Biblisch trösten - Klaus Schäfer - E-Book

Biblisch trösten E-Book

Klaus Schäfer

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Beschreibung

Die Bibel ist ein wahres Lehrbuch des Tröstens. Die vorliegende Publikation zeigt das anhand verschiedener Bibelstellen auf. In detaillierten Beschreibungen wird benannt, wie z.B. König DAVID den Tod seiner Kinder verkraftete, welcher Trost aus dem Buch JIOB gezogen werden kann und dass JESUS ein Lehrmeister des Tröstens ist. Zudem enthält das Buch Hinweise auf den Gottesdienst der Trost-Weihnacht. Außerdem führt das Buch aus, dass unsere deutschen Bestattungs-Gesetze die Trauernden kaum im Blick haben. Moralische Rechte der Hinterbliebenen werden nicht berücksichtigt und leider enthalten die Gesetzes-Texte auch verletzende Formulierungen. Es ist somit ein Buch, das aufrüttelt, auf Missstände hinweist und zugleich tröstet und zum Trösten anleitet.

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0.1 Inhaltsverzeichnis

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0.1 Inhaltsverzeichnis

0.2 Die Bibel als Trostbuch

0.3 Informationen zum Buch

1 Trauer und Trost im AT

1.1 Ijob, ein Lehrbuch des Tröstens

1.1.1 Vorbemerkung

1.1.2 Ijobs Leid

1.1.3 Ijobs Standfestigkeit

1.1.4 Ijobs Freunde - vorbildlich

1.1.5 Ijobs Freunde - negativ

1.1.6 Ijobs Verzweiflung

1.1.7 Ijobs Rechtsstreit gegen Gott

1.1.8 Ijobs Ende

1.1.9 Fazit des Buches Ijob

1.2 Davids Trauer und Trost

1.2.1 Davids Trauer

1.2.2 Davids Reaktionen

1.3 Weitere Trauernde des AT

1.3.1 Trauer um Joschija

1.3.2 Trauer um Judas

1.3.3 Trauer um Jonatan

1.3.4 Der Kreis der Trauernden

1.4 Klage, die 5. Gebetsform

1.4.1 Klage beim Propheten Jeremia

1.4.2 Klagelieder

1.4.3 Klagepsalmen

1.4.4 Klagefrauen

1.4.5 Jakobs Ringen mit Gott

1.5 Die Zeit des Trauerns

1.5.1 Alles hat seine Zeit

1.5.2 Der Schrei

1.5.3 Untröstlich

1.5.4 Weinen und Tränen

1.5.5 Gottesferne

1.5.6 Gottes Gegenwart

1.5.7 Verbundenheit mit Gott

1.5.8 Urlaub von Gott

1.5.9 Falsche Gottesbilder

1.5.10 Sehnsucht nach Sicherheit

1.5.11 Ansehen

1.5.12 Gesegnet

1.5.13 Fülle des Lebens

1.6 Trost im AT

1.6.1 Trost beim Propheten Jesaja

1.6.2 Psalm 23, ein Trostpsalm

1.6.3 Bestattungskultur im AT

1.6.4 Heutige Bestattungskultur

1.7 Trost in der Auferstehung

1.7.1 Ezechiel

1.7.2 Ein Verwundeter einer Schlacht

1.7.3 Die sieben Brüder

1.7.4 Die Sammlung für die Erschlagenen

2 Trauer und Trost im NT

2.1 Jesus, Lehrmeister des Tröstens

2.1.1 Der Blinde von Jericho

2.1.2 Emmausjünger in Begleitung

2.2 Trost in der Auferstehung Jesu

2.2.1 Jesus und Maria von Magdala

2.2.2 Jesus erschien den Jüngern

2.2.3 Jesus erschien allen Jüngern (Thomas)

2.2.4 Jesus erschien den Jüngern am See

2.2.5 Geduld und Ausdauer

2.3 Weiterer Trost aus dem NT

2.3.1 Paulusbriefe

2.3.2 Offenbarung

3 Biblischer Trost

3.1 Für Begleiter und Leidende

3.1.1 Das wichtigste Gebot

3.1.2 „Müllhalde“

3.1.3 „Tankstelle“

3.2 Gedanken zur Liturgie

3.2.1 Klage in der Liturgie

3.2.2 Trost-Weihnacht

3.2.3 Kurze Sätze

3.2.4 Segen an die Hinterbliebenen

3.3 Wichtiges

3.3.1 Umgang mit Bibelstellen

3.3.2 Umgang mit Leid

3.3.3 Die 5 Schritte des Tröstens

3.3.4 Weitere Bücher von Klaus Schäfer

0.2 Die Bibel als Trostbuch

Trost, ein biblischer Auftrag

Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. (Jes 40,1)

Dieses im 6. Jh. v.C. geschriebene Wort gilt heute, nach über 2.500 Jahren, nicht minder. Es gilt, so lange es Trauernde auf der Erde gibt. Damit ist dieses Jesaja-Wort zeitlos gültig.

Im Prinzip wollen alle Menschen trösten, doch wo lernen wir es? Wer lehrt uns Trösten? - Nach 10 Jahren intensiver Tätigkeit mit Eltern, deren Kind während der Schwangerschaft gestorben ist und und über 15 Jahren Klinikseelsorge muss ich sagen, dass man Trösten vor allem von Leidenden lernen kann. So entstand das im Jahr 2009 erschienene Buch „Trösten – aber wie?“ Es erschien im Jahr 2017 in der 4. Auflage.

Auch den Verfassern der Bibel ist Leid nicht fremd. So berichtet die Bibel in unterschiedlicher Weise immer wieder von leidenden Personen, Gruppen oder ganzen Völkern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bibel ein Lehrbuch des Tröstens und des Trostes ist.

0.3 Informationen zum Buch

Trauernde und Leidende

Trost brauchen nicht nur Trauernde, denen ein nahestehender Mensch gestorben ist. Trost brauchen alle Menschen, die in irgend einer Art und Weise Leid erfahren haben. Mag es die zerbrochene Freundschaft, Partnerschaft oder Ehe sein, mag es die heilbare oder unheilbare Krankheit sein, mag es der ungewollte Wechsel von Arbeitsplatz oder Wohnung sein. Immer handelt es sich um Leid, das nach Trost schreit.

Aus diesem Grunde benennt dieses Buch meist „Leidende“. Der Terminus „Trauernde“ wird nur im Zusammenhang von Todesfall benutzt. Ansonsten sind es immer die „Leidenden“. Damit soll auch dem Leser dieses Buches der Blick von den „Trauernden“ hin zu den „Leidenden“ geöffnet werden.

Tröster und Begleiter

„Tröster“ wird in diesem Buch immer dann verwendet, wenn es sich um falsche Tröster handelt, die es zwar gut meinen, aber nicht wirklich trösten, mitunter sogar weiteres Leid hinzu fügen.

Trost geschieht meist durch Begleitung, mit allen ihren Aktivitäten. Es beginnt mit der Kontaktaufnahme und dem Zuhören. Trost geschieht nicht nur in einer einzelnen kurzen Begegnung, sondern vor allem in einem längeren Gespräch und in einer mitunter wochen- oder gar jahrelangen Begleitung. Daher wird in diesem Buch der wahrhaft tröstende Mensch „Begleiter“ genannt.

Unterschied von trösten und Trost

Trösten unterscheidet sich vom Trost darin, dass Trösten die Aktivität ist, der Trost hingegen die Wirkung am Leidenden. Auch der Leidende kann etwas tun, was ihn tröstet. Doch oft ist Trösten die von einem Begleiter ausgehende Tätigkeit. Sie wird beim Leidenden erst zum Trost, wenn sie tröstlich wirkt. Andernfalls war es vom Begleiter nur ein Versuch bzw. ein Angebot des Trostes, das jedoch nicht zum Trost wurde.

Begleiter sollten sich damit nicht zu sehr unter Leistungsdruck setzen. Natürlich ist es der Trost, den man gerne als Erfolg erleben möchte. Doch besonders im frischen Leid wirkten alleine das Dasein und das Zuhören oft tröstlich.

Nicht oberflächlich über das Leid hinweg gehen, sondern in die Tiefen des Leids und damit des Leidenden – dieser steckt im Leid – hinabgehen, wirkt oft schon tröstlich.

Hintergründe

Wenn man einige Hintergründe über die Entstehung der biblischen Texte kennt, versteht man sie in einem anderen Kontext. Man versteht dann nicht nur den tieferen Sinn dieses Textes, sondern kann in der praktischen Seelsorge, im Gespräch oder in einer Ansprache darauf eingehen. Daher wird es bei einzelnen Unterkapiteln einen Abschnitt „Hintergründe“ geben.

Gliederung des Buches

Auch wenn die beiden großen Kapitel „Trauer und Trost im AT“ und „Trauer und Trost im NT“ heißen, so ist dies nur eine allgemeine Orientierung, keine strikte Trennung. Es wird in diesen beiden Kapiteln nur der Schwerpunkt auf das AT bzw. das NT gelegt.

1 Trauer und Trost im AT

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es beim frischen Leid keinen Trost gibt. Es ist wie bei einer frischen Wunde. Jede noch so zarte Berührung löst weiteren Schmerz aus. Diese Menschen wollen sich nicht trösten lassen. Ein in der Weltliteratur einmaliger Text und ein echtes Lehrbuch des Tröstens ist das Buch Ijob.

1.1 Ijob, ein Lehrbuch des Tröstens

Das Buch Ijob ist ein wahres Lehrbuch des Tröstens. Es enthält zahlreiche Hinweise und Beispiele, wie Trost erfolgen kann, aber auch, was kein Trost ist. Auf vorbildliche wie auch verletzende Stellen sei hier hingewiesen.

1.1.1 Vorbemerkung

Das Buch Ijob wurde vor dem Jahre 200 v.C. von einem unbekannten Autor geschrieben. Von der Gattung her gehört es zur literarischen Dichtung.1 Den Bezug zum Leben hat es in dem Versuch einer Antwort auf die Theodizee-Frage. Warum trifft auch den Gerechten Leid?

Durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch – bis in die Gegenwart hinein – sahen Menschen das erfahrene Leid als eine Strafe Gottes an. Traf böse Menschen Leid, sahen einige Menschen dies mit einem gewissen Maß an Schadenfreude als Strafe Gottes. Traf einen Gerechten Leid,2 frag(t)en sich die Menschen, wie Gott dieses Leid nur zulassen konnte. Diese Gerechten müssten doch von Gott belohnt werden, nicht bestraft.

Dieser Diskrepanz stellte sich der Autor des Buches Ijob. Er schuf mit seinem Werk nicht nur eine Antwort, sondern ein Werk, das Eingang in die Weltliteratur fand. Dieses Buch wurde in die Bibel aufgenommen. Diese Geschichte wurde in den Koran aufgenommen. Damit ist diese Antwort im Bewusstsein aller abrahamitischen Religionen, d.h. bei rund 50 % der Weltbevölkerung.

1.1.2 Ijobs Leid

Ijob wird vom Autor als ein reicher,3 angesehener4 und gottesfürchtiger5 Mann beschrieben.

Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde, so untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und meidet das Böse. (Ijob 1,8)

Es gab allen Grund, dass Gott ihn segnen müsste, aber keinen Grund, dass Gott ihn mit Leid überschütten müsste. Dennoch erfuhr Ijob eine Reihe von schweren Schicksalsschlägen:

Zunächst wurden ihm alle seine Herden gestohlen (d.h. er verlor seinen ganzen Besitz).

6

Dann starben alle seine Kinder beim Einsturz eines Hauses (d.h. er verlor alle seine Nachkommen).

7

Diese Nachricht überbrachten Boten. Daher werden besonders schlimme Mitteilungen noch heute „Hiobsbotschaften“ genannt.

Die Worte „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn.“ (Ijob 1,21) wurden zu geflügelten Worten des Heroismus. Doch so heroisch war Ijob nicht. Es kamen von ihm noch ganz andere Worte.

Dem Verfasser des Buches Ijob war es jedoch wichtig, hervor zu heben, dass bei allem bisherigen Leid Ijob nicht sündigte und nichts Ungehöriges gegen Gott sprach.

Schließlich bekam Ijob am ganzen Körper bösartige Geschwüre (d.h. er verlor seine Gesundheit).

8

Nun stand Ijob auf, zerriß sein Gewand, schor sich das Haupt, fiel auf die Erde und betete an. Dann sagte er: Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn. Bei alldem sündigte Ijob nicht und äußerte nichts Ungehöriges gegen Gott.(Ijob 1,20-22)

Damit war Ijobs Leid voll. Er hatte seinen ganzen Besitz, alle seine Kinder und seine Gesundheit verloren. Als Aussätziger war ihm Kontakt zu Gesunden untersagt, damit er diese nicht anstecke. Aussatz war damit nicht nur eine Krankheit, sondern war als unheilbare Krankheit mit dem sozialen Tod gleichzusetzen.9 Damit gehörte Ijob weniger zu den Lebenden als mehr zum Totenreich.

1.1.3 Ijobs Standfestigkeit

Wenn Menschen schweres Leid trifft, stellen sie nicht nur Gott in Frage. Sie wollen mitunter von Gott nichts mehr wissen, zuweilen leugnen sie auch die Existenz Gottes.10

In vorchristlicher Zeit, wenn Gott einen Menschen nicht vor schwerem Leid bewahrte, wurde dieser Gott meist verworfen und nach einem anderen Gott gesucht, der einen beschützen sollte. Auf diesem Hintergrund sind die weissagenden Worte des Satans Gott gegenüber zu verstehen:

Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus, und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen. (Ijob 1,11)

So lässt der Autor des Buches Ijob nach dem Verlust von Besitz, Kindern und Gesundheit seine Frau zu Ijob sagen:11

Lästere Gott, und stirb! (Ijob 2,9)

Für uns sind dies harte Worte, die in dieser Weise heute kaum gesprochen werden. Die Haltung, die hinter diesen Worten steckt, ist heute allerdings in vielfältiger Weise anzutreffen. Es ist eine Anfrage an unsere Leidensfähigkeit: Sind wir fähig, das Leid des anderen auszuhalten? Sind wir fähig, einen Teil des Leides mitzutragen und daran Anteil zu nehmen? Sind wir dazu fähig und willig?

In manchen Fällen leidet der andere gar nicht, oder zumindest nicht in so starkem Maße, wie wir es empfinden. Schließlich nehmen wir das Leid mit unseren Augen als Außenstehende wahr und wissen oft gar nicht, wie der andere dies empfindet. Oft fragen wir auch gar nicht nach, sondern gehen von unserem eigenen Urteil aus. Wir bilden ein Vorurteil, weil wir gar nicht den Betreffenden fragen, sondern auf unser eigenes Urteil vertrauen.

Eines der gravierendsten Beispiele hierzu sind die Menschen mit Downsyndrom. Viele dieser Menschen sind glücklich, oft glücklicher als wir Gesunde. Sie empfinden sich nicht als Leidende. Sie nehmen ihr Anderssein nicht als Leid wahr. - Wir Gesunde sind es, die an den Menschen mit Downsyndrom leiden. Ihr Anblick sagt uns, dass auch wir so hätten sein könnten. Ein solches Leben wollen wir aber nicht führen. Aus diesem Grunde werden vorgeburtliche Untersuchungen auf Trisomie 21 durchgeführt. Bei entsprechendem Befund wird den Eltern zum Schwangerschaftsabbruch geraten. Wir urteilen: Stirb!

In über 2.200 Jahren Geschichte der Menschheit hat sich seit der Niederschrift des Buches Ijob wenig geändert. Wir Gesunde können es schlecht ertragen, dass andere Menschen nicht so sind wie wir. Daher müssen diese weg, zumindest aus unserem Blickfeld.

In seinem Leid stellte sich seine Frau gegen Ijob. Daher tadelte er sie:

Wie eine Törin redet, so redest du. Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen? (Ijob 2,10)

Aus dieser Antwort spricht eine tiefe Gottergebenheit. Ijob hatte die Haltung, das Gute und das Böse aus Gottes Hand anzunehmen. Er wollte nicht gegen das Böse aufbegehren. Diese tiefe Gottergebenheit ist nicht jedem Menschen gegeben. Aber man kann sie anstreben und erlernen.

Aus dieser Antwort spricht auch die Erkenntnis, dass es in der Welt Leid gibt. Dieses Leid nimmt Ijob als gottgegeben hin und nimmt es an. Er hinterfragt es nicht. Er stellt keine Warum-Frage.

Als Begleiter ist es wenig hilfreich, den Leidenden auf diese Haltung Ijobs hinzuweisen. Sie kann jedoch für den Leidenden selbst eine wertvolle Hilfe sein, mit dem Leid anderer wie auch mit dem eigenen Leid besser umgehen zu können.

1.1.4 Ijobs Freunde - vorbildlich

Nachdem Ijobs Ehefrau ihn zum Lossagen von Gott und anschließendem Sterben aufgefordert hat, lässt der Autor Ijobs Freunde auftreten.12

Die drei Freunde Ijobs hörten von all dem Bösen, das über ihn gekommen war. Und sie kamen, jeder aus seiner Heimat: Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach und Zofar aus Naama. Sie vereinbarten hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten. Als sie von fern aufblickten, erkannten sie ihn nicht; sie schrien auf und weinten. Jeder zerriss sein Gewand; sie streuten Asche über ihr Haupt gegen den Himmel. Sie saßen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte; keiner sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war. (Ijob 2,11-13)

Die drei Freunde Ijobs vereinbarten, gemeinsam zu Ijob zu gehen, „um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten“. Damit hatten sie jeweils nur ein Drittel der Last der Trauer Ijobs zu tragen. Zu schwer erschien ihnen Ijobs Leid für einen einzelnen. Daher taten sie sich zusammen, getreu dem Spruch „geteiltes Leid ist halbes Leid“. Sie ahnten, dass es sehr schwer sein würde, Ijob in seiner Situation zu trösten.

„Als sie von fern aufblickten, erkannten sie ihn nicht; sie schrien auf und weinten. Jeder zerriss sein Gewand; sie streuten Asche über ihr Haupt gegen den Himmel.“ Noch bevor sie ihn berührt hatten, bevor sie ihm nahe gekommen waren, trauerten sie mit Ijob, denn zu groß erschien ihnen sein Leid. Langsam tasteten sie sich zum eigentlichen Leid Ijobs vor. Aufschreien, weinen, sein Gewand zerreißen und Asche gegen den Himmel streuen ist Ausdruck dieser Trauer. - Oft wird gar nicht abgewartet, bis sich durch die Beschreibung des Leidenden dem „Tröster“ das ganze Leid erschließt. Immer wieder wird gleich nach den ersten Sätzen versucht, Trost zu spenden. „Tröster“ weinen nicht erst einmal mit dem Leidenden, sondern kommen vorschnell und damit nicht nur völlig deplatziert, sondern auch völlig danebenliegend, mit voreiligen Trostversuchen, die nicht trösten, sondern verletzen.

Dann saßen die drei Freunde Ijobs sieben Tage und Nächte sprachlos bei Ijob. Die Schwere seines Leids machte sie stumm. Was soll man da sagen? Ist da nicht jedes Wort zu viel?

Schweres Leid macht sprachlos. Es gilt, diese Stille der eigenen Betroffenheit zuzulassen, sie auszuhalten und sie dem Leidenden zu zeigen. Auch dies ist Trauerarbeit, die der Begleiter leisten sollte. Nur eine Minute des betroffenen Schweigens ist für manche unserer Zeitgenossen eine schier unlösbare Aufgabe und Überforderung. Die drei Freunde Ijobs saßen sieben Tage und Nächte sprachlos mit ihm zusammen. - Oft wird das Schweigen und die Sprachlosigkeit von „Tröstern“ nicht ausgehalten. Die eigene Sprachlosigkeit wird mitunter verbal zugegeben, dann aber mit einem Wortschwall zerredet. Zuweilen geschieht dies auch in liturgischen Vorlagen für Beerdigungen.

Wenn von Ijob die Rede ist, so denken viele Menschen erst einmal an seine heroische Reaktion nach der Mitteilung, dass ihm seine Herden gestohlen und seine Kinder gestorben sind: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn.“ (Ijob 1,21) Ijob ist jedoch auch zu ganz anderen Äußerungen fähig:

Danach tat Ijob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. Ijob ergriff das Wort und sprach: Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: Ein Mann ist empfangen. (Ijob 3,1-3)

Nach sieben Tagen der schweigenden Anteilnahme seiner drei Freunde war es Ijob möglich zu sprechen. Es bedurfte keiner Frage, keiner Einladung, keiner Aufforderung. Es sprudelte freiwillig aus ihm heraus, denn da waren Freunde, die nicht oberflächlich über sein Leid hinweg gingen. Sie nahmen sich Zeit, sie waren bereit zum Zuhören, zum Mittragen, zum Anteilnehmen.

Oft braucht es Zeit, damit der Leidende über das plötzlich über ihn hereingebrochene Schicksal sprechen kann - manchmal nicht nur Minuten, sondern auch Stunden, zuweilen sogar Tage. Es tut den Leidenden gut, wenn man ihnen diese Zeit lässt und das Schweigen so lange einfach nur aushält. Es ist eine für sie sehr wichtige Zeit.

Aus Ijobs Worten klang nun keine Gottergebenheit, sondern eine große Verbitterung und Verzweiflung. Ijob war aller Lebenswille und Lebensmut geschwunden. Er war auf seinem seelischen Tiefpunkt angekommen und verfluchte die Nacht seiner Empfängnis und den Tag seiner Geburt.

Leidenden steht es zu, so zu reden. Es ist gleichsam das Ventil ihrer Betroffenheit. Es ihnen zu verwehren bedeutet, diesen Weg der Trauer zu verwehren. Manchmal ist es für den Leidenden der einzige Weg, der ihm im Augenblick möglich ist. Ihm diesen Weg zu verwehren bedeutet, ihn weiteres Leid zuzufügen.

So verhielten sich die Freunde Ijobs gegenüber Ijob bis Ende des 3. Kapitels vorbildlich und tröstend.

1.1.5 Ijobs Freunde - negativ

Ab dem 4. Kapitel verhielten sich die Freunde Ijobs so, wie sich viele (religiöse) Menschen in solchen Situationen verhalten. Sie versuchten, die Ursache seines Leids zu erklären. Für sie war klar: Ijob muss irgendwie gesündigt haben. Gott straft ihn nun dafür. Anders sei sein Leid nicht zu erklären.

Der Drang nach einer Antwort

Wir Menschen bemühen uns, auf erfahrenes Leid eine Antwort zu finden. Wir wollen die Welt, in der wir leben, verstehen. Dabei fragen wir uns nicht immer, ob die Antwort logisch und sachlich korrekt ist. Wenn es eine Antwort ist, mit der wir gut leben können, sind wir damit zufrieden. Hierzu zwei deutliche Beispiele zum gleichen Sachverhalt:

In den Jahren 2004 bis 2012 führte ich Online-Umfragen unter Müttern durch, deren Kind während der Schwangerschaft verstorben ist. Dabei stellte ich auch die Frage, was ihrer Meinung nach zum Tod ihres Kindes geführt hat. Eine Frau antwortete, dass sie auf einer Party mehrere Schachteln Zigaretten geraucht und sich besinnungslos betrunken hat. Eine andere Frau antwortete, dass sie einmal an einem Sektglas genippt hat.

Bei der ersten Frau trug wohl ihr hoher Konsum an Nikotin und Alkohol dazu bei, dass das Kind gestorben ist. Bei der zweiten Frau war das Nippen an einem Sektglas sicherlich nicht der Grund für den Tod ihres Kindes. Dies ist jedoch für die Frau wohl unwesentlich. Mit dieser faktisch falschen Antwort kann sie offensichtlich besser leben als für dieses tragische Ereignis keine Antwort zu haben.

In diese Falle geraten Leidende wie auch Begleiter. Beide wollen gerne auf die Frage nach der Ursache des erfahrenen Leids eine Antwort haben bzw. eine Antwort geben. Begleiter sollten hier zwei Stolpersteine beachten:

Frage nach der Ursache

Wenn vom Leidenden die Frage nach der Ursache gestellt wird, sollte der Begleiter der Versuchung widerstehen und keine Antwort geben. Auch wenn er sich sicher ist, die objektiv richtige Antwort zu kennen, sollte er damit zurückhaltend sein. Statt dessen sollte er dem Leidenden selbst zu seiner Antwort verhelfen.

Antwort auf die Ursache

Zuweilen finden Leidende auf die Frage nach der Ursache ihres Leids eine Antwort, die sachlich völlig daneben liegt und/oder die für den Begleiter keinesfalls eine akzeptable Antwort ist. Hierbei sollte sich der Begleiter dessen bewusst sein, dass es nicht um ihn und sein Wohlbefinden geht, sondern um das des Leidenden. Wenn dieser für sich eine noch so falsche Antwort gefunden hat (siehe oben), dann hat er für sich eine Antwort gefunden. Meist hilft ihm diese irrende Antwort, das Leid (besser) zu ertragen.

Wenn jedoch mit der Antwort andere Menschen ungerechtfertigt beschuldigt werden, sollte sich der Begleiter überlegen, ob er diese Antwort hinterfragen muss. Schließlich geht es hierbei um die Rehabilitation eines Unschuldigen. Grundsatz: Gott muss nicht rehabilitiert werden. Gott hält der stärksten und ungerechtesten Anklage stand.

Der Tun-Ergehen-Zusammenhang

Menschen glauben gerne an einen allmächtigen Gott, der zu den guten Menschen gut ist und die bösen Menschen bestraft. „Tu´ Gutes, und Gott wird es dir gut ergehen lassen. Wenn du jedoch sündigst, wird dich Gott dafür bestrafen“, lautet die Kernaussage des Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Eine der ältesten Aufzeichnungen, dieses Denkens und des dahinterstehenden Gottesbildes stammt von Ptahhotep (Ägypten, um 2.350 v.C.):

Immer wird der bestraft, der die Maat übertritt, doch dem Ungebildeten scheint das (Totengericht) etwas Fernes zu sein, und das Verbrechen rafft weiterhin Schätze zusammen. Doch wenn das Ende da ist, bleibt allein die Maat, so dass ein Mann sagen kann: „Das ist die Habe meines Vaters!“

Setze ein Vorbild, biete keinen Anstoß. Festige die Maat, dann werden deine Kinder leben.13

Dieser Tun-Ergehen-Zusammenhang zeigt sich auch in verschiedenen Stellen der Bibel. Dies wird an den folgenden Worten deutlich, echte Plagiate zu o.g. Zitat von Ptahhotep:

Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir gibt! (Ex 20,12)

Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen. (Dtn 30,19)

Ich habe doch kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss - Spruch GOTTES, des Herrn. Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt! (Ez 18,32)

Dieses Denken des Tun-Ergehen-Zusammenhangs gab es zur Zeit der Verfassung des Buches Ijob. Doch die Erfahrung zeigte, dass Leid auch den wahrhaft Gerechten trifft. Diese Erfahrung war unvereinbar mit dem althergebrachten Gottesbild. Die Theodizee-Frage bedarf einer neuen und tragfähigen Antwort:

Wenn Gott allmächtig ist, müsste er das Leid der Gerechten beenden oder gar verhindern können. Andernfalls kann Gott nicht als gerecht und gut angesehen werden. Das Buch Ijob wurde aus genau diesem Grunde geschrieben. Es versucht, eine akzeptable Antwort auf die Theodizee-Frage zu geben. Doch hierzu zeigt es erst das vorherrschende Denken auf, das den Trauernden in seiner Situation keinesfalls tröstet.

Anwalt Gottes

Elifa betonte die Schuld der Menschen: „Wer geht ohne Schuld zugrunde?“ (4,7), „Wer Unrecht pflügt, wer Unrecht sät, der erntet es auch.“ (4,8), „Ist wohl ein Mensch vor Gott gerecht, ein Mann vor seinem Schöpfer rein?“ (4,17).

Bildads Worte weisen auf einen Gott hin, der keine Fehler macht, der gerecht ist: „Beugt etwa Gott das Recht, oder beugt der Allmächtige die Gerechtigkeit?“ (8,3)

Die Freunde Ijobs machten sich damit zu Anwälten Gottes. Sie ließen nicht zu, dass Gottes Handeln in Frage gestellt wird, dass Gott ungerechtes Handeln vorgeworfen wird. Elifa ging sogar so weit, dass er danach fragte, ob es überhaupt einen gerechten Menschen auf der Welt gibt. Jeder Mensch sei ein Sünder, und sei die Sünde noch so gering. Daher habe es jeder Mensch verdient, für seine begangenen Sünden bestraft zu werden.

Diese Haltung deckt sich jedoch nicht mit dem christlichen Glauben, der auf dem Glauben des AT begründet ist. Hierzu drei Bibelzitate:

Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht. (Jes 49,15)

Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh 3,16)

Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. (1.Joh 4,16)

Diese Verse geben dem Glauben an einen strafenden Gott eine eindeutige Absage. Sie ersetzen es mit dem Bild eines liebenden Gottes, dessen Liebe größer ist als alle Liebe, zu der wir Menschen fähig sind.