Traurige Strände - A.B. Exner - E-Book

Traurige Strände E-Book

A.B. Exner

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Beschreibung

Dr. Liska Wollke findet ihren toten Liebhaber. Ihr ist egal, wie es geschah. Sie flieht, weil sie wegen eines Vorfalls in Ihrer Jugend nie mehr Vertrauen fassen wird. Die intelligente Sozialforscherin setzt sich in die Türkei ab. Die Ermittler tappen im Dunkeln, sie verfolgen die Frau und verfangen sich in Widersprüchen, Fallen und den naiven Spuren der Fliehenden. Eine Spur der Gewalt folgt Dr. Liska Wollke. Bis sie versteht und anerkennt, in welcher Gefahr sie selbst schwebt, sterben Menschen.

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A.B. Exner

Traurige Strände

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

ISBN: 13 978-3-8476-6521-2

Traurige Strände

LISKA WOLLKE

EUGEN BÖTTCHER

LISKA WOLLKE

ELENEA PLITECHNA

AUGUST BEYER

LISKA WOLLKE

HEIDI TECH

ELENEA PLITECHNA

EUGEN BÖTTCHER

LISKA WOLLKE

EUGEN BÖTTCHER

XETAR GULPER

HEIDI TECH

LISKA WOLLKE

XETAR GULPER

EUGEN BÖTTCHER

HEIDI TECH

LISKA WOLLKE

EUGEN BÖTTCHER

HEIDI TECH

LISKA WOLLKE

EUGEN BÖTTCHER

XETAR GULPER

SAMEENA ADVANI

HEIDI TECH

BIROL

XETAR GULPER

PROF. DR. DR. HANS RICHARD

BIROL

PROF. DR. DR. HANS RICHARD

LISKA WOLLKE

Impressum

Kapitel 1

Kontakt: A.B. EXNERHomepage:www.a-b-exner.de E-Mail: [email protected]

Telefon:

ISBN: 13 978-3-8476-6521-2

Zum Downloadhttp://www.neobooks.com/werk/28492-traurige-straende.html

Traurige Strände

A. B. Exner

__________________________________________________________________ Dieser Mann war das Sandkorn, aus dem sich die Perle meines Hasses formte. Meine Rache würde kurz sein, und fair. Ich würde ihn töten.

LISKA WOLLKE

Dieser Sonntag war eine Totgeburt. Durch die nikotingelben Gardinen des militantesten Nichtrauchers den ich kenne hindurch war zu erahnen, dass dieser Sonntag keine Freude machen würde. Niemandem. Dieser militanteste Nichtraucher den ich kenne, hatte seinen Arm unter meinem Nacken. Deshalb wurde ich auch schon kurz nach Sieben wach. Es schmerzte. Metin, so heißt der Glückliche, der in der letzten Nacht mit mir schlafen durfte, rührte sich nicht, als ich mich erhob, um die Spuren dieser dreißig Sekunden Deutsch-Türkischer Freundschaft endgültig abzuwaschen. Aus dem Fenster im Flur war nur zu erkennen, dass die Laternen dem Sonntag ihr Licht leihen mussten. Nebelschwaden hatten Berlin gefressen. Der Stadtteil Prenzlauer Berg bestand aus einem Faksimile eines Hauses gegenüber und den schwebenden Resten des Hauses aus dem ich schaute. Die Straße unter mir hatte der Nebel einfach gefressen. Die S-Bahn war leiser als üblich. Der einzige Vorteil des Nebels. Der Lautstärkeregler Berlins war leiser gedreht worden. Meine Reaktion war der Griff zum Lautstärkeregler des Radios. Ein Schluck Weißwein in der Küche. Aus der Flasche. Wir hätten eine Omegalage. Behauptete der Meteorologe. Das könne man ganz wunderbar auf seiner Isobarenkarte sehen. Er setzte eben an zu erklären, weshalb die Omegalage Omegalage hieß… Ich war schneller. Das war dieser Ostberliner Arschlochsender. Ein kurzer konzentrierter Dreh am Senderknopf des alten Radiorekorders. Der nächste Idiot, der mir was über das Wetter erzählen wollte. Nebelschwaden seien nichts weiter als Wolken am Boden. Das war dieser Westberliner Arschlochsender. Ihr Spinner sollt mir sagen, ob ich meinen Mantel oder meinen Schirm brauche, nicht was eine Omegawolke ist. Das war typisch Berlin. Jeder hat eine Message, die eigene Meinung musste die Welt erreichen. Und die Massen erweichen. Vorher gab man sich nicht zufrieden. Ein kurzer konzentrierter Druck auf die Playtaste des Kassettenrekorders. Nein, nicht auch noch türkischer Leiergesang zum Sonntagmorgen. Die Austaste. Weißwein aus der Flasche. Dusche. Ich hatte geblutet. Das war gewiss auch auf dem Laken zu sehen. Metin würde sicherlich sauer sein. Der Türke mit dem Ordnungssinn eines tiefdeutschen Beamten. Zumal der Kerl Beamter war. Deutscher Beamter. Finanzbeamter. Seine Wohnung lag in der vierten Etage in der Isländischen Straße im Prenzlauer Berg. Wenn man sich nach links aus dem Fenster lehnte, konnte man selbst auf die S-Bahn sehen und der Typ aus dem Aufgang gegenüber meine Titten. Was mir egal war. Abends in der Kneipe, schaute der gleiche Typ mir ja auch nur auf meine Dinger. Dekolletéchecker. Eugen hieß der Kerl. Eugen Böttcher. Der war nicht pervers, der war ungefährlich und ein bisschen blöd. Und verliebt in seine Halstücher. Aber pflegeleicht. Ich mochte ihn nicht. Das mit den Halstüchern, oder wahlweise einem Schal, machte Sinn, denn die Brandmale an seinem Hals waren beschissen verheilt. Eine Frau hatte ich bei dem noch nie gesehen. Also konnte ich ihm am Sonntagmorgen auch mal einen solchen Frühstücksgenuss bieten. Und meine Titten waren toll. Und Natur. Der riesige Flurspiegel neben dem klitzekleinen Schlauch von einem Klo ohne Wanne bewies meine Behauptung. Ich hatte ziemlich große Füße. Die knallrote Lackierung der Zehennägel bräuchte mal eine Restaurierung. Meine Fesseln könnten nach meinem Empfinden noch schmaler sein. Meine Knie waren der nächste Knackpunkt. Das Linke zierte eine Narbe aus meiner Kindheit, die ich mir damals immer wieder aufgekratzt hatte. Das rechte Knie sah dementsprechend etwas, wie soll ich sagen, schwabbeliger aus. Meine Schenkel waren frei von Einschlägen der berühmten Orangenhaut. Mit einunddreißig Jahren. Nicht schlecht. Mein Hintern war das Geilste was ich je gesehen hab. Ehrlich. Die Hüften bewiesen, dass ich noch keine Kinder hatte. Dass meine linke äußere Schamlippe größer war, hatte eine Freundin mit elf Jahren herausgefunden. Na und. Ich wusste das schon vorher. Die Rasur galt es zu verbessern. Oberhalb meines Suchtzentrums hatte ich eine Raute stehen lassen, in deren Haaren ich seit Jahren mit meinem rechten Zeigefinger eine linksgedrehte Locke zauberte. Mit meinen Brüsten, auch die beiden hatten sich nicht auf eine Einheitsgröße einigen können, konnte ich gut leben. Stramm wie eine Fußballerwade und sensibler als mancher Sozialpädagoge. Nicht aber wenn es los ging. Dann wollten beide raue Männerhände. Mit meinen Nippeln konnte man dann Diamanten schneiden. Die Oberarmmuskulatur ließ zu wünschen übrig. Die schmalen, zarten Handgelenke verschwiegen meinen Liebhabern und meinem Chef, dass ich ganz gut boxte. Zehn grazile Finger endeten in langen, schmalen Fingernägeln. Natürlich tiefstes Dunkelrot. Purpur. Die Farbe der Könige. Deep Purple. Das war meine Musik. Harter, giftiger Rock. Deep Purple, es gab sie noch die Rocker dieser Welt. Musiker die in der Lage waren, Noten zu lesen und zu schreiben. Aber zurück zu meinem Spiegelbild. Dezent unzufrieden war ich mit der Haut auf meinem Hals. Nicht wegen irgendwelcher Falten. Je reifer ich wurde - altern gibt es bei mir nicht - umso mehr Leberflecke quälten sich durch die tieferen Hautschichten an die Oberfläche. Was nervte. Das Gesicht begann mit schmalen Lippen, die ich jedoch in der Lage war, üppig aufzubrezeln. Kaum scheinbare Wangenknochen wiesen bei besonderen Lichtverhältnissen - das hatte ich trainiert - den Weg zu meiner schmalen Nase. Die Nasenflügel dagegen waren wieder etwas stärker, was mich pfiffiger aussehen ließ, als ich war. Zur Erklärung: ich weiß, dass ich nicht doof war oder bin, aber oft ist es eben so, dass ich nicht beim ersten Mal verstehe. Naiv vertraue. Dann benötigte ich einen anderen Blickwinkel, eine andere Perspektive. Oder ich brauche einfach Zeit zum Erkennen und Erfassen. Meine Stirn war für die Kopfgröße relativ hoch. So war ich in der Lage entweder die unscheinbare zu geben und die Haare in die Stirn zu kämmen, oder ich warf meine strohige Mähne nach hinten in einem strengen Zopf oder Pferdeschwanz. Nach der Haarfarbe konnte man sich bei mir nicht richten. Umso mehr Sonne, umso dunklere Haare. Im Winter also fast blond. Natürlich war das nicht naturgewollt, da mussten internationale Chemieingenieure schon nachhelfen. Auch an meiner Augenfarbe manipulierte ich herum. Mit modischen Kontaktlinsen. Es sind große Augen, sehr große, wenn ich es will. Meine Brauen brauche ich nur ganz wenig zu zupfen. So wie die beiden meine Augen von oben herab herrisch als ihr Revier markieren, gefällt es mir - und das ist das Wichtigste. Es gefällt mir. Die Ohren. Ich liebe meine Ohren. Ich finde Ohren ohne Läppchen scheiße. Ohren müssen wohlgeformt sein. Nicht das Verhältnis 2:1, sprich doppelt so hoch wie breit. Nein, höher noch als 2:1. Und mit schönem Läppchen ohne irgendwelchen Schmuck. Idealmaß ist 2,11:1. Mein Idealmaß. Hinter mir hörte ich ein Dielenknarren. Metin, mein türkischer Nachtgeselle, hatte solche Ohren. Höher als 2: … Abgesehen von den schönen Ohren, war bei ihm auch etwas anderes höher als sonst. Wie lange er da wohl schon so stand. Egal, wenn er seinen osmanischen Kleiderhaken noch drei Minuten in Hab-Acht-Stellung halten könnte… Ich bedeutete ihm, dass ich erst ins Bad wollte. Nicht nur, dass meine Blase zwickte - wieso bin ich blöde Kuh auch nicht nach der Mininummer vom gestrigen Abend noch mal pinkeln gegangen - nein ich wollte mir auch die Zähne putzen. Zum Sex gehört Knutschen und nach dem, was wir gestern Abend in der Kneipe für eine Rechnung produziert hatten, musste mein Atem unter die Haager Landkriegsordnung oder die Genfer Konvention fallen. Eher beides. Also saß ich meine Zähne putzend, pinkelnd auf dem Klo. Metins Klo. Dieser Sonntag starb schon am Morgen. Metins morgendliches Argument zum Verweilen hatte sich bereits nach zwei Minuten verflüchtigt. Ich packte meine Sachen, nahm mir, wie abgesprochen, seine Korkpinnwand aus der Küche und verließ die Wohnung. Als ich aus dem breiten Hausflur trat, blickte ich nach oben. Metin stand auf seinem Minibalkon und nickte mir zu. Im Haus gegenüber hatte Eugen Böttcher, der Dekolletéchecker, natürlich meinen Abschied beobachtet. War das Zufall, oder war der Typ krank? Egal jetzt, ab nach Hause. Unterwegs betrachtete ich mir meine Wohngegend. Ich musste über die Schönhauser Allee. Wollte dann in Ruhe auf der Ostseite der Schönhauser über die S-Bahn, die Greifenhagener runter, bis ich irgendwann die Knaakstraße erwischte. Dort schnell bei meiner Freundin deren Schlüssel in den Briefkasten werfen. Diese Freundin, Heidi Tech, war der Grund des abendlichen Treffens in unserer Stammkneipe. Neunundzwanzigster Geburtstag. Schön war es, ausufernd war es, laut war es. Heidi hatte ihren Autoschlüssel beim Wirt abgegeben und vergessen. An der Haustür mit der großen Nummer 14 standen zwei ältere Damen. Nicht mehr redend, nein, auf das Heftigste zeternd. Der Streit beschäftigte auch schon Schaulustige auf der anderen Straßenseite. Zumindest waren zwei Männer stehengeblieben. Einer mit Hund, der andere mit Schlagseite. Guten Morgen Prenzlauer Berg. An der Hauseinfahrt konnte man C+M+B lesen. Die Schriftzeichen waren eben durch die eine Frau mit Kreide erneuert worden. Da ich an den beiden vorbei musste, um an den Briefkasten zu gelangen, auf dem TECH stand, war ich in beider Augen Opfer und Schiedsrichterin zugleich. Dame A behauptete, ihren Gehstock schwingend, dass Dame B hier Gaunerhaken an die Tür male. Kompletter Blödsinn. Dame B wiederum fuchtelte mit Ihrem Stück weißer Kreide in der Luft und belehrte uns beide, dass sie lediglich die Namenskürzel der drei heiligen Könige an die Tür male, um das Haus durch den Herrn schützen zu lassen. Genauso ein Blödsinn. Nicht nur, dass Pisa ein wirkliches Problem für Deutschland wurde, jetzt versagte auch noch die interne Weiterbildung der Kirchen. Ich sah den runzligen Streithennen tief in die Augen. Bis deren Atmung ruhiger war und ich die volle Aufmerksamkeit hatte. Dann sagte ich nur: „Christus Mansionem Beneficat.“ Keine der beiden reagierte. Ich ging in den Hauseingang, versenkte den Schlüssel für Heidi in dem mit TECH bezeichneten Briefkasten und stand Sekunden später den - vermutlich katholischen Laiengelehrten - zum zweiten Mal gegenüber. Sie schwiegen. Meine Stimme hob an und sprach im Pfarrerstonfall: „Christus Mansionem Beneficat. Gott Segne dieses Haus. Latein erstes Jahr.“ Die Blicke meiner Gegenüber waren unbezahlbar. Sollte aus diesem Tag doch noch ein Sonntag werden? Da ich glücklicherweise keine Reaktion bekam, ging ich weiter durch die Kulturbrauerei in die Sredzki. Da wohne ich. In der Sredzkistraße. Unten im Haus ist ein geniales afrikanisches Restaurant. Ich wohne ganz oben. Zwei Zimmer und ´ne Abstellkammer. Siebenundfünfzig Quadratmeter für achthundert Euro. Kalt. Kapitalismus in Reinkultur. Ich war fast eine Stunde gelaufen. Das ginge auch schneller, aber ich wollte diesem Sonntagmorgen eine Chance geben. Nein, dieser Tag war nicht wiederzubeleben. Tot. Also Rotwein und Badewanne. Morgen musste ich wieder arbeiten. Einfluss der Armut auf die Sozialepidemiologie eines Staates. Das war die Überschrift. In Worte gefasst, die auch Metin verstanden hätte. Ich kann das noch viel besser. Wissenschaftlicher, nervender, verletzender, fremdwörterischer. Meine Doktorarbeit. Vor vier Wochen verteidigt. Seit gestern war ich Frau Doktor Liska Wollke. Einen Meter und einundsechzig Zentimeter hoch. Jung, knackig, drahtig und ein wenig angesoffen. Zwei Stunden später war mein Dachschrägenfenster vom Badewasser beschlagen. Kondenswasser. Da ich diesen Sonntag schon mehrfach für tot erklärt hatte, machte ich nicht den Versuch der Neuorientierung. Das Fensterglas wischte ich nicht ab. Ich ging, meine Bude volltropfend, ins Wohnzimmer und legte mich nackt auf die Ledercouch. Die unglücklichere, kleinere der Schamlippen war wohl in der Nacht bei Metin zu kurz gekommen und verlangte nach Streicheleinheiten. Zu Recht. Dort wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich verletzt. Seelisch und körperlich. Ich befeuchtete meinen linken Zeigefinger an der Quelle, also nicht mit Speichel, und verwöhnte die schrumpelige, wohldurchblutete Haut in meinem Schritt durch langsames Streicheln. Ohne Druck. Die dankbaren Reaktionen strahlten in den gesamten Körper aus. Wohlig fühlte ich mich. Wohlig fühlte sich meine kleinere Schamlippe. Sie gab sich zufrieden – nach etwa zwanzig Minuten. Ich zog die Flanelldecke zu mir rüber, kuschelte mich ein und ignorierte stoisch die Türklingel und mein Handy. Erstaunlicherweise gaben beide Geräte gleichzeitig auf. Mit meinem linken Fuß die Fernbedienung zu angeln, war nicht leicht. Dennoch gelang es. Zappen um abzuschalten – welch schönes Wortspiel. Gestern Abend hatte Gottschalks Nachfolger also zum dritten Mal wettend die Nation vergnügt. Einer seiner Gäste war der göttliche Wunderknabe aus Mannheim mit dessen Brüdern. Dass man Berufsverbote nicht auf diese singende Berufsgruppe ausweiten konnte! Dieser Mannheimer Barde war irgendwo ganz weit hinter meinem musikalischen Horizont angesiedelt. Umschalten als Rettung. Nächster Kanal: Märchen. Weiter: Doku über angeblich strenge Eltern. Danach: Werbung für einen Gemüsehäcksler… Hunger. Ich war eingeschlafen. Frau Doktor beliebte zu ruhen. Ich prostete mir selbst mit Rotwein zu und bestellte mir einen deftigen Salat bei dem Afrikaner fünf beschwerliche Etagen unter mir. Sameena, die kleinste Kellnerin Berlins wusste was ich wollte. Deshalb ging es auch schnell. Sie ließ mich wie immer eine Quittung unterschreiben. Wenn ich bei jeder Bestellung Trinkgeld gegeben hätte, dann wäre das zu teuer, hatte sie mir mal erklärt. Ich solle ihr doch lieber einmal in der Woche die Rechnungen begleichen und dann einmal zwanzig Euro als Trinkgeld geben. Zielstrebig und hübsch. Frech und genial. Außer montags. Da war das Restaurant geschlossen. Vorhin wollte irgendwer mich telefonisch erreichen. Ich hörte den Anrufbeantworter ab. Welch bescheuertes Wort, als wenn die Maschine das könnte. Metin war aufgeregt zu hören. Ob ich die Korkpinnwand mitgenommen hätte? Ich solle ihn doch bitte dringend anrufen. Ich wählte seine Nummer aus dem Speicher und wartete. Kein Metin ging ran, ergo keine Antwort. Wenn der Bengel mich angerufen hatte, wer war dann der Mensch an meiner Wohnungstür? Das Leben ist voller Fragen. Arsch lecken Leben! Salat essen, Rotwein genießen, Montag vorbereiten. Die „Guten Morgens“ der Kollegen konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass Hertha BSC und Union Berlin am vergangenen Wochenende genauso verloren hatten, wie Alba Berlin und die Eisbären, dieser Eishockeyclub. Dass ich dann damit prahlen wollte, dass der BFC Dynamo, dessen Stadion gleich bei mir um die Ecke war, sein Heimspiel gewonnen hatte, konnte die Situation nicht wirklich retten. Ehrlich, bis auf Boxen hatte ich von Sport keine Ahnung. Auch nicht von Lotto. Oder Sportwetten. Was sich ändern sollte. Auf meinem Handy war nochmals Metins Nummer. Ich konnte jetzt nicht anrufen. Mein Chef erwartete mich. Vor meinem Spätherbsturlaub sollte ich unbedingt die neuen Studienprojekte mit ihm klären. Simple Abstimmungsfragen. „Guten Morgen Doktor Richard.“ Ein grauer Schopf. Tolle Augen. Fantastischer Körper. Ledig. Die verkehrten Ohren. „Frau Wollke, unter den Besitzern des Titels wird der Titel nicht erwähnt. Die Absentierung zum Pöbel, Sie verstehen.“ Er grinste. Ich grinste. Natürlich war das ein Machospruch der ersten Güte. Niemals hätte er einen solchen Mist vor Publikum gebracht. Es war ja auch mein Fehler. Er hatte recht. Ich hatte den Doktortitel. Jetzt durfte ich Herr Richard zu ihm sagen. Geil. Wir waren bis zum Mittagessen fertig mit allem, was er als meine Urlaubsvertretung wissen musste.