Traumfußball - Arnd Zeigler - E-Book
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Arnd Zeigler

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Beschreibung

Arnd Zeigler liebt den Fußball, vor allem seine unterhaltsamen, manchmal auch skurrilen Seiten. Der bekannte TV- und Radio-Moderator erzählt in seinem neuen Buch von legendären Toren und Sensationen, großen Emotionen, bekannten und weniger bekannten Helden und Schurken, Söldnern und Schauspielern, schlechten TV-Kommentatoren, schräger Werbung, taktischer Langeweile und dem neuesten Regel-Chaos. Und er fragt sich immer wieder: Mögen wir das oder hassen wir das – und wenn ja, warum?  Seine launigen Betrachtungen unseres Lieblingsspiels dekoriert der Bremer mit lauter wunderbaren Dingen, die das Herz jedes Fußballfans aufgehen lassen: alte Sammelbilder, kuriose fußballkulturelle Zeitdokumente, merkwürdige Zeitungsausschnitte, alte Werbung und Poster. Sein Buch ist ein höcht sinnlicher Blick auf den Fußball – nicht von der Kanzel, sondern aus der Kurve. Fazit: man muss Fußball einfach lieben!

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Seitenzahl: 250

Veröffentlichungsjahr: 2020

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INHALT

KLOPPWORT

VORWORT

DER ANFANG VON ALLEDEM

oder: Die goldene Mannschaft über dem Bett meines Bruders

SICH IN EINEM VEREIN FINDEN

oder: Wie alles so richtig losgeht (und nie wieder aufhört)

FUSSBALL IST KEIN COMPUTERSPIEL

oder: Doch, manchmal schon

EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE

oder: Lustig im kurzen Eck

ENTTÄUSCHT SEIN FÜR FORTGESCHRITTENE

oder: Rechthaben kann manchmal länger dauern

TREUE

oder: Reisende soll man nicht aufhalten

DAS DICKE DING TICKETING

oder: Wie man Turniere gründlich ruiniert

FRÜHER WAR ALLES BESSER

oder: Noch früher war alles sogar noch besser

DIE ERFINDUNG DER ADDUKTOREN

oder: Wenn in der Sportschau weniger Tore fielen als auf Gilligans Insel

REGELBESCHWERDEN

oder: Elfmeter ist manchmal, wenn der Schiedsrichter pfeift

PAUL BREITNER GIBT ES WIRKLICH

oder: Ey, Pizarro!

ANATOMIE EINER TRAINERDISKUSSION

oder: Irgendwas könnte man doch mal ausprobieren

STADIONMUSIK

oder: Anton aus Tirol ist ein böser Mann!

INTERVIEWS DES GRAUENS

oder: Wie Fußballjournalismus viel schöner funktionieren könnte

HERBERT

oder: Fußball ohne Internet ist wie Kochen ohne Hochdruckreiniger

EIN MEISTERSCHALES GEFÜHL

oder: So seh’n Sieger jetzt immer aus

FARBENLEHRE

oder: Die Stadt ist schwarz vor Menschen in orange

EVENTISIERUNG

oder: Das hässliche Gesicht eines schönen Spiels

FÜNFUNDZWANZIG SEHR UNPOPULÄRE FUSSBALLWAHRHEITEN

YOU’LL NEVER WALK ALONE

oder: Nudelsalat verbindet

NACHSPIELZEIT

Dank

Für alle, denen der Fußball genauso viel bedeutet wie mir. Und für alle, die genauso sehr wollen, dass das alles niemals weggeht.

KLOPPWORT

Ich liebe dieses Spiel, seit ich denken kann. Einfach, weil ich es mit meinen Freunden zusammen spielen konnte.

Das Spiel hat mich gelehrt, dass ich nicht perfekt sein muss, um Erfolg zu haben. Meine Mitspieler machen mich besser und ich helfe ihnen. Das habe ich aufs Leben übertragen.

Und bis heute gibt mir diese Erkenntnis die Ruhe und das Selbstvertrauen, mich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Ich helfe und ich lasse mir helfen – auf und neben dem Platz.

Arnd Zeigler bringt diese Liebe zum Fußball in diesem Buch auf den Punkt.

JÜRGEN KLOPP

VORWORT

Der Mensch sucht sich in der Regel ein Hobby, um seine Freizeit sinnvoll und kurzweilig zu gestalten. Es soll entspannen, ablenken, fesseln, beruhigen. Es soll dauerhaft und immer wieder neu motivieren, denn ein Hobby will gepflegt und fortgeführt werden. Und wenn wir uns auf dieser oberflächlichen und theoretischen Ebene weiterbewegen wollen, dann kommen wir im Umkehrschluss auch schnell darauf, dass ein schönes Hobby uns möglichst nicht frustrieren soll, nicht wütend machen, die Laune verderben oder entmutigen soll. Und jetzt, wo ich das schreibe: Genau diese Dinge beherrscht der Fußball meisterhaft.

Je nach Herzensverein sind wir mindestens gelegentlich, in vielen Fällen häufig oder im unglücklichsten Fall dauerhaft deprimiert. Der unglücklichste Fall ist meistens der HSV. Der Autor dieser Zeilen ist Bremer und nimmt sich in dieser Sekunde vor, dass derartige Sätze in diesem Buch nicht allzu häufig vorkommen sollten. Selbst dann nicht, wenn sie der Wahrheit entsprechen.

Der Fußball frustriert uns nicht nur, er erzürnt uns. Und das nicht nur einmal pro Woche, sondern im schlimmsten Fall vielfach während eines einzigen Fußballspiels. Es gibt ja diese abenteuerliche Behauptung, jeder Mann denke alle sieben Sekunden an Sex. Ich halte das für groben Unfug, weil man dafür ja alle sieben Sekunden denken müsste. Analog dazu denkt ein Fußballfan aber während eines 90-minütigen Fußballspiels etwa 350-mal »Scheiße!«. Anlässe dafür liefert jedes Spiel ausreichend: Platzwahl verloren, Pass in den Rücken des Mitspielers, ins Abseits gelaufen, Bier alle, unnatürliche Handbewegung im falschesten Moment, Pfostenschuss, Gegentor zu einem psychologisch ungünstigen Zeitpunkt, Gegentor zu einem psychologisch günstigen Zeitpunkt, Trainer wechselt dusselig aus, Trainer wechselt zu spät aus, Trainer wechselt gar nicht aus, der beste Spieler verletzt sich und kann nicht mehr ausgewechselt werden, der beste Spieler des Gegners verletzt sich nicht, der Tribünennachbar hat eine schwache Blase, es regnet, der Ball verspringt, das Spiel ist zu lang, das Spiel ist zu Ende, die Nachspielzeit war viel zu kurz. Allein diese Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Wir lernen daraus: Jedes Fußballspiel beschert uns Unmengen von Enttäuschungen, unerfüllte Erwartungen, Momente voller Fremdscham und Bitterkeit. Trotzdem freuen wir uns vor jedem Spiel wie ein kleines Kind, denn beim nächsten Mal könnte es ja viel besser laufen. Tut es natürlich nie, aber es könnte. Und deshalb ist der Fußball auch nicht besonders gut geeignet, um beim Fan für permanente gute Laune zu sorgen. Im Gegenteil.

Jeder von uns kennt diese Montage, an denen man dem Kollegen X und der Kollegin Y lieber nicht begegnen möchte. Wegen Samstag. Die Kollegen sind zwar selbst keine Fußballfans, stänkern aber gerne. Auch so ein Ding: Fußball macht zuweilen den Menschen am meisten Spaß, die sich nur ganz wenig dafür interessieren. Und zwar nicht trotzdem, sondern gerade drum. Wer selbst keinerlei Emotionen für Fußball hegt, der kann durch das eigene Unbeteiligtsein den aschfahlen, vom Wochenendergebnis niedergedrückten und gramgebeugten Mitmenschen besonders effektiv und ohne allzu viel Aufwand kränken. Wer Fußball nur ein bisschen mag (»Ja gut, bei Weltmeisterschaften schaue ich schon mal zu, aber sonst nicht so«), aber keinem Verein nahesteht, der ist im Gegensatz zum beinharten, lebenslangen Fanatiker seelisch nahezu unverwundbar. Eine der ganz großen Ungerechtigkeiten des Fanlebens.

Es gibt weitere. Unser Selbstwertgefühl wird durch die Liebe zu einem Verein auf eine harte Probe gestellt, und das permanent. Je nach Verein gibt es Wochenende für Wochenende Anlass zu Fremdscham, Mutlosigkeit und Weinerlichkeit. In englischen Wochen auch öfter. Weil man gerade das Heimspiel gegen den Tabellenletzten verloren hat, dessen gesamte Mannschaft so viel gekostet hat wie Dein Ersatztorwart. Weil Dein Mannschaftskapitän Interviews gibt, in denen er die geistige Reife eines Vierjährigen an den Tag legt. Weil Du für eine Erinnerung an das letzte wirklich gute Spiel Deiner Mannschaft erst einmal die letzten acht Kicker-Sonderhefte durchblättern müsstest. Weil Dein Verein gerade das Trikot für die neue Saison vorgestellt hat und es diesmal hellblau sein wird, mit kleinen rosa Elefanten. Wahrhaftig, es gibt sehr viele mögliche Gründe für ein ständiges Unwohlsein hinsichtlich des Lieblingsvereins.

Und dennoch: Hey, es ist immer noch Fußball! Eine Leidenschaft, die uns irgendwann gefangen nimmt. Sie tut dies nicht wie ein Liebender, der jemanden umgarnen, verzaubern und für sich gewinnen will, sondern mit dem Holzhammer. Der Fußball ergreift Besitz von uns. Und wenn es geschehen ist, sind wir verloren. Wir sind – und wir haben – verloren. Zum Beispiel die Fähigkeit, Wochenenden in gelöster Stimmung zu verbringen. Für Nicht-Fußballfans ist das eine Selbstverständlichkeit.

Auch soziale Kontakte gestalten sich mühseliger, wenn jeder geliebte Mensch Deine Zuneigung von vornherein mit der bedingungslosen Liebe teilen muss, die Du für elf fremde Menschen in kurzen Hosen empfindest. Oder wenn sich im weiteren Verlauf eurer Beziehung die Atmosphäre jährlich aufs Neue vergiftet, weil Du immer erst dann mit der Familie in den Jahresurlaub fahren kannst, wenn Du das Testspiel gegen den portugiesischen Zweitligisten im Trainingslager verfolgt hast, als einer von 16 mitgereisten Fans. Den Fans des portugiesischen Zweitligisten ergeht es übrigens genauso.

Da wir jedoch all das auf uns nehmen, manchmal sogar freiwillig, muss es irgendetwas geben, das uns diese Leidenschaft zurückgibt. Etwas, das uns fesselt, fasziniert und immer weitermachen lässt. Etwas, das uns immer wieder an dieselbe unisolierte Stromleitung fassen lässt. Rational kann es das eigentlich nicht geben. Also ist es mutmaßlich etwas Irrationales, schwer Greifbares. Nur was? Was bringt uns dazu, all das auf uns zu nehmen, in vielen Fällen ohne Aussicht auf Belohnung, und in manchen Fällen mit der Perspektive, sein komplettes Leben lang in einem Maß fortgesetzt enttäuscht zu werden, wie man es einem Freund oder Bekannten niemals durchgehen lassen würde? Das Rätsel ist ebenso einfach zu beantworten, wie es schwierig zu lösen ist: Es ist die Hoffnung. Denn es könnte ja alles besser werden, oder sogar gut. Darauf beharren wir, wie der Angetrunkene an der Losbude, der sein gesamtes Geld für Nieten investiert und es im Grunde vor dem Aufreißen der Lose schon genau weiß.

Und hier wird es faszinierend: Um vielleicht irgendwann mal belohnt zu werden, würde man als Fußballfan auch dann weitermachen, wenn einem die Vernunft längst sagt, dass es niemals besser wird. Die Neuzugänge für die kommenden Saison werden wieder dieselben Krampen wie die des letzten Sommers. Das ist egal, denn danach folgen weitere Sommer. Und darauf warten wir. Unser Leben lang. Auf den unfassbar guten Spieler, den alle anderen Vereine übersehen haben. Auf das Jahr, in dem alles gelingt. Auf den Trainer, der den Plan hat. Auf die Tabelle, die einen träumen lässt statt zu ängstigen.

Wir sind süchtig, wir sind ohne Hoffnung, wir sind verloren. Aber wir sind viele. Und wir sind in dem Schmerz und der Trauer nie allein. Im Erfolg übrigens auch nicht. Wenn jemals alles super läuft, sind wir plötzlich die viel besungenen wildfremden Menschen, die sich in den Armen liegen. Dann sind wir ein Teil des großen Ganzen. Wir sind zugegebenermaßen ein kleiner Teil, wie ein Tropfen im Ozean. Aber gemeinsam sind wir der Ozean. Und plötzlich ist Fußball wunderbar. Darauf warten wir. Auf diesen Moment, der kommen könnte, irgendwann. Das Wort »irgendwann« ist eines der Wichtigsten im Leben eines Fußballfans. Und wenn dieses Irgendwann endlich da ist, möchte man es wieder und wieder erleben. Man möchte manchmal wie Bayern München sein, denn dort ist es immer »irgendwann«. Was die Frage aufwirft, was man als Fan von Bayern München möchte, denn deren Fanleben funktioniert zwangsläufig anders. Als Bayern-Fan möchte man im Grunde, dass alles immer so bleiben möge. Ein Gedanke, den wiederum ein Fan von Preußen Münster nur ganz selten haben wird, beziehungsweise, eigentlich nie. Hochinteressant, und auch wieder fußballspezifisch: Dennoch möchte der Preußen-Fan selten mit dem Bayern-Fan tauschen, und umgekehrt wäre ja es ja auch höchst töricht.

Aus all diesen Mosaiksteinen ergibt sich folgendes Gesamtbild: Als Fußballfan funktioniert man nicht rational oder besonnen, sondern emotional und impulsiv. Wir suchen uns dieses Dasein nicht aus, sondern schlittern hinein. Wir wissen, dass vieles Quatsch ist, was wir tun. Und wir wissen, dass uns vieles nicht guttut, aber wir wollen das auch nicht anders. Wir würden gerne etwas weniger leiden, wären gerne seltener wütend und enttäuscht, aber tun andersherum alles, um genau diese Gefühle immer wieder neu durchmachen zu müssen.

Ohne mich mit Gehirnen allzu gut auszukennen, gehe ich davon aus, dass das Leben als Fußballfan unsere Synapsen, Nervenbahnen und Blutgefäße vor allerhöchste Anforderungen stellt. Wenn in der 90. Minute ein entscheidendes Tor fällt, brizzelt es im Kleinhirn spürbar. Egal, ob das Tor für Deine Mannschaft fällt oder für den Gegner, und auch dann, wenn es nur beinahe fällt. Im Fußball kann der gesamte Kosmos durch eine Zehntelsekunde auf links gezogen werden, und unser Gemüt ist dafür nicht geschaffen.

Viele von uns Betroffenen waren schon einmal in der Situation, Nicht-Fans erklären zu wollen, was an Fußball so toll ist. Vergesst es. Es ist unmöglich. »Was soll denn so toll daran sein, wenn 22 Menschen einen Ball in so ein Tor schießen wollen?« »Weshalb magst Du die Spieler eigentlich so, die kommen doch alle von sonst woher und spielen nur für Geld, und nicht, weil sie Deinen Verein so sehr mögen?« »Weshalb gibst Du so viel Geld dafür aus, diesen Millionären hinterherzureisen, denen Du völlig egal bist?« »Warum suchst Du Dir nicht ein anderes Hobby, wo Du Dich weniger ärgern musst?« Das wollen wir nicht hören. Und noch weniger wollen wir es beantworten. Die Frage, weshalb wir das alles mitmachen, stellt sich nicht. Sie stellt sich nicht ab der Sekunde, in der wir einst damit begonnen haben.

Eine Wahl haben wir also nicht. Wer Fan eines Vereins ist, bleibt es. Es gibt Phasen der Entfremdung und Phasen, in denen andere Dinge wichtiger zu sein scheinen. Am Ende aber kommt man immer wieder zum Fußball zurück. Das liegt an der Historie, die jeder von uns mit dieser Leidenschaft verbindet. Wir erleben Dinge, die in unseren Erinnerungen und Emotionen nie wieder weggehen werden. Jeglicher Versuch, sich von alledem nicht mehr so sehr berühren zu lassen, ist zum Scheitern verurteilt, denn wir wollen ja ausdrücklich berührt werden.

Wir haben also nur eine Chance: Wir müssen den Fußball und diese Leidenschaft so leben, dass möglichst wenig Schmerz entsteht. Den Schmerz, der unausweichlich kommen wird, müssen wir irgendwie aushalten. Wir müssen uns manche Dinge immer wieder neu bewusst machen, und manches müssen wir uns dauerhaft schönlügen. Das ist aber egal, denn der Fußball belohnt uns mit Gefühlen, die uns nichts und niemand anderes geben kann. Dass er uns gleichzeitig auch immer wieder bestraft, nehmen wir hin, denn das bucht man mit. Wenn wir uns auf den Fußball eingelassen haben, sind wir selbst schuld, bekommen aber grundsätzlich mildernde Umstände. In diesem Buch wollen wir gemeinsam überlegen, was für uns das Tolle am Fußball ist. Jeder wird da andere Dinge nennen können. Und wenn wir das für uns begriffen haben, können wir auch dafür sorgen, dass das Tolle noch ein bisschen toller wird und der Ärger noch etwas kleiner.

Auch, wenn wir es nicht in jedem Augenblick spüren können, oder selten, oder fast nie: Fußball macht uns reicher. Fußball bringt uns Dinge bei, die wir in jeder Lebenslage gebrauchen können. Fußball ist nicht nur ein Spiel, und auch keine Religion. Aber wer den Fußball liebt, der erlebt durch ihn alle Gefühle, die das Leben uns zu bieten hat: Glück, Triumph, Wut, Trauer, Stolz, Hoffnung, Niedergeschlagenheit, Liebe, Abneigung, Trotz, Sehnsucht – die Liste ließe sich endlos fortsetzen, oder zumindest bis zum nächsten Transferfenster.

Wenn wir uns alles genau anschauen, was mit Fußball und den Gefühlen zusammenhängt, kommen wir unausweichlich zu dem Resultat, dass eine empathisch gelebte Fußballleidenschaft erheblich mehr Spaß macht. Durch Fußball verdorbene Nachmittage ergeben letztlich nur dann einen tieferen Sinn, wenn wir durch ihn auch Sternstunden erleben. Und dafür sind nicht ausschließlich Tabellen und Resultate verantwortlich, sondern wir selbst. Wenn wir alles vergessen oder geringschätzen, was im Fußball mit Menschlichkeit, Fehlbarkeit, Schwächen und Schwankungen zu tun hat, ist unser Fußball ärmer. Und wir sind dann im Grunde nicht ein Freund der Menschen auf dem Rasen, sondern ein Freund der Zahlen auf der Anzeigetafel. Wer Fußball als Spiel begreift, in dem in erster Linie Menschen miteinander zu tun haben, die durchaus Fehler machen, und zu dem Niederlagen und Täler dazugehören, wird für sein Hobby nicht öfter belohnt als die anderen. Aber reicher. Und nachhaltiger. Wenn wir in uns hineinhorchen, ist es eine erstrebenswerte und reizvolle Vision, Fußball unter allen Umständen mit Empathie zu verbinden. Das ist nicht immer einfach, aber es geht.

Nehmen wir das alles mit. Lernen wir, leiden wir, hoffen wir, lieben wir. Jeder so, wie er es für sich am besten kann. Aber vielleicht am Ende dieses Buches etwas bewusster. Wobei ich auch bewusstlos schon sehr schöne Fußballmomente erlebt habe. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

DER ANFANG VON ALLEDEM

oder: Die goldene Mannschaft über dem Bett meines Bruders

Wenn ich mir heute alte Fotoalben anschaue, kann ich ziemlich genau zurückverfolgen, wann »es« passiert sein muss. Ich sehe Bilder von mir als Vierjährigen, in einem Alter, in denen Autos mein einziges Hobby waren. Ich lungerte bei der alten Tankstelle in unserem Dorf herum und schaute dem Inhaber Herrn Jäckel beim Reparieren der Autos zu. In allen Kinderbüchern interessierten mich vor allem die Seiten, auf denen Autos zu sehen waren. Ich konnte Fabrikate am Motorengeräusch unterscheiden, habe mir Bilder meiner Lieblingsautos aufgehängt (Favoriten waren der sogenannte Ford Badewanne und der ebenfalls sogenannte Buckelvolvo) und hatte eine riesige Sammlung an Matchbox-Autos.

Mein zehn Jahre älterer Bruder Ingo spielte kurzzeitig Fußball beim TSV Lahausen, und mein fünf Jahre älterer Bruder Götz schrieb mit blauem Wachsstift die Buchstaben FCB an die Innenseite seiner Kleiderschranktür. Bei mir unterdessen: Autos. Sonst nichts. Später vielleicht noch Urmel aus dem Eis, aber Fußball spielte keine Rolle. Okay, man kam damals (ca. 1969) an Gerd Müller nicht vorbei, und das nicht nur wegen seiner unglaublich stämmigen Oberschenkel. Den Namen hatte ich schon gehört, und als Ingo seine Sammeltafel »Shell Traum-Elf 1969« mit bronzefarbenen Münzen der damaligen Nationalspieler komplett hatte, habe ich immer mal verzückt über Müllers Gesicht gestrichen. Ohne Hintergedanken. Ich habe einfach kritiklos akzeptiert, dass der scheinbar sehr wichtig war. Nicht ganz so wichtig wie der Ford Badewanne, aber schon auch wichtig. Dass meine Mutter meine Brüder zum besseren Essen animierte, indem sie die beiden darauf hinwies, dass Franz Beckenbauer auch immer Suppen von Knorr äße, hatte bei mir keinerlei Effekt.

Als ich im Begriff war, fünf zu werden, war alles schon etwas anders. Die WM in Mexiko nahte, und es häuften sich abendliche Qualifikations- und später Testländerspiele. Meine Brüder durften sie sehen, ich nicht. Ich war zu klein. Und ich war immer noch kein Fußballfan. Aber doof war ich auch nicht. Ich begriff, dass eine vorgetäuschte, erwachende Leidenschaft für abendliche Länderspiele in Tateinheit mit meinen braunen Dackelaugen und etwas Maulerei immer häufiger dazu führte, dass ich abends mit meinen Brüdern abhängen und chillen durfte, um Länderspiele von Gerd Müller und seinen Kumpanen zu schauen. Es hat mich nicht sehr interessiert, aber ich durfte länger aufbleiben, und meine großen Brüder fand ich toll. Und dann passierte es. Kaum merklich, erst zaghaft, aber dann mit immer mehr Wucht: Ich wurde Fußballfan.

Anstelle der Serie »Shell Traum-Elf 69« gab es 1970 zur WM in Mexiko die Münzserie »Unser weltmeisterliches Team«, auch von Shell. Die Münzen musste man in einen aufklappbaren WM-Spielplan stecken. Unterdessen hatte mein Bruder sich die Kicker-Sondernummer zur WM gekauft, in deren Heftmitte ein doppelseitiges Poster der Nationalelf nachdrücklich darauf pochte, aufgehängt zu werden. Mein Bruder erbarmte sich und pinnte dieses Poster über sein Klappbett. Ich werde das Bild nie vergessen, weil ich es als knapp Fünfjähriger angestarrt habe, bis ich mir jedes noch so kleine Detail eingeprägt hatte. Es war ein Flutlichtspiel gegen Rumänien in Stuttgart, und das Licht, in dem unsere Nationalspieler sich zur Hymne aufgestellt hatten, sah golden aus. DFB-Kapitän war Wolfgang Overath, was mich mit fünf Jahren aber noch nicht sonderlich verwirrte. Hinter den Spielern sah man die ebenfalls golden glänzenden Blasinstrumente der Militärkapelle. Und Berti Vogts stand ganz außen und war nicht viel größer als ich. Ich verfiel diesem Hobby also durch das reliefartige Gesicht von Gerd Müller auf einer mittlerweile rostigen Shell-Münze, durch den feierlich-goldenen Lichtschein auf dem Kicker-Poster der Nationalelf aus dem April 1970, durch die Gelegenheit, an Länderspielabenden länger aufzubleiben und durch den Schlüsselanhänger meines Bruders in Gestalt von Juanito, dem WM-Maskottchen von 1970. Mehr brauchte ich für den Anfang nicht, um zu glauben, ich sei neuerdings ein Fußballfan. Aber dann kamen in rascher Folge immer mehr Argumente hinzu, die die Sinnlichkeit und Attraktion des Fußballs für mich rasend schnell erhöhten. Die cremig-gelben Trikots der brasilianischen Weltmeisterelf. Die omnipräsenten Anzeigen, mit denen Gerd Müller für Mars-Schokoriegel warb, die schon damals verbrauchte Energie sofort zurückbrachten, was mir mit fünf Jahren schon sehr beeindruckend vorkam. Ich war mir damals auch sicher, dass Gerd Müller nur durch Schokoriegel diese dicken Oberschenkel hatte, was genau genommen ja auch sehr gut sein kann.

Es begann die Phase, für die Fanforscher und Irrenärzte bestimmt einen Fachbegriff haben. Die Zeit, in der ich infiziert, aber noch nicht völlig wahnsinnig war. Mir reichten gelegentliche Fußballspiele im Fernsehen, ich kickte selbst gerne auf dem Schulhof meiner Grundschule in Kirchweyhe, aber ich war dabei nicht verbissen. Ich fand es toll, dass ich ein Bild von Karl-Heinz Krott (Alemannia Aachen) in einer Heinerle-Wundertüte fand, aber mir reichte dieses eine Bild vollkommen. Ich musste nicht alle 200 Bilder aus dieser Serie haben. Hey … ich hatte Karl-Heinz Krott (Alemannia Aachen)! Den habe ich bei mir ans Bettgestell geklebt. Neben irgendeinen Auto-Sticker.

Zum Ausbruch kam alles im Jahr 1974. Plötzlich, gewaltig, unaufhaltsam. Fußball war jetzt überall. Es gab Poster der Fußballstars in der BRAVO, Karikaturen der deutschen WM-Stars von Volker Erns-ting in der HörZu, »Fußball ist unser Leben« im Radio, WM-Sammelbilder in Sprengel-Schokolade, die Maskottchen Tip und Tap als Sticker in Nutella-Deckeln. Und ich wollte das ALLES. Ich wachte in jenen Wochen auch schon mal morgens euphorisiert auf, weil ich geträumt hatte, Franz Beckenbauer sei bei uns vor dem Haus und hielte gerade ein Schwätzchen mit meinem Vater. In der Garageneinfahrt. Im Nationaltrikot tauschte er sich mit meinem Vater aus, der gerade den Rasen sprengte. War aber wirklich nur ein Traum. Deutschland gewann den WM-Titel 1974 an meinem neunten Geburtstag. Es gab kein Zurück mehr. Und ich wollte jetzt auch alles nachholen, was ich versäumt hatte. Ingos bester Freund klingelte eines Tages und hatte den ganzen Arm voller alter Sammelalben: »Ich glaube, Du bist jetzt der Spezialist!« In einem der Alben fand ich eine wunderschöne, alte Autogrammkarte von Hans Tilkowski, mit einer der elegantesten Unterschriften, die ich je sah. Die Sammelalben führten mich zu alten Buchschinken wie Die großen Spiele 1969. Das konnte ich auswendig. In der Gemeindebücherei Kirchweyhe lieh ich mir das WM-Buch von Hennes Weisweiler zur WM 1970 aus. Elfmal insgesamt. Danach konnte ich auch das auswendig.

Es folgten die Jahre, in denen die Neugier und der Hunger immer größer wurden. Dies ist gleichbedeutend mit jenem Zeitraum, den viele Fußballprofis mit dem Satz »Als Kind war ich Fan von Bayern München, aber da hatte ich auch noch keine Ahnung!« zusammenfassen. Obwohl Franz Beckenbauer nie in unserer Garageneinfahrt stand, fand ich die Bayern damals kurz spannend. Ich schrieb an Beckenbauer, Gerd Müller und Co. und bat um Autogramme. Beckenbauers Autogramm war wunderschön. Das von Gerd Müller bestand aus mehreren Kringeln. Meine Passion für Autogramme erhielt erst Jahre später, vor der WM

SICH IN EINEM VEREIN FINDEN

oder: Wie alles so richtig losgeht (und nie wieder aufhört)

Okay, es wird ernst. Bis jetzt ging es um Autogramme, Sammelbildchen und Hans Tilkowski, um Schokoriegel und Trikotfarben. Alles schön, alles wichtig. Aber alles eher Zeugnisse von erwachendem Interesse, wie man es auch für Ausdruckstanz, Pflanzenkunde oder das Ausmalen von Mandalas entwickeln kann. Du denkst, Du hast ein neues Hobby. Du denkst, Fußball ist toll und macht Freude. Du denkst, Du hast die Wahl. Aber irgendwann packt es Dich. Und plötzlich hast Du Dein Herz verloren. An einen Verein. Ab diesem Moment ist alles anders, und mit »alles« meine ich: alles. Das Schlimme ist: Das geht wirklich nie wieder weg. Das Fantastische ist: Es geht nie wieder weg. Einem Verein verfallen zu sein ist ein Stück Schicksal. Und wenn es geschehen ist, kannst Du Dir ohne jegliches Bedenken das Wappen Deines Klubs auf den Oberarm tätowieren lassen. Das wird nie ein Problem sein, anders zum Beispiel als der Name der ersten Freundin. Der Verein bleibt. Er ist wie Dein Schatten. Du vergisst ihn manchmal für einen Moment, manchmal siehst Du ihn vor lauter Trübnis nicht, und er ist in manchen Phasen kleiner als zu anderen Zeiten. Aber er gehört zu Dir, er ist wie Du, Du wirst ihn nicht los, und jeder kann ihn sehen.

Seinen Lieblingsverein findet man auf extrem unterschiedliche Weisen. Es kann anfangs die Trikotfarbe sein, und den Rest der Leidenschaft baut man sich über die Jahre drumherum. Es kann die eigene Herkunft sein, ein Lieblingsspieler oder ein besonderes Fußballspiel, bei dem man sich stürmisch und unerklärlich in seine Mannschaft verguckt. Dieses Thema kann man eigentlich nicht vertiefen, ohne spätestens an dieser Stelle Nick Hornby zu zitieren, sinngemäß: »Du suchst Dir nicht Deinen Verein aus, sondern Dein Verein sucht sich Dich aus.«

Es kann die verlockende Aussicht sein, als Fan eines besonders nachhaltig erfolgreichen Vereins immer auch ein bisschen auf der Siegerseite zu stehen. In solch einem Fall hat man sich im Grunde für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis entschieden. Aber es gibt auch ganz andere Faktoren, die zur Findung eines Lieblingsvereins beitragen. Bei einem Auftritt in Berlin sah ich mal in der ersten Reihe einen Fan des Karlsruher SC sitzen. Zumindest trug er dessen Trikot. Nach der Veranstaltung fragte ich ihn neugierig: »Hier in Berlin ein KSC-Trikot – bist Du Karlsruher?« Er erwiderte: »Nein, ich bin Berliner. Das ist alles etwas merkwürdig entstanden, diese Sache mit Karlsruhe. Ich habe einen Bruder, der schon immer Fan des 1. FC Kaiserslautern war. Wir verstehen uns nicht besonders gut. Und einmal, während eines heftigen Streits, habe ich ihn dann gefragt: ›Sag’ mal, welchen Verein findest Du eigentlich so richtig doof?‹ Ja, und seitdem bin ich Fan vom Karlsruher SC.«

Bei mir ist es Werder Bremen. Das ist nicht immer einfach, aber für mich ist dieser Verein ein biografischer Glücksfall. Ein Schulfreund und ich sind etwa im Alter von elf Jahren mal zum Training geradelt. Er war Werder-Fan, ich suchte noch. Und dann fand ich. Werder Bremen war zu jener Zeit ein Verein, an dem im Grunde alles falsch war. Er spielte seit einem knappen Jahrzehnt gegen den Abstieg, war arm wie elf Kirchenmäuse, hatte seine Vereinsfarben einem Fischkonservenhersteller zuliebe vergessen und spielte in blauen Trikots. Die Mannschaft spielte meist bieder, selten vor mehr als 15 000 Zuschauern, und das Weserstadion war marode und zugig. Nichts, aber auch gar nichts an diesem Verein war glamourös oder vielversprechend. Der einzige Star der Mannschaft war Haudegen Horst-Dieter Höttges, der aber schon 34 war. Für mich war er etwas Besonderes. Nicht, weil er 1974 Weltmeister wurde, sondern weil es ihn damals auch als Shell-Münze gab und weil auch er auf dem Nationalelfposter über dem Bett meines großen Bruders zu sehen war. Es gab ihn wirklich. Und er spielte vor meiner Haustür in Bremen. Sein bekanntester Satz war: »Solange ich für Werder spiele, steigen wir nicht ab.« Er versprach es, und er hielt es. Solche Beschützer wünscht sich jedes Kind.

Dass Höttges sein Versprechen hielt, war toll. Dass niemand anders Werder Bremen derart über Wasser halten konnte, weniger. Zwei Jahre nach seinem Karriereende stieg Werder ab. In die damalige 2. Liga Nord, in der es danach ein Jahr lang Spiele gegen Bocholt, Erkenschwick, Lüdenscheid, Solingen und Oldenburg gab. Ich habe jedes verdammte dieser Spiele gesehen, zumindest die Heimspiele. Ich war inzwischen dafür zuständig, in der Westkurve die damalige Stadionzeitung zu verteilen. Dafür gab es freien Eintritt. Diese Zweitligasaison hat massiv zu meiner Sozialisation beigetragen. Gefühlt fand jedes der 42 Spiele (!) bei Dauerregen und 7 Grad Celsius statt. Kann natürlich gar nicht stimmen, hat sich mir aber so eingebrannt. Im Weserstadion waren in den Kurven inzwischen die Oberränge wegen akuter Baufälligkeit gesperrt worden, und im dadurch noch freudloseren Rund tummelten sich bei den Spielen manchmal 6000, manchmal 8000 Zuschauer. Aber das war egal, denn auf dem Rasen stand nach den Jahren des Abstiegskampfs plötzlich eine höchst spannende Mannschaft, in der Erwin Kostedde sein letztes Hurra erlebte, der greise Klaus Fichtel hinten alles wegverteidigte und Spezialisten wie Burdenski, Meier, Möhlmann und Reinders dafür sorgten, dass der Wiederaufstieg nie ein Problem war.

Ich erwähnte schon, dass Werder Bremen damals keine hohe Strahlkraft besaß. Und deshalb war es alles andere als schick, cool oder angesagt, Fan dieses Vereins zu sein. Werder-Fan war man, wenn man Bremer war. Sonst nicht, wenn man es vermeiden konnte. Wenn man außerhalb Bremens die Leidenschaft für den SVW durchblicken ließ, erntete man in der Regel ein komplett fassungsloses »Weshalb DAS denn?«. Der Verein galt zwar als hanseatisch und bodenständig, aber auch als langweilig und betulich. Und so absurd es klingt, für mich wurde er gerade dadurch zur Herzenssache. Es gab keine verkopften Gründe, sich diesen Verein ausgesucht zu haben. Man konnte damit nicht angeben. Wenn man Glück hatte, wurde man nicht zu sehr geärgert. Das war das höchste der Werder-Gefühle. Aber nach den grauen Anfangsjahren kam ein rauschhaftes Jahrzehnt, das Otto Rehhagel nach Bremen brachte und nur zwei Jahre nach dem Abstieg einen Weltklassemann wie Rudi Völler. Plötzlich stand der Verein oben, begeisterte Fußballfans in ganz Deutschland, spielte Fußball zum Niederknien und wurde besser und besser, bis aus dem Mauerblümchen innerhalb von zwölf Jahren ein Meister, Pokalsieger und Europacupsieger geworden war. Weiterhin kein lauter, neureicher Verein, sondern ein zurückhaltender Traditionsverein mit Augenmaß, auf den Du als Fan urplötzlich sehr wohl stolz sein konntest. Und warum nicht einfach endlich mal stolz sein?

Natürlich war das nicht von Dauer und nicht unkaputtbar, aber die jüngere Vereinsgeschichte erfüllte jeden, der dicht dran sein durfte bei all den Überraschungssiegen, Triumphen und Wundern, mit einer tiefen Dankbarkeit. Ja, ich musste einen Abstieg erleiden, ich habe Tränen vergossen, ich habe eine Heimniederlage gegen den 1.FC Bocholt mitansehen müssen, aber dann habe ich Rudi Völler und Wynton Rufer bekommen, Titelgewinne, ein immer schöneres Stadion und einen Lieblingsverein, der nicht immer stolz machte, aber auch keinen Grund mehr bot, gebückt und niedergeschlagen durch die Liga zu schleichen. Und dadurch, dass ich nun alle Facetten mitmachen durfte und musste, sind wir cool miteinander, dieser Verein und ich. Ich wäre manchmal gerne wieder ein Titelanwärter, ich hätte manchmal gerne einen neuen Rudi Völler, aber im Großen und Ganzen fühlt es sich richtig für mich an, an der Seite dieses Vereins zu sein, der wiederum immer an meiner Seite ist. Wie mein Schatten.

Ich stand einmal mitten in Neapel in einem kleinen Café. Ich wollte nur kurz etwas Erfrischendes trinken, war aus seltsamen Gründen gemeinsam mit Guido Buchwald unterwegs und sah mich wartend um, als mir bewusst wurde, dass ich durch Zufall an einem Ort gelandet waren, von dem ich irgendwann schon einmal gelesen hatte. Eine Wand des eher kleinen Raumes war komplett übersät mit Devotionalien, die an den großen Diego Armando Maradona erinnerten, der seine größte fußballerische Zeit genau hier erlebte. Nicht in diesem Lokal natürlich, das kam dann später, aber eben in Neapel. Ein Schrein mit einer Maradona-Büste stand da, ein kleines Glasfläschchen, in dem sich der Legende nach seine Abschiedsträne befindet, vergilbte Fotos, Zeitungsausschnitte, die ganze Palette halt. Ich kam ins Gespräch mit dem Eigentümer des Cafés, der mir immer noch von Ergriffenheit und Verklärung berührt erklärte, als bei der WM