Trösten - aber wie? - Klaus Schäfer - E-Book

Trösten - aber wie? E-Book

Klaus Schäfer

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Beschreibung

Vertröstungen verletzen, Trost heilt. Doch worin unterscheiden sie sich? Anhand zahlreicher Beispiele zeigt der Autor in einer Gegenüberstellung von "Falschem Trost" und "Echtem Trost" auf, warum manche Formulierungen verletzen, andere dagegen trösten und heilen. Der Leser bekommt ein Gespür für häufige Fehler und unpassende Formulierungen im Umgang mit Kranken und Trauernden und erfährt konkret, was er stattdessen sagen und tun kann. Zugleich bietet das Buch die wichtigsten Grundlagen für das Gespräch am Krankenbett oder mit Trauernden. Schließlich werden auch die Grenzen des Tröstens aufgezeigt.

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Der fragende Mensch braucht eine Antwort, keine Worte.

Der zweifelnde Mensch braucht Zuspruch, keine Sprüche.

Der verzweifelte Mensch braucht Trost, keine Vertröstung.

PETRUS CEELEN

Klaus Schäfer

Trösten – aber wie?

Ein Leitfaden zur Begleitung von Trauernden und Kranken

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar.

6. Auflage 2023

© 2009 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-2204-7

Umschlaggestaltung: Atelier Seidel, Neuötting

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2023

eISBN 978-3-7917-6242-5 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter www.verlag-pustet.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Trösten – ein urmenschlicher Auftrag

Trauernde oder Leidende?

Tröster oder Begleiter?

Die Ausführung des Tröstens

Gute Absicht allein genügt nicht

Folgen falschen Tröstens

Das Hohelied des Tröstens

1.Kaleidoskop des Leids

1.1Was ist Leid?

Tod und Trauer

Ende einer Beziehung

Zerbrechen von Familienstrukturen

Verlust von …

Unfall und Krankheit

Gewalt

Ungerechtigkeit

Leid als Folge von Leid

Unabänderliches und veränderbares Leid

Naturbedingtes und von Menschen verursachtes Leid

Leid ist subjektiv

Leid ist relativ

Das Chaos des Leids

„Ein Unglück kommt selten allein“

1.2Leid durch den Tod geliebter Menschen

1.2.1Zwei Grundformen des Sterbens

Plötzlicher Tod

Langsames Sterben durch Krankheit und Alter

1.2.2Einige Sonderfälle des Sterbens

Tod von Kindern

Tod durch Schwangerschaftsabbruch

Tödliche Krankheit

1.2.3Trauer endet nie

1.3Grundformen der Verarbeitung von Leid

2.Sprache, das Werkzeug des Tröstens

2.1Kommunikationsmodelle

2.1.1Die vier Ebenen der Kommunikation

Beziehungsebene

Sachebene

Apellebene

Selbstoffenbarung

Die Allgegenwart der vier Kommunikationsebenen

Beachtung der vier Kommunikationsebenen beim Trösten

2.1.2Themenzentrierte Interaktion (TZI)

Die Bedeutung des „Globes“

Die Gänze des Leids erfassen – Zur Bedeutung des „Globes“ beim Trösten

2.1.3Nicht-direktive Gesprächsführung

2.2Vom Umgang mit Sprache beim Trösten

2.2.1Bedeutung der Wortwahl

2.2.2Bedeutung des Satzbaus

Fragen

Bitten

Appelle

2.2.3Die Wahl der Ausdrucksweise

Religiöse bis säkulare Ausdrucksweise

Hoffnungsvolle bis ergebnisoffene Ausdrucksweise

Forderung oder Wunsch?

Offene Fragen stellen

Anteilnahme oder Verhör?

Sprachlosigkeit zum Ausdruck bringen

Sprachlosigkeit durch Körpersprache ausdrücken

Sprachlosigkeit durch Sprache ausdrücken

Klang der Sprache

3.Kaleidoskop des Tröstens

3.1Über die Trauer

3.1.1Symptome der Trauer

Weinen

Schlapp sein wie ein leerer Luftballon

Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit

Verlust von Lebensfreude

Verlust von Lebenswillen

Verlust des Lebenssinns

3.1.2Vorauseilende Trauer

3.1.3Das Trauerjahr

3.1.4Trauerzeit

Trauerarbeit?

Ausweinen

Aussprechen

Tagebuch schreiben

Sich verwöhnen

Kreativität

Glaube und Religion

3.2Über das Trösten

3.2.1Hinabsteigen in die Tiefe des Leids

3.2.2Mitleiden – mittrauern

3.2.3Leid erkennen

Mit Herz (Gefühl) Situationen erfassen und verstehen

Das eigene Gefühl

Der Händedruck

Der Klang der Stimme

Durch das Gespräch erzeugte Gefühle

Mit dem Kopf (Verstand) erkennen und verstehen

Die medizinische Behandlung

Die Körperhaltung

Das gesprochene Wort

Die Wortwahl

3.2.4Der Deal – Eigenverantwortung stärken

3.2.5Umgang mit Hoffnung

4.Die fünf Stufen des Tröstens

4.1Kontaktaufnahme

4.2Das Leid verstehen

4.2.1Das Leid anhören

4.2.2Rückmeldung geben

4.2.3Das Unbegreifbare begreifen

4.2.4Das Entlastende am aufmerksamen Zuhören

4.2.5Das Leid anerkennen

4.3Anteilnahme

4.3.1Ehrlich sein

4.3.2Anteilnahme zeigen

4.3.3Selbstmitteilung – Rückmeldungen geben

4.3.4Gefühle zulassen

4.3.5Weinen zulassen

4.3.6Körperkontakt

4.3.7Fragen

4.3.8Klagen

4.3.9Entlasten

4.3.10Zeit lassen

4.4Zuspruch

4.5Sinngebung

5.Falscher Trost – echter Trost

5.1Kontaktaufnahme

5.2Leid verstehen

5.2.1Zuhören

5.2.2Das Leid verstehen

5.2.3Das Leid anerkennen

5.3Anteilnahme

5.3.1Ehrlich sein

5.3.2Anteilnahme zeigen

5.3.3Selbstmitteilung

5.3.4Gefühle zulassen

5.3.5Weinen zulassen

5.3.6Körperkontakt

5.3.7Fragen

5.3.8Klagen

5.3.9Entlasten

5.3.10Zeit lassen

5.4Zuspruch

5.5Sinngebung

5.6Sonderfall „verwaiste Eltern“

6.Häufige Fehler beim Trösten

6.1Entmündigung

6.2„Ich, das Maß aller Dinge“

6.3Diskussionen

6.4Betäubung des Leids oder der Trauer

Arbeit

Medikamente

Alkohol

Drogen

6.5Zusprechen statt Zuhören

6.6Zusprechen statt Zuspruch

7.Kleine Gesten, die Leidenden guttun

7.1Einladungen aussprechen

7.2Zusagen einhalten

7.3Verwöhnen

8.Grenzen des Tröstens und der Begleitung

8.1Vamps und andere Unwesen

8.2Die eigenen Grenzen erkennen und achten

8.3Die Grenzen der eigenen Kompetenz erkennen

9.Trost finden in Glaube und Religion

9.1Die religiöse Sinnkrise

9.2Riten und Rituale

10.Der Emmaus-Jünger – ein Vorbild für den guten Begleiter

Weiterführende Literatur

Vorwort

Unglücke wie das von Eschede am 3. Juni 1998 oder Amokläufe wie in Erfurt am 26. April 2002 und in Winnenden am 11. März 2009 schrecken eine ganze Nation auf und zeigen, wie wichtig die Fähigkeit des Tröstens ist. Doch nicht nur bei großen Katastrophen – auch im beruflichen und privaten Alltag kommen wir mit Trauernden und Kranken zusammen, die von uns einen guten Umgang mit ihnen erwarten.

Das vorliegende Buch soll nicht Trauernde und Kranke trösten, sondern denen helfen, die beruflichen oder privaten Umgang mit Trauernden und Kranken haben. Es ist nicht nur zum einmaligen Lesen gedacht, sondern auch zum späteren Nachschlagen.

Seit dem Jahre 2003 beschäftige ich mich intensiv mit der Trauer um während der Schwangerschaft verstorbene Kinder. Als Ordensmann und katholischer Priester bin ich ehe- und kinderlos. Ich kam nie in die Situation, dass ich um das Leben meines Kindes hätte bangen müssen. Mir starb nie ein Kind. Umfragen unter verwaisten Eltern lehrten mich, trostreich mit ihnen umzugehen. Die Antworten, was als verletzend erlebt wird, lehrten mich, was ich im Umgang mit Trauernden zu unterlassen habe. Die Antworten, was sie als hilf- und trostreich erfuhren, lehrten mich, was Trost ausmacht.

Somit kam ich zur Erkenntnis, dass trösten erlernbar ist. Ich bin bei diesen verwaisten Eltern in die Schule gegangen. Was ich von ihnen lernen durfte, lernte ich nirgends in meinem Leben mit dieser Deutlichkeit und Eindringlichkeit.

Niemand kann sich damit entschuldigen, dass ihm Leid, das ihm gerade begegnet, fremd ist und er deswegen das Trösten anderen, Profis oder ähnlich Leidenden, überlassen muss. Von dieser Überzeugung ausgehend schrieb ich dieses Buch. Es soll anderen Menschen helfen, besser mit Leidenden umzugehen. Sie müssen nicht die gleichen Fehler machen, wie Generationen von Menschen vor ihnen. Sie sollen das kleine Einmaleins des Tröstens kennen lernen und es handhaben können.

Einleitung

Wenn ein Mensch geboren wird, freuen wir uns,

wenn er heiratet, jubeln wir,

doch wenn er stirbt, tun wir so, als ob nichts geschehen sei.

MARGARET MEAD (1901–1978)

Trösten – ein urmenschlicher Auftrag

An einigen Affenarten kann man sehen, wie sie sich bei großem Leid gegenseitig trösten. Dies darf als Hinweis gelten, dass Trösten keine menschliche Erfindung ist, sondern eine Fähigkeit, die bereits von unseren gemeinsamen Vorfahren, den Primaten, entwickelt wurde. Mit dem Trösten stehen wir Menschen des dritten Jahrtausends einer Tätigkeit gegenüber, die in ihrem Alter wohl nur noch durch lebenserhaltende Handlungen überboten wird, wie z. B. essen, trinken, schlafen und Geschlechtsverkehr. Das zeigt, dass Trösten geradezu lebenswichtig sein kann. Dieser großen Bedeutung des Tröstens werden wir uns heute langsam wieder bewusst.

Als Leid eine Alltagserfahrung war, erwuchs bei jedem Menschen wie selbstverständlich die Fähigkeit zu trösten. Er erlebte, wie andere trösteten. Er erlebte, wie er getröstet wurde. Es bedurfte zum Trösten keiner professionellen Begleiter. Jeder wusste, was tröstet und gab dieses Wissen durch die gelebte Praxis weiter.

Durch die Spezialisierung auf allen Ebenen des Lebens ging die allgemeine Fähigkeit des Tröstens verloren. Trösten wurde an Fachleute delegiert: Ärzte, Pflegepersonal, Seelsorger, Bestatter, Psychologen, Trauerbegleiter … Daneben gibt es Menschen, die sich ehrenamtlich in die Pflicht nehmen lassen. Diese Ehrenamtlichen sind tätig in Telefonseelsorge, Krankenbesuchsdienst in Klinik und Pfarrei, Hospizdienst … Es gibt kaum eine Pfarrgemeinde, die keinen von Ehrenamtlichen durchgeführten Krankenbesuchsdienst hat.

In dem Maße, wie wir das Trösten an Spezialisten delegieren, verkümmert die eigene Fähigkeit des Tröstens immer mehr. Es gilt, diese Fähigkeit bei jedem Menschen wieder zu wecken, auszubilden und für die Leidenden aufblühen zu lassen.

Es sind eben nicht nur die Profis und Ehrenamtlichen, die trösten sollen. Allen Menschen wird die Verpflichtung zugeschrieben, Trost zu spenden. Dies wird an den Jesusworten deutlich: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“. Wir sollen als Verwandte, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder und lose Bekannte Kranke besuchen. Diesen Besuch verrichten wir jedoch nicht, um unsere Neugier zu befriedigen, sondern um dem Kranken beizustehen und ihn zu trösten. Wir möchten den uns möglichen Beitrag dazu leisten, das Leid zu erleichtern. Dazu bringen wir Geschenke mit, von denen wir hoffen, dass sie den Kranken trösten, stärken, erfreuen, erheitern, aufbauen, die Zeit vertreiben, …

Trauernde oder Leidende?

Wenn von Trost gesprochen wird, dann denken die meisten Menschen an Trauer und daran, dass jemand einen geliebten Menschen verloren hat. Trost wünschen sich jedoch nicht nur Trauernde, sondern auch kranke oder einsame Menschen. Trost sucht jeder Mensch, der in irgendeiner Art und Weise Leid erfuhr, gekränkt oder verletzt wurde. Wir sprechen daher in diesem Buch von Leidenden, um alle im Blick zu behalten, die sich nach Trost sehnen.

Tröster oder Begleiter?

Menschen haben das natürliche Bedürfnis, dem Leidenden zu helfen, den Trauernden zu trösten. Wie soll der Mensch bezeichnet werden, der diese Tätigkeit ausübt?

„Helfer“ ist eine mögliche Bezeichnung. Bei so manchem Leid – insbesondere beim Tod eines Menschen – gibt es aber kaum eine Möglichkeit der Abhilfe, man kann die Situation nur mit aushalten. Daneben gibt es auch Leidende, die keine Hilfe annehmen wollen, zumindest für den Augenblick. Ihnen dennoch Hilfe zuteil werden zu lassen, käme einer Entmündigung gleich.

„Tröster“ wäre eine weitere Möglichkeit der Bezeichnung. In diesem Buch werde ich aber aufzeigen, dass viele vermeintliche Tröstungen nur Vertröstungen sind, die zudem noch den Leidenden verletzen können. Auch birgt diese Bezeichnung die Gefahr, dass der „Tröster“ zu sehr aus sich heraus agiert, dass er aktiv wird, wo es gar nicht angebracht oder sogar kontraproduktiv ist. Aus diesem Grund wird in diesem Buch nur dann vom „Tröster“ gesprochen, wenn es um falschen Trost geht.

„Man kann nur einen Menschen verstehen, wenn man einige Meilen in seinen Mokassins gelaufen ist“, heißt eine alte indianische Weisheit. Damit kommt zweierlei zum Ausdruck: Verständnis kommt zum einen dann auf, wenn man versucht, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. Verständnis geschieht zum anderen darin, dass eine Wegstrecke mit ihm zurückgelegt wird, dass er begleitet wird. Aus diesen Überlegungen heraus wurde für dieses Buch der Begriff „Begleiter“ für diejenigen gewählt, die sich tröstend um Trauernde und Leidende kümmern. Damit kommt am treffendsten zum Ausdruck, was Trost vor allem ist: Begleitung.

Die Ausführung des Tröstens

Es ist uns Menschen eigen, dass wir das Leid, dem wir begegnen, beseitigen oder – wo uns das nicht möglich ist – zumindest lindern wollen. Doch bei den konkreten Ausführungen haben viele Menschen ihre Probleme. Dies gilt insbesondere, wenn es darum geht, mit Worten und/oder Gesten Trost zu spenden.

Diesen Mangel nannten verwaiste Eltern bei den von mir durchgeführten Umfragen. Das Gleiche nennen mir immer wieder Witwen und Witwer, die stationär im Krankenhaus aufgenommen waren.

Der falsche Umgang mit Leid führt zu weiterem Leid. Er führt dazu, dass sich Leidende anderen Menschen nicht mehr anvertrauen, selbst wenn diese nach dem Befinden fragen. Lieber sagen sie, dass es ihnen gut gehe, bevor sie sich neue verbale Verletzungen der Seele zuziehen.

Tröstung sollte nicht so gestaltet sein, dass es dem Begleiter nach der Begegnung mit Leidenden gut geht, sondern dass es dem Leidenden nach dieser Begegnung besser geht.

Nicht wir selbst sind das Ziel des Tröstens,

sondern der Leidende.

Er sollte im Blickpunkt des Tröstens stehen.

Gute Absicht alleine genügt nicht

Gute Absicht alleine genügt nicht, wenn nicht das bewirkt wurde, was eigentlich Ziel war. Trauernde und Kranke sind besonders empfindlich. Sie verspüren sehr genau, wie mit ihnen umgegangen wird.

So mancher gut gemeinte Krankenbesuch wäre besser unterblieben, da er nicht hilfreich war. So mancher gut gemeinte Besuch eines Trauernden wäre besser nicht geschehen, da er nicht trostreich war. An einem selbst erlebten Beispiel soll dies verdeutlicht werden:

Ich kam beim Durchgang durch die Station an einem Nachmittag zu Frau M., etwa 75 Jahre alt. Sie erzählte mir, dass keine Chemotherapie mehr gegen ihren bislang viele Jahre erfolgreich bekämpften Krebs greifen würde. Sie fand sich inzwischen mit der Tatsache des Sterbens ab und würde in den nächsten Tagen zum Sterben nach Hause gehen.

Ich wollte mich gerade von Frau M. verabschieden, da klopfte es an der Tür und sogleich kam eine ca. 60 Jahre alte Frau ins Zimmer, ging gezielt zum Bett von Frau M. und begrüßte diese mit den Worten: „Grüß Gott Frau M. Ich bin Frau K. vom Krankenbesuchsdienst der Pfarrgemeinde. Wie geht es Ihnen, Frau M.?“

Frau M. antwortete mit schwacher Stimme: „Schlecht.“

Frau K. sprach ihr Mut zu und sagte: „Nur nicht den Kopf hängen lassen, das wird schon wieder. – Hier haben Sie einen Gruß von unserem Herrn Pfarrer. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Auf Wiedersehen.“

Mit diesen Worten überreichte sie Frau M. eine Genesungskarte, drückte ihr noch schnell die Hand und war ebenso schnell wieder aus dem Zimmer verschwunden, wie sie erschienen war.

Ich war verblüfft, mit welch großem „Eifer“ Frau K. den Krankenbesuchsdienst versah. Mit keinem Wort ging sie auf die Antwort von Frau M. ein, um zu erfahren, warum es ihr so schlecht ging. Sie sprach ihr schnell ermutigende Worte zu, die hier völlig deplatziert waren, und war danach ebenso schnell wieder verschwunden.

Ein anderes Beispiel ereignete sich in aller Öffentlichkeit. In einer Musikwunsch-Sendung des Südwestfunks am Mittwochvormittag des 22. August 2007:

Gegen 11:40 Uhr rief ein Hörer bei SWR 4 an, um sich ein Lied zu wünschen. Dem Radiosprecher fiel sofort die deprimierte Stimme des Anrufers auf und sprach ihn darauf an. Dieser erzählte, dass ihm erst vor wenigen Tagen sein Hof abgebrannt sei. Der Radiosprecher versuchte ihn zu trösten. Dabei verwendete er Sätze wie: „Es ist doch immer wieder schön zu erfahren, dass man in seinem Leid nicht alleine ist“ und „Jetzt blicken sie nach vorne und nicht mehr zurück!“ Schließlich verabschiedete sich der Radiosprecher mit den Worten: „Beim nächsten Anruf hoffe ich, dass sie nicht wieder so deprimiert klingen.“

Der Radiosprecher bemühte sich nach Kräften, auf das Leid des Anrufers einzugehen. Anteilnahme, gute Wünsche oder gar echter Trost blieben dabei aus.

Beispiele wie diese findet man täglich. Die Betreffenden können ihr Fehlverhalten selbst nicht erkennen. Niemand ist da, der die willigen Helfer richtig ausbildet und einführt. Ausbildungen für ehrenamtlichen Krankenbesuchsdienst erfolgen – wenn überhaupt – an einem Tag oder an einem Wochenende. Ausbildungen von 50 bis 100 Stunden, wie sie bei der Telefonseelsorge seit Jahrzehnten Standard sind, werden oft abgelehnt.

Folgen falschen Tröstens

Falscher Umgang mit Leidenden hat Folgen. Diese sind nicht nur auf der Seite des Leidenden vorhanden, sondern auch auf Seiten des „Trösters“. Die Folgen können sehr tiefgehend sein. Dabei wirken sie nicht nur punktuell für den Augenblick, sondern unter Umständen auch langfristig:

Das Qualitätsmanagement lehrt, dass ohne Rückmeldung keine Qualität zu erreichen ist. Dieser Grundsatz gilt insbesondere auch beim Trösten. Bleibt die Rückmeldung aus, hat der „Tröster“ keine Veranlassung, sein Verhalten zu überdenken. Aus diesem Grunde ist es für Begleiter wichtig, „hellhörig“ zu sein, d. h. mit allen Sinnen wahrzunehmen, was vom Leidenden zurück kommt. Denn eine Rückmeldung kann man nicht nur hören und sehen, sondern auch fühlen. Ein kräftiger Händedruck oder eine innige Umarmung sagt oft mehr als tausend Worte.

Durch falschen Trost leidet die Beziehung zwischen den Beteiligten unmittelbar, aber auch mittel- und langfristig. Der Leidende verspürt zunächst einmal den durch falsches Trösten ausgelösten Schmerz. Er verschließt sich, um sich vor weiteren Verletzungen zu schützen.

Infolgedessen weiß der „Tröster“ nie um die wahre Verfassung des Leidenden. Er geht davon aus, dass sein Trost nicht mehr notwendig ist, dass das Leid – z. B. Trauer um einen geliebten Menschen – überwunden sei. Es entstehen Parallelwelten, in denen der „Tröster“ und der Leidende nebeneinander her leben. Solange dieser Zustand nicht aufgehoben wird, kommt es zwischen den beiden nicht zu wahren Begegnungen.

An solchen Situationen zerbrechen Freundschaften, auch tiefe und langjährige, und sogar Partnerschaften.

Das Hohelied des Tröstens

Die Grundvoraussetzung für gutes Trösten ist herzliche Anteilnahme, da Trösten eine Herzensangelegenheit ist. Wenn mir der Leidende gleichgültig ist, wenn ich auf ihn nicht eingehen will, wenn ich nicht zuhören kann, wenn ich nicht aushalten will, kann ich nicht trösten.

Wenn ich um alle trost- und hilfreichen Sätze wüsste

und alle Techniken beherrschen würde,

hätte aber die Liebe nicht, so könnte ich nicht trösten.

Und wenn ich um alle dummen Sprüche wüsste

um sie zu vermeiden,

hätte aber die Liebe nicht, so könnte ich nicht trösten.

Selbst wenn ich alle Fallstricke des Tröstens wüsste

und sie umgehen könnte,

hätte aber die Liebe nicht, so könnte ich nicht trösten.

Auch wenn ich alles Verständnis für die Lage des Leidenden hätte,

hätte aber die Liebe nicht, so könnte ich nicht trösten.

Und wenn ich endlose Nächte mit den Leidenden verbringen würde,

hätte aber die Liebe nicht, so könnte ich nicht trösten.

Wer tröstet, klagt mit den Klagenden und weint mit den Weinenden.

Wer tröstet, prahlt nicht, bläht sich nicht auf, ereifert sich nicht

und trägt die Aggressionen des Leidenden nicht nach,

sondern nimmt Anteil an seinem Leid.

Die Aufgabe des Tröstens endet nie,

so wie Trauer um einen geliebten Menschen nie endet.

Am Ende bleibt uns allen nur die Aufgabe, mit Liebe zu trösten.

Angelehnt an das „Hohelied der Liebe“ aus 1 Kor 13 verfasste ich dieses „Hohelied des Tröstens“. Es drückt auf der einen Seite die Nähe zum „Hohelied der Liebe“ und damit das Trösten als Herzensangelegenheit aus, geht aber auch auf wichtige Komponenten des Tröstens ein.

1.Kaleidoskop des Leids

Ein Kaleidoskop ist ein schönes Spielzeug. Wie es auch gedreht wird, es erscheinen immer neue Muster und neue Zusammenstellungen der Farben. Kinder können sich lange davon faszinieren lassen.

Faszinierend ist Leid mit Sicherheit nicht, aber je nach Betrachtungswinkel erscheint auch das Leid in immer neuem Licht. Es ist sehr vielschichtig. Hierauf soll zunächst eingegangen werden, um es besser verstehen und damit besser umgehen zu können.

1.1Was ist Leid?

Grundsätzlich ist unter Leid zu verstehen, worunter Menschen leiden. Dabei spielt die Art des Verlustes oder des Mangels keine Rolle: Der Verlust eines nahestehenden Menschen verursacht ebenso Leid wie der Mangel an einem Ehepartner (z. B. in China durch Selektion der Mädchen). Der Verlust körperlicher Unversehrtheit verursacht ebenso Leid wie der Mangel an körperlicher Unversehrtheit (z. B. Contergangeschädigte). Der Verlust eines geliebten Haustiers verursacht ebenso Leid, wie der Mangel an Wasser.

Tod und Trauer

Zunächst denkt man beim Stichwort Leid an die Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen. Entscheidend ist hierbei nicht, wie lange man diesen Menschen kannte oder wie nah man mit ihm verwandt war. Entscheidend ist, wie innig die Beziehung zu diesem Menschen war.

Ende einer Beziehung

Menschen verliert man nicht nur durch den Tod. Auch das Ende einer Ehe, Partnerschaft oder Freundschaft ist ein Verlust. Man verliert nicht nur einen Menschen, sondern Lebensträume, Hoffnungen … Stand die Beziehung noch in den Anfängen, wird das Leid schnell als Liebeskummer abgetan, doch auch Liebeskummer ist Leid. Auch wenn der Betroffene selbst diese Beziehung beendet hat, leidet er häufig.

Zerbrechen von Familienstrukturen

Sind bei Ehen und Partnerschaften auch Kinder vorhanden, so verlieren Kinder den schützenden Rahmen der Familie. Sie leben nun meist bei Mutter oder Vater. Der andere Elternteil fehlt teilweise oder völlig. Werden Kinder in den „Scheidungskriegen“ noch als Machtmittel missbraucht – ein Kindesmissbrauch, der nicht geahndet wird – erhöht dies das Leid der Kinder zusätzlich.

Verlust von …

Auch der Verlust eines geliebten Tieres, eines Hobbys, des Arbeitsplatzes, der Wohnung, von Fähigkeiten und Freiheit kann Trauer auslösen. Nicht immer können Außenstehende diese Trauer nachvollziehen, weil sie keinen rechten Bezug zum verlorenen „Objekt“ haben. Dennoch kann der Verlust einen Menschen in eine tiefe Krise stürzen.

Unfall und Krankheit

Unfall und Krankheit verursachen Leid. Wenn völlig offen ist, ob der Kranke an den Folgen sterben wird, ob nach überstandener Krankheit dauerhafte Schäden zurückbleiben, bedeutet dies für alle Beteiligten eine schwere Zeit der inneren Anspannung und Zerrissenheit. Auch bei guten Erfolgsaussichten einer Therapie können Untersuchungen, Behandlungen und Schmerzen für den Patienten sehr belastend sein.

Auch das Kind leidet, das beim Erlernen des Laufens „nur“ gefallen ist und sich weh getan hat.

Gewalt

Jede Form von Gewalt bringt Leid mit sich. Zunächst wird dabei an physische Gewalt gedacht, die auch zu körperlichen Schäden führen kann. Doch oft bleibt es nicht bei den rein körperlichen Schäden. So können z. B. Schläge den Verlust von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl nach sich ziehen. Bei geschlagenen Kindern ist das besonders gravierend. Sie tragen oft noch als Erwachsene schwer daran, mitunter bis an ihr Lebensende.

Daneben gibt es auch die verbale und psychische Gewalt. Sie nachzuweisen ist schwerer, da sie keine körperlichen Spuren hinterlässt. Beschimpfung, Erniedrigung und Einschüchterung sind nur drei Beispiele aus dem Sortiment der verbalen Gewalt. Sie alle verursachen Leid.

Ungerechtigkeit

Ungerechtigkeit verursacht Leid, nicht nur vor Gericht, sondern auch in der Schule bei der Notengebung oder im beruflichen Weiterkommen, wenn der schlechter qualifizierte Konkurrent vorgezogen wurde. Erlittenes Unrecht kann als Schmach, Demütigung, Verletzung und Ungerechtigkeit empfunden werden. In allen Lebenslagen erfahren Menschen Ungerechtigkeit. Die Psalmen der Bibel geben ein Bild davon, wie häufig sich Menschen vor Jahrtausenden ungerecht behandelt fühlten.

Leid als Folge von Leid

Erfahrenes Leid zieht für die Betroffenen häufig weiteres Leid nach sich. Dies ist den wenigsten Menschen bekannt. Das nachfolgende Leid wird vom ursprünglichen Leid derart überschattet, dass es oft übersehen wird. So können z. B. zur Trauer über ein verstorbenes Kind noch massive Schuldgefühle hinzukommen.

Einige verwaiste Mütter verlieren durch den Tod ihres Kindes ihre Identität als Frau, da sie „das Einfachste von der Welt“ (Kinder gebären) nicht hinbekommen.

Seit Jahren ist bekannt, dass der Tod eines Kindes die Partnerschaft oft schwer belastet. Einige Ehen zerbrechen daran. Die konkreten Gründe wurden bisher nicht näher untersucht. Damit entfallen entsprechend gezielte Hilfsangebote und geeignete Gegenmaßnahmen.

Unabänderliches und veränderbares Leid

Beim Trösten ist es wichtig, das unabänderliche Leid vom veränderbaren Leid unterscheiden zu können. Wer dies nicht vermag, läuft unweigerlich Gefahr, grundlegende Fehler beim Trösten zu begehen.

Unabänderliches Leid

Veränderbares Leid

Tod eines Menschen,

Schmerzen,

Zerbrechen einer Beziehung,

Ängste,

Verlust von Gesundheit, Heimat, … von Menschen verursachtes Leid (eine bereits begangene Tat, z. B. eine verbale Verletzung).

von Menschen verursachtes Leid (auf Zukunft bezogene Situation, z. B. Änderung von Leid verursachenden Gesetzen und Vorschriften).

Unabänderliches Leid verursacht zunächst einmal der Tod eines Menschen, einer Liebe oder ein anderer unwiederbringlicher Verlust. Gleichgültig, wie viele Kinder den Eltern nach dem Tod eines Kindes nachgeboren werden, dieses eine Kind wird immer fehlen. Auch wenn dieses Kind schon früh während der Schwangerschaft verstarb und die Eltern es nie sehen konnten, so werden alle nachgeborenen Kinder dieses verstorbene Kind nie ersetzen. Auch wenn die Witwe nach dem Tod ihres ersten Mannes einen schöneren, reicheren, netteren … Mann kennenlernt, diesen heiratet und mit ihm sogar glücklicher wird, so wird sie doch immer wieder um ihren ersten Mann trauern. Auch wenn ein Ehepartner selbst die Scheidung eingereicht hat, so trauert er nicht selten um das misslungene Lebensglück, das er mit diesem Menschen erreichen wollte. Auch wenn der geschiedene Partner stirbt, löst das häufig Trauer aus. Nicht selten steht die erste Frau mit am Sterbebett und/oder Grab und trauert.

Unabänderliches Leid ist jede vollendete Handlung eines Menschen, die Leid verursacht hat. Meist denken wir hierbei an Handlungen Dritter in Form von Gewalt. Unabänderliches Leid können aber auch selbst begangene Handlungen sein, z. B. ein vorgenommener Schwangerschaftsabbruch (SSA) oder eine falsch getroffene Entscheidung. Keine unserer Leid verursachenden Handlungen kann rückgängig gemacht werden, keine Tat ungeschehen und kein Wort zurückgenommen werden.

Beim unabänderlichen Leid ist noch zu unterscheiden, ob das Leid als solches mit seiner ganzen Schwere ge- und ertragen werden muss, oder ob die Auswirkung medikamentös zumindest gedämpft werden kann. Die Trauer ist damit nicht genommen, sondern nur „eingefroren“ und wird damit verschoben. Die Trauerarbeit verzögert sich.

Zum veränderbaren Leid gehören begangene und als falsch erkannte Handlungen. Sie können für die Zukunft vermieden und an deren Stelle leidfreies Handeln gesetzt werden.

Leid verursachende Gesetze und Bestimmungen können abgeändert werden. Schmerzen können durch entsprechende Schmerzmittel genommen oder zumindest gelindert werden. Ängste können durch entsprechende Therapien verringert oder gänzlich aufgelöst werden.

Ein häufiger Fehler beim Trösten ist, nicht richtig zwischen dem unveränderlichen und dem veränderbaren Leid zu unterscheiden. So wird z. B. nach dem Zerbrechen einer Freundschaft dem Trauernden gesagt: „Andere Mütter haben auch nette Söhne/Töchter.“ Andererseits hilft es dem Kranken mit großen Schmerzen wenig, wenn er hingebungsvolle Anteilnahme erfährt. Er braucht eine entsprechende Dosis Schmerzmittel.

Wer diese Weisheit der Unterscheidung nicht besitzt, läuft Gefahr, etwas verändern zu wollen, was unveränderlich ist oder für den Leidenden hinzunehmen, was veränderbar ist. Daher sei das Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr jedem Menschen ans Herz gelegt, der die Absicht hat, andere Menschen zu trösten. Für mich ist dieses Gebet Weisheit, die gelebt werden will:

Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,

die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

REINHOLD NIEBUHR (1892–1971)

Naturbedingtes und von Menschen verursachtes Leid

Die zweite große Unterscheidung des Leids ist die zwischen dem naturbedingten und dem von Menschen verursachten Leid.

Naturbedingtes Leid

Von Menschen verursachtes Leid

Natürlicher Tod eines geliebtenMenschen,Natürlicher Verlust von Gesundheit, Fähigkeiten, …Durch Naturgewalten und Naturkatastrophen verursachtes Leid wie Sturm, See- und Erdbeben, heftige Regenfälle, Vulkanausbrüche, … Natürliches Schicksal, das einen durch Krankheit oder Unfall getroffen hat.

ungerechte Gesetze,Rechtsverletzungen,falsche Informationen, dumme Sprüche,Negierung des Leids,Forderungen und Überforderungen, fromme Sprüche, falsches Verhalten,Vertröstungen.

Naturbedingtes Leid können wir Menschen nicht verhindern, nicht abwenden und nicht lindern. Dazu gehört der Tod eines Menschen.

Dem naturbedingten Leid stehen wir oft hilflos gegenüber. In unserer Ohnmacht sprechen wir von Schicksal, Fügung oder auch zuweilen von Gottes Willen.

Ich persönlich glaube nicht daran, dass der Tod eines Menschen Gottes Wille ist. Ich glaube nicht daran, dass Gott will, dass ein Kind stirbt. Ich begegne hier einem Gott, den ich bei allem meinem theologischen Wissen nicht verstehe. Ich habe auch aufgehört zu fragen, warum es diesen Tod gibt. Ich meine, dass es hierfür keine allgemein gültige Antwort geben kann. Diese Antwort erwarte ich nur von Gott, wenn ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehe. Bis zu diesem Zeitpunkt bemühe ich mich, den Tod als gegeben zu akzeptieren, auch wenn sich innerlich alles dagegen aufbäumt.

Dem naturbedingten Leid können wir mitunter etwas entgegensetzen. So verhindern Schutzimpfungen bestimmte Krankheiten. In manchen Fällen können wir dem naturbedingten Leid zwar nichts entgegensetzen, aber dessen Auswirkungen lindern. Zum Beispiel können wir keine Seebeben verhindern, aber wir können ein Frühwarnsystem in den Weltmeeren installieren, damit sich die Menschen bei einem großen Seebeben in Sicherheit bringen können und hernach nicht so viele Menschenleben zu beklagen sind.

So wie wir den meisten naturbedingten Leiden macht- und hilflos ausgeliefert sind, so können wir gegen die meisten von Menschen verursachten Leiden etwas unternehmen.

Von Menschen verursachtes Leid will ich nicht akzeptieren. Dagegen kann sehr wohl etwas unternommen werden. Es geht um unser menschliches Verhalten, das auf vielfältige Weise zum naturbedingten Leid hinzukommt.

Leid ist subjektiv

Leid ist nie objektiv, sondern immer subjektiv. Kein Mensch kann den Schmerz empfinden, den der andere empfindet. Für Leid haben wir keine Maßeinheit.

Eine wichtige Voraussetzung beim Trösten besteht darin, dass der Begleiter keine eigenen Maßstäbe anlegt – weder im Denken noch in seinen Äußerungen („Wie kann man nur wegen einer solchen Lappalie ein solches Geschrei machen!“) Er hat sich auf das subjektive Empfinden des Leidenden einzustellen. Wenn er dies nicht vermag, kann er schwerlich trösten.