Wo die wilden Babenhausen (Süd) 2 - Ingo R. R. Höckenschnieder - E-Book
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Wo die wilden Babenhausen (Süd) 2 E-Book

Ingo R. R. Höckenschnieder

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Beschreibung

Eine verborgene Kultur? Menschen, die mitten in Deutschland wie die Germanen aus der Geschichte leben? Fantastische Kreaturen? Magie? Und das in fünf (fast) absolut wahren Reiseberichten? Glauben Sie es oder glauben Sie es, denn es hat sich alles (fast) genauso zugetragen, wie in diesem Buch beschrieben! Begleiten Sie den heldenhaften (und verdammt gut aussehenden) Berichterstatter auf seine drei weiteren magischen Reisen in die geheime Welt der Baben. Wo die wilden Babenhausen (Süd) – Band 2

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Trilogie von fünf Reiseberichten in

zwei Bänden

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

EbookOriginalausgabe März 2023 – 1. Auflage

Pohlmann Verlag

Alle Rechte bei Ingo R. R. Höckenschnieder

Coverbild und Illustrationen: Marina Fahrenbach

Coverdesign: Andreas Wieckowski ([email protected])

Lektorin: Stefanie Höckenschnieder

© Gesamtherstellung: Pohlmann Verlag, 49196 Bad Laer

www.pohlmannverlag.de

ISBN 9783948552220

Ingo R. R. Höckenschnieder

Ein (fast) absolut wahrer Reisebericht

Band II

Pohlmann Verlag

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Die vierte Reise

Eben gerad‘ die Welt retten

So ein Krach

Der Geist der Verquerung

Die Frau, die gekommen gewesen sein werden wird

Nachspiel

Die verschobene dritte Reise

Der Mohrakopf

Babenhausen [Nord]!

Der Ton macht die Musik

Der Feuerberg

Der Winter naht!

Das Beste kommt zum Schluss ... oder davor

Die vorerst fast letzte Reise

Ein Wiedersehen

Als seien es Hidden

Wo die Sparren harren

Krieg!

Ein Abschied

Anhängende Anhänge

Von den Bändern

Personen

Ingo R. R. Höckenschnieder

Unabhängige Pressestimmen

 

Die vierte Reise

Es klopfte.

Da stellen sich dem Hörer des Klopfens und vielleicht auch dem geneigten Leser gleich mehrere Fragen: Wer klopfet da? Wo klopfet er oder sie an? Warum klopfet es? Wo war ich überhaupt? Und hat das Klopfen etwas mit der Reise nach Babenhausen (Süd) zu tun oder schreibt der Autor nur etwas vom Klopfen, weil er nicht wusste, wie er sonst mit der vierten Reise beginnen sollte?

Ha, ha! Mitnichten, dachte ich dazu nur! Jawohl, es hatte sehr wohl etwas mit der vierten Reise zu tun, und zwar kann man diesen Moment des Klopfens sogar als initialen Zeitpunkt der folgenden Abenteuer sehen – jedenfalls so weit sie mich betreffen. Da bleiben wohl einige andere Fragen zu klären. Nachdem die letzte aller Fragen in diesem Kontext gar vorzüglich behandelt wurde, ist es nur recht und billig, sich gleich der davor zu widmen und nicht mit dem schnöden Anfang der Fragen zu beginnen. Das können wir gerne daraufhin erledigen. Zuerst aber: Wo war ich überhaupt?

Eine wirklich herrliche Frage. Wo bin ich und wenn ja, wie führt es mich zu meinem Bericht? So viele Aspekte, die sich bei der Antwort berücksichtigen lassen und doch war sie gar simpel zu beantworten. Nicht, dass ich das tun würde, sie simpel beantworten, meine ich. Nein, nein! Jetzt, da Sie schon von zwei Reisen wissen, gibt es so viele Verstrickungen mit den ersten beiden Erlebnissen in Babenhausen (Süd) zu beachten, nur in diesem Fall wäre das unnötig. Ich saß nämlich gerade in meinem Büro und traf eine Taste der Tastatur meines Arbeitsrechners, die ich eher gelangweilt drückte, nicht nur, weil es sich um die falsche Taste handelte, aber vielleicht auch deswegen. Jedenfalls saß ich auf einem Drehstuhl! Merken Sie sich das gut, das ist nämlich durchaus keine relevante Information und wird daher auch von mir nicht wiederholt werden. Wenn Sie das also vergessen, tja, dann fehlt Ihnen das nicht am Ende der Geschichte. Außerdem saß ich dort zwischen meiner zweiten und meiner dritten Reise, die ich kaum erwarten konnte, was das Desinteresse am fehlgetippten Wort erklären mag. Des Weiteren sind die AnforderungenJ, stand dort und so es nach mir ging, konnte es dort auch stehen bleiben.

Aber wie gesagt: Es klopfte.

Und zwar zum zweiten Mal, dabei haben wir nicht einmal die Fragen des ersten Klopfens ausführlich geklärt. Also hurtig nun. Es war Henning, der an der Tür klopfte und er tat dies, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass er mich anzusprechen gedachte. Hätten Sie, geehrte Leser, sich nicht solche Gedanken gemacht, wären wir schon längst fertig gewesen mit der Klärung der Fragen, wie man nun sehen mag. Geht doch!

„Ja?“, fragte ich voller Enthusiasmus.

„Was ist denn los? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?“, wunderte Henning sich.

Henning war einer meiner Arbeitskollegen, schon etwas älter, jedoch eine durch und durch freundliche Persönlichkeit. Wir hatten meist jede Menge Spaß zusammen und mit dem ein oder anderen weiteren Kollegen schon ab und zu ordentlich auf den Putz gehauen.

„Ach, ich weiß nicht. Heute ist nicht mein Tag. Ich muss dieses Konzept hier für einen Kunden schreiben, aber irgendwie ist alles unrund und ich komme einfach nicht in den Flow. Vielleicht gehe ich für heute nach Hause und arbeite morgen weiter daran“, erklärte ich tippenderweise und las leise das geschriebene Wort. „Des Weiteren sind die Anforderungenbla, bla, bla!“

Henning warf mir einen kurzen Blick über die Schulter und runzelte seine Stirn, als er zur dreifach ausgeführten Silbe „bla“ kam. Er schüttelte den Kopf.

„Vielleicht kann ich dich aufheitern“, grinste Henning. „Sieh mal, wer sich als Bundeskanzler bewerben will. Er sieht aus wie eine Mischung aus diesem ehemaligen US-Präsidenten und einem Halbaffen. Wobei der ja auch wie einer ausschaute“, scherzte mein Kollege.

Wow! Solch ein Satz aus Hennings Mund? Ich war überrascht. Er war eigentlich immer höflich und beleidigte nie jemanden. Just als ich ihn fragen wollte, wieso er so gemein sei, schob er mir die Zeitung unter den Mund, dass mir die Kinnlade abwechselnd runterfiel und nach oben klappte.

„Panne Bockmist“, hieß es da und darunter: „Der Showmaster und Milliardär wurde von der Alternative für Dumme zum Kanzlerkandidaten gewählt.“ Ich öffnete meinen Mund ... wusste nichts zu sagen und schloss ihn wieder.

„Verrückt, oder?! Hast du schon mal eine solche Haartolle gesehen?“

Ja – ja, das hatte ich. „Das ist kein Halbaffe, das ist ein Trollander!“, stellte ich entsetzt fest.

Henning, der meine Geschichten natürlich kannte, sah mich überrascht an.

„Wirklich? Das ist ein Trollander? Aber ... das ist ja schrecklich! Wenn nur die Hälfte deiner Geschichten stimmt ... Das wäre das Ende Deutschlands, oder?!“

„Also jeder einzelne Reisebericht ist die lupenreinste Wahrheit“, erinnerte ich ihn. Und es kann doch niemand so dumm sein, auf die Sprüche eines Trollanders hereinzufallen“, widersprach ich. Und dann fiel mir ein, dass in einem anderen großen Land der westlichen Hemisphäre schon einmal ein Trollander regiert hatte. „Das ist eine Katastrophe!“

„Verdammt, du hast recht! Da muss man doch was tun können!“ Natürlich musste ich meinem Chef noch berichten, dass ich mal kurz (ein paar Tage, Wochen oder Monate) nicht verfügbar sein würde. Er blickte mich an, als ich in sein Büro kam.

„Na, Ingo? Bist du am Freitag auch dabei beim Grillabend?“

„Ich wär so gern dabei gewesen“, seufzte ich. „Doch ich hab‘ viel zu viel zu tun, lass‘ uns später weiterreden. Da draußen brauchen sie mich jetzt – die Situation wird unterschätzt und vielleicht hängt unser Leben davon ab!“

„Ist das nicht ein Liedtext?“ Er zog eine einzelne Augenbraue hoch, was mich vor Neid erblassen ließ. Wieso können das alle, außer mir?

„Vielleicht, aber die Situation ist ernst!“ Ich donnerte ihm Hennings Zeitung vor die Nase. „Das ist ein Trollander! Und er wird Chaos über die Welt bringen, wenn ich nichts unternehme! Wir müssen den Schaden so gering wie möglich halten!“

Mein Chef musterte die Zeitung. „Das ist ja furchtbar. Ich wusste gar nicht, dass es so abgrundtief hässliche Wesen gibt – innerlich wie äußerlich! Nein, du hast recht. Das ist wichtiger! Nimm dir alle Zeit, die du brauchst, und rette uns alle!“

Gesagt, getan! Ich verschob also meine dritte Reise und trat direkt die vierte nach Babenhausen an.

Ich brauchte die Baben und wir würden gemeinsam darüber nachdenken müssen, was gegen den Trollander zu tun sei. Also staffierte ich mich mit allerlei Nützlichem und packte meine sieben Sachen: Rucksack, Handtuch, Waschsachen,

Taschenlampe, den Dolch der Fahlen, mein Smartphone mit Fotos und Videos von Panne Bockmist, meine Decke ... Moment Mal! Da war ich ja schon bei sieben, also gut. Ich packte ein paar mehr als sieben Dinge ein. Kleidung brauchte ich, meinen Ohrenschutz, den ich bislang zwar nicht benötigt hatte, aber man konnte ja nie wissen, und natürlich noch Geschenke und Kekse. Kekse sollte man immer dabeihaben! Zwischen meinen Sachen fand ich noch einen, gar nicht mal so kleinen Edelstein. „Ein Smaragd?“, staunte ich. „Wo habe ich denn einen Smaragd her?“ Ich musterte ihn von allen Seiten. Trotz der Größe war ich mir sicher, nein, ich wusste, dass es ein Smaragd war. „Na, du wirst wohl eine Bedeutung haben, wenn du zwischen meinen Reiseuntensilien bist. Besser ich nehme dich mit mir.“ Gut gerüstet und frisch gekämmt ging ich also zur Bahn, streckte mein Handtuch heraus und hielt den Zug an. „Gut, dass Sie gehalten haben“, dankte ich dem Fahrer.

„Hier ist ohnehin eine Haltestelle und wir halten hier immer an“, verkündete er wohl scherzhaft.

„Wäre schlecht gewesen, wenn Sie mich nicht gesehen hätten und vorbeigefahren wären! Aber ich hatte ja Glück! Also auf nach Babenhausen (Süd)!“

„Ach – Sie sind das! Dann herzlich willkommen. Aber wir sind auf der falschen Linie. Das hier ist doch Linie 2 und nicht Linie 3.“ Der Mann zögerte einen Augenblick. „Ach, wissen Sie was? Ich biege gleich einfach ab und bringe Sie direkt dahin. Ich denke, die anderen Fahrgäste werden nichts dagegen haben.“

Aber natürlich hatten sie nichts dagegen. Allgemeiner Jubel brach aus, als die anderen Mitreisenden hörten, dass wir heute mal ganz woanders hinfahren würden und dass es nach Babenhausen (Süd) ging. Viele wollten mir die Hände schütteln und taten das auch.

Unterwegs sammelten wir noch Susanne Spinner ein und fuhren dann singend und tanzend weiter. Wir sangen „Ach, wärst du doch in Babenhausen (Süd) geblieben! Du wirst immer ein Held für mich und ganz Bielefeld sein!“ und andere tolle Lieder, die eigentlich jeder aus der Region kannte und deren Neuauflagen auch jedes Jahr wieder an die Spitze der lokalen Musikcharts stürmen.

„Sag mal, habe ich deine dritte Reise verpasst?“, wollte Susanne wissen.

„Nein, nein, die werde ich noch gemacht gehabt haben werden. Aber aus gegebenem Anlass und zur Rettung der Welt habe ich direkt meine vierte Reise angetreten. Die dritte mache ich dann noch etwas früher. Sodass wir uns in Zukunft heute bereits gesehen gehaben werden haben.“

„Oh, das wird mich sehr gefreut gehabt haben werden!“

„Ich glaube, du bringst da Futur III für in der Zukunft abgeschlossene Ereignisse der Vergangenheit mit Perfekt Futur für in der Vergangenheit abgeschlossene Ereignisse der Zukunft durcheinander!“

Sie blickte mich einen Moment lang an. „Ja, ich glaube, du hast da recht. Dann müsste es ‚mich gefreut gehabt werden haben‘ heißen?“

„Korrekt!“

Auch andere Fahrgäste pflichteten uns bei. Grammatik und Rechtschreibung waren seit eh und je Steckenpferde der meisten Bewohner Bielefelds, dass selbst der Duden vor jeder neuen Ausgabe erst einmal in Bielefeld Korrektur gelesen wurde. Nicht umsonst hieß es, die ganze Welt spricht Bielefeld.

Während Susanne und ich uns unterhielten, fiel mein Blick auf eine entgegenkommende Bahn, die vorn „Sonder S“ stehen hatte und in der seltsam viele Menschen in dunklen Anzügen mit Sonnenbrillen an uns vorbeifuhren.

Die Zeit verging wie bei einer Straßenbahnfahrt und da aus Linie 2 einfach die Linie 3 gemacht wurde, fuhr uns der Zugführer keck bis zur Endhaltestelle, dort wo sich Fuchs und Hase nicht Gute Nacht sagen. Ach, verzeihen Sie lieber Leser. Das wäre natürlich die Endhaltestelle der Linie 1 gewesen. Dort leben Fuchs und Hase. Hier war dagegen das Ortsschild von Babenhausen (Süd) und weder Fuchs noch Hase ließen sich blicken.

Winkend fuhren die anderen schließlich und so blieb ich wieder alleine zurück, sah ihnen nach und drehte mich dann zum Wald. Ich ging den schmalen Weg entlang, vorbei an Walderdbeeren und Brombeeren und Fantarisina, die direkt hinter mir aus dem Dickicht sprang.

„INGGOOOOOOOOOOOO!“, schrie sie und ich erschreckte mich so, dass ich einen Purzelbaum schlug. Und hätte sie mir nicht die Hand gereicht und mich aus dem Drehen des Purzelbaumes herausgezogen, hätte ich dank des Schwungs vielleicht noch eine weitere Stunde oder vielleicht sogar mehrere dort durchgedreht. So aber zog sie mich rasch auf.

„Musst du mich jedes Mal so erschrecken, Fantarisina?“, keuchte ich.

„Jaaaaa – ja, das muss ich. Ich bin die offizielle Gasterschreckerin seit fünf Jahren, eingetragenes Warenzeichen von Babenhausen (Süd). Und ehrlich, ich hatte mir mehr von diesem Job versprochen, denn eigentlich kommst nur du her und die Frau von deiner dritten Reise. Aber Moment mal. Hat die dritte Reise überhaupt schon stattgefunden?“

„Mitnichten, liebe Fantarisina. Aber ich werde noch gekommen gewesen gehabt werden“, erklärte ich. „Ich musste sie aufgrund ganz furchtbarer Ereignisse verschieben und stattdessen direkt zur vierten Reise übergehen.“

„Na, kein Wunder, dass das alles so verschwommen vor mir liegt. Du bist auf jeden Fall der liebste Gast, den ich erschrecke!“ Was für ein schönes Kompliment. „Darf ich dich nach Babenhausen (Süd) führen?“

„Ich bitte darum!“

„Sonst warst du ja immer schon morgens da oder wirst morgens da gewesen geworden werden sein!“

„Ja, aber es eilt, es drängt, so packte ich meine sieben ... acht ... neun ... meine Sachen und stürmte vorwärts, euch zu besuchen!“

„Ist es so schlimm?“

„Nein, es ist noch viel schlimmer!“

Fantarisina zog vor Schreck Luft ein, wankte kurz etwas, bis sie die Fassung zurückerlangt hatte und eilte mir voraus ins Dorf.

Als wir aus dem Wald brachen, blickten wir auf das Dorf, das in das orangerote Licht der untergehenden Sonne getaucht war. Alle Dächer wirkten, als seien sie frisch orangefarben gestrichen worden.

„Wie findest du es?“, fragte Fantarisina.

„Das Dorf sieht malerisch im Sonnenuntergang aus. Dieses Licht, sieh‘ nur, wie alles in den Farben der Sonne widerspiegelt, die in das Licht der Sonne getauchten Dächer, Ba, der dem alten Öhm die Haare schneidet, die Leute an der BaBar.“

„Das meine ich nicht“, tadelte sie mich. „Wir haben alle Dächer orange angemalt“, strahlte sie.

„Oh, und ich dachte, das wäre das Licht der Abendsonne. Ja, sehr hübsch! Apropos hübsch: Wo finde ich eigentlich Rosanella?“

„Sie ist am Weiher hinter ihrem Haus und baut einen neuen Steg. Ich bringe dich zu ihr“, schlug sie vor.

„Nein, nein. Ich will sie überraschen!“, erklärte ich. „Du bleibst einfach hier oder gehst zurück in denW ald, Reisende erschrecken.“ Fantarisina blickte mich schmollend an, doch ich ignorierte das und sprang keckernd davon und bremste erst, als ich Rosanellas Hütte erreichte. Leise ging ich um das Haus herum und sah sie auf einer der Planken hocken und eine weitere ausrichten. Geräuschlos schlich ich mich an.

Just in dem Augenblick, als sie sich aufrichtete, fragte ich laut: „Was machst du denn da?“

Rosanella erschrak, fuhr herum, trat auf die frisch ausgelegte und noch nicht befestigte Planke, die sofort zur Seite kippte.

„Ahhhh!“, schrie die Dorflauteste, ruderte mit den Armen, so schnell, dass ihre Arme fast wie sich drehende Räder aussahen und meine Haare nach hinten föhnten. Einige Sekunden lang hing sie in der Luft. Zeit genug, sie zu greifen und vor einem Platscher in den Teich zu bewahren. „Haaaaalt miiiiiich!“, schrie sie.

Ich nahm das zum Anlass, sie leicht gegen die Brust zu stupsen, sodass sie mit einem gewaltigen Platsch im Wasser landete und prustend wieder auftauchte.

„Hallo, Geliebte“, flötete ich.

„Du Arsch!“, fauchte sie, reichte mir die Hand, damit ich ihr heraushalf, doch kaum hatte ich sie ergriffen, sprang sie nach hinten und riss mich mit sich, dass wir beide im Wasser landeten.

Lachend und wasserspeiend tauchten wir wieder auf.

„Jetzt ist meine Kleidung ganz nass“, spielte ich den Beleidigten.

„Dann musst du sie wohl ausziehen“, grinste die Dorflauteste und nahm ihren eigenen Vorschlag als Anlass, mir dabei zu helfen.

„Aber kann uns hier niemand sehen?“, warf ich ein und schaute mich um. „Das liegt doch an dir“, lachte sie.

„Ach ja!“

Niemand kam an den Weiher und niemand beobachtete uns, als wir einander leidenschaftlich begrüßten.

„Zwei mal!“, feixte Rosanella. „Und wenn du mich gelassen hättest, hätten wir uns noch ein drittes Mal begrüßt.“ Sie zwinkerte mir eindeutig zu.

„Das weiß ich. Aber ich brauche jetzt eine Pause und etwas zu essen!“

Sie zuckte mit den Schultern, als sei es ihr egal, aber ich sah ihre Enttäuschung in ihrem Gesicht.

„Übertreib‘ mal bitte nicht so. Ich bin doch keine Sexbesessene!“, fuhr sie mich an. „Außerdem könntest du diese Stellen ja einfach in deinem Bericht ausfallen lassen. Du bist es doch, der das immer wieder erwähnt“, wies sie mich zurecht.

„Entschuldigung“, bat ich mit gesenktem Kopf.

„Los, wir gehen zu Ba, der macht heute Ba-Bi-Kuh!“

„Babi was?“

„Ba berühmtes Bier und Kuh grillen, mit leckeren Steaks: Ba-Bi-Kuh“, erklärte sie mir.

„Das wäre doch was!“

Ba hatte seinen Haarschneideschemel beiseitegestellt und stattdessen ein paar große Feuer geschürt, über dem sich1 schon das ein oder andere Urrind drehte.

„Möchte irgend jemand etwas Schwein?“, fragte Ba und in diesem Moment fiel mir wieder ein, weswegen ich zurück nach Babenhausen (Süd) gekehrt war.

„Wegen der schönen Mädchen?“ Rosanella sah mich mit einem süßen Augenaufschlag an.

„Ähm, ja. Das war Grund eins! Aber es gibt noch einen zweiten Faktor, der mich zu euch brachte.“

„Manchmal redest du wirklich geschwollen“, stöhnte sie.

„Dankeschön!“, freute ich mich über das tolle Kompliment. Sie schüttelte nur leise stöhnend ihren Kopf. Ich nahm an, sie war traurig, die geschwollene Sprechweise nicht selbst so formidabel zu beherrschen. „Auf jeden Fall habe ich ein Video, dass ihr euch unbedingt ansehen müsst“, erklärte ich. „Wartet hier, ich hole es gerade.“

Mein Rucksack lag noch hinter Rosanellas Hütte.

„Muss das jetzt sein? Kann das nicht bis nach dem Essen warten? Oder bis morgen?“, rief die Dorflauteste mir nach.

„Nein, nein, auf keinen Fall!“

Ich holte also mein Telefon und startete das Video.

Die Baben blickten im ersten Moment genervt auf den kleinen Bildschirm, dann rissen sie die Augen auf. „Das kann doch nicht sein!“, riefen der, den ich nicht mehr den alten Öhm nennen darf, also nur Öhm, und Jock, der auf seinem Esel angeritten war, gleichzeitig. Nur dass Jock andere Worte benutze: „Da wird ja das Huhn auf der Tanne verrückt!“, erschrak er, drehte sich zu mir und fragte mich: „Wusstest du eigentlich, dass mein Esel auch Ingo heißt?“

Ich senkte meinen Blick zu Boden und schüttelte resigniert den Kopf. Schwermütig atmete ich tief aus und ein.

„Hatte ich dir das schon erzählt?“

„Ja – ja, ich glaube, das hast du“, antwortete ich matt.

„Und du bist mein kleiner Esel“, flüsterte mir Rosanella ins Ohr. Sie grinste so intensiv, dass ich das am Klang ihrer Stimme hören konnte, ohne aufzublicken.

„Heute Nacht werde ich weinen“, erwiderte ich gebrochen.

„Was ist denn das für ein böser Zauber?“ Tjonken tippte wild auf meinem Telefon herum. „Das kann doch nicht wahr sein!“

„Und doch ist es das. Darum kam ich her. Doch jetzt bin ich ein gebrochener Mann, der nicht mehr ausziehen kann, einen Trollander zu bekämpfen“, schniefte ich. „Ich bin nur noch das traurige Überbleibsel meiner selbst – jemand, der dauernd Esel genannt wird.“

„Jetzt aber mal nicht so störrisch, Ingo! Jawohl! Ich meine dich!“ Die Dorfvorlauteste tippte mir fest auf den Oberarm, dass es schmerzte. „Und keinen Esel!“, lachte sie.

„Argh! Ich werde dich übers Knie legen und dir den Hintern versohlen!“, schrie ich laut auf.

„Oh, wie schön!“, freute sie sich.

„Ja, ja, das mag unsere Rosanella am liebsten“, mischte sich der, der nicht der alte Öhm genannt werden wollte, ein.

Auch die anderen Baben nickten zustimmend. Ich schnaubte verächtlich.

„Komm! Du bestrafst mich fest und dann denken wir uns einen Plan aus!“, schlug Rosanella vor und ließ mich nicht einmal mehr widersprechen, so schnell hatte sie mich gepackt und brachte mich in ihr Haus.

Der Plan musste bis zum folgenden Tag warten. Ich schob dem anderen jüngeren Öhm Papier und Stift zu.

„Hier schreib bitte auf!“

„Wieso machst du das nicht?“

„Meine Hand schmerzt ... ich hab‘ wohl ... falschgelegen oder so!“, sagte ich beiläufig und alle, wirklich alle grinsten.

„Falschgelegen oder so!“, lachte Rosanella, mich nachäffend, und rieb sich ihre Pobacken.

„Also mal bitte etwas mehr Konzentration, bitte“, ermahnte ich die Baben, die sich eingefunden hatten.

„Wir sollten das bei Ba fortsetzen“, schlug ein Babe vor, an dessen Namen ich mich nicht erinnern konnte, „immerhin ist es ja planba!“

Sofort sprangen die anderen auf.

„Tolle Idee!“, schrien sie und sie eilten zu Ba.

„Wer bist du noch mal?“ Ich stupste den Baben an, der den Vorschlag gemacht hatte, unser Planungshauptquartier in Rosanellas Wohnzimmer gegen Bas Ba(r) zu tauschen.

„Ich bin Folkward, Cousin des jungen Öhm“, erklärte er. „Und du?“

„Ich bin Ingo!“

„Ach, du bist Ingo“, frönte er übertrieben kursiv betont.

Wenn er jetzt ‚wie Jocks Esel‘ sagt, dann jag‘ ich ihn durchs Dorf und werde ihn zum Weinen bringen.

Sein Lächeln gefror, als er meinen Blick sah.

„Ja!“, mit stechendem Blick und malignem Tonfall trieb ich ihm den Spott aus. „Setzen!“

Sofort nahm er Platz auf der Stelle, wo er war, und so saß er zwei Meter von dem Tisch entfernt auf dem Boden. Ich deutete ihm mit zwei Fingern, dass ich ihn im Auge behalten würde, und wandte mich den anderen zu.

Am Kopfende des Tisches hatte der alte Öhm Platz genommen. „Nenn mich bitte ni...“, begann der alte Öhm, doch ich musste ihn nur scharf ansehen, um ihn zum Schweigen zu bringen.

„Das ist mein Platz!“, sagte ich knapp, blickte ihm forsch in die Augen.

Der alte Öhm sprang auf und bot mir den Stuhl an. „Möchtest du etwas trinken?“, fragte er mich vorsichtig.

„Ja! Bier! Alkoholfrei! Kalt! Schnell!“

Der alte Öhm stürmte los und brauchte tatsächlich nicht lang, um mir mein Bier zu beschaffen.

„Du machst hier allen Angst“, flüsterte mir die Dorflauteste ins Ohr, als sie neben mir Platz nahm.

„Ich will jetzt keine Unterbrechungen wegen Nichtigkeiten und keine schelmischen Sprüche mehr hören. Sonst werde ich denjenigen so zum Heulen bringen, dass er fortan kleines Mädchen genannt wird. Ist das klar?!“

„Absolut klar!“, antworteten alle Anwesenden bis auf Rosanella sofort.

„Hat jemand ein Problem damit?“

„Nein, Hexenmeister!“, versicherten sie mir sofort.

„Gut! Wir haben zwecks einer wichtigen Angelgenheit Rat zu halten. Es gibt einen Trollander, der Bundeskanzler werden will. Und er führt nichts Gutes im Schilde. Also was werden wir unternehmen?“

„Wir könnten ihn beseitigen und gegen Tjonken austauschen.“ Ich musterte Ba ernst.

„Wie in aller Welt sollten wir das tun, ohne dass man es bemerkt? Tjonken ist über zwei Meter zwanzig, stark und eindrucksvoll. Der Trollander ist klein, hässlich und ... ekelhaft!“

Alle nickten, als wäre es ihnen vorher nicht in den Kopf gekommen.

„Wie wäre es denn“, begann Rosanella, derweil ich von meinem frisch gezapften Alkoholfreien nippte, „wenn wir den Menschen zeigen, was ein Trollander wirklich ist!?“

„Keine schlechte Idee, wir müssen den Menschen zeigen, wie Trollander sind. Was hinter ihnen steckt und hinter ihren Reden, dass alles nur Lüge und Schein ist! Wenn sie das sehen, werden sie ihn nicht wählen und stattdessen verjagen!“ Zustimmung wurde gemurmelt und nach Bier wurde gerufen. Wir feilten noch etwas an dem Plan und beschlossen eine schnelle Eingreiftruppe zu entsenden.

„Mein Bruder kann uns sicher helfen, er jagt doch Trollander, die sich in die neue Welt durchschlagen“, warf Rosanella ein. „Die Frage ist nur, wer von uns gehen wird! Wir können ja schlecht eine ganze Armee schicken, oder?“

Sofort entbrannte eine fatigante Diskussion, wer zu schicken sei, und ein jeder behauptete, zu der Mission unerlässliche Fähigkeiten beisteuern zu können.

Ich erhob mich. „Ihr klärt das unter euch“, stellte ich fest und ließ die wilde Diskussion hinter mir, sintemal ich ohnehin wusste, welche zwei Personen auf jeden Fall geschickt werden würden. Ohne ihren Hexenmeister würden die Baben wohl kaum aufbrechen und die Dorflauteste hatte ja die Befugnis und Anrecht, zu entscheiden, dass sie gehen würde. Ich schickte mich also an, ein Bad an den heißen Quellen zu nehmen, und ich genoss die Stille. Bis sie dann unterbrochen wurde.

„Hallo“, grinste mich die holdselige Dorfschönste an, als ich aus meinem Halbschlaf aufschreckte.

„Dorfschönste?“

„Du!“

„War mir klar, finde ich aber trotzdem gut, dass du das so schreibst!“ Lächelnd stieg sie zu mir in das heiße Nass.

„Und? Habt ihr euch entschieden?“

Rosanella berichtete sospirando von den bisherigen Ergebnissen. „Sospiwiebitte?“

„Sospirando! Seufzend, klagend“, erklärte ich ihr.

„Warum schreibst du das dann nicht?“ Sie musterte mich scharf, worauf ich lediglich mit einem Achselzucken antwortete.

„So ziemlich alle waren sich einig, dass du dabei sein solltest.“

„So ziemlich alle?“, fragte ich überrascht und zog eine Augenbraue hoch.

Meine Babenfreundin lachte laut. „Ingo! Das waren beide Augenbrauen. So zieht man eine hoch“, machte sie mir vor.

„Ja, ja. In Ordnung. Immerhin habe ich es versucht!“

„Fantarisina meinte, du dürftest nicht gehen, wenn sie nicht gehen dürfte, weil du als unser Gast direkt in ihrem Schutz stehen würdest.“

„Ich bin doch nicht nur Gast!“

Rosanella stimmte mir nickenderweise zu. „Du bist natürlich weit mehr als ein Gast. Du bist der Hexenmeister und ein Ehrenbabe unseres Dorfes! Ich konnte mich durchsetzen und entscheiden, dass auch meine Anwesenheit erforderlich sei.“

„Sehr gut! Ich hatte schon befürchtet, dass ich mir vielleicht ein Bett mit dem Alten Öhm teilen müsse und der dann schnarcht“, grinste ich.

„Ach, nur darum geht es dir?“

„Um deine Nähe geht es mir natürlich, geliebte Rosanella. Und weiter?“

Rosanella verdrehte ihre blauen Augen und grochste. „Keine weiteren Ergebnisse. Jeder meint, er wäre gewisslich unersetzbar.“

Ich patschte ins Wasser, atmete durch und blickte die Dorflauteste an.

„Gut! Ich werde morgen Abend entscheiden, wenn die anderen dazu unfähig sind, aber vorher reite ich zu Kastania, um sie zu begrüßen.“

„Wir könnten ja zu zweit ...“

Mit einem Kopfschütteln unterbrach ich Rosanella.

„Du, als Dorflauteste, hast die ehrenwerte Pflicht, dass die Abstimmung in geordneten Bahnen verläuft. Vielleicht überrascht ihr mich ja morgen Abend und präsentiert mir die Delegation“, scherzte ich.

Anstatt mich am folgenden Tag erneut mit irgendwelchen Streitgesprächen zu befassen, ritt ich nach Babenbaden am See und besuchte Kastania.

„Hallo Ingo!“, schrie sie auf, als sie mich in das Wirtshaus ihres Vaters einkehren sah, rannte auf mich zu und sprang mich an, dass ich nach hinten kippte, und bedeckte mich mit Küssen.

„Au!“, sagte ich.

„Der Hexenmeister“, sagte die hochgewachsene Gestalt, die von oben auf mich und Kastania, die auf mir lag, herabschaute. „Ich bin der Vater der jungen Dirn, die du gerade so wild abküsst“, stellte er sich vor.

„Ich werde doch abgeküsst“, jammerte ich und versuchte mich aus den acht bis zwölf Armen Kastanias herauszuwinden. „Angenehm!“

Ich schüttelte seine Hand auf Babenart, als ich mich endlich befreit hatte.

„So! Und was führt dich nach Babenbaden am See?“, hakte ihr Vater, der, obwohl ich nun stand, noch immer auf mich herabblicken konnte, nach.

„Deine schöne Tochter“, gab ich offen zu. „Ich bin gekommen, um sie zu sehen.“

„Du willst Buchania sehen und knutscht vorher noch mit Kastania herum?“, fragte er in einem gespielt ärgerlichen Tonfall.

„Papa!“, maulte Kastania, die das wohl weniger lustig fand. „Du hast auch eine Schwester, Kastania? Wieso verschweigt ihr mir so etwas immer. Kenne ich sie bereits?“

„Nein, du kannst sie nicht kennen. Sie war auf Reisen und ist gerade erst zurückgekehrt. Ach, und wenn man vom ...“ Sie ließ die letzten Worte unausgesprochen.

Herein kam eine Frau, die kurze, struwwelige, blonde Haare hatte und, anders als die meisten Baben, nicht nur einen Lendenschurz trug, sondern eine Art Kleidchen, mit einem Träger auf der rechten Seite, nach links abgeschrägt, sodass zumindest ihr rechter Busen bedeckt war.

„Hallo!“ Sie lächelte mich an. „Bist du Kastanias ominöser Freund, von dem ich dachte, er würde gar nicht existieren? Ich bin Buchania, ihre große Schwester!“

Kastania stöhnte müheschwer, derweil ich ihre Schwester grüßte.

„Ich glaube schon, dass ich existiere“, widersprach ich. „Ich bin Ingo.“

„Der Hexenmeister“, stellte sie fest und musterte mich. Sie hatte leuchtend grüne Augen, die tatsächlich ganz anders wirkten als Kastanias. Man konnte nicht sagen, dass sie nicht hübsch war, und in ihrer Gegenwart schien sich Kastania kleinzumachen.

„Jetzt kennst du meine beiden Töchter“, mischte sich der Wirt wieder ein. „Ich verkaufe sie dir für ein paar ordentliche Pferde“, schlug er lachend vor.

„Papa!“, maulte Kastania.

Buchania indes schien es zu amüsieren. „Wie viele Pferde müsste der Hexenmeister denn für uns berappen?“

„Keine!“, warf ich schnell ein. „Ich habe schon zwei Freundinnen, das reicht mir, und Kastania werde ich einfach entführen, das ist billiger und vor allen Dingen romantischer!“

„Danke, dass du mich vor meiner Familie gerettet hast.“ Kastania drückte mich, als wir den Gasthof verlassen hatten. „Meine Schwester hält sich für die Schönste und mein Vater bestärkt sie auch noch immer darin. Und beide sind ... schwierig!“

„Jetzt habe ich deine Mutter gar nicht kennengelernt!“

„Meine Mutter ist auch nicht im Gasthaus“, berichtete meine zweite Freundin. „Wir finden sie in ihrer Werkstatt.“

Allda fanden wir sie.

Buchsbaumia hatte orange gefärbtes, wild gelocktes Haar und sah tatsächlich wie eine ältere Ausgabe von Kastania aus. Mit anderen Worten: Sie war ebenfalls sehr hübsch. Sie werkelte in der Töpferei und saß neben zwei anderen Damen, die mit ihr zusammen dem Gewerke nachgingen.

„Kastania“, freute sie sich, als wir eintraten. „Und du bist Ingo?“

„Ebendieser“, gab ich zu. „Es ist mir eine Freude, die schöne Mutter der schönen Kastania kennenzulernen“, grüßte ich sie.

„Wie charmant“, freute sich Buchsbaumia. „Darf ich dir zeigen, was wir hier alles machen?“

Sie durfte und tat es. Neben allerlei Porzellan wie Teller, Krüge, Becher und Schalen, gab es auch Vasen und Amulette. Ein ebensolches erhielt ich dann auch noch als Geschenk und sie legte es mir um den Hals.

„Meine anderen beiden Lieben hast du auch bereits kennengelernt?“

„Die beiden Schelme? Sicher“, grinste ich und entlockte Buchsbaumia ein Lächeln. „Buchania ist nicht ganz einfach, aber Schuld ist ihr Vater. Für ihn ist sie die Schönste. Er liebt Kastania über alles, aber in Buchania ist er vernarrt“, berichtete sie.

„Seid bedankt, aber nun muss ich Kastania noch einiges erzählen. Entschuldigt uns bitte.“

„Was?“ Meine Babenbadenfreundin starrte ungläubig auf die kleine Anzeige meines Telefons. „Das ist ja unglaublich! Machen diese Trollander denn vor nichts mehr halt?“

„Im Gegenteil. Sie haben sich schon so manche Herrschaft einverleibt. Dass diese Staatsoberhäupter überhaupt jemand wählt ... Sie alle sind hässlicher als die hässlichste Nacht und sprechen nur boshaft und widerlich – doch fallen die Menschen auf sie herein. Wir müssen das verhindern!“

„Da bin ich dabei.“

„Es wird gerade abgestimmt, wer uns begleitet“, warf ich vorsichtig ein.

„Habt ihr schon eine Abgesandte aus Babenbaden am See?“

„Bislang nicht.“

„Na, dann habt ihr jetzt eine. Und wir erzählen das keinesfalls Eichenhart“, sie blickte mich an und zog eine einzelne Augenbraue hoch, was mich laut aufschluchzen ließ.

Es war bereits dunkel, der Schwarzmond ließ uns nur langsam vorankommen, als wir endlich das fröhlich beleuchtete Dörfchen erreichten. Einige große Feuer brannten auf dem Dorfplatz und zahlreiche Fackeln schmückten die Wege, sodass es ein Leichtes war, die tobende Babenmenge zu entdecken, selbst dann, wenn wir sie nicht laut und deutlich gehört hätten. Seltsame Ringkämpfe fanden statt, als wir den Dorfplatz betraten. Ich sah mich nach Rosanella um, doch sie fand mich, bevor ich sie entdeckte.

„Hallo, Ingo! Kastania!“, rief sie von hinten, dass ich mich erschrocken umdrehte.

„Was ist denn hier los?“, staunte ich.

„Die anderen haben beschlossen, im Wettkampf herauszufinden, wer den Hexenmeister begleiten darf!“

Ich sah, wie Fantarisina einen älteren, hünenhaften Baben verprügelte und quer durch die improvisierte Arena jagte. Er schrie und ich glaubte, Tränen in seinen Augen zu sehen. „Das ist doch gar nicht wahr“, rief er mir zu, rannte an mir vorbei und wurde zu Boden gerissen, als die junge Frau ihn griesgrimmig von hinten ansprang.

Der Rest des Kampfes war so unschön, dass ich davon nicht weiter berichten will. Entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen verfolgte ich die Szene einen Moment, dann wandte ich mich ab und setzte dem Händel ein Ende.

„So! Schluss jetzt!“, mischte ich mich ein. „Ich habe mich entschieden, wer mitkommen wird!“

Die Rufe der Baben brachen ab, der Jubel über Fantarisinas Triumpf verebbte.

„Ich bin aber eine Runde weiter“, jammerte Fantarisina.

„Ja, und jetzt fliegst du nach reichlicher Abwägung meinerseits raus“, erklärte ich, was ein Gemurmel auslöste.

„Wieso das denn?“

„Bist du der Hexenmeister“, fragte ich sie, „oder Dorflauteste?“

Sie schüttelte den Kopf und ich fuhr fort. „Derohalben entscheide ich“, stellte ich klar. „Rosanella und Kastania werden mich begleiten und Tjonken!“

„Ich?“ Tjonken schien überrascht und benötigte einen Moment, bevor er abenteuerbegeistert zustimmte. „Ja, ich begleite euch!“

Alle, wirklich alle anderen Baben haderten mit meiner Wahl und stellten die unterschiedlichsten Fragen.

„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragte Fantarisina.

„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragte der alte Öhm.

„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragte der junge Öhm.

„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragte Ba.

„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragte Fantarisina noch einmal, wohl nur, um mich zu ärgern.

„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragten Tulperinata und Violettina gleichzeitig, blickten einander an und verbesserten sich: „Wieso können wir nicht mitkommen?“

„Gut!“, entschied ich. „Da es keine Einwände mehr gibt, ist es beschlossene Sache.“

Eben gerad‘ die Welt retten

Die Damen, Tjonken und somit auch ich waren erstaunlich sittsam gekleidet. Sie trugen Hosen und Blusen, zumindest die Damen trugen Blusen, denn Tjonken und ich wählten Hemden, dazu Stiefel. Zwar nicht sonderlich modern, aber genügend gekleidet, um in der modernen Welt nicht aufzufallen, brachen wir eben dorthin auf. Genauer gesagt, nach Berlin, wo der Kandidat, der ein wahrhaftiger Trollander war, residierte.

„Moment mal“, warf Kastania ein. „Du hast ja den ersten Teil des Abenteuers völlig unterschlagen!“

„Also ... ich dachte, wir könnten direkt dort beginnen, wo wir in meiner Welt ank...“, begann ich, doch Rosanella schnitt mir mit einer Handbewegung das restliche Wort so ab, dass mir ‚ommen‘ auf die Füße fiel. „Mann, das ist scharf! Sei froh, dass mir das die Zehen nicht abgehackt hat“, maulte ich und schob ‚ommen‘ unter einen Busch; nicht, dass noch jemand darüber stolpert und sich verletzen würde.

„Hier wird nichts unterschlagen!“ Darauf bestand sie. „Darauf bestehe ich!“

Nun, damit waren wir vorerst wieder nur im Lendenschurz und brachen am folgenden Tag direkt Richtung Hexenberg auf.

Wieder auf dem Rücken des Blauschimmels genoss ich den Ritt. Hatte ich das Reiten in der Zwischenzeit noch einmal trainiert?, fragte ich mich. Nun, vielleicht auf meiner dritten Reise, die ja theoretisch zumindest längst stattgefunden haben sollte. Da ich aber die vierte Reise vorgezogen hatte, konnte ich mich ihrer freilich nicht entsinnen.

„Du reitest ja wie ein richtiger Babe“, stellte Rosanella stolz fest.

Kastania musterte mich. „Ja, stimmt. Hast du geübt?“

„Hexenmeister müssen so was nicht üben“, schwindelte ich mit gespielter Arroganz. „Keine Ahnung. Es fällt mir viel leichter.“

Wir kamen erstaunlich gut voran und hielten also auf den Hexenberg zu. Natürlich war der Ritt nicht an einem Tag zu schaffen, doch wir lagerten unter den Sternen. Es war warm und die Decken reichten uns.

„Dir war warm“, korrigierte mich Tjonken. „Du hast ja auch gleich zwei Bettwärmerinnen!“

„Ich könnte eine ab ...“, begann ich. „Aua! Wieso schlagt ihr mich?“

„Du willst eine abgeben?“, murrten sie zu zweit.

„Mitnichten. Ich wollte sagen, ich könnte eine abbestellen, das Feuer zu schüren, damit auch unserem Gefährten wärmer werde und gar wohlig ums Herze!“, widersprach ich schelmisch verschmitzt.

„Geh doch selber“, wurde ich von vorn und hinten angefahren.

„Ich kann mich nicht erheben, dann würde euch beiden kalt und ich käme kalt zurück unter die Decke, sodass ihr euch nicht mehr gemütlich ankuscheln könntet. Ist doch klar!“

„Ach, ich mache selber Feuer“, fluchte Tjonken und erhob sich. Gespielt fröstelnd packte er Holz auf die Glut, bis es wieder fröhlich prasselte. „So. Die Damen hätten es eh nicht annährend so gut hinbekommen“, behauptete er grinsend und legte sich erneut hin.

„Die Damen wissen genau, wie man ein Feuer schürt“, grinste ich.

„Ingo!“

„Was denn?“

Sie lachten. Dann erzählten wir uns noch eine Geschichte. Genau genommen erzählte die Dorflauteste eine Geschichte von einem der Hexenmeister auf dem Hexenberg. Sie handelte von einer Müllerin Jeowina, die erst zur Zauberin aufstieg und dann zum Hexenmeister wurde.

„Müsste es nicht Hexenmeisterin heißen?“, pochte ich an. Die drei Baben tauschten untereinander Blicke.

„Natürlich nicht! Du bist der erste männliche Hexenmeister, von dem ich weiß. Fast alle großen Zauberinnen waren stets weiblich. Der Hexenmeister ist ein Sinnbild und kein Beruf, daher steht er über den Geschlechtern. Ist doch klar!“, erklärte mir Rosanella.

Ich nahm es einfach hin und lauschte weiter den Geschichten, wie Jeowina auf einem Drachen ausritt. Dieses Mal nahm ich nicht an, dass es sich um ein Tier oder mystisches Wesen handelte. Ich war ja bereits selbst auf einem Drachen geritten. Der Plan sah vor, dass wir mit eben einem solchen Drachen zum Brocken fliegen würden und von dort aus nach Nordosten weiterflögen, um von dort aus nach Berlin zu gleiten.

„Frisch auf!“, rief Rosanella am folgenden Morgen, kaum dass der Frühschimmer sich verflogen hatte, nach einem knappen Frühstück, dass ich nicht einmal die Hälfte meines Kaffees trinken konnte, als sie schon wieder aufbrechen wollte.

„Warum sind wir nicht eigentlich gleich von Bielefeld aus mit der Bahn nach Berlin gefahren?“, erkundigte ich mich. Denn eben dies war ja unser Ziel, da der innerlich (aber auch äußerlich) sehr hässliche Kanzlerkandidat dort seine Zentrale aufgeschlagen hatte. „Dann wären wir längst da und müssten nicht noch mit einem Drachen gleiten und ...“ Ich schlürfte meinen Kaffee zu Ende.

„Du kannst nur meckern, meckern, meckern“, moserte Kastania.

„So ist die Reise doch viel angenehmer“, warf Rosanella ein.

„Viel angenehmer? Fräulein Dorflauteste! Nichts ist angenehmer als die Fahrt in einem ICE zusammen mit netten Leuten, die man während der Fahrt kennenlernt, wenn man gemeinsam dort musiziert und singt und in den Gängen tanzt“, widersprach ich frenetisch.

„Fräulein Dorflauteste“, grinste Rosanella. „Sogar mit Ehranrede für besonders junge Damen“, freute sie sich.

„Nun, du bist ja auch jung und hübsch!“

Kastania meldete sich violent zu Wort. „Und was ist mit mir?“

„Was soll mit dir sein, Frau Kastania?“, flötete ich süßlich.

„Frau?“ Kastania blickte mich entgeistert an, öffnete und schloss ihren süßen Mund wie ein Karpfen. „Ich will keine Frau sein! Ich will auch mit dem süßneckischen Begriff des Fräuleins bezeichnet werden. Ich bin doch keine alte Jungfer oder verheiratet“, schmollte sie.

„Verzeiht mir, schönes Fräulein“, antwortete ich, trat in hofmännischer Manier vor sie, griff ihre Hand und gab ihr einen Handkuss. „Es war nicht mein Ansinnen, Euch zu beleidigen.“

Kastania lachte während Tjonken, der bereits die Pferde aufzäumte, verächtlich schnaubte. „So ein Süßholzgeraspel. Ich falle gleich vom Pferd, sobald ich aufsitze.“

Buttervögel flatterten um uns herum und Bienen summten. Die Sonne hatte sich erhoben und wir ritten durch die morgenrotbestreute Landschaft. Der Hexenberg war noch immer ein gutes Stück entfernt. Die Luft war sonnenschwer und so trabten die Pferde fröhlich dahin. Schon bald folgte uns ein Bächlein und das Bachgemurmel begleitete unsere Unterhaltung.

„Wie ist es in deiner Welt, wenn du jagen gehen willst?“, fragte mich die junge Jägerin von Babenhausen (Süd).

„Ich gehe nicht auf die Jagd. Aber falls ich jagen gehen wollte, müsste ich einen Jagdschein machen“, erklärte ich.

„Einen Jagdschein?“

„Eine Erlaubnis, jagen zu dürfen, die eine entsprechende Qualifikation und eine Prüfung voraussetzt.“

„So etwas wie das Erlegen des Urs bei deiner ersten Reise?“, fragte sie weiter.

„Nein, eher ein theoretischer Test schriftlicher Form.“

Die Baben musterten einander erstaunt. „Aber du hast ein Ur erlegt. Sogar ohne Waffe“, erinnerte mich Rosanella. „Gibt es eine bessere Qualifikation als diese?“

Ich seufzte. „In meiner Welt zählt die praktische Fähigkeit wenig. Du musst das theoretische Wissen haben, etwas zutun. Erst damit erhältst du die Erlaubnis“, berichtete ich wahrheitsgemäß.

„Das ist ja befremdlich“, fanden alle drei Baben und ich musste ihnen von Führerscheinen, Ausbildungen und allerlei Bescheinigungen berichten. Malade erklärte ich ihnen, wie meine Welt funktionierte und stellte dabei fest, wie einfach und wohl das Leben der Baben war.

„Ich beneide euch darum, wie ihr lebt, selbst wenn Fantarisina einen erwachsenen Mann verprügelt und zum Weinen bringt, weil sie an einem Abenteuer teilhaben will. Letztlich konnten Dorflauteste und Hexenmeister entscheiden und alle waren sofort damit einverstanden“, erinnerte ich mich rosarot an die sich jüngsthin zugetragenen Ereignisse.

An diesem Abend, immer noch auf der Reise zum Hexenberg, hatten wir gleich zwei seltsame Begegnungen. Wir schlugen unser Lager an einem Teich auf, der Feenglanz genannt wurde. Dort erhoben sich ringsherum steile Felsen und es gab nur einen Zugang, den man mit Pferden nehmen konnte, ein zweiter Weg zog sich einen steilen, schmalen Sims hinauf, auf die zwischen fünfzehn und zwanzig Meter hohe Felsformation. Auf drei Seiten um den Tümpel herum lagen Wiesen; und kleine Baumgruppen wie auch Sträucher wuchsen dort. Während wir uns im Wasser abbadeten, ließen wir die Tiere grasen. Eine Weile verbrachten wir im kühlenden Nass, um die sommerwarme Haut zu erfrischen, und wir frönten dem Sonnenbade des späten Nachmittags, bis die Schatten die Sohle des kleinen Tales bedeckten und der rote Feuerball uns einen letzten Abendkuss schenkte. Rosanella und Kastania sammelten trockenes Gehölz, alldieweil Tjonken und ich ein Lager errichteten.

„Wohl an“, rief ich aus. „Das Werk ist getan!“

„Wohl an!“ Kastania und Rosanella, die just beladen mit Brennholz zu uns stießen, kicherten frech. „Du kannst wirklich wie die Altvorderen sprechen. Machst du das mit Absicht, um so zu tun, als wärst du alten Zeiten entsprungen?“

„Mitnichten, holde Maiden! Mich dünkt, ihr unterschätzet mich“, feixte ich keck.

Tjonken verdrehte die Augen. „Wenn ich das Gefasel weiter ertragen muss, werde ich mich im See ertränken“, drohte er.

„Ist ja gut! Ich spreche wieder normal und ...“ Weiter kam ich nicht, denn wir hörten den krächzigen Aufschrei eines Raben, der in eben diesem Moment den schmalen Weg entlang in unser Tal flog.

„Bleib stehen, du Aas“, schrie ein Mann, den wir noch nicht sehen konnten, doch wir vernahmen gleichwohl das Getrappel seines Pferdes.

Der Rabe gehorchte aufs Wort, zumindest schien es in diesem Augenblick so, denn er landete einfach auf meinem Kopf, drehte sich herum und beugte seinen Kopf hinab, als wolle er mir in die Augen blicken.