Über Glück - Mark Keller - E-Book

Über Glück E-Book

Mark Keller

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Beschreibung

Glück ist ein schillernder und unsteter Gefährte. Und manchmal muss man genau hinsehen, um es zu erkennen. Der Schauspieler und Sänger Mark Keller kennt sich bestens aus mit dem Glück, das bekanntermaßen oft mit seinem missratenen Bruder, dem Unglück, einhergeht. In seinem berührenden Buch erzählt er vom Glück, ein Glückskind zu sein – obwohl seine Mutter früh starb und seine Kindheit mitunter von Mangel geprägt war. Er berichtet vom größten Glück der Vaterschaft und vom unfassbaren Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, und davon, wie eine Nebenrolle wie die des Dr. Kahnweiler in »Der Bergdoktor« zum puren Glücksfall werden kann. Die Geschichten seines Lebens zeigen: Das Glück steckt oft in den kleinen Dingen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2023

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MARK KELLER

ÜBER GLÜCK

MARK KELLER

ÜBER GLÜCK

Glaube fest daran und es wird zu dir kommen

In Zusammenarbeit mit Martina Mack und Elmar Schäfer.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2023

© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Doreen Fröhlich

Umschlaggestaltung: Karina Braun

Umschlagabbildung: © Nils Schwarz

Satz: abavo GmbH, Buchloe

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2114-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1887-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1888-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1: Meine Heimat. Überlingen am Bodensee – mein Herz, meine Seele, meine Wurzeln, mein Glück

Kapitel 2: Meine Oma – die Glücksfee meiner Kindheit!

Kapitel 3: Meine Musik, meine Leidenschaft – und wie ich für meinen großen Traum kämpfte

Kapitel 4: Mein Sport – und warum er für mich pures Glück ist

Kapitel 5: Einmal Himmel und zurück – das große Glück hat mich erst in der Niederlage gefunden

Kapitel 6: Der Bergdoktor – oder das große Glück der kleinen Rolle

Kapitel 7: Vom großen Glück, Vater zu sein

Kapitel 8: Meine Vorbilder, meine Helden

Kapitel 9: Glück. Und was es für mich bedeutet

Kapitel 10: Meine zweite Halbzeit

Über den Autor

Vorwort

Der eine oder andere kennt mich als Schauspieler und einige vielleicht auch als Sänger, aber ganz sicher kennt mich niemand als Buchautor. Das liegt zweifellos daran, dass ich noch nie ein Buch geschrieben habe und auch nicht einmal im Traum daran gedacht hätte, etwas in der Art zu tun. Als man auf mich zukam und mir vorschlug, meine Vergangenheit zu Papier zu bringen, war ich zunächst mehr als skeptisch. Was sollte ich über mein Leben erzählen? Irgendwie empfand ich es als zu unbedeutend, was ich der Welt zu sagen hätte. Ich war diesbezüglich immer eher zurückhaltend, ein Ballflachhalter, keiner, der große Wellen macht. Wellenmacher gibt es schließlich zur Genüge, und da braucht man nicht noch mich, der aus seinem kleinen aufblasbaren Pool mit Wasser spritzt. Mein Credo war stets: »Bleib bei dir und genieße dein kleines Glück.«

Man erklärte mir, dass ich keine klassische Biografie schreiben, sondern aus einem ganz speziellen Blickwinkel über mein Leben erzählen solle. Geschichten über Dinge, die mich in den jeweiligen Lebensabschnitten glücklich gemacht haben, und wie ich es geschafft habe, mir auch in schwierigen Situationen mein kleines Glück zu bewahren. Und das war es dann auch schließlich, was mich überzeugte. Das wollte ich machen und erzählen, und je mehr und tiefer ich begann, mich mit meinem eigenen Glück auseinanderzusetzen, umso glücklicher machte mich die Arbeit an diesem Buch. Zusammen mit meinem alten Freund und Weggefährten Elmar Schäfer, mit dem ich schon seit vielen Jahren den einen oder anderen Film gemacht hatte, und der Journalistin Martina Mack entstand dieses Buch.

Alles schien sich plötzlich wunderbar zu fügen. Ich war gerade in den letzten Zügen, mein erstes deutschsprachiges Album »Mein kleines Glück« fertigzustellen, und gleichzeitig begann ich an dem Buch zu schreiben, welches meine Geschichte ebenfalls aus der Perspektive des kleinen Glücks erzählt. Ich lade Sie herzlich ein auf diese Reise durch mein Leben. Begleiten Sie mich auf dem Weg durch meine Höhen und Tiefen, und wenn sich auch nur ein paar Menschen, vor allem auch junge Menschen, durch dieses Buch ermutigt fühlen, an sich zu glauben, ihre Träume zu leben und unbeirrt ihren Weg zu gehen, dann hat sich jede Zeile gelohnt.

Bleiben Sie immer bei sich und bewahren Sie sich Ihr kleines Glück!

Ihr Mark Keller

Kapitel 1:Meine Heimat. Überlingen am Bodensee – mein Herz, meine Seele, meine Wurzeln, mein Glück

Heimat ist die Beziehung zwischen einem Menschen und einem ganz besonderen Ort: meistens der, an dem man geboren wird, wo man aufwächst und als junger Mensch seine Identität, seine Mentalität und Weltauffassung entwickelt. Meine Heimat ist Überlingen am Bodensee. Hier bin ich geboren, aufgewachsen, von hier aus bin ich in die Welt hinausgegangen und trotzdem immer dageblieben.

Alles begann, als meine Oma, die in Leipzig geboren wurde und in Köln lebte, in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs nach unzähligen schweren Luftangriffen auf die Domstadt mit ihren fünf Kindern zu Fuß nach Überlingen flüchtete. Opa war zu dem Zeitpunkt als Soldat an der Front. Meine Großeltern haben sich vor dem Krieg in Köln kennengelernt und beide für eine reiche Familie gearbeitet. Mein Opa stammte gebürtig aus Langenargen, was etwa 40 Kilometer östlich von Überlingen am Bodensee liegt. Als meine Oma und die Kinder nach zwei Monaten Wanderschaft Überlingen erreichten, wurden sie von der Gemeinde freundlich aufgenommen. Man teilte ihnen übergangsweise einen Wohnraum im örtlichen Gefängnis zu. Nach Kriegsende, als alle Gefangenen die Haftanstalt schließlich verlassen hatten, bot die Gemeinde meinen Großeltern an, zur Miete dort weiter wohnen zu dürfen. In Überlingen bauten sie für sich und ihre Kinder ein neues Leben auf.

In der Turmgasse 7, dem ehemaligen Knast, begann für mich 1966 alles. Hier wuchs ich bei meinen Großeltern in einer bescheidenen Dreizimmerwohnung auf. Mein Vater Ante wohnte nur ein paar Häuser entfernt, in der Turmgasse 13, dem gleichen Haus, wo auch mein Onkel Günther und meine Tante Gertrud mit ihren Kindern Rainer, Gudrun und Gabi lebten.

Mit meinem Cousin Mirko und meinen Cousinen Sabine und Sandra, den Kindern von Tante Schatzi, war ich sehr eng befreundet und auch oft zusammen, obwohl sie eine Viertelstunde von Überlingen entfernt in Daisendorf wohnten. Sie haben öfter bei uns übernachtet, und wir Kinder haben dann alle zusammen, zu viert, zu fünft, in meinem Zimmer geschlafen.

Etwa eineinhalb Kilometer den Berg hinauf lebten mein Onkel Manfred und meine Tante Bärbel mit meinen vier Cousins und Cousinen Angela, Charlie, Mario und Manuela in einem Reihenhaus. Sie waren Anfang der 1970er-Jahre in die Gegend gezogen. Manfred war Omas einziger Sohn und durch seine Verletzung, die er in jungen Jahren bei einem Autounfall mit Mamas erstem Mann Rainer erlitten hatte, zeit seines Lebens gesundheitlich sehr eingeschränkt und dadurch ein wenig Omas Sorgenkind. Als ich noch recht jung war, bin ich mit meiner Oma mehrmals pro Woche die eineinhalb Kilometer zum Schättlisberg hochgelaufen und habe dort mit meinen vier und fünf Jahre älteren Cousins Charlie und Mario mitkicken dürfen, wenn die mit ihren gleichaltrigen Freunden Fußball gespielt haben.

Manchmal, wenn ich heute dort vorbeifahre, erinnere ich mich für einen kurzen Moment an diese schöne und unbeschwerte Zeit. Heute lebt von dem Teil der Familie keiner mehr dort. Onkel Manfred ist schon vor langer Zeit gestorben, auch meine Cousine Angela und mein Cousin Charlie sind leider nicht mehr am Leben.

Als kleines Kind bin ich fast jede Woche mit meiner Oma im Zug an die andere, die österreichische Seite des Bodensees nach Bregenz gefahren. Eine ihrer Töchter, meine Tante Inge, hatte dort einen Musiker geheiratet und zwei Töchter bekommen: meine Cousinen Christine und Petra. Wir haben dort dann immer das ganze Wochenende verbracht und sind erst sonntags mit dem Zug wieder zurückgefahren. Tante Inge war die letzte der drei Schwestern meiner Mutter, die noch lebte. Inzwischen ist aber auch sie verstorben.

Meine ganze Kindheit war davon geprägt, das Glück zu haben, an einem wunderschönen Ort aufwachsen zu dürfen, eingebettet in eine lebhafte Familie aus Oma und Opa, Tanten und Onkels, Cousins und Cousinen und natürlich meinem Vater. Nachdem meine Mutter acht Monate nach meiner Geburt gestorben war und mein Vater leider offiziell nicht für mich sorgen durfte, da meine Eltern nicht verheiratet waren, erwirkte meine Oma das Sorgerecht, und ich wuchs bei meinen Großeltern auf. Meine Oma arbeitete teilweise in drei verschiedenen Jobs, um etwas zusätzliches Geld in die Familienkasse zu spülen. Sie machte halbtags den Haushalt für eine reiche Überlinger Unternehmerfamilie, davor putzte sie am frühen Morgen schon in der Gaststätte ihrer Tochter Gertrud, dem »Torkelstüble«, und nachmittags machte sie noch in einer Konditorei sauber. Mein Opa, der zeit seines Lebens Lokomotivführer war, war bereits in Rente, half bei einem Bootsverleih aus, und wenn er Zeit und Lust hatte, ging er seiner Leidenschaft, dem Angeln, nach. Dafür musste er aber schon um vier Uhr früh aufstehen und auf den See hinausfahren. Das war und ist nicht meine Zeit und damit wahrscheinlich auch der Grund, warum mich Angeln nie wirklich fasziniert hat. Am 22. Mai 1965, gerade einmal 17 Tage nach meiner Geburt, hatte mein damals noch berufstätiger Opa eine sehr prominente Fuhre und landete eine Meldung in der Presse: »Lokomotivführer Karl Keller aus Überlingen hatte die große Ehre, die britische Königin Queen Elizabeth bei ihrem Deutschlandbesuch mit dem Sonderzug am Bodensee nach Salem zu chauffieren.« Prinz Philip, der Ehemann der Queen, hatte zwei Jahre im Internat Schloss Salem verbracht. Außerdem ist das Haus Baden dem britischen Königshaus auf mehreren Ebenen sehr verbunden.

***

In der Turmstraße 7, dem alten Gefängnis, in dem ich bei meinen Großeltern aufgewachsen bin, hat heute die Narrenzunft Überlingen ihren Sitz. In Überlingen feiert man die schwäbisch-alemannische Fasnet. Wer das noch nie erlebt hat und kein Fasnet-, Faschings- oder Karnevalfan ist, kann wahrscheinlich nicht nachvollziehen, was in der fünften Jahreszeit in Überlingen abgeht. Es ist anders als der Karneval in Köln, aber der Ausnahmezustand ist ähnlich. Ab dem sogenannten »Schmotzingen Donnerstag« brechen alle Dämme, und die Narren übernehmen in der Stadt das Zepter. Am Samstag findet dann der berühmte »Hänselejuck« statt. Dabei handelt es sich um einen Nachtumzug, bei dem ausschließlich die Überlinger Hänsele sowie verschiedene Musikkapellen teilnehmen. Am Rosenmontag abends schließt sich der »Hemdglonker-Umzug« an. Die Teilnehmer tragen Nachthemden und machen mit Rätschen, Trommeln und allem anderen Lärmgerät Megaradau.

Für uns als Kinder war das jedes Jahr ein ganz spezielles Highlight. Die Hauptfigur der Überlinger Fasnet ist das »Hänsele«. Das Kostüm, korrekt ausgedrückt »das Häs«, besteht aus einer Kappe mit einem Rotfuchsschwanz und einem Anzug aus Leinen. Darauf sind Filzplättchen in den Farben Schwarz, Rot, Grün, Gelb und Blau angebracht. Der Hänsele trägt weiße Handschuhe, ein weißes Schweißtuch, schwarze Strümpfe, schwarze Schuhe und eine Karbatsche. So viel zur Tradition und zum Kostüm. Für uns Kinder war das Interessanteste allerdings die Karbatsche, eine Art Peitsche aus geflochtenem Leinen und einem kurzen Holzstiel. Mit der »schnellt« man, schwingt also in einer Körperdrehung die Karbatsche über dem Kopf in eine bestimmte Richtung. Das am äußeren Ende eingeflochtene Stoffbändchen durchbricht hierbei jedes Mal die Schallmauer und knallt mit dem typischen Peitschenknall. Ich konnte das »Schnellen« schon mit fünf Jahren. Wenn du das das erste Mal hinbekommst, fühlst du dich wie ein König. Fasnet war für uns als Kinder ein Riesenspaß und für die Erwachsenen natürlich auch. Ein Hänselekostüm hatte ich allerdings als Kind zunächst nicht. Es war einfach viel zu teuer, kostete damals um die 1000 D-Mark. Keine Chance, das konnten wir uns absolut nicht leisten. Ich habe später ein gebrauchtes von meinen Cousins geschenkt bekommen. Das konnte ich für zwei Jahre auftragen, bis es mir selbst zu klein wurde. Das war aber egal. Fasnet war Spaß, ausgelassene Stimmung, sich verkleiden und in eine andere Rolle schlüpfen. Und genau das habe ich ja bekanntermaßen später für mich in meinem Beruf weitergeführt.

Die besten Jahreszeiten am See sind natürlich Frühling und Sommer. Grüne Wiesen und blühende Obstbäume vor einem glitzernden See und noch verschneiten Berggipfeln sehen aus wie ein kitschige Fototapete. In der Realität ist es allerdings unbeschreiblich cool, wenn der See erwacht. Die Schifffahrtsbetriebe nehmen ab April ihre Ausflugsfahrten wieder auf, und das für mich beschauliche Städtchen Überlingen, das aktuell gerade einmal um die 24 700 Einwohner hat, wird wie jedes Jahr unzählige nationale und internationale Besucher begrüßen dürfen.

Für uns als Kids bedeutete der Beginn der warmen Saison: Ab an den See! In den Sommerferien waren wir nirgends anders. Da gibt es so viele lustige Geschichten und Erinnerungen an meine unbekümmerte wie glückliche Kindheit. Die Badesaison begann für uns meistens so im Juni, wenn die Wassertemperatur schon 20 bis 25 Grad betrug. Meine ersten Schwimmversuche machte ich im West-Bad von Überlingen im zarten Alter von vier Jahren. Natürlich Freestyle ohne Schwimmkurs oder Ähnliches. Ich schaute mir das Schwimmen bei meinen älteren Cousins ab. Meine Urtechnik stammte dabei eher vom Hund ab und hatte ausschließlich den Zweck, mit dem Kopf irgendwie über Wasser zu bleiben. Mit fünf hatte ich den Dreh dann raus. Später kamen neue Herausforderungen dazu. Im Bad gab es auch einen Sprungturm. Meine Cousins waren selbstverständlich schon wieder am Start und machten ihre Kapriolen. Ich schaute mir das eine Zeit lang an, nahm meinen ganzen Mut zusammen und habe es ihnen natürlich nachgemacht.

Als ich um die zehn, elf Jahre alt war, gingen wir nicht mehr ins Schwimmbad. Vielmehr bin ich mit meinen Cousins, Cousinen, Freunden und Schulkameraden, wer auch immer gerade Zeit hatte, nur ein paar Minuten von der Turmgasse zur Seepromenade hinuntergelaufen. Dort haben wir unsere Handtücher auf einem Mäuerchen ausgebreitet und sind direkt in den See gesprungen. Vor allem mein Cousin Mirko und ich waren immer für eine Show gut. Wir machten Köpfer, Saltos, alles, was unser Repertoire so hergab. Die Spaziergänger an der Promenade sahen uns dabei staunend zu.

Eine unserer Spezialitäten waren Arschbomben. Ich glaube, wir konnten wirklich die besten Arschbomben weit und breit. Der Trick war, zunächst die Leute zum Ufer zu locken. Das war nicht besonders schwer. Meist rief einer von uns: »Wow. Schaut mal, was ist das für ein großer Fisch?« Als die Touris herbeieilten und in den See starrten, sagte ich: »Ich spring mal drauf!« Und beim Sprung ins Wasser legte ich dann die ultimative Arschbombe hin. Der Wasserschwall, der auf der Promenade niederging, traf dabei den einen oder anderen Besucher unvermittelt mit voller Wucht. Die Unmutsäußerungen der klatschnassen Touris waren, um es freundlich zu formulieren, etwas ungehalten. Die Leute haben dann vor sich hin schimpfend gewartet, bis ich wieder aufgetaucht bin, um mir die Leviten zu lesen. Bin ich aber natürlich nicht. Vielmehr bin ich unter die Mauer getaucht, unter der ein Hohlraum war, wo man auf einem Stein stehen, den Kopf aus dem Wasser stecken und atmen konnte. Dort habe ich gewartet, bis die Luft oben auf der Promenade wieder rein war. Den Hohlraum unter der Mauer haben wir auch noch für eine andere Show genutzt, die wir Wetttauchen nannten. Mein Cousin Mirko sagte unüberhörbar: »Hey, Marko, lass uns um die Wette tauchen. Wer länger unten bleiben kann. Wir stoppen wieder die Zeit.« Es standen eigentlich immer ein paar Leute herum, die es mitbekommen haben. Sie beobachteten, was wir da so machten, und wurden so, ohne es zu wissen, ein Teil unserer Show. Ich sprang also ins Wasser und blieb unter der Mauer in meinem Versteck. An Land begannen sich die Touristen langsam Sorgen zu machen, als ich schon über eine Minute unter Wasser war: »Da ist was passiert. Wo ist er?« Mirko wiegelte ab. »Nein, der kann das. Das ist bei ihm immer so.« Nach zwei bis drei langen Minuten tauchte ich zehn Meter vom Ufer entfernt gespielt völlig erschöpft wieder auf und schleppte mich an Land. »Neuer Rekord, Marko!« Die Leute begannen zu applaudieren, und wir grinsten uns einen.

Ein paar Jahre später, ich war damals vielleicht so zwölf, begannen Mirko und ich aus unseren Tricks, die wir im Karatetraining gelernt und bei irgendwelchen Stuntmen abgeschaut hatten, eine Choreografie zu bauen und ab und zu unten an der Promenade Showschlägereien zu inszenieren. Das war unser Abendprogramm und lief meistens wie folgt ab: Unsere Cousins und Freunde saßen bereits an der Promenade auf der kleinen Mauer, wo wir tagsüber schwimmen waren. Dort lagen nebeneinander ein bekanntes Restaurant und ein Café, die beide natürlich immer gut besucht waren. Ich war zunächst etwa 50 Meter von den anderen entfernt und spielte den Lockvogel. Meist sprach ich ein älteres Ehepaar an und fragte nach der Uhrzeit, verwickelte sie dann in ein Gespräch, während wir an meinen Freunden vorbeischlenderten: »Von wo kommen Sie? Wie gefällt es Ihnen in Überlingen?« Plötzlich sprang Mirko auf, lief an mir vorbei und rempelte mich im Vorbeilaufen an. Die Touristen schauten erschrocken. »Hey, kannst du nicht aufpassen?«, raunzte mich Mirko an. »Was ist denn hier los?«, antwortete ich gespielt verdutzt. Das war es dann fast mit Dialog. Mirko brummelte noch aggro »Jetzt gibt es hier gleich mal einen drauf« und ballerte los. Schon waren wir mittendrin in unserer Show. Kick in die Weichteile, an den Kopf, ich liege am Boden, Tritt in die Rippen. Das ging alles so schnell, dass die Leute es kaum fassen konnten. Die entsetzten Restaurantbesucher, die alles mitbekommen hatten, merkten schnell, dass das Ganze nur inszeniert war, als Mirko und ich zehn Minuten später wieder beste Freunde waren. Sie grinsten, bestellten sich noch einen Drink und beobachteten von der Terrasse aus Runde zwei unserer abendlichen Show. Einmal wäre die Nummer allerdings fast schiefgegangen. Ein paar Rocker, die sich zufällig auch in der Nähe der Promenade aufhielten und unsere Schlägerei verfolgt hatten, rannten in unsere Richtung, um mir zu helfen. Mirko ergriff, als er sie kommen sah, panikartig die Flucht; die Rocker hinterher. Sie wollten ihn schnappen und ihm ein paar vor die Mappe geben. In heller Panik sprang er in voller Montur in den See und setzte seine Flucht im Wasser fort. Später haben wir uns darüber kaputtgelacht. In dem Moment allerding hatten wir die Hosen schon einigermaßen voll.

Der eine oder andere Überlinger erinnert sich sicher heute noch schmunzelnd an unsere Auftritte. Viele Jahre später kam mir unsere jugendliche Stuntshow zugute, als ich in der Serie »Alarm für Cobra 11« immer wieder mal ähnliche Kampfszenen hatte.

Als ich so um die 15 Jahre alt war, trat ich zusammen mit Mirko in der Musikbar »Dingsbums« auf. Ich hatte eine Band, sang Songs von Elvis oder auch Dean Martin. Dazwischen spielten wir gemeinsam ein paar Sketche. Etwas später folgten die ersten Auftritte mit der Sparkassen Big Band. Als ich an einem Abend einmal 500 Mark verdiente, hatte ich so das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg war. Wir sind mit dem Hut herumgegangen, und die Leute waren sehr spendabel. Mein Vater sagte zu mir: »Marko, das war Glück, das war eine Ausnahme, das ist nicht immer so.« Er war in einer ganz anderen Zeit unter ganz anderen Umständen aufgewachsen und konnte sich nicht vorstellen, dass sich mit etwas anderem als harter Arbeit Geld verdienen ließ. Ich allerdings begriff, dass, wenn ich nur drei oder vier solcher Auftritte im Monat hätte, ich das gleiche Geld wie mein Vater als Automechaniker verdienen würde.

Überlingen ist ganz sicher nicht Hollywood, aber durch die vielen Touristen aus unterschiedlichen Regionen und die einmalige Lage war immer ein ganz besonderes Flair in der Stadt, das ohne Zweifel auch ein Nährboden für meine Entwicklung und meinen Werdegang war. In dem Zusammenhang erinnere ich mich auch gerne an die Nachmittage am Wochenende im Kurpark zurück. Dort spielte immer zur Kaffee- und Kuchenzeit eine Kurkapelle Jazz-Standards. Meist waren es rumänische Musiker in kleiner Besetzung wie Trompete, Klarinette, Saxophon, Schlagzeug und Kontrabass. Mich hat das fasziniert. Für mich war es ein wenig wie in den amerikanischen Filmen der 1950er- und 60er-Jahre, die ich so liebte. Ein schöner Platz, Menschen, die sich etwas herausgeputzt hatten, und Musik, die ich gerne hörte.

***

Trotz des frühen Todes meiner Mama, als ich noch ein Baby war: Für mich als Kind war Überlingen einfach ein Paradies, in dem ich unbeschwert und glücklich aufwachsen konnte. Auch als Erwachsener ist es für mich noch immer einer der schönsten Orte, die ich kenne, und nicht nur das, sondern es ist eben meine Heimat. Viele, die es sich leisten können, ziehen hierher, kaufen sich Traumimmobilien am See. Andere besuchen die weltbekannte Buchinger Klinik, um Körper und Seele durch Heilfasten wieder in Einklang zu bringen und ein paar überflüssige Kilos am Bodensee zurückzulassen.

Mein Leben hat damit nichts zu tun. Ich bin ein Teil dieser Stadt, komme aus ihr und habe einen völlig anderen Bezug dazu, als ihn reiche Wellness-Anhänger haben. Meine Cousins und Cousinen leben hier, mein Vater, meine beiden Halbbrüder Christian und Michi und natürlich auch Tülin, die Mutter meiner Kinder. Meine beiden Söhne sind ebenfalls nie von hier weggegangen. Genau so wenig wie ich, obwohl ich die meiste Zeit des Jahres beruflich ziemlich viel unterwegs bin und zusätzlich mit meiner Lebensgefährtin Anna einen zweiten Ankerpunkt in Köln habe.

Als ich jung war, wollten viele meiner Altersgenossen weg aus Überlingen und haben ihr Glück in der Fremde gesucht, weil sie das Kleinstadtleben nicht mehr ausgehalten haben. Einige meiner Klassenkameraden habe ich nach Jahren wieder in Überlingen getroffen. Viele haben das Glück, das sie woanders gesucht haben, dort nicht gefunden. Sie sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, weil sie hier ihre Basis, ihre Familien und Freunde haben.

Mein Glück war es, dass ich durch meinen Beruf seit meinem 18. Lebensjahr sehr viel gereist bin und unterschiedlichste Orte, Plätze und Kulturen kennenlernen durfte. Durch diese Sicht von außen auf meine Heimat wurde mir an jedem Tag, den ich irgendwo anders unterwegs war, ein Stückchen mehr bewusst, wie wichtig Überlingen für mich ist.

Natürlich war mir nicht jeder Überlinger immer wohlgesonnen. Schon gar nicht, bevor meine Karriere begann. Es gab viele mürrische Kritiker, die spotteten: »Was glaubt der Keller eigentlich, wer er ist? Meint der wirklich, weil er hier ein bisschen Kasperltheater macht, dass er mal groß rauskommt?« Außer meiner Familie haben nur zwei Leute, Michael Jeckel und Hermann Stengele, an mich geglaubt und mich dabei unterstützt, meinen Traum in die Tat umzusetzen.

Ich genieße jede freie Minute am See, das Gefühl heimzukommen, auch wenn es meist nur für kurze Zeit ist. Ich treffe dann meine Söhne, die in der Regel meine Zeit vor Ort schon komplett verplant haben. Es beginnt beispielsweise damit, gemeinsam frühstücken zu gehen, danach etwas Sport, um »den alten Mann« fit zu halten, und wenn es in den Zeitplan passt, drehen wir noch ein kurzes Los-Kelleros-Tanzvideo. Nach dem Abendessen kommt es nicht selten vor, dass mein 14 Jahre jüngerer Bruder Michi noch dazustößt und mich zum unzähligen Male versucht, auf der Playstation im Golf zu schlagen. Leider ist ihm das noch nie gelungen. Eine Tragödie, vor allem, wenn man weiß, dass Michi nicht verlieren kann und permanent eine Revanche will. Wenn Michi das hier liest, wird er wieder behaupten: »Alles Lug und Trug.« Aber ich kann nur sagen: »Es ist noch nicht aller Tage Abend. Übe weiter, mein Bruder. Übe!« Ein solcher Spieleabend kann bis tief in die Nacht gehen, und Michi muss in der Regel ein paar Stunden später wieder zur Arbeit. Mein Bruder ist auch einer meiner Herzensmenschen. Mittlerweile ebenfalls zweifacher Vater, der stets mit meinen Jungs und mir zusammen war. Michi hat sich sogar die Namen meiner Kinder Aaron und Joshua auf seinen Arm tätowieren lassen. Seinen Lebensunterhalt verdient er schon lange als leitender Mitarbeiter eines großen Supermarkts in Überlingen, der mit E anfängt und mit deka aufhört. Michi liebt auch Musik, wenn auch eine andere als ich. Bei ihm bewegt sich das Spektrum irgendwo zwischen Rock und elektronischer Musik im Stil von Depeche Mode. Er hat selbst mal ein eigenes deutschsprachiges Album gemacht und war mit seiner Band Puls 69 unterwegs. Ich fand die Scheibe richtig gut, aber leider hat der Konsument versagt. Das ist die zynische Standardentschuldigung von Record Labels, wenn eine Platte nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.