfundener Länder folgen?“

„Ich weiß ja auch nicht, was ich davon halten soll. Aber es ist mehr als ein Traum. Ich muss etwas über dieses Phalsamt herausfinden. Bitte erzähle niemandem davon. Diese Visionen ... sie suchen mich immer wieder heim, immer wieder ist es der gleiche Traum. Ich muss auf die Erdebene. Ich bin mir sicher, dass dort der Ursprung der Visionen liegt!“

„Na“, meinte sein Freund geringschätzig, „das wäre auch nicht gut für dich. Glauben doch alle an deinen klaren Geist. Aber an deiner Stelle würde ich mal die Nase in Bücher stecken oder Treike fragen. Oder ...“ Mooldrad zögerte. „Ja, du gehst zum Magi! Mein Urgroßvater ging immer zu ihm, wenn niemand weiterwusste!“