Träume in Rot - Sonja Bethke-Jehle - E-Book

Träume in Rot E-Book

Sonja Bethke-Jehle

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Beschreibung

Ohne Eva wäre Nina vielleicht nie die geworden, die sie sein musste, um Lea zu fördern. Damit trat nicht nur Lea diese Reise an, sie trug auch einen Teil der Träume der anderen beiden Frauen mit sich zum Mars. Im Jahr 1969 kartografiert Eva den Mars. Als ihr Mann in den Vietnamkrieg eingezogen wird, muss sie eine Entscheidung treffen, die auch ihre Arbeit beeinflusst. Im Jahr 2011 landet der Rover Curiosity auf dem Mars. Nina hat die Mission jahrelang geplant und mit Herzblut daran gearbeitet. Nun muss sie aber feststellen, dass sie während ihrer Arbeit ihre Ehe aufs Spiel gesetzt hat. Im Jahr 2033 befindet sich Lea auf dem Weg zum Mars. Als ihr heftige Zweifel kommen, weiß sie nicht mehr, wie sie die lange Mission überstehen soll. Erst als sie einen Bericht von Nina über Evas Arbeit liest, kann sie neuen Mut schöpfen. Die drei Frauen sind durch die Zeit getrennt, doch verbindet sie die gemeinsame Leidenschaft für den Mars. Ein Roman über einen generationsübergreifenden Traum.

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Sonja Bethke-Jehle wurde am 07.11.1984 im Odenwald geboren und lebt heute an der Bergstraße. Das Lesen und Schreiben ist seit der Kindheit ihre große Leidenschaft. 2015 erfüllt sich mit der Veröffentlichung des ersten Teils der Umdrehungen-Trilogie ein großer Traum. Die beiden Nachfolgebände, diverse Kurzgeschichten, die erfolgreiche Gesamtausgabe sowie die eigenständigen Romane Kontaktaufnahme, Tango in der Dunkelheit und Schrankgeflüster folgen. Weitere Romane sind geplant. Zusätzliche Informationen zur Autorin finden Sie im Internet unter www.sonja-bethke-jehle.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Träume in Rot

LEA – Jahr 2033, Tag 83 auf dem Raumschiff ISS Endurance

LEA – Jahr 2033, Tag 95 auf dem Raumschiff ISS Endurance

NINA – Jahr 1970, 63 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

NINA – Jahr 2003, 30 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

NINA – Jahr 2008, 25 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

LEA – Jahr 2033, Tag 109 auf dem Raumschiff ISS Endurance

NINA – Jahr 2011, 22 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

NINA – Jahr 2012, 21 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

LEA – Jahr 2033, Tag 113 auf dem Raumschiff ISS Endurance

EVA – Jahr 1964, 69 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

EVA – Jahr 1965, 68 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

EVA – Jahr 1969, 64 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

LEA – Jahr 2033, Tag 129 auf dem Raumschiff ISS Endurance

EVA – Jahr 1969, 64 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

LEA – Jahr 2033, Tag 130 auf dem Raumschiff ISS Endurance

LEA – 2033, Tag 131 auf dem Raumschiff ISS Endurance

EVA – Jahr 1970, 63 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

NINA – Jahr 2013, 20 Jahre vor der Reise zum Mars mit der Endurance

LEA – Jahr 2033, Tag 175 auf dem Raumschiff ISS Endurance

NINA – Jahr 2033, Sol 1 auf dem Mars

Übersicht der historischen Ereignisse

Die Crew der Endurance

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Vorwort

Es zog mich schon immer in den Weltraum. Die Faszination des Fremden, neue Welten und möglicherweise der Beweis, dass wir in diesem riesigen All nicht alleine sind, begleitet mich seit Langem. Für jemanden, der bereits Angst davor hat, mit einem Flugzeug zu fliegen, bot es sich an, die Reisen statt mit einem Raumschiff mit Hilfe von Büchern zu machen. Ganz davon abgesehen, dass es natürlich klimaschonender und günstiger ist, ein Buch zu lesen ;-)

Der Mars ist einer meiner Lieblingsplaneten. Neben der Erde ist er der Planet, den wir am besten erforschen konnten. Wir wissen, dass es dort früher einmal fließendes Wasser und eine Atmosphäre gab. Leben könnte dort existiert haben. Viele Untersuchungen, die die Mars-Rover gemacht haben, deuten das an, auch wenn uns bis jetzt immer noch der Beweis fehlt.

Leas Kapitel sind eine Utopie, geprägt von meinem Optimismus, der - wie ich manchmal glaube - pure Naivität ist. Die Kapitel über Eva und Nina hingegen sind kleine Ausschnitte der faszinierenden Erforschung des Mars in der Vergangenheit bis hin zur Gegenwart. Natürlich sind die Figuren Eva und Nina und alle Nebenfiguren frei erfunden und eventuelle Ähnlichkeiten mit reellen Personen wären zufällig. Davon abgesehen habe ich versucht, die historischen Ereignisse so gut wie möglich in meine Geschichte einzubauen. So sind zum Beispiel die Mariner-Missionen, die Vietnamkriegslotterie und die Mars-Rover echte Ereignisse, die stattgefunden haben. Der Mars-Rover Curiosity ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Romans noch aktiv auf dem Mars und hat erst vor Kurzem im Boden Kohlenstoff gefunden – was ein weiterer Hinweis auf biologische Vorgänge sein könnte. Um die zeitliche Zuordnung zu erleichtern, habe ich relevante historische Begebenheiten als Übersicht angehängt, damit aufwändige Recherchen während des Lesens nicht notwendig sind. Damit hatten ich und die Lektorin schon gut genug zu tun ;-)

Wer bereits eine Geschichte von mir gelesen hat, der weiß, dass mich vor allem zwischenmenschliche Beziehungen interessieren, sowie die Menschen, die eine Herausforderung bestehen oder Grenzen überwinden müssen. Keine Sorge, es wird hier nicht nur um Roboter, Raumschiffe und Technik gehen, sondern auch intensiv um eben diese Themen. Ich fand die Frage spannend, wie sich Frauen in Evas Generation in der Weltraumforschung behaupten konnten und was es mit einer Ehe macht, wenn eine Frau wie Nina vollkommen in ihrer Arbeit aufgeht und alles um sich herum vergisst – auch ihre Partnerin. Und besonders hat mich interessiert, wie es wohl für eine Gruppe von Menschen ist, die monatelang in einem engen, unbequemen Raumschiff unterwegs ist, mehr oder wenig ohne Kontakt zur Erde. Sie alle müssen mit dem Umstand klarkommen, dass sie jederzeit hochkonzentriert arbeiten müssen, gleichzeitig aber auch gelangweilt sind, weil es kaum Ablenkung und gar nicht so viel zu tun gibt. Letzteres ist die Geschichte von Lea und der Crew der Endurance.

Ich wünsche euch viel Spaß mit Eva, Nina und Lea.

Eure Sonja

Träume in Rot

LEA – Jahr 2033, Tag 83 auf dem Raumschiff ISS Endurance

Seit sie auf dem Weg zum Mars war, war ihr Schlaf leichter, was zur Folge hatte, dass sie bedeutend mehr träumte und gefühlt mehr Schlaf als auf der Erde benötigte, um tagsüber ausgeruht zu sein.

In diesem Fall war tagsüber natürlich bloß eine Definition für die Zeit, in der sie nicht schlief. Es gab hier ebenso wenig Tage, wie es Nächte gab, keinen Sonnenuntergang, keinen Mondaufgang – sondern ausschließlich Dunkelheit, die nie verschwand und nur von weit entfernten Sternen und einer stetig schwacher wirkenden Sonne unterbrochen wurde. Der einzige Unterschied war, dass sie in der einen Phase eine reduzierte Anwesenheitspflicht hatten und lediglich zwei der sieben Crewmitglieder im Dienst waren, während das Haupttreiben innerhalb des Raumschiffes in der anderen Phase stattfand. Weil ihre Sprache nicht ausgelegt war für diese besondere Situation, nannten sie das eine aus Gewohnheit Nacht, das andere Tag.

Es war von Anfang an ihr Auftrag gewesen, dass zu jeder Zeit mindestens zwei von ihnen wach blieben und sich außerhalb ihrer Kapseln befanden, die an Betten kaum noch erinnerten; sie sahen eher wie Särge aus. Die Nachtschicht musste bereit sein für den Fall, dass es zu Anomalien oder Komplikationen kam. Der Kontakt mit der Bodencrew auf der Erde war inzwischen nur noch zeitverzögert möglich, weshalb sie immer mehr auf sich alleine gestellt waren, während es genug Gefahren von außen gab, die ihre Aufmerksamkeit benötigten.

Lea rieb sich mit ihren Händen über das Gesicht, seufzte und schlug sich leicht gegen die Wange, um die Müdigkeit zu vertreiben.

Sie starrte auf die Fotos, die sie an die Innenwand ihrer telefonzellengroßen Schlafkabine geklebt hatte. Die Tatsache, dass es normale Klebestreifen waren, die ihre Bilder an Ort und Stelle hielten, ließ sie schmunzeln. Ein kleines Stück Normalität innerhalb dieser surrealen Umgebung.

Eines der Bilder zeigte Nina, die Frau, der sie alles zu verdanken hatte. Sie hatte Leas Doktorarbeit betreut, sie angespornt, wenn sie aufgeben wollte, und ihr zugehört, wenn Lea überfordert war. Ohne sie hätte Lea es nie bis hier her geschafft. Sie hatte sie gefordert und gefördert, in ihr etwas gesehen und ganz früh entschieden, dass sie jede Unterstützung verdiente. Sie war mehr als nur ihre Doktormutter. Sie war schon vor ihrer Promotion ihre Befürworterin gewesen und danach zu einer Freundin geworden.

Gedankenverloren griff Lea zu der Kette unter ihrem Oberteil, an der sich zwei Eheringe befanden. Der eine war dünn und aus Gold, der andere silberfarben mit sieben glitzernden Brillanten. Sie waren ihre Glücksbringer und ihre Erinnerung an zu Hause.

Neben Ninas Foto hingen die Bilder, die sie von ihrer Familie erhalten hatte, bevor sie losgeflogen waren. Ein tränenreicher Abschied, an den Lea sich nicht gerne erinnerte. Sie zu verlassen für viele Jahre – mit dem nicht zu vernachlässigenden Risiko, dass es ein Verlassen ohne Rückkehr werden könnte –, gehörte zu dem größten Opfer, das sie bereit war zu bringen, um ihren Traum zu verwirklichen.

Auf einem Bild waren ihre Eltern, ihre Schwester, ihre Nichte und die Familienhündin Aika zu sehen. Das Foto war einige Tage vor Leas Abflug im Garten ihrer Eltern entstanden. Ihre Eltern sahen stolz aus. Regelmäßig hatten sie betont, wie spannend sie die Karriere ihrer Tochter fanden. Lea wusste, dass das nur ein Teil der Wahrheit war. Eigentlich waren sie voller Sorgen, Zweifel und Ängste. Sie hatten allerdings nie mit Lea über diese Gefühle gesprochen, um ihr nicht im Weg zu stehen.

Ihre Schwester war ganz anders als Lea, nicht interessiert an Technik oder Robotern und schon gar nicht am Weltraum, doch sie freute sich einfach für Lea und verschwendete keinen Gedanken an die Risiken. Sie strahlte Zuversicht und Optimismus aus, was ihr die letzten Tage vor der Abreise etwas leichter gemacht hatte. Wenn Lea mit ihren Eltern gesprochen hatte, war alles voller Schwere gewesen. Ihre Schwester hingegen konnte einschätzen, was es ihr bedeutete, und freute sich, dass Lea ihren Traum wahr machen konnte. Sie verstand den Traum nicht, aber sie verstand, was er Lea bedeutete.

Ihr Blick verweilte auf dem Foto, und sie verspürte eine Enge in der Brust. Aika, die Hündin, die ein großer Teil von Leas Leben war, die ihr Gesellschaft leistete, wenn sie ihre Sonntage im elterlichen Garten verbrachte. Natürlich hatte sie zu dem Zeitpunkt keine Ahnung, dass Lea bald für immer verschwunden wäre. Es war unmöglich, dass Aika noch am Leben war, wenn Lea zurückkam. Sie würde im Garten begraben sein, in dem sie zuvor mit Lea gespielt hatte. Keine Macht der Welt oder des Sonnensystems konnte Lea rechtzeitig zurückbringen, um das Tier noch lebendig anzutreffen.

Ein anderes Bild zeigte erneut ihre Nichte – mit ihrer Schultüte im Arm, strahlend und voller Vorfreude auf die Schule. Ihre Zahnlücke würde verschwunden sein, wenn Lea wieder da war. Sie würde vermutlich keine zwei Zöpfe mehr tragen und vielleicht längst erkannt haben, dass die Schule doch nicht so toll war, wie sie anfangs geglaubt hatte. Lea fragte sich oft, zu was für einer jungen Frau ihre Nichte heranwachsen würde, wie sie aussehen würde, wer sie sein würde … Wie fremd sie Lea bereits jetzt geworden war. Sie war noch ein Kind, aber wenn Lea ihre Nichte das nächste Mal in den Arm nehmen würde, wäre sie eine Jugendliche.

Wenn …

Wütend über sich selber schüttelte Lea den Kopf. Woher kam ständig dieser Pessimismus? Natürlich würde sie nach Hause kommen. Ja, es war eine gefährliche Reise, aber wenn sie sich alle an die Vorschriften hielten, dann war ein Überleben recht sicher.

Um nicht mehr weiter nachzudenken, öffnete Lea die Schlafkapsel und schwebte hinaus.

Auf der Erde war ihre Morgenroutine anders gewesen, hier allerdings hatte sie sich inzwischen daran gewöhnt, dass es keinen heißen Kaffee und ebenso wenig eine anschließende warme Dusche gab.

Sie trug sowohl zum Schlafen als auch zum Arbeiten oder in ihrer Freizeit die gleichen Klamotten. Das war anfangs ungewohnt für sie gewesen; den Luxus, sich ständig umziehen zu können, hatte sie nun nicht mehr. Das Waschen der Kleidung verbrauchte viel Energie und Wasser. Dinge, die sie nicht unbegrenzt zur Verfügung hatten, die aber in einem Notfall überlebenswichtig waren. Sie alle machten das so und hielten sich an die Regeln. Also trugen sie die bequemen, von der Raumfahrtbehörde gestellte Kleidung. Dass ihnen damit ein Stück Individualität geraubt worden war, empfand Lea als einen eher vernachlässigbaren Nebeneffekt.

Da war die Tatsache mit der eingeschränkten Hygiene für sie tragischer. Denn auch das Duschen nach Lust und Laune entfiel. Da täglicher Sport Pflicht war, um die körperlichen Folgen der Schwerelosigkeit so gering wie möglich zu halten, wollte sie nach dem Training duschen. Zweimal am Tag duschen war ein Luxus, der nicht mehr gestattet war.

Sie war die Letzte, die durch den engen Gang in das Modul schwebte, in dem sie sich meist aufhielten, wenn sie nicht arbeiteten. An dem sogenannten Vormittag arbeitete keiner von ihnen, und sie verbrachten die Zeit gemeinsam.

Das war eine Regel, die die Psychologin Adua festgelegt hatte, um den Zusammenhalt des Teams zu stärken.

Danach gingen die beiden, die nachts aufgeblieben waren, in ihre Schlafkapseln, und der Rest machte seine Arbeit, doch diese zwei Stunden verbrachten sie alle gemeinsam.

»Guten Morgen«, murmelte Lea, als sie sich von der Wand Richtung Kaffeemaschine abstieß. Die Maschine war von der ESA extra für den Weltraum konzipiert worden, und sie sorgte schon viele Jahre für mehr Lebensqualität im Weltall. Bereits auf der ISS hatte sie gute Dienste geleistet. Da umziehen und duschen wegfielen, war der morgendliche Kaffee die einzige Routine, die geblieben war, und deswegen war sie ihnen allen vermutlich so heilig.

»Hey, Prinzessin Leia!«, rief James, der Techniker.

Lea schmunzelte. »Halt die Klappe, James…T. Kirk.«

Ihr Kollege strahlte übers ganze Gesicht. Er nannte sie nur deshalb Prinzessin Leia, weil er es liebte, wenn sie ihn im Gegenzug Kirk nannte. Er war leidenschaftlicher Fan der Serie Star Trek und hatte alle knapp zwölfhundert Folgen mit auf seine Reise genommen. Ständig versuchte er, die anderen zu überreden, sie zusammen mit ihm zu schauen.

Lea erteilte ihm ständig eine Abfuhr. Sie hatte Weltraum genug, sie benötigte weder Star Trek noch Star Wars zur Ablenkung. Stattdessen liebte sie Filme, die auf der Erde spielten, in denen Menschen in Autos auf Straßen fuhren, ihrem normalen Alltag nachgingen oder ihre Schwerkraft genießend im Wald herumliefen. Aus diesem Grund hatte sie viele Filme unterschiedlicher Genres dabei: Dramen, Komödien, Krimis – bloß keine Science-Fiction. Wenn sie ein Raumschiff sehen wollte, dann schaute sie sich einfach um.

Lea schlürfte ihren Kaffee durch einen Strohhalm und lauschte dem Bericht von Owen, dem kanadischen Fachmann für Botanik und Astrobiologie, der gemeinsam mit Rio, der Geologin und Klimatologin aus Vietnam, wach gewesen war, während der Rest von ihnen geschlafen hatte.

Wie so oft hatte sich nichts ereignet. Lediglich ein winziger Asteroid war so knapp an ihnen vorbeigeflogen, dass es fast zu einer Kollision gekommen wäre. Aber nur fast. Alle atmeten erleichtert aus, als wäre eine Reparatur der Außenhülle nicht eine willkommene Abwechslung gewesen. Aber die hätte auch ein hohes Risiko bedeutet und wäre womöglich wirklich gefährlich geworden. Es gab hier keine Abwechslung, die nicht gleichzeitig lebensbedrohlich war.

Das war vermutlich die Ursache, warum alle hin und her gerissen waren zwischen dem Wunsch, mal was erleben zu können, und der Dankbarkeit, dass bisher alles glatt gelaufen war. Lea tendierte dazu, sich einen kleinen Notfall zu wünschen, der ihren recht eintönigen Alltag und die vielen dem Protokoll geschuldeten Routinen durchbrach. Sie wusste, sobald sie einen größeren Notfall hätten, würde sie sich für diesen heimlichen Wunsch schämen.

Lethargisch starrte Lea in ihren Kaffee und versuchte zu ignorieren, wie ihre Kollegen und sie auf ihren Bänken hin und her schwankten. Zwar befanden sie sich alle in einer sitzenden Position, weil sie angeschnallt und die Bänke und der Tisch fest mit dem Boden verankert waren, doch es fühlte sich nicht so an.

Die Schwerelosigkeit begann Lea zu nerven.

Am Anfang hatte sie es noch genossen. Vielleicht nicht ganz am Anfang, da hatte sie mit der typischen Umstellung zu kämpfen gehabt und sehr unter der Weltraumkrankheit gelitten. Ihr war ständig übel geworden, und sie hatte einen Dauerkopfschmerz entwickelt, der erst verschwunden war, als Baihu, der zusammen mit Adua das medizinische Team bildete, ihr eine Atemübung gezeigt hatte, durch die sie die Nebenwirkungen besser ertragen konnte.

Danach begann allerdings eine Phase, in der sie die Reise zum Mars als richtiges Abenteuer empfunden hatte. Sie war aufgeblüht und hatte die Arbeiten, die anstanden, sehr gerne gemacht. Sie hatte viel Zeit mit den Kollegen verbracht, die für sie inzwischen mehr als Kollegen waren, sondern eher eine Familie. Oder Freunde. Sie bewohnten eine Weltraum-WG und würden die nächsten fünf Jahre gemeinsam auf engstem Raum verbringen.

Irgendwann in den letzten Tagen hatte es dann begonnen, dass Lea sich kraftlos und seltsam frustriert fühlte. Sie vertrug die kuriose Mischung aus Langeweile und ständiger Lebensgefahr nicht mehr. Tatsache war, dass einfach nichts passierte. Sie hatte Zeit in Hülle und Fülle, die sie nicht sinnvoll nutzen konnte. Es war weniger spannend, Astronautin zu sein, als die meisten Menschen glaubten, und sie hatte das ebenfalls unterschätzt. Das Team, das sie vorbereitet hatte, hatte zwar darauf hingewiesen; Lea war jedoch der Meinung gewesen, dass sie die freie Zeit gut nutzen konnte. Immerhin war sie im Weltall! Die Sicht aus dem Fenster war einmalig, und es war ein Privileg, diese Reise erleben zu dürfen. Sie war aus einer Vielzahl an ehrgeizigen und fachlich kompetenten Interessenten auserwählt worden. Das änderte allerdings nichts daran, dass auch der herausragendste Fensterblick seinen Reiz verlor, wenn man nur oft genug hinausgesehen hatte.

Der interessante Teil der Arbeit würde erst auf dem Mars beginnen, hier war sie nur für die Wartung und Reparatur der Instrumente und Maschinen zuständig, zusammen mit James. Der hatte lediglich Star Trek im Kopf und bezeichnete ihre Reise zum Mars als seine eigene Mission, so als wäre er Teil eines riesigen TV-Universums. Obwohl die Enterprise und all die anderen Raumschiffe, die in der fast achtzigjährigen Serienvergangenheit über die Bildschirme der Haushalte geflogen waren, meist innerhalb von 45 Minuten ihr Ziel erreichten, während ihre Reise niemals in eine Folge gepasst hätte, fand James ihre Reise stets aufregend und faszinierend.

»Das«, sagte er manchmal zu Lea, »ist die beste Star Trek-Folge aller Zeiten, und wir sind ein Teil davon.« Er war Amerikaner, und auch wenn Lea längst gelernt hatte, dass Klischees sich sehr oft nicht bestätigten, zeigte ihr James immer wieder, dass manche Klischees sehr wohl zutrafen. Für James war alles amazing und big, und natürlich liebte er sie alle und jeden Moment ihrer Reise und übertrieb es mit seiner ausschweifenden Art zu reden, bis Lea ihm genervt zuraunte, er möge für einen Moment mal ruhig sein.

Obwohl Lea nicht besonders viel Stress hatte, konnte sie sich nie entspannen. Von ihnen allen wurde ständige Aufmerksamkeit und höchste Vorsicht verlangt, denn sie lebten in einer menschenfeindlichen Umgebung und waren abhängig von dem Funktionieren der Maschinen, die sie betreuten. Es war wie auf einer Autobahn den Autopiloten bei 200 km/h abzuschalten. Das war ebenso langweilig und nichts passierte, trotzdem verlangte jede Sekunde vollste Konzentration. Kein Mensch würde auf einer Autobahn den Autopiloten abschalten und mit dieser hohen Geschwindigkeit selbst fahren. Das wäre unlogisch. Vielleicht machte man das irgendwo in den Bergen, wenn man eine besonders schöne Serpentinenstraße gemächlich fahren oder bei einer Küstenstraße die Aussicht genießen wollte.

Genauso fühlte Lea sich. Sie hatte nichts zu tun, alle Tage glichen den vorherigen, nichts war aufregend, und doch … Sie wusste, dass eine kleine Unaufmerksamkeit sie alle das Leben kosten könnte.

»Geht es dir gut?«, fragte Irina mit ihrem russischen Akzent, der sie schon einige Male zum Lachen gebracht hatte.

Wie alle anderen war sie gleichermaßen zweifach qualifiziert. Je mehr Besatzung mitflog, desto teurer wurde die Unternehmung, deswegen hatte man bei der Zusammenstellung der Mannschaft nicht nur auf soziale und psychologische Aspekte geachtet, sondern ebenfalls auf eine hohe fachliche Kompetenz. Irina war sowohl die Astrochemikerin als auch die Astrophysikerin, hochintelligent und sehr ehrgeizig.

»Lea?«

»Was?« Lea riss den Kopf hoch. »Ach, du meinst mich?«, fragte sie erstaunt, als sie bemerkte, dass Irina sie fragend ansah.

Alle anderen starrten sie genauso an, Adua und Baihu tauschten Blicke miteinander aus, und James runzelte die Stirn.

Lea verdrehte die Augen. »Klar, warum sollte es mir nicht gutgehen?«, brummte sie unfreundlich.

Irinas Gesichtsausdruck wurde noch ein wenig verwirrter, dann wandte sie sich abermals an Rio und Owen.

Die drei bildeten eine Art wissenschaftliches Team, während James und sie die Techniker und Baihu und Adua die Mediziner waren, obwohl diese Einteilung nicht offiziell und vom Bodenpersonal sicher nicht gewünscht war. Sie alle sollten sich gegenseitig vertreten und in allen Fachbereichen zumindest über ein hohes Interesse und solide Grundkenntnisse verfügen. Wiederholt waren sie darauf hingewiesen worden, dass sie zur Not mit einer dezimierten Besetzung sicher ans Ziel kommen mussten und sich nie als Spezialisten auf einem Gebiet, sondern eher als Generalisten zu definieren hatten.

Nach dem gemeinsamen Essen verabschiedeten sich Owen und Rio, um zu schlafen, und James und Irina kündigten an, sich an die Arbeit zu machen. Baihu und Adua zogen ein Schachbrett in die Mitte des Tisches. Die Figuren waren magnetisch, weswegen man fast normal spielen konnte, wenn man mal davon absah, dass das Spielbrett stabiler auf dem Tisch platziert war als die Spieler auf ihren Sitzflächen.

Sie fragten, ob auch Lea spielen wollte, die den Kopf schüttelte. Zu dritt würde das nicht gehen, außerdem wollte sie sich nicht hineindrängen und der Grund sein, dass die beiden sich für ein anderes Spiel entscheiden mussten. Jetzt, wo alle anderen beschäftigt waren, war sowieso ihre Zeit gekommen, sich auszupowern.

Sie schwebte in das Modul, in dem die Fitnessgeräte am Boden verankert waren. Da angekommen suchte sie sich eine rockige Musik aus und steckte die beiden kabellosen Kopfhörer in die Ohren. Sie stieg auf den Hometrainer und begann zu trainieren.

Sport war hier überlebenswichtig. Wenn sie nicht täglich mindestens zwei Stunden trainierten, würden sie mehr unter den Folgen der Schwerelosigkeit leiden, als sie es sowieso schon taten. Also nahmen alle das Sportprogramm sehr ernst. Selbst als sie zu Beginn unter der Weltraumkrankheit gelitten hatten, hatten sie täglich Sport gemacht – ohne Ausnahme.

Aber abgesehen von der Notwendigkeit genoss Lea das Training auch. Es war eine der wenigen Möglichkeiten, etwas Privatsphäre zu haben. Ihre Schlafkapsel zählte nicht, dort war es zu ungemütlich, zu eng. Hier auf den Geräten akzeptierte das Team, dass sie Musik hörte, außerdem wählte sie für ihr Training immer die Zeiten aus, in denen sie hier alleine war.

Ihr Puls stieg schnell, der Schweiß perlte von ihr ab und schwebte in winzigen Wasserbällchen um sie herum. Alles hier war anders, sogar das Schwitzen. Doch die Schweißperlen, die um sie herum waberten, störten sie nicht. Der Filter würde die Feuchtigkeit bald aus der Luft holen, aufbereiten und in einigen Tagen würde sie ihren Kaffee trinken, aus Koffein und gereinigtem Schweiß, Urin und Kondenswasser. So war das nun mal. Sie hatten nicht den Luxus, Wasservorrat für sieben Personen auf eine fünfjährige Mission mitzunehmen.

Ihre Nichte hatte sie angeekelt angesehen, als Lea ihr das vor ihrem Abflug erzählt hatte. Sie hatte glorreiche Geschichten über ihre Tante in der Schule erzählt, aber diesen Fakt – hatte sie mit hochgezogener Nase erklärt – würde sie unerwähnt lassen. Daraufhin hatte Lea gelacht und so überspielt, dass auch ihr der Gedanke nicht wirklich angenehm war. Sie versuchte, nicht zu viel über den Kreislauf nachzudenken, und ignorierte das Wissen darum, wenn sie etwas trank oder aß.

Nach dem Sportprogramm ging Lea in die Trockendusche, eine kleine Kabine, in der sie sich lediglich mit einem feuchten Tuch und einer antibakteriellen Seife wusch. Sie putzte sich die Zähne, kämmte ihre Haare und starrte in den Spiegel. Das Immunsystem im All war geschwächt, deshalb war Hygiene sehr wichtig, weil sich Bakterien und Pilze hier besonders gut ausbreiten konnten; gleichzeitig war es aber schwieriger, auf eine angemessene Hygiene zu achten. Sie sehnte sich nach einer normalen Dusche, mit warmem Wasser, das sich von der Schwerkraft geführt auf ihren Kopf ergoss und sie beim Herunterfließen umhüllte. Sie vermisste es so sehr …

Um nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, zog Lea sich an und band ihre Haare zu einem Dutt zusammen, damit die umherfliegenden Haare sie nicht bei der Arbeit störten. Sie wollte James suchen und zusammen mit ihm den Roboterarm reparieren, der am gestrigen Tag eine Störung gehabt hatte. Oder die Rettungskapsel putzen. Oder nach dem Steuerungspult sehen, ob dort alles in Ordnung war.

Sie versuchte, sich die Arbeit so einzuteilen, dass sie nicht das Spannendste sofort machte und dann die restlichen Tage gezwungen war, irgendwelchen sinnlosen Tätigkeiten nachzugehen. Nicht ohne Grund erhielten sie vom Bodenpersonal ständig Aufträge, deren Zweck nur darin bestand, sie zu beschäftigen. Das bedeutete, wer schnell arbeitete, verbrachte einen größeren Teil seiner Arbeit damit, Sachen zu säubern oder zu protokollieren.

Auf dem Weg zu James schwebte Adua ihr in den Weg. Sie berührte sie am Arm. »Alles okay?«, fragte sie.

Lea zögerte kurz. Adua redete mit ihnen allen ausführlich und eng getaktet, immer der jeweiligen Situation angepasst. In dieser Phase ihrer Reise bedeutete das alle drei Tage eine Stunde lang. Das war eine Anordnung vom Bodenpersonal, um depressive Verstimmungen und Konflikte innerhalb der Gruppe zu vermeiden.

Schon bei der letzten Sitzung hatte Adua angedeutet, dass Lea unter einer Depression leiden könnte, und sie hatte angekündigt, darüber mit Baihu zu reden, um sich mit ihm über eine medikamentöse Behandlung zu beraten. Lea hatte die Augen verdreht. Gleichzeitig wusste sie, dass das Aduas Pflicht war. Das gesamte Team musste hier funktionieren. Sie konnten sich keine Ausfälle leisten. Genau dafür musste Adua Sorge tragen, und sie nahm ihre Aufgabe sehr ernst.

Sie war in Kenia geboren und hatte Medizin und Psychologie studiert. Sie war Fachärztin für Psychiatrie und in erster Linie als Schiffspychologin an Bord, doch da sie ebenso über eine Zusatzausbildung als Notärztin verfügte, war sie ebenfalls als Vertretung von Baihu angedacht. Sollte Baihu etwas zustoßen, hätte sie die alleinige Verantwortung für die psychische und körperliche Gesundheit der Crew. Ihre gute Ausbildung war einer der Gründe, warum sie hier war. Das und ihre Fähigkeit, perfekt im Team arbeiten zu können, ruhig und besonnen auch in Ausnahmesituationen zu bleiben und bereit gewesen zu sein, sich dem harten Konkurrenzkampf im Auswahlprozess zu stellen.

Obwohl sich die afrikanischen Länder nur in geringem Maße an den hohen Kosten des weltweiten Projekts beteiligen konnten, war es von Anfang an klar gewesen, dass Afrika ein Crewmitglied stellen würde, als Anerkennung für den Aufstieg, den einige afrikanische Länder in den letzten Jahren gemacht hatten. Vor zwei Jahrzehnten hatte es damit begonnen, dass Südafrika, Ghana, Nigeria und Kenia Satelliten mit Unterstützung der chinesischen Raumfahrbehörde ins Weltall schossen. Letztendlich hatte es dazu geführt, dass mit Adua vor zwei Jahren die erste afrikanische Frau zum Mond geflogen war, um sich auf die Reise zum Mars vorzubereiten. Sie machte einen ganzen Kontinent stolz.

»Ich weiß nicht«, sagte Lea ehrlich.

»Komm, lass uns reden«, bat Adua und zog Lea an der Hand mit sich mit zu einem Bereich des Raumschiffes, wo sie ungestört reden konnten: den medizinischen Trakt, in dem zur Not selbst Operationen möglich waren. Doch auch hier gab es keine Türen, keine Privatsphäre. Sie waren lediglich durch die Entfernung von den anderen abgeschirmt.

Baihu war nicht zu sehen. Vielleicht kümmerte er sich um Owens Proben. Wie alle anderen war er ebenfalls mehrfach fachlich geeignet diese Reise anzutreten. Er war nicht nur Arzt, sondern zusätzlich Biologe und unterstützte Owen bei seiner Arbeit an den mitgebrachten Pflanzen.

»Lea, was ist los?«, fragte Adua geradeaus und hielt sich mit einer Hand an der Haltestange fest, um sich auf das Gespräch konzentrieren zu können.

Sie redete nie drumherum, war direkt und nannte Probleme immer beim Namen. Das war manchmal nervig, aber Lea konnte verstehen, warum sie das in den Augen der Fachleute, die sie ausgewählt hatten, so wertvoll machte. Hier oben war kein Platz für Interpretationen, vage Vermutungen oder Missverständnisse.

»Ich fühle mich nicht depressiv«, begann Lea, »sondern eher … gelangweilt. Ich wünsche mir manchmal, dass etwas passiert, und schäme mich später dafür, weil das unsere Gesundheit oder sogar das Leben kosten könnte.«

»Möchtest du mehr Tätigkeiten übernehmen?«, fragte Adua.

Lea verdrehte die Augen. Noch vor der Mission war klar gewesen, dass sie auf der langen Reise zum Mars ständig beschäftigt werden würden, aber jedem hier war klar, dass viele der Aufgaben nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Beschäftigungstherapie waren.

Sie war die Fachfrau für Robotik und Technik. Doch ihre Roboter würden den großen Einsatz erst auf der Marsoberfläche erhalten, wo sie ihr Überleben und den Erfolg der Mission sicherstellen sollten. Ohne ihre Roboter würden Owen, Rio und Irina keine Proben erhalten, ohne ihre Maschinen würden sie nicht über Sauerstoff, nicht über Wasser verfügen. Und Owen könnte ohne technische Unterstützung auch keine Pflanzen halten, um ihnen abwechslungsreiche Nahrung zu gewährleisten. Ohne ihre Roboter, Maschinen und Geräte hätten sie genau genommen nicht mal Wohn- und Arbeitsbereiche oder das Marsfahrzeug.

Hier auf dem Raumschiff war die Technik zwar komplex, aber es funktionierte alles. Alles, was James und sie zu tun hatten, war zu warten, bis eine mittlere bis größere Katastrophe passierte.

»Lea?« Adua wartete auf eine Antwort.

Lea zögerte. »Ich weiß nicht. Sag mir jetzt bitte nicht, dass ich die Trockendusche häufiger säubern soll oder die Küchengeräte warten könnte.«

»Du möchtest eine sinnvolle Arbeit«, riet Adua. »Hast du etwas Bestimmtes vor Augen?«

Ihre Stimme war ruhig und tief, sehr beruhigend. Sicher war das kein Auswahlkriterium dafür gewesen, sie zu nehmen, Lea fand trotzdem, dass diese Stimme perfekt zu der Schiffspsychologin passte. Adua wirkte stets entspannt und hatte eine ausgleichende Art an sich. Deswegen mochte Lea sie sehr.

Irina war manchmal zu gut gelaunt und nervte damit, und Rio konnte zickig sein, wenn sie schlecht gelaunt war. Adua war ihr von den weiblichen Besatzungsmitgliedern irgendwie am liebsten, obwohl sie nicht zu einer lustigen und ausgelassenen Atmosphäre beitrug.

Dafür war definitiv James zuständig.

»Lea?«, hakte Adua erneut nach.

»Tut mir leid, ich weiß wirklich nicht, was mit mir los ist«, sagte Lea laut und schüttelte den Kopf. Sie hielt sich am Haltegriff neben der am Boden verankerten Liege fest und sah zur Wand. Sie sehnte sich danach, nach draußen sehen zu können. Fenster waren jedoch teuer, und somit hatten sie lediglich im Wohnbereich zwei mickrige Fenster und ein größeres in der Observation, wo Lea sich aus diesem Grund sehr gerne aufhielt. Dort gab es auch Fernrohre, und man konnte das Sonnensystem aus einer ganz neuen Perspektive betrachten. Nur die Sicht auf die stetig kleiner werdende Erde mochte Lea nicht.

Des Weiteren gab es Außenkameras, die über Bildschirme den Blick nach draußen ermöglichten. Einmal alle zwei Monate waren Lea und James dafür zuständig, diese zu säubern. Dafür mussten sie in ihren Raumzügen auf Außenmission gehen. Eine Arbeit, die Lea sehr gerne machte, die aber aufgrund der Risiken nicht zu oft gemacht werden durfte und von den Kollegen im Inneren durch Anweisungen begleitet wurden. Jede Außenmission war auf die Sekunde genau protokolliert, deswegen fühlte Lea sich selbst draußen im All wie fremdbestimmt und nicht besonders frei.

Dennoch, es war eine abwechslungsreiche Erfahrung. Etwas Besonderes.

»Wie wäre es mit den Außenkameras?«, fragte sie.

»Die habt ihr vor sechs Wochen erst gewartet«, wandte Adua ein. »Und gerade hätte ich kein gutes Gefühl dabei, dich rauszulassen. Es geht mir auch um James. Ihr müsst wie ein eingespieltes Team funktionieren. Er muss auf dich zählen können. Immer.«

Lea runzelte die Stirn. »Denkst du wirklich, ich würde irgendwas machen, das James gefährden könnte?« Sie verspürte Ärger in sich aufsteigen. »Was denkst du von mir, ich …«

»Lea.« Adua legte eine Hand auf ihren Arm. Damit brachte sie Lea zum Schweigen. Das schaffte sie auf die Weise ständig. Sobald jemand von ihnen emotional wurde, beruhigte sie ihn mit ihrer Art, und dann ging sie logisch und rational an die Lösungsfindung.

Lea hob den Kopf und sah in Aduas schwarze Augen, die umrahmt von glänzenden dichten Wimpern waren. Neben den Augen waren leichte Falten zu sehen, die aber nicht auf Aduas Alter von Mitte 40 hindeuteten. Stattdessen ließen die lockigen Haare, die sich wild hin und her schlängelten, sie jünger wirken.

Sie alle hatten weitere Gemeinsamkeiten. Keiner von ihnen lebte in einer festen Beziehung und keiner hatte Kinder. Und sie alle waren in einem Alter, in dem man mit der Familienplanung bereits abgeschlossen hatte.

Somit hatten sie alle einen ähnlichen Lebenslauf, hoch qualifiziert und pausenlos fokussiert auf die Arbeit, keine Zeit für ein Privatleben und ohne Ambitionen, eine feste Beziehung einzugehen. Zu hoch war das Risiko, dass sie wegen einer bestehenden Partnerschaft die Mission bereuten oder gar einen Zusammenbruch erlitten.

Zwar waren sie alle auf unterschiedlichen Kontinenten zur Schule gegangen und hatten in verschiedenen Unis studiert, hatten andere kulturelle und religiöse Hintergründe, aber sie alle hatten Körper, die nur auf der Erde gut funktionierten und für das Weltall eigentlich zu empfindlich waren.

Sie waren einer höheren Dosis kosmischer Strahlung ausgesetzt als auf der Erde, und das konnte das Erbgut verändern. Eine Konsequenz, mit der sie leben mussten, war, dass sie zukünftig keine Kinder zeugen oder bekommen konnten, eine weitere war ein erhöhtes Risiko für Krebs.

Deswegen waren nur Astronauten in die enge Auswahl gekommen, die noch jung genug für diese strapazierende Reise waren, allerdings nicht mehr jung genug, um es zu bereuen, keine Kinder mehr bekommen zu können. Außerdem waren sie alle genetisch geprüft und nach krebserkrankten Familienmitgliedern befragt worden. Hatte jemand Anlagen dazu, krebskrank zu werden, dann war er nicht geeignet für solch eine Reise und schon früh aussortiert worden, selbst wenn er fachlich und psychologisch qualifiziert gewesen wäre.

»Baihu meinte, ich sollte dir mal Blut abnehmen. Wie schläfst du?«, fragte Adua nach einem Moment, in dem sich Lea innerlich beruhigt hatte.

»Ich schlafe gut ein und schlafe auch immer lange, aber ich träume sehr intensiv.« Lea hob die Schultern.

Adua legte Besteck zur Blutabnahme bereit. Lea bewunderte sie dafür, wie geschickt sie in der Schwerelosigkeit mit medizinischem Werkzeug hantieren konnte. Sie alle waren zu Sanitätern ausgebildet worden. Für den Notfall. Falls Adua und Baihu beide schwer verletzt werden würden. Lea war sich sicher, dass sie sich wie ein Trottel anstellen würde. Sie hoffte inständig, dass sie niemals dazu gezwungen war, die Notfallversorgung eines verletzten Crewmitglieds zu übernehmen.

Während sie zusah, wie Adua die Nadel legte, sagte sie: »Ich habe mir überlegt, ob ich Nina schreiben soll.«

»Nina?« Adua gab ihr das Gefühl, ihr zuzuhören, während sie sich parallel auf die Blutabnahme konzentrierte.

»Die Frau, die mich gefördert hat. Ohne die ich nie hierhergekommen wäre«, erläuterte Lea.

»Willst du ihr die Hölle heiß machen, weil du ohne sie in einem normalen kuscheligen Bett schlafen könntest?«, fragte Adua und grinste.

Lea hob erstaunt die Augenbrauen. So einen Spruch hätte sie eher von James erwartet. Oder von Irina oder Owen. Aber nicht von Adua. Dann grinste auch sie. »Ja, so in etwa.«

»Das ist eine tolle Idee. Du hast generell wenig Kontakt zur Erde. Deine Schwester schickt dir öfters Bilder von deiner Nichte, richtig?«

Lea nickte und starrte zu dem Blut, das aus ihrem Arm in die dünne Phiole strömte. Anschließend beobachtete sie, wie Adua die Nadel aus ihrer Haut zog und ein Pflaster über die kleine Wunde klebte. Sie hob den Kopf.

Adua betrachtete sie, während sie die Monovetten in Baihus Fach legte, der das Blut analysieren würde. Sie machten das regelmäßig, um Mangelerscheinungen rechtzeitig zu erkennen. »Und?«

»Ich habe ständig Heimweh. Momentan tut mir das nicht so gut. Aber meine Schwester wusste, dass ich möglicherweise nicht so oft antworte«, sagte Lea.

Adua räumte das Besteck weg, das drohte, in der Schwerelosigkeit durch den Raum zu schweben. Etwas, das bei Spritzen fatal enden könnte. »Du solltest dich, bei allem was du tust, wohlfühlen. Die Idee mit Nina gefällt mir.«

Lea nickte. Nachdenklich machte sie sich auf den Weg zu dem Bereich, in dem die Computer an die Wand des Raumschiffes geschraubt waren. Davor waren Sitzgelegenheiten mit Hebel, die fest auf die Oberschenkel gedrückt wurden und einem somit tatsächlich das Gefühl gaben zu sitzen. Mehr als die Bänke im Essbereich.

LEA – Jahr 2033, Tag 95 auf dem Raumschiff ISS Endurance

»Verträgst du die Tabletten?«

Lea nickte und lächelte Baihu an. Seit einigen Tagen nahm sie ein niedrig dosiertes Antidepressivum. Sie verspürte weder Höhenflüge noch eine besorgniserregende Niedergeschlagenheit, sondern fühlte sich ganz normal. Wäre sie auf der Erde, hätte sie in die Einnahme niemals eingewilligt, aber hier verstand sie die Notwendigkeit. Sowohl Baihu als auch Adua würden das Risiko nicht eingehen, dass sich bei ihr eine ernstzunehmende depressive Erschöpfung herausbildete und sie bei einem eventuellen Notfall nicht einsetzbar wäre.

»Was ist mit Nebenwirkungen?« Baihu betrachtete sie.

Lea hob die Schultern. »Keine«, sagte sie. »Aber eine besonders tolle Wirkung ebenfalls nicht.«

Baihu nickte. Er hatte Mühe, sich ihre Antworten zu notieren. Mit der einen Hand hielt er sein Klemmbrett, mit der anderen den Stift, ohne sich selbst festhalten zu können. Er versuchte, mit den Füßen an der Metallstange Halt zu finden, es gelang ihm allerdings nur mäßig. »Wie geht es dir?«, fragte er weiter.

Nach wie vor litt Lea unter Zweifeln. Ihr machte der Gedanke zu schaffen, dass sie hier fünf Jahre ihres Lebens und ihre Gesundheit opferte, für nichts, das sie weiterbringen würde. Zumindest, wenn alles gut ausging. Wenn es schlecht lief, würde sie sogar ihr Leben auf dieser Reise lassen, auch wenn das eher unwahrscheinlich war, aber die Möglichkeit war stets allgegenwärtig. Es war die Reise ihres Lebens und alles, was sie dabei empfand, war Langeweile. Und immer, wenn ihr das bewusst wurde, überkamen sie Schuldgefühle, weil sie wusste, dass viele Menschen sie um solch eine Erfahrung beneideten.

»Lea?« Baihu wartete auf eine Antwort.

Kurz dachte Lea nach und überlegte, wie sie ihre Überlegungen in Worte fassen konnte. »Ich … bin vielleicht etwas enttäuscht und unterfordert, weil ich … so wenig zu tun habe.«

Das ließ Baihu unkommentiert und fragte stattdessen: »Wie läuft es mit Owen?«

Lea runzelte die Stirn und kämpfte den Drang nieder, erneut mit den Achseln zu zucken. Sie öffnete den Mund, um was zu sagen, Baihu kam ihr jedoch zuvor.

»Es ist eine sehr sinnvolle Arbeit, die ihr da macht«, erinnerte er sie ernst.

»Ja, das stimmt.« Lea nickte. Nach dem Gespräch mit Adua hatte Baihu ihr das Antidepressivum verschrieben und Adua ihr eine Art Job bei Owen vermittelt. Sie war lediglich die Assistentin des Botanikers und hatte ihre festen Aufgaben. Adua empfand es als wichtig, dass Lea was Nützliches zu tun bekam, und Baihu hatte es ebenso gesehen.

Also hatte Lea sich gebeugt, obwohl sie genau wusste, dass Owen ganz gut ohne sie klarkam. Sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie nervös Owen gewesen war, als er sie eingewiesen hatte. Es war offensichtlich gewesen, dass Owen sich gefreut hatte, jemandem etwas über seine Pflanzen zu erzählen.

»Er ist halt ein Nerd«, meinte Lea leise. »Manchmal muss ich lachen, mit welcher Ernsthaftigkeit er mir Dinge erzählt und wie fasziniert und verzückt er von jeder kleinsten Veränderung an seinem Grünzeug ist. Ich wünschte, ich könnte die Begeisterung nachempfinden, wenn ich meine Rover zum wiederholten Male öle, da es nichts an ihnen zu reparieren gibt.«

Baihu grinste. »Mir musst du das nicht erzählen. Ich habe schließlich vorher mit Owen zusammengearbeitet.«

Erst jetzt wurde Lea bewusst, dass Baihu nicht nur Medizin, sondern auch Biologie studiert hatte und zuvor Owen unterstützt hatte. Ob er die Arbeit mit dem Biologen vermisste und ihm jetzt eine Aufgabe fehlte, in die er sich stürzen konnte? Lea betrachtete Baihu nachdenklich, aber sie sagte nichts – vielleicht aus Angst, dass er zugeben könnte, den Job bald zurückhaben zu wollen. Sie blickte zu der Metallstange, an der Baihu weiterhin seine Füße verkeilte, um möglichst aufrecht bleiben zu können.

»Du machst einen besseren Eindruck auf mich.«

Lea hob den Kopf. Sie war verwirrt, denn sie fühlte sich nicht unbedingt besser. Dann musste sie aber erneut grinsen, weil sie zugeben musste, dass es eine gute Idee von Baihu und Adua gewesen war, ihr den Job zu geben, statt ihr lediglich noch mehr Putzaufgaben zu überlassen.

»Danke«, sagte sie freundlich und lächelte Baihu an.

Er war in China geboren, hatte allerdings nicht die zierliche Statur eines Asiaten, sondern war muskulös und kräftig gebaut. Er hatte lange Haare, die er zu einem Knoten im Nacken zusammengebunden hatte. Früher hatte er seine Haare in einem langen Pferdeschwanz getragen, aber seit sie im All der Schwerelosigkeit ausgesetzt waren, hatten sie alle feststellen müssen, dass Haare nervend waren, wenn man ihnen zu viel Freiraum ließ.

Zum wiederholten Male fragte Lea sich, warum Baihu sie sich nie abgeschnitten hatte. Eines Tages würde sie das tun, bisher hatte sie sich das nicht getraut.

Ein dichter Bart bedeckte Baihus Mundpartie, und an seinem Kinn hatte er ein längeres Ziegenbärtchen zu einem dünnen Zopf geflochten, der durch die Schwerelosigkeit meist abstand und lustig hin und her wippte.

Im Gegensatz zu Adua war er energischer, konnte laut werden, wenn ihn etwas ärgerte, und machte manchmal auch einen ungeduldigen Eindruck. Wenn er jedoch in einem Patientengespräch war, Behandlungen durchführte oder sensible Themen ansprach, war er konzentriert und akzeptierte keine Störung von außen.

Zusammen mit Adua gab er ein perfektes Team ab, und Lea hatte großes Vertrauen zu beiden. Sie hätte ihnen ebenfalls einzeln vertraut, aber gemeinsam ergänzten sie sich und scheuten auch nicht, Diskussionen über Medikamente oder Diagnosen offen auszutragen. Dabei gingen beide stets respektvoll miteinander um.

»Wenn irgendwas ist, wenn du doch Nebenwirkungen verspürst oder …«

»… dann melde ich mich«, unterbrach Lea und nickte erneut. Sie berührte Baihu an der Schulter.

Wie alle anderen kannte sie Baihu bereits seit vielen Jahren. Seit sie als Crew zusammengestellt waren, arbeiteten sie miteinander und bereiteten sich auf den jetzigen Einsatz vor. Sie hatten unzählige gemeinsame Trainings hinter sich und haufenweise Teambildungsmaßnahmen über sich ergehen lassen müssen, dass es ihnen zum Hals rausgehangen hatte. Als Vorbereitung auf diese Reise waren sie sogar gemeinsam zum Mond geflogen, hatten dort Proben eingesammelt und einige Wochen auf der ISS verbracht. Sie hatten zusammen Sporteinheiten, medizinische Tests und psychologische Übungen absolvieren müssen, bevor man sie gemeinsam ins All geschickt hatte.

Es war immer klar gewesen, dass sie als Team auf der Erde zusammenwachsen müssten, sonst hätte niemand gewagt, sie zum Mars zu schicken. Hier mussten sie einander vertrauen und sich aufeinander verlassen können. Sie hatten keinen Raum für Streitereien, Zickereien oder Neid.

Trotzdem waren sie nie alleine gewesen. Der Ernstfall hatte entgegen aller Bemühungen nie komplett simuliert werden können. Erst hier in aller Abgeschiedenheit und von allen anderen Kontakten separiert waren sie auf Charaktereigenschaften gestoßen, die sie weder von den anderen und schon gar nicht von sich selbst erwartet hätten.

Das war der Grund, warum Lea das Gefühl hatte, die anderen Crewmitglieder anfangs gar nicht richtig gekannt zu haben. Sie waren nur ein Teil einer noch größeren Crew gewesen. Jetzt waren sie alles, was Lea als sozialen Rückhalt hatte.

»Du kennst mich doch«, betonte Lea leise.

»Ja.« Baihu nickte langsam und sah sie ernst an. »Deswegen ja.« Er berührte ihre Hand und drücke sie leicht.

»Mach dir nicht so viele Sorgen.« Lea schnalzte streng mit der Zunge, dann fiel ihr etwas ein, was Baihu ihr am Morgen erzählt hatte. »Vermisst du sie?«

Baihu wusste sofort, von wem sie sprach. Sein Blick verdüsterte sich, und sein Kinn war ein bisschen angespannter als sonst. »Sie ist meine Schwester, und heute ist ihr Geburtstag. Ich denke ständig an sie.«

»Es wird nicht der letzte Geburtstag sein, an dem wir nicht dabei sein können«, betonte Lea.

Baihu zögerte kurz, anschließend nickte er. »Nein, aber wir können das Feiern nachholen, wenn wir zu Hause bei unseren Lieben sind. Und bis dahin werden wir unsere eigenen Geburtstage miteinander feiern.« Baihu zwinkerte. »Immerhin sind wir eine siebenköpfige Crew, das bedeutet, wir haben ordentlich was zu feiern.«

Lea runzelte die Stirn. »Ja, grandiose Partys mit eingeschweißter Astronautennahrung, alkoholfreien Getränken aus dem Strohhalm und dem kläglichen Versuch, in der Schwerelosigkeit zu tanzen. Wie erstrebenswert ist das denn?«

»Keine Ahnung.« Baihu lachte. »Hab es nie ausprobiert, allerdings sollten wir das mal testen. Ich denke, ich werde dich zu meiner Geburtstagsparty einladen.«

Auch Lea lachte.

»Komm schon, Owen wird bereits warten.« Baihu drückte erneut ihre Hand.

»Ja. Danke«, fügte Lea noch hinzu, bevor sie sich abstieß und aus dem Krankenzimmer schwebte.

*

Während sie sich am Gang von den Wänden abstieß, um möglichst schnell zum Labor zu kommen, dachte sie an ihre eigene Schwester und daran, wie elendig sie sich an dem Geburtstag ihrer Mutter gefühlt hatte. Wie heimatlos und einsam und verzweifelt der Gedanke gewesen war, dass ihre Familie nun zusammensaß, ohne sie, und das normalste der Welt machte: miteinander anstoßen, Kuchen essen, Geschenke auspacken. Noch nie zuvor waren Lea solche Kleinigkeiten so wichtig erschienen.

Der Blick von Baihu hatte es verraten. Er empfand ähnlich. Für ihn war es ebenfalls schwer, jetzt nicht bei seiner Schwester sein zu können. Auch er fühlte sich einsam.

Sie war nicht die Einzige, die hier eine besondere Erfahrung machte. Sie alle waren isoliert von der Außenwelt. Sie alle gingen mal besser, mal schlechter damit um, dass es hier wenig zu tun gab, sie sich aber nie wohl genug fühlen durften, um sich völlig zu entspannen. Die Einsamkeit konnten sie je nach Tagesform besser ignorieren oder eben gar nicht. Alle saßen buchstäblich im selben Boot, das in ihrem Fall ein Raumschiff war, umgeben von einer feindlichen und unüberwindbaren Umgebung.

Sie war nicht alleine.

*

Als sie in Owens Labor schwebte, fühlte sie sich besser. Nicht mehr so einsam. Besser gelaunt. Und Owen zu sehen, tat ihr zusätzlich noch gut.