Tu dat besser nich! - Kai Twilfer - E-Book

Tu dat besser nich! E-Book

Kai Twilfer

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  • Herausgeber: Lübbe
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Kai und seine Familie verstehen die Welt nicht mehr. Alles muss plötzlich politisch korrekt sein: Vater Georg soll eine gendergerechte Toilette in seinen Friseursalon installieren, während Mutter Klara die Kunden streng vegan mit Mettbrötchenimitat verwöhnt. Nur Nerv-Neffe Grotti, eine altkluge Ausgeburt der Smartphone-Generation, weiß immer, wie man die Dinge richtig anpackt. Kais genialer Fluchtplan, in seinen kleinen Geburtsort zurückzuziehen, um dort Klimawahn und Frauenquoten zu entgehen, scheitert grandios. Die neue deutsche Korrektheit hat auch das platte Land fest im Griff und verwickelt den Autor in eine brüllend komische Generationensatire. Früher war zwar nichts besser, aber vieles piepegaler.

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Seitenzahl: 258

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15

Über dieses Buch

Kai und seine Familie verstehen die Welt nicht mehr. Alles muss plötzlich politisch korrekt sein: Vater Georg soll eine gendergerechte Toilette in seinen Friseursalon installieren, während Mutter Klara die Kunden streng vegan mit Mettbrötchenimitat verwöhnt. Nur Nerv-Neffe Grotti, eine altkluge Ausgeburt der Smartphone-Generation, weiß immer, wie man die Dinge richtig anpackt. Kais genialer Fluchtplan, in seinen kleinen Geburtsort zurückzuziehen, um dort Klimawahn und Frauenquoten zu entgehen, scheitert grandios. Die neue deutsche Korrektheit hat auch das platte Land fest im Griff und verwickelt den Autor in eine brüllend komische Generationensatire. Früher war zwar nichts besser, aber vieles piepegaler.

Über den Autor

Kai Twilfer war lange Insasse des Ruhrgebiets. Seine Erlebnisse und Beobachtungen aus dieser besonderen Region fasste er in vielen erfolgreichen Büchern zusammen. Sein Debüt SCHANTALL, TU MA DIE OMMA WINKEN! war das meistverkaufte Sachbuch 2013. Auch weitere Titel schafften den Sprung auf die Bestsellerlisten. Nun schreibt er über das nicht weniger skurrile Landleben und festigt damit seinen Ruf als Verfasser bissig witziger Gesellschaftssatiren.

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille

Umschlagmotiv: © Boris Breuer, Köln

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-3695-4

luebbe.de

lesejury.de

Kapitel 1

Von Autor zu Mensch

Kapitel 2

Von diversen Toiletten, einem Föhn als Schusswaffe und einer schlafenden Omma mit Power in der Hose

Nun saß ich da also wieder. So, wie sicher schon Hunderte Male zuvor. Auf diesem kalten Stahlrohrstuhl mit kunstlederbezogenen Griffen aus den frühen siebziger Jahren, den man nicht nur hochpumpen und wieder herunterfahren, sondern zur Pflege diverser Körperstellen sogar nach hinten kippen konnte, um eine bessere Position zu bekommen.

Ja, Sie haben es vielleicht erraten, es handelt sich nicht um ein medizinisches Möbel, sondern um den leicht in die Jahre gekommenen Friseurstuhl im Salon meines Vaters Georg. Ich saß auf diesem Stuhl mit einem Umhang um den Hals, durch den ich mich schon als Kind an eine arm- und hilflose kegelförmige Wackelfigur erinnert fühlte, die gerade von einem Barbaren – nein, es heißt Barbier – das damals noch üppige Haupthaar geschoren bekam. Ich bin quasi im Salon meiner Eltern aufgewachsen und ebenso wie mein Vater ein Befürworter und Bewahrer dieser schönen alten Dinge wie zum Beispiel Friseurstühle aus der Vorkriegszeit.

Der Salon meiner Eltern war schon zur Eröffnung kurz nach der Geburt Jesu Retro pur gewesen und bestach immer noch durch allerhand ästhetische Dinge, die es so heutzutage gar nicht mehr gab. Zum Beispiel bestand die Wandverkleidung dort jahrzehntelang nicht aus Tapeten, sondern aus beigefarbenem Teppichboden. Hornhautumbrafarbene Auslegeware in Matschoptik, vertikal für die Ewigkeit verklebt. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie stolz meine Mutter damals, jeden Samstag nach Feierabend, den Vorwerk auspackte und stundenlang die Wände saugte.

Warum man so etwas in einem Raum verarbeitet hatte, in dem jahrelang tagein, tagaus irgendwelche ozonhaltigen Hairsprays durch die Gegend geblasen wurden und die Wandverkleidung nach und nach härter werden ließen als durch jede Grundierung? Meine Eltern wissen es eventuell, ich bis heute nicht. Wäre das Gebäude drum herum zusammengestürzt, die Teppiche würden immer noch stocksteif in der Landschaft stehen.

Legendär war zudem eine der letzten Sonnenbänke der achtziger Jahre, die nicht in einem professionellen Sonnenstudio aufgestellt worden war, sondern im Wäschekeller des Salons, unmittelbar zwischen Warmwassertank und Wäscheständern, behängt mit Handtüchern der letzten Dauerwellenkunden.

Um dem nach brauner Haut lechzenden Landbewohner wenigstens ein bisschen südliches Flair bieten zu können, entschied mein Vater sich bereits in den frühen achtziger Jahren dazu, den Raum mit einer zwei mal fünf Meter großen Fototapete zu verzieren, die das Panorama eines Strandes irgendwo in der Karibik zeigte. Bacardi Feeling halt, nur ohne Cocktailbar. Da der urgemütliche Sonnenbankkeller des Friseursalons allerdings nur 1,80 Meter hoch war, musste die Fototapete an der Oberkante so beschnitten werden, dass man sich stets fragte, warum die Palmen eigentlich keine Blätter trugen.

Na, egal. Braun wurde man unter den asbestimprägnierten Röhren allemal, sodass es für fünf Mark schlicht zweitrangig war, ob das gesundheitlich irgendeine Relevanz hatte und ob die halb nackte Frau auf der Tapete, deren hochtoupierte Haarpracht à la 1983 ebenfalls abgeschnitten werden musste, eher sexistisch dargestellt wirkte oder verkrüppelt emanzipiert. Über so was hat man sich damals einfach keine Gedanken gemacht. Am wenigsten mein Vater, der aber dafür die einzige Sonnenbank im Ort aufbieten konnte!

Hinzu kamen im Salon noch ein kleiner Aufenthaltsraum und eine winzige Toilette direkt dahinter, die juristisch zu einem Problem werden könne, wie mein Vater mir gerade erzählen wollte, als im selben Moment die Tür des Salons aufsprang und mein oberkorrekter Nerv-Neffe Benedikt Olm, den wir alle nur Grotti nannten, hereinspazierte. Grotti, wegen Grottenolm, also der Amphibie.

Grotti arbeitete seit Kurzem im »Kommunalamt für neue deutsche Korrektheit« bei uns im Ort, das die Bezirksregierung vor wenigen Jahren ins Leben gerufen hatte, um angebliche Missstände in der Gesellschaft sowie im Alltag der Bürger aufzudecken und zu beheben. Eine Art Dorf-Stasi-Zentrale also, die nicht nur dafür sorgen sollte, dass auch alle Hecken die richtige Höhe haben, sondern die auch sicherstellte, dass niemand im Ort in irgendeiner Form benachteiligt oder gar diskriminiert wurde. Die Behörde ersetzte zudem das bis dahin tätige, wesentlich günstigere Ordnungsamt von Borsen.

Grotti gab gleich Vollgas: »Moin, Georg. Ach, Kai! Du auch hier? Mal wieder Glatze polieren lassen?«

Obwohl ich Grotti im großen Spiegel gut sehen konnte, drehte ich mich zu meinem Neffen um.

»Vorsicht, Grotti! Ich bin gerade kampfunfähig mit dem Heldencape um den Hals. Und das mit der gescheiterten Haarpracht ist Altersdiskriminierung. Denk dran, du willst hier in Borsen politisch Karriere machen. Da kommen solche Sprüche nicht gut.«

Grotti holte einen Zollstock aus seiner spießigen Aktentasche, die er demonstrativ im Waschbecken abgestellt hatte.

»Bruce Willis hat auch Glatze …«, konterte Grotti.

»Ja«, sagte ich, »aber auch der ist inzwischen ein alter Oppa geworden. Yippie-Ya-Yeah, du Schweinebacke. Was willst du überhaupt hier, meine Haarlänge messen?«

Grotti holte neben dem Zollstock nun auch noch einen Winkelmesser, eine Wasserwaage und ein dickes Buch aus der Tasche und legte alles exakt nebeneinander auf die Ablagefläche vor mir. Es sah ein bisschen so aus, als solle nun eine Opferprozession beginnen, und die Werkzeuge würden auf dem Altar dafür bereitgelegt. Mein Vater, das Opfer, schaltete sich wieder ins Geschehen mit ein.

»Benedikt, du kommst jetzt aber nicht wieder wegen der alten Glühstäbe in den Hauben, oder? Ich habe dir beim letzten Mal schon gesagt …«

Grotti unterbrach meinen Vater: »Nein, Georg, die Verschwendung von Strom habe ich heute nicht auf der Tagesordnung. Umwelt ist ja nicht so mein Ressort. Aber deine Toilettenanlage hier im Salon … Ich fürchte, das kann so nicht bleiben.«

Mein Vater legte verwundert die Rasiermaschine neben den Zollstock. »Was ist mit dem Klo? Stimmt der Geruch nicht?«

Grotti packte nun verbal das ganz große Besteck aus: »Nein, Georg, aber dein Abort ist nicht gendergerecht. Du weißt, dass es heutzutage nicht mehr State of the Art ist, dass eine deutsche Toilettenanlage nicht auch für diverse Menschen eine eigene Kabine bereitstellt oder die vorhandene zumindest als solche entsprechend gekennzeichnet ist. Paragraf 143b, Absatz 4, Punkt 6, Unterpunkt 23c. Ich kann das so nicht genehmigen.«

Die Temperatur meines Vaters stieg an, und das lag nicht am Föhn, den mein alter Herr nun wie eine Schnellfeuerwaffe in die Hand nahm.

»Sag mal, Benedikt, was hat mein Schwiegersohn eigentlich falsch gemacht, als er dich gezeugt hat?«

»Georg, auch das ist diskriminierend. Wir schauen uns das jetzt erst mal genau an.«

Grotti schnappte sich seine Messwerkzeuge, und wir verschwanden alle drei im Aufenthaltsraum des Salons. Meine Mutter, die das Treiben von der Kasse aus sah, stutzte etwas, blieb jedoch im Gespräch mit unserer Dauerwellen-Stammkundin Frau von Schmoller.

Grotti gab das gute alte Ordnungsamt. »So, Georg, schau mal. Auf deiner Miniparzelle, die du Toilette nennst, prangt unisexuell ein großes D und ein großes H …«

Ich klinkte mich in den Monolog ein. »Das heißt vielleicht Deutsche und Holländer. Die dürfen hier im Salon ein und dasselbe Klo benutzen. Uni im Sex vereint.«

»Ja!«, schob mein Vater dazwischen. »Und wer Bock hat, sogar gleichzeitig. Das ist doch Völkerverständigung genug, Benedikt. Politisch total korrekt.«

Grotti hob arrogant die Nase, wirbelte mit dem Zeigefinger vor den Augen meines Vaters und machte unbeeindruckt weiter: »Und was ist, wenn sich mal ein diverser Holländer zum Abort begeben möchte?«

Ich schob meinen Umhang etwas zur Seite, öffnete ihn und sah nun tatsächlich ein bisschen aus wie Batman. »Mann, Grotti, wir haben hier aber keine diversen Holländer, die sich sagen: ›Oh, wie toll. Morgen lasse ich mir bei Haarpflege Twilfer eine Minipli-Dauerwelle machen, und danach piesel ich dem Georg noch schön die Toilette voll.‹«

Mein Vater nickte heftig mit dem Walther-PPK-Föhn in der Hand.

Grotti blieb immer noch unbeeindruckt.

»Nun gut. Wie dem auch sei, Georg. Du musst hier entweder eine eigene Toilettenzelle für diverse Menschen einrichten oder auf der Tür, neben H und D, noch, ähh, D für divers ergänzen.«

Mein Vater verstand nur noch Bahnhof. »Ich soll also M für Männer und Doppel-D für Frauen und den Rest auf das Klo pinseln? Wäre nicht gerade Doppel-D sexistisch?«

Grotti schlug aufgeregt in seinem Gesetzbuch nach.

»Ne! Doppel-D wäre zu viel. Geht nicht. Haste recht. Lass die Buchstaben doch einfach ganz weg, und schreib ›Sitzort & Stehort‹. Das ist gendergerecht und geschlechterneutral. Damit kann das Kommunalamt leben.«

Mein Vater machte mit der Hand den Scheibenwischer vor dem Gesicht. »Und um in meinem Salon Wasser aus dem Spülkasten zu sparen, schreibe ich noch einen schönen Reim auf die Brille: ›Das Braune darf gehen, das Gelbe muss stehen!‹«

Grotti war begeistert. »Ja, wie gesagt, Umwelt ist im Amt nicht meine Baustelle. Aber im Hinblick auf den Weltklimawandel sicher eine vernünftige Idee, um Ressourcen zu sparen. Georg, ich sehe, wir verstehen uns.«

Kaum war das leidige Thema »gendergerechtes Klo« im antiken Friseursalon geklärt, da stürmte die nächste antike Koryphäe zu uns in den Aufenthaltsraum: Frau von Schmoller, die im Grunde ganz sympathische Stammkundin, drängelte sich mit Lockenwicklern im grauen Haar etwas ungalant zwischen uns hindurch.

»Ach, Herr Twilfer. Ich will Ihre angeregte Unterredung hier nicht stören, aber ich hab seit heute Morgen Durchfall.«

Ja, dachte ich mir, das war Frau von Schmoller, wie sie leibt und lebt. Nach außen hin Grande Dame und vornehm bis zum Gehtnichtmehr. Tief im Inneren aber ein sympathischer Hooligan und proletarischer Revoluzzer. Aus diesem Grund nannte sie der ganze Ort auch nur Terromma. Eine entspannte Kundin, ganz nach dem Geschmack meiner Eltern.

Als Frau von Schmoller nun hinter der verschlossenen Tür durch »diverse« Geräusche lautstark Werbung für ihr neues Abführmittel zu machen begann, suchte ich zusammen mit meinem Vater und Grotti schnell das Weite. Mein Neffe erschnorrte sich bei meiner Mutter noch einen Kaffee und verschwand dann mit der umweltbewussten Keramiktasse und deren Aufschrift »Ich bin so heiß!« zurück in Richtung Amtsstube.

Mein Vater dampfte allerdings noch stärker als der Kaffee, und auch meine Mutter mischte sich nun, im Hinblick auf die geklaute Tasse, in das Thema Gendern mit ein.

»Die haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Dieses Genderding in Deutschland wird ja immer bekloppter. Jetzt soll alles, wo es um Männer und Frauen geht, um ein drittes Geschlecht ergänzt werden?«

»Ja, divers«, warf ich ein. »Das nennt man Diversität. Divers deckt also quasi alle Menschen ab, die sich weder mit dem männlichen noch mit dem weiblichen Geschlecht eindeutig identifizieren wollen.«

Meine Mutter, eine Jugendliche der sechziger Jahre, als Männer noch den wilden Haarwuchs auf der Brust kultivierten, statt Bartöl und Epilierer zu benutzen, konnte bei solchen neumodischen Themen eine unglaubliche Energie an den Tag legen.

»Früher war so eine bewusste Nennung oder Beschriftung auf Klos doch auch nicht nötig. Immerhin nehmen wir ja jedem diversen Menschen dann die Chance zur freien Auswahl, ob er, äh, sie ein Männer- oder Frauenklo benutzen möchte. Ist es nicht gerade outend, wenn ein Diverser dann ein Spezialklo nutzt, statt ihm die Wahl zu lassen, wo er denn nun sein Geschäft erledigt? Wir Frauen wären doch die glücklichsten Menschen der Welt, wenn wir auf einem Rockfestival auch die Dixies für Kerle benutzen dürften, statt Schlange stehen zu müssen. Ein Diverser könnte das doch. Ich versteh das alles nicht. Erst recht nicht, wenn man aus baulichen Gründen ohnehin nur eine Klokabine hat.«

Ich schnappte mir in meinem Batman-Cape meine Mutter Klara – so, als wolle ich sie vor meinem Vater, dem Joker, beschützen, der vor Wut über dieses ganze Bürokratentum immer noch mit Föhn in der Hand ein inzwischen ganz bunt gefärbtes Gesicht hatte – und setzte noch einen oben drauf: »Mutter, und das ist ja erst der Anfang von allem. Es gibt in Deutschland sogar schon erste Genderfriseure, die nun nicht mehr Herren- und Damensalon auf die Scheibe schreiben, aber stattdessen für alle Haarlängen die gleichen Preise verlangen, um geschlechterneutral schnipseln zu können. Die Hippies wird es freuen. Auch die lukrativen Hochzeitsfrisuren wären dann alle zu ein und demselben Preis zu machen!«

Mein Vater wurde hellhörig: »Das heißt, dass wir dann zum Pauschalpreis auch Männern eine Hochsteckfrisur klöppeln und ein Diadem ins Haar flechten müssten?«

»Nein, nicht ganz, aber fast«, erwiderte ich. »Und es kommt ja noch viel schöner in Sachen Toiletten. Der Gesetzgeber sieht nämlich vor, dass jeder Betrieb mit mehr als neun Angestellten nachweisen muss, dass für jedes Geschlecht, also auch für Diverse, eine eigene Toilette vorhanden ist. Da ihr hier im Salon aber mit weniger als neun Angestellten arbeitet, ist laut Amtsschimmel auch eine Gemeinschaftstoilette möglich, wenn sichergestellt wird, dass, wörtlich, ›eine zeitlich getrennte Nutzung stattfindet‹.«

Mein Vater versuchte zu folgen. »Das heißt, wenn Frau Schmoller ein Häuflein macht, dürfte ich nicht gleichzeitig dort den Yellow River singen?«

Ich nickte. »Ja, und besonders schön wird es vielleicht bald in Schulen und Kindergärten. Im bayrischen Pullach zum Beispiel, der Ortsname kommt übrigens nicht von Pullern, hat man sich sehr geräuschintensiv Gedanken über stille Örtchen gemacht, inwieweit es in Schulen eine Toilette speziell für transidente Kinder geben sollte. Der Status ist da derzeit wie fast überall in Deutschland: Es wird zunächst einmal eine sauteure Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Wahrscheinlich, um dann festzustellen: Ja! Dat Klo is machbar, et müsste aber genauso ein mit Wasser zu spülender Keramikpott installiert werden, wie in fast jedem anderen Klo auffe Welt auch.«

Frau von Schmoller kam mit einem erleichtert wirkenden Gesichtsausdruck zurück in den Salon und setzte sich wieder auf ihren Platz.

Ich erzählte meiner Mutter von weiteren kuriosen Fällen, die nicht nur mit dem dritten Geschlecht zu tun hatten, sondern auch mit dem Phänomen, dass die uns beiden doch eher vertrauten Geschlechter Frau und die, die ihnen hinterherrennen, also Männlein und Weiblein, zukünftig im besten Fall in ein Wort verknobelt werden sollen, um die Diversen mit im Boot zu haben.

»Die Lufthansa beispielsweise hat nun nach knapp siebzig Jahren die altbekannte Begrüßung der Piloten an die ›zu Fliegenden‹ abgeschafft: Statt der klassischen Anrede ›Sehr geehrte Damen und Herren!‹ heißt es jetzt in allen Fliegern nur noch: ›Liebe Gäste!‹ Man glaubt, hiermit nun alle Flugreisenden mit zwei Wörtern wie einen Cargo Container abfertigen zu können. Dabei kennt die Ausgabe des Dudens aus dem Jahr 2013 auch die seltene Form ›Gästin‹, die also im deutschen Sprachgebrauch durchaus möglich wäre. Die Piloten müssten also in ihr Bordbuch aufnehmen: ›Liebe Gästinnen und Gäste!‹«

Meine Mutter schüttete sich nun ebenfalls einen Kaffee ein. »Was soll daran denn besser sein? Zuvor hat man wenigstens noch erwähnt, dass die Gäste ›sehr geehrt‹ waren. Die neue Anrede hört sich dagegen viel lässiger und kumpelhafter an, so wie bei IKEA im Bällebad: ›Liebe Kinder, gleich fliegen wir nach Malle.‹ So ein Blödsinn!«

Mein Vater ergänzte: »Liebe Kinder und Kinder_innen. Das kann man und frau dann mit Gender-Gap schreiben. Also, mit so ’nem Unterstrich. Hab ich neulich hier im Lesezirkel in der Bravo gesehen.«