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«Während ich Schweisstropfen an allen möglichen Orten, Ballast am Wegesrand und Vorstellungen in meinem Kopf zurücklasse, nehme ich umso mehr Eindrücke und Gedanken mit. In diesem Buch finden sie ihren Platz – und, so hoffe ich, Leserinnen und Leser, die sie zu eigenen Abenteuern und Gedankengängen inspirieren.» Das Buch führt durch 20 Tage mit Reiseerlebnissen und weitere 20 Kapitel mit philosophischen Gedanken rund ums Unterwegs-Sein, um Begegnungen und schliesslich um das Ankommen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
1. Tag
Abenteuer
2. Tag
Mut
3.Tag
Kontrolle
4. Tag
Ballast
5.Tag
Freiheit
6.Tag
Entscheidungen
7. Tag
Ziel
8. Tag
Langeweile
9. Tag
Anfänge
10. Tag
Aufmerksamkeit
11.Tag
Ende
12.Tag
Pausen
13.Tag
Motivation
14.Tag
Vergänglichkeit
15.Tag
Geduld
16.Tag
Wissen
17.Tag
Einsatz
18.Tag
Dankbarkeit
19.Tag
Ankunft
20.Tag
Zuhause
Impressum
Über Stock und Sein
Zu Fuss und mit dem Rad unterwegs
Ich stehe in meinem Wohnzimmer. Der Regen prasselt auf das Dachfenster und gelegentlich ist aus der Ferne ein Donnergrollen zu hören. Der Himmel ist so grau, als ob jemand über Nacht alle Farben entwendet und nicht einmal das Gelb für die Blitze übriggelassen hätte. Bei diesem Wetter würde man nicht einmal einen Hund aus dem Haus schicken. Neben der Haustür aber steht mein Rucksack und wartet darauf, von mir auf den Rücken gehievt und ins Nass spaziert zu werden. Und nicht nur, dass man an Tagen wie diesem keine Rucksäcke in die Welt tragen sollte – es sind definitiv keine „Tage wie diese“, von denen die Toten Hosen singen. Zusätzlich zu allem meteorologischen Ungemach ist der Rucksack eigentlich auch viel zu schwer. Trotzdem hat nicht alles darin Platz gefunden, was ich gerne auf meine Reise mitnehmen würde. Dabei weiss ich noch nicht einmal so genau, wohin ich denn eigentlich „reise“.
Das war vor ziemlich genau einem Jahr ganz anders: Damals bin ich mit meinem Tourenrad und drei Taschen Richtung Westen aufgebrochen. 4 Wochen, 3 Taschen, 2 Räder und 1 Richtung. So einfach liess sich der Morgen zusammenfassen, an dem die Sonne mit meinem Gesicht um die Wette gestrahlt hatte und ich wusste, dass ich ihr so lange hinterherradeln würde, bis keine Strasse mehr weiterführt – bis zum (zumindest für mich) westlichsten Punkt Europas auf der Dingle-Halbinsel in Irland.
Diesmal allerdings, ein Jahr später, liegt nicht nur über dem Himmel ein grauer Schleier, sondern über der ganzen Welt. Vor einiger Zeit hat sich das Covid-19-Virus rasend schnell über den Globus ausgebreitet. Die meisten Landesregierungen sind mit ihren täglichen Fallzahlen beschäftigt, und das eine oder andere Land hat die Grenzen, oder gar die Menschen in ihren Häusern eingeschlossen. Hinter Atemschutzmasken versteckt oder Quarantänen absitzend wartet die Menschheit darauf, dass der Spuk vorübergeht. „Bleiben Sie Zuhause“, hat man verkündet. Auch hierzulande. Mittlerweile darf man zwar wieder raus, aber nicht zu weit, und schon gar nicht dorthin, wo schon viele andere sind. Eigentlich passt das genau zu einem weiteren kleinen Abenteuer, das ich mir nebst meiner Radtour durch Europa schon lange vorgenommen habe: Möglichst unabhängig, frei und abseits vom Vertrauten über die Alpen zu wandern. Dass es dabei auch regnen könnte, war mir vermutlich klar, aber offensichtlich nicht bewusst. Man weiss also nicht immer alles, was man weiss. Oder man verdrängt es in eine Hirnwindung, die im Moment der Erkenntnis so plötzlich hervorspringt wie ein Clown aus einer Überraschungsbox. Wie auch immer. Es sollte bestimmt nicht die letzte Überraschung bleiben. Ehrlicherweise müsste man allerdings die ganze Unternehmung auch nicht machen, wenn alles bereits im Voraus klar wäre. Deshalb will ich gar nicht vorgreifen. Lieber verweile ich noch einige Momente im Trockenen und bei den Hirnwindungen und Gedanken. Denn darum geht es hier eher, als um die eher überschaubare Leistung, ein wenig Rad gefahren und gewandert zu sein.
Bereits bevor ich den Rucksack auf meinen Rücken schwinge, trage ich Bilder. Sie sind in meinem Kopf. Im Gegensatz zum grauen Himmel sind sie in bunten Farben und zeigen, wie eine solche „Wanderung zu Hause“ verlaufen könnte. Einige Farbtupfer stammen aus meiner eigenen Erfahrung als Bergläufer, Wanderer, Tourengänger und Mountainbiker. Weitere Farbtupfer aber sind auch Reisen von Freunden und Bekannten entnommen, die ich für ihre Abenteuer bewundere, und die mich inspirieren. Erst viel später wird mir bewusstwerden, dass nur dadurch meine ganz eigene Reise entsteht, indem diese Bilder und Farbtupfer nach und nach von meiner inneren Leinwand abblättern und ein ganz anderes Gemälde hervortreten lassen. Im Moment aber weiss ich nur, dass ich nun endgültig die Tür hinter mir schliessen muss, um nicht auch noch zwischen dem Möglichen und dem Wenigen zu verharren, das ich über die Reise schon zu wissen glaube. Vom Gotthardpass aus, wo verschiedene Kulturen und Sprachen zusammentreffen, Flüsse entspringen und das Wetter sich trennt (es besteht also noch Hoffnung für diesen Tag), will ich meine Wanderung starten. Sie soll mich in den kommenden Tagen durch die Walliser Alpen führen. Das einzige, was sonst noch klar ist, ist die Dauer: 20 Tage. Das entspricht genau einer halben Quarantäne – jener Zeitspanne also, die in diesen Tagen wegen Covid-19 wieder in aller Munde ist, die aber eigentlich auf das mittelalterliche Venedig zurückgeht, wo man Schiffe und deren Besatzung vor der Küste 40 Tage (40 heisst auf italienisch quaranta) hat warten lassen, damit niemand die Pest und andere Krankheiten in die Stadt schleppt. In 40 Tagen, so glaubte man, seien die Kranken entweder wieder genesen oder gestorben. Da ich mich einerseits nicht krank fühle und auch nicht glaube, etwas Lebensgefährliches zu wagen, hoffe ich, dass beides für mich kein Thema wird. So mache ich mich nun endgültig auf den Weg zur Bushaltestelle. Dabei gelingt es mir noch nicht einmal, die Schultern richtig hochzuziehen, wie man das normalerweise im strömenden Regen macht. Der Rucksack ist einfach zu schwer dafür und die Trageriemen schneiden auch so schon tiefe Furchen in meine Schultern, in denen auf der abperlenden Regenjacke erste Bäche herunterlaufen.
Via Zug, Arth-Goldau und Erstfeld fahre ich mit dem Zug nach Göschenen. Wir passieren dreimal die berühmte Kirche von Wassen, was ein eifriger, älterer Herr seiner exotisch anmutenden Begleiterin auf Englisch zu erklären versucht. Nicht nur wegen seines bruchstückhaften Englisch, sondern auch des Atemschutzmaskenobligatoriums in öffentlichen Verkehrsmitteln wegen, fällt es zumindest mir schwierig, seinen Erklärungen zu folgen. Da ich allerdings bereits weiss, was er der interessiert zuhörenden Dame erklären möchte, erschliesst sich mir dennoch das Geheimnis der Kehrtunnels von Wassen. Die Begleiterin hingegen scheint tatsächlich eher verwirrt, nickt aber dennoch immer wieder kräftig und lässt ihren Kopf im Rhythmus der Tunnelpassagen die aufgeforderten drei Male von links nach rechts und zurück wechseln, was mir eine erste schöne Unterhaltung auf dieser Reise bietet. Die Situation hat etwas Komödienhaftes und der berühmte Emil (ein Schweizer Kabarettist, der eine ähnliche, jedoch so beabsichtigte Nummer in seinem Programm hatte) hätte seine wahre Freude am Dargebotenen gehabt. Was ich nebst der Kirche von Wassen im Fenster auch noch entdecke, erfreut mich aber noch viel mehr: Es sind tatsächlich erste Sonnenstrahlen, die sich über dem Gotthardmassiv ihren Weg durch die graue Wolkendecke erkämpfen. Na also. Das könnte doch noch was werden.
Die letzten Kilometer von Andermatt auf den Gotthardpass bringt mich eines der traditionellen, gelben Postautos. Auf der gut ausgebauten Passtrasse mit den breiten, übersichtlichen Kurven erklingt das bekannte Signalhorn zwar kein einziges Mal. Dafür erklärt diesmal der Chauffeur, ebenso eifrig, aber viel verständlicher als der ältere Herr im Zug, was sich entlang des Weges alles bestaunen lässt. An einer altehrwürdigen Postkutsche und der Staumauer vorbei kurven wir der Passhöhe entgegen und die äusseren Bilder gewinnen zunehmend Ähnlichkeit mit dem, was ich mir in den letzten Tagen ausgemalt habe. Gerade als der Fahrer schliesslich ankündigt, dass der Kurs beim Hospiz vor der Weiterfahrt einige Minuten pausieren wird, fallen wieder dicke Tropfen vom Himmel und perlen über die grossen Panoramafenster des Busses. Es wird also doch nichts mit dem trockenen Start. Noch im Postauto ziehe ich die Regenhülle wieder über, die ich zuvor zuversichtlich entfernt habe, und gehe dann am historischen Hospiz vorbei die ersten echten Schritte meines neuen, kleinen Abenteuers.
Da es mir auf meinen letzten drei längeren Wanderungen zweimal passiert ist, am Anfang in die falsche Richtung loszulaufen (eine wie ich finde beinahe erbärmlich erstaunenswerte Leistung), gebe ich diesmal besonders acht und kontrolliere trotz der dicken Regentropfen mehrmals auf der einzigen Karte, die ich mit mir führe. Es scheint zu klappen. Diesmal muss ich nicht nach einer halben Stunde wieder umdrehen und nochmals von vorne starten. Dies scheint auch das Universum und die Sonne zu freuen, zeigt sie sich doch als Belohnung für meine ersten geglückten Meter immer mal wieder, um dann aber wenig später doch wieder hinter dicken Wolken zu verschwinden. Während Petrus, oder wie auch immer man den Wettergott nennt, weiterhin nicht so genau weiss, was er will, folge ich oberhalb der alten Passstrasse als erstes dem 4-Quellen-Weg, der den Gotthard als Wasserschloss und Wasserscheide der Schweiz würdigt. Der Weg verbindet in einer viertägigen Wanderung die Quellen der Reuss, des Rheins, des Ticinos und der Rhone. Letzterer werde ich im Verlaufe meiner Wanderung zumindest im weiteren Sinne noch etwas folgen. Noch frisch, und deshalb zügigen Schrittes vorankommend, schliesse ich schon bald zu Andreas auf, der damit zu meinem ersten Reisebegleiter wird. Nicht dass ich mit besonderem Engagement nach einer Begleitung gesucht hätte. Aber Reisen bedeutet gleichermassen „begegnen“, „ankommen“ und wieder „Abschied nehmen“, und so lasse ich mich auf das erste Miteinander ein. Andreas läuft eben jenen 4-Quellen-Weg und hat die ersten beiden Etappen bereits in einem Tag hinter sich gebracht. Dafür, dass er im Vergleich zu meinem einen noch viel grösseren Rucksack auf dem Rücken trägt, ist er ziemlich flott unterwegs, wie ich mit zunehmender Wanderzeit erkennen muss. Dennoch passe ich mich in meinem Eifer als Neuankömmling seinem Tempo an und geniesse es, Teil einer Unterhaltung zu sein, bei der ich im Gegensatz zur Zug- und Busreise etwas verstehe und auch selbst zu Wort komme. Vor allem aber hilft mir sein Wissen über diesen Streckenabschnitt, in meine Reise hineinzufinden, hat er doch im Gegensatz zu mir ein klares Ziel, sowie viele Informationen und Karten dazu. Mit seiner Menüplanung kann ich mich hingegen weniger identifizieren. Die vier Büchsen Ravioli für die vier Wandertage scheinen mir weder abwechslungsreich noch vorteilhaft in Bezug auf das Gewicht. Ihn hingegen scheint die erste Portion vom Vortag so gestärkt zu haben, dass er nach einer kurzen Pause regelrecht über den schmalen Wanderpfad oberhalb des Bedrettotals fliegt und mir allen Atem nimmt.
Als sich am Himmel langsam der Abend ankündigt, beschliessen wir, uns ein Stück nach der Capanna Piansecco nach einem geeigneten Zeltplatz umzuschauen. Mein etwas besorgter Blick gilt aber nicht nur den steilen Hängen, die eine Nacht in Schräglage immer wahrscheinlicher werden lassen, sondern auch den immer imposanteren Wolkentürmen, die bereits weit in den Himmel ragen. Viele von ihnen scheinen sich zwar auf der gegenüberliegenden Talseite aufzubauen, doch ist Petrus‘ Vorgehen weiterhin ziemlich wirr und die Lage ändert sich jeweils so schnell, dass mein Kopf umhersaust wie jener der wissbegierigen Dame bei der Kirche von Wassen.
Gewitter gehören zu jenen Dingen, vor denen ich in den Bergen wirklich Respekt habe. An diesem Abend aber glaube ich dennoch (oder will es zumindest glauben), die Situation im Griff zu haben – so weit man solche Situationen halt im Griff haben kann. Dort, wo wir das Zelt aufbauen wollen, scheint kein Gewitterherd zu sein. Zudem habe ich mir Notfallszenarien zurechtgelegt, die verhindern sollen, dass schon zu Beginn meiner Reise ein Blitz mein Zelt in einen Grillrost verwandelt und nur noch das Gestänge in den Himmel ragt. Meine Pläne überdenkend setze ich mich aber vorerst doch lieber einmal auf meinen Rucksack und beobachte die Wolken, während Andreas in gekonnten Handgriffen sein Zelt aufbaut. Kaum hat er die letzte Ecke gespannt und sich ins Zelt gesetzt, donnert und blitzt es mehr oder weniger gleichzeitig über dem Gipfel neben uns. Woher sich diese Gewitterzelle zu uns geschlichen hat, weiss ich nicht, aber sie scheint es ernst zu meinen. Kurz darauf dröhnen im Zusammenspiel mit dem Prasseln der ersten dicken Regentropfen weitere Donnerschläge über mir, und die mittlerweile weisslichen Hagelkörner zerschmettern meine eben noch dagewesene Sicherheit mit einigen gezielten Treffern und machen sie dem Erdboden gleich.
Plan C ist das, was man in den Ratgebern lesen kann, wenn man Plan A nicht befolgt und rechtzeitig umgekehrt hat: Auf eine isolierende Schicht kauern, Beine zu sich heranziehen, dem Unwetter eine möglichst kleine Angriffsfläche bieten und warten, bis es vorüber ist. Plan B besagt, dass ich stattdessen meinen Rucksack packe, auf dem ich eben noch einigermassen entspannt gesessen bin und damit zu Andreas renne, der währenddessen geduckt in seinem Zelt hockt. „Das ist mir zu heikel. Komm mit! Wir holen dein Zelt später!“, rufe ich ihm gegen das Donnergrollen zu. Diesmal bin ich es, der schnellen Schrittes läuft – und zwar zurück Richtung Capanna Piansecco. Bald merke ich, dass Andreas zurückgeblieben ist. In diesem Moment aber scheint mir nicht die Zeit für Diskussionen. Ich weiss, dass man sich eigentlich mit angezogenen Beinen auf den Rucksack setzen und ruhig bleiben soll (also eben Plan C). Mir ist es aber dennoch lieber, unter den zuckenden Blitzen und dem ohrenbetäubenden Donner zur Capanna Piansecco zu eilen, wo ich mich erkundige, ob sie noch freie Schlafplätze haben. Obwohl sie eigentlich ausgebucht wären, nehmen sie mich auf.
Als sich das Gewitter etwas beruhigt, mache ich mich erneut auf den Weg zu Andreas, der sich offensichtlich für meinen Plan C entschieden hat, nun aber mit zusammengerolltem, tropfnassem Zelt unter dem Arm auf mich zuläuft. Ich schlage ihm vor, doch auch in die Hütte zu kommen und die Nacht dort zu verbringen, selbst wenn es überhaupt nicht jenem Bild entspricht, das ich mir von meiner Reise ausgemalt habe.
Eigentlich wollte ich doch frei und unabhängig sein. Doch in diesem Moment wird mir schon früh auf der Reise klar: Auch Freiheit hat Grenzen. Und während der Gewitterregen die ersten Farbtupfer meiner inneren Bilder abwäscht, tröste ich mich, dass ich sicher noch genügend Zeit haben werde, Freiheit und Unabhängigkeit zu erfahren – und leider, wie sich herausstellen wird, auch noch genügend Möglichkeiten, mich mit Gewittern anzufreunden (oder sie anzufeinden). Für diese Nacht soll es so sein, dass Andreas‘ zweite Büchse Ravioli im Rucksack bleibt, genauso wie meine Zeltausrüstung, die ich wehmütig neben das Stockbett stelle, das in dieser Nacht meine doch ziemlich luxuriöse Notschlafstelle ist.
Wie meine Radreise an den westlichsten Punkt Europas, so ist auch diese zwanzigtägige Wanderung durch die Schweiz ein kleines Abenteuer. Zumindest fühlt es sich für mich in dem Moment, in dem ich mit dem Rucksack meine Wohnung verlasse, so an. Doch was bedeutet es eigentlich, zu einem Abenteuer aufzubrechen? Wenn man sich die Angebote der Reisefilialen, der Eventagenturen und der Werbung anschaut, dann wird uns vielerlei als Abenteuer angepriesen. Es scheint beinahe, wir seien süchtig nach Abenteuern – allerdings hauptsächlich nach solchen, welche eine Garantie beinhalten, dass sie auch ein gutes Ende nehmen werden. Wir gehen auf Safari mit der Garantie, danach alle grossen fünf Tiere der Savanne gesehen zu haben. Wir tauchen zu einem alten Schiffswrack mit der Gewissheit, dabei auf den verborgenen Schatz zu stossen. Wir durchqueren Wüsten mit der Gewähr, währenddessen immer genügend Wasser zu haben. Aber sind das überhaupt noch Abenteuer? Oder sind das eher Ersatzangebote, die einen Alltag beleben, der eigentlich so sicher ist, wie er es wohl kaum je zu einer Zeit vorher einmal gewesen war?
Weit muss man in der Geschichte nicht zurückgehen, um zu einer Zeit zu gelangen, in der die meisten Abenteuer noch einen ungewissen Ausgang hatten. Wer zu anderen Kontinenten segelte, neue Erdteile entdeckte, zu einem Gipfel, zum Pol oder gar zu anderen Himmelskörpern aufbrach, hatte keine Garantie, dass er zurückkehren würde und davon erzählen könnte. Vielmehr beinhaltete der Aufbruch zu einem Abenteuer auch, dass man scheitern oder im schlimmsten Fall gar sterben konnte. Heute allerdings ist scheitern oder sterben immer weniger wahrscheinlich ein Teil unserer „sogenannten“ Abenteuer – und schon gar nicht erwünscht, was irgendwie doch ziemlich nachvollziehbar ist.
Nicht, dass man mich falsch versteht – natürlich bin ich froh darüber, dass ich in der heutigen Zeit lebe. Meine Chancen, dass ich auch dieses kleine Abenteuer in den Walliser Alpen überleben werde, stehen gut. (Die Tatsache, dass ich diese Zeilen hier schreibe, spricht dafür, dass es mir auch gelungen ist.) Doch würde ich überhaupt den Mut haben, zu einem Abenteuer aufzubrechen, dessen Ausgang ungewiss ist? Wie viel Ungewissheit würde ich in Kauf nehmen? Was wäre ich bereit, aufs Spiel zu setzen?
Eigentlich ist ja das Leben an und für sich bereits ein Abenteuer. Der Ausgang dieses Abenteuers, so schwer es uns manchmal fällt, dies anzuerkennen, ist gewiss. Und er ist nicht unbedingt positiv. Zumindest empfinde ich ihn nicht so. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem unser Abenteuer „Leben“ ein Ende nehmen wird. Bis dahin gibt es viele Etappen und viele kleine Abenteuer, die auf uns warten. Einige davon wählen wir freiwillig. Wir sehen sie als Herausforderungen, oder wie man „neu-deutsch“ sagen würde, als „Challenge“. Die meisten von uns lieben es, Herausforderungen anzupacken. Sie bieten die Möglichkeit, Erfolge zu feiern, sich zu beweisen und Ruhm zu ergattern. Andere Abenteuer in unseren Leben wählen wir hingegen nicht freiwillig. Sie kommen ungewollt und erscheinen uns in dem Moment, in dem sie uns ereilen, definitiv mehr als Problem, denn als Abenteuer. Meistens steht bei ihnen viel auf dem Spiel, und es scheint, als gäbe es mehr zu verlieren als zu gewinnen. Niemand wählt freiwillig das Abenteuer einer schweren Krankheit, einer schwierigen Kündigung, einer zerstrittenen Scheidung oder eines Bankrottes. Meinem Darmverschluss, der beinahe zu jenem Abenteuer geworden wäre, von dem ich nicht mehr hätte erzählen können, konnte ich in jenem Moment gewiss nichts Erfreuliches abgewinnen. Im Prinzip war er aber nichts anderes, als ein weiteres Abenteuer in meinem Leben, das ich (mit etwas fachmännischer Hilfe) zum Glück erfolgreich gemeistert habe. Sind es nicht die gewollten und ungewollten Abenteuer und Herausforderungen, die das Leben spannend und lebenswert machen, die uns die Möglichkeit bieten, Erfolge zu feiern und Geschichten zu erzählen, ohne die wir nicht das machen würden, was wir heute tun?
Auf meiner Radreise nach Irland – einem selbstgewählten Abenteuer, an dessen Ende mich ein ganz bestimmtes Ziel erwartet hatte – wurde mir vor einem Pub über einem durchlöcherten Radreifen hockend bewusst, dass es während eines Abenteuers zweierlei Tage gibt: Es gibt jene Tage, an denen man seinem persönlich gewählten Ziel ein grosses Stück näherkommt. Und es gibt jene Tage, an denen man zu stagnieren scheint. Dafür hat man etwas zu erzählen. Diese Tage beinhalten ärgerliche Reifenschäden, verklemmte Ketten, gesperrte Strassen, bissige Hunde, unerwartete Wetterkapriolen und andere unterhaltsame Requisiten im Theater unseres Lebens wie elektrische Zäune und eingeklemmte Fahrradständer. Je besser es einem aber gelingt, diese unerwarteten Ereignisse als Herausforderung zu sehen, statt als Problem, umso mehr Energie und Zuversicht steht zur Verfügung, diese Etappe des Abenteuers „Leben“ erfolgreich zu meistern.
Noch lange habe es während der Nacht geregnet und gewittert, erzählt mir Andreas am nächsten Morgen. Ich allerdings habe davon nichts mitbekommen. Unter dem sicheren Dach und mit Ohrstöpseln bestückt, die nebst möglichen Schnarchgeräuschen auch den Donnerschall weit weg von mir gehalten haben, habe ich tief und fest geschlafen. Als ich am Morgen aufwache, haben sich sogar die Wolken weitestgehend verzogen.
Guten Mutes folge ich Andreas in den Frühstücksraum und wenig später im steifen Gegenwind Richtung Nufenenpass. An Gegenwinde bin ich mich bereits von meiner Radtour im letzten Sommer gewöhnt. Auf den letzten Etappen in Irland musste ich wie ein Verrückter in die Pedalen treten und habe mich dabei so klein gemacht, dass ich beinahe in den Lenker gebissen habe, um nicht rückwärtsgeweht zu werden. Aber so ist es halt, wenn man sich entschliesst, gegen Westen und somit fast immer gegen das aufziehende Wetter zu fahren. Während meiner Zeit in der Fliegerei habe ich immerhin auch gelernt, dass sich nur mit Gegenwind richtig gut abheben und durchstarten lässt. Mit ein wenig Kreativität und einer Perspektivenänderung lässt sich also vielen Situationen etwas Gutes abgewinnen. An diesem Morgen allerdings wäre es mir lieber, auf dem Boden zu bleiben. Zumindest in diesem Punkt bietet mir der überschwere Rucksack einen Vorteil, gibt er mir doch etwas Standfestigkeit und lässt mich nicht so leicht vom Platz wehen.
Entlang von schön in die Landschaft eingebetteten, gewundenen Wanderpfaden und etwas weniger schön anzusehenden Hochspannungsleitungen, die den Pass überziehen, passieren wir die Quelle des Ticinos, verewigen diese auf unseren Kameras und stehen schliesslich am Mittag auf der Passhöhe des Nufenenpasses. Hier oben habe ich mit Daniela abgemacht, einer guten Freundin, die mich ein Stück auf meinem Weg begleiten wird, und die hoffentlich stabileres Wetter mitgebracht hat. Bei unserer Ankunft auf der Passhöhe haben sich jedenfalls auch die letzten Wolken und der strenge Wind verzogen und einem blauen Himmel Platz gemacht, was mir ein gutes Omen scheint. Zu dritt schlängeln wir uns unterhalb des Griesgletschers zwischen den Kehren der Passstrasse Richtung Goms, jenem Tal im Oberwallis, das die kommenden Tage die Kulisse meiner Reise sein soll. So ganz gelingt es mir in dieser Umgebung aber noch nicht, die vertraute, zivilisierte Welt gegen die freie und unberührte Natur einzutauschen. Zu präsent sind die Motorengeräusche und die Errungenschaften unserer Gesellschaft, inklusive mächtiger Staumauer des Griessees, die über dem Tal thront.
Gerne wäre ich deshalb unterhalb der Passhöhe Richtung Brudelhorn abgebogen. Diesen etwas zurückversetzten und einsamen Gipfel habe ich im Winter mit den Tourenskis erklommen und erinnere mich gerne an die unvergessliche Tiefschneeabfahrt. Im Moment ist zwar definitiv nicht mit angehäuftem Schnee zu rechnen, dafür aber türmen sich bereits in der frühen Nachmittagshitze erneut mächtige Wolken auf, und so beschliesse ich gemeinsam mit Daniela, unser Campingglück in dieser Nacht an einem etwas weniger ausgesetzten Ort zu versuchen. Die dröhnenden Erinnerungen des letzten Abends hallen noch zu sehr in mir nach. Statt zum einsamen Brudelhorn folgen wir deshalb der Ägene, die vom Griessee kommend neben uns rauscht.
Unter jenen Gegenständen, die ich in meinem Rucksack mittrage und die zu seinem viel beklagten Gewicht beitragen (wenn auch in diesem Fall der Anteil nicht besonders hoch ist), ist eine goldene Kanne, die ich als Geschenk mit auf den Weg bekommen habe. Sie baumelt an der Rückseite über meinem Zelt und steht symbolisch für einen der Farbtupfer, der meine Wanderung auszeichnen soll. Ihr Name ist Hermine, ihr Geburtsland China und ihr geistiger Vater ein Schweizer Künstler (Ivo Moosberger), der mit seiner Original-Hermine mehrere Monate die Heimat durchwandert und fantastische Landart-Kunstwerke geschaffen hat. Meine Hermine hat zwar auch bereits einige Beulen (die sie mit Stolz trägt). Doch wenn sie dem Geist ihres Erfinders folgt, kommen in den bevorstehenden Wochen noch viele weitere Spuren des Lebens in der Natur dazu. Um also meiner Hermine bald ein abenteuerwürdiges Aussehen zu verschaffen und auch selbst noch ein wenig mehr in Stimmung zu kommen, halten wir an einer Feuerstelle am Ufer der Ägene und heizen meiner goldenen Gefährtin erstmals so richtig ein.
Andreas dauern die „Schönheitsoperationen“ Hermines etwas zu lange und er verabschiedet sich, weil er an diesem Tag noch weitere Quellen erreichen will. Ob er dabei auch noch zu weiteren Portionen Ravioli gekommen ist, weiss ich leider nicht. So ist es halt beim Reisen. Oft folgt ein Abschied – und nicht selten ist er endgültig (selbst wenn es landläufig heisst, man sehe sich immer zweimal im Leben). Daniela und ich jedenfalls freuen uns auf einen süssen Tee zum Nachmittagsimbiss, während sich der Qualm unseres neu entfachten Abenteuergeistes schon bald mit den imposanten Wolken über uns vermischt. Indes ist Hermine zu Beginn der gemeinsamen Reise offensichtlich noch etwas widerspenstig und muss sich zuerst an mich gewöhnen. Wie du mir, so ich dir, scheint sie sich gedacht zu haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ihr heisses Wasser mir beim ersten Verkosten so richtig schön einheizt und die Zungenspitze verbrennt. Aber so schnell gebe ich unsere Freundschaft nicht auf, und wir haben ja noch 18 Tage Zeit, einander kennenzulernen. Vorerst kühle ich meine Zunge und fessle Hermine wieder an meinen Rucksack, damit sie nicht noch weiteres Unheil anrichten kann.
Dann ziehen Daniela, die gefesselte Hermine und ich unter dem sich bereits wieder verdunkelnden Himmel weiter Richtung Tal. Als wir kurz vor Ulrichen hoch zur Chalbermatte abzweigen (wollen), umgibt uns eine Schwärze, so dass wir schon beinahe unsere Lampen brauchen, um uns den Weg zu leuchten. Dies allerdings liegt nicht an der vorangeschrittenen Tageszeit, sondern vor allem an dem, was sich über uns zusammenbraut. Da ich bereits am Vortag mit meiner persönlichen Wetterprognose ziemlich danebengegriffen habe, ziehe ich diesmal vorsichtshalber einige wahre Experten zu Rate. Auf der Wetter-App heisst es mittlerweile, dass sich schwere Unwetter für die kommenden Stunden ankündigen – und als suche dies nach einer Bestätigung, grollt der Donner schon mal vorsorglich in der Ferne.
Wir beraten eine Weile und beschliessen dann, unter diesen Umständen doch eher den Experten und dem Donner als meinem sehr subjektiven Wunsch nach Abenteuer zu folgen, und deshalb ins Tal abzusteigen. Weil weit und breit keine Berghütte ist, die uns aufnehmen könnte, bleibt uns für diese Nacht nur ein einfaches Hotelzimmer, von dem aus wir am späten Abend das aufkommende Unwetter mit den zuckenden Blitzen bestaunen. Spätestens die in einigen Regionen tischtennisballgrossen Hagelkörner, von denen wir später in den Nachrichten hören, überzeugen auch mich, dass wir richtig entschieden haben. Sie geben mir zwar nicht das Gefühl, in meinem Abenteuer angekommen zu sein. Immerhin aber geben sie mir den Eindruck, in dieser Situation zumindest vernünftig und doch irgendwie mutig gehandelt zu haben.
Mut ist wohl eine jener Tugenden, die ich mir am meisten für mein Leben wünsche – nicht nur deswegen, weil sie einem gut aussehen lässt, und weil sie sehr gesellschaftsfähig ist. Mut ist, so glaube ich, eine der Hauptzutaten zu einem erfüllten und glücklichen Leben. Auf den ersten Blick scheint sich Mut ganz einfach zusammenfassen zu lassen: Wer mehr wagt, ist mutiger. Wer zurückzieht, ist ein Feigling und ein Angsthase. Jedoch ist dies nur eine Facette des Mutes. Es ist der Mut des Kriegers, sich einem Kampf oder einem Abenteuer zu stellen und für die eigenen Wünsche und Hoffnungen einzustehen. Wenn man allerdings bereits weiss, dass man stärker ist, dann ist es einfach, mutig zu sein. Wenn man weiss, dass man alles unter Kontrolle hat, dann ist es keine Kunst, kühn zu agieren. Doch was, wenn dem nicht so ist? Was ist, wenn man weiss, dass man eigentlich schwächer ist und nichts unter Kontrolle hat? Was, wenn dabei alles auf dem Spiel steht? Ich bin viel in den Bergen unterwegs – nicht auf die „krasse Weise“, wie man sie in hochgejubelten Actiondokumentationen bewundern kann. Aber doch einigermassen leidenschaftlich. Einige Tage vor dieser Reise habe ich während eines Berglaufes Passagen mit mehreren senkrechten Leitern und Seilen übereinander ungesichert hinter mich gebracht (weil ich gerade nichts bei mir hatte), für die einem eigentlich dringend und auf vielen Schildern geraten wird, sich mit einem Klettergurt zu sichern. Ich empfand dies weder als mutig noch als dumm, weil ich wusste, was ich tue und es wortwörtlich in den eigenen Händen hatte. (Gleichwohl empfehle ich niemandem, dies nachzumachen. Schliesslich ist jede und jeder für sich selbst verantwortlich.) Während meiner Zeit als Gleitschirmpilot oder auf meiner Radtour nach Irland empfand ich mich nie als mutig, weil ich stets das Gefühl hatte, genügend Einfluss auf den Ausgang des Ereignisses zu haben. Und dennoch ist die Grenze zwischen Mut und Leichtsinn oft ein sehr schmaler Grat. Gerade dann, wenn man sich in der Natur bewegt und sich mit Gewalten umgibt, die viel mächtiger sind, als man es selbst ist, kann Mut auch bedeuten, etwas nicht zu tun. Bei einer hohen Lawinengefahrenstufe ist es nicht mutig, sondern äusserst dumm, sich mit Tourenskiern in einen ausgesetzten Hang hineinzubegeben. Bei aufziehenden Gewittern ist es nicht mutig, sondern schlicht und einfach ignorant, einen Gipfel in Angriff zu nehmen – selbst dann, wenn es vorerst die einzige Chance ist, diesen Gipfel zu erreichen, und wenn man nur deshalb nicht umkehrt, weil man nicht so bald wieder die Möglichkeit dazu hat.
Mut und Leichtsinn, und wie man mit ihnen umgeht, hängen bestimmt auch von den Möglichkeiten ab. Wäre ich, wie auf meinem Trekking in Island, an den Abenden dieser ersten beiden Tage weit von einem sicheren Dach entfernt gewesen, dann hätte ich mir die Gedanken um Mut und Leichtsinn nicht zu machen brauchen – zumindest nicht in diesem Moment. Wenn ich aber schon von Gefahren weiss, die sich ausserhalb meiner eigenen Kontrolle befinden, und wenn ich gleichzeitig die Möglichkeit habe, mich auf einfache Weise davor zu schützen, dann bedeutet Mut unter Umständen, genau dies zu tun, obwohl man es sich vielleicht anders vorgestellt hat.
Neben dem Mut des Kriegers gibt es auch noch den Mut der Schildkröte und den Mut des Herzens. Die Schildkröte weiss, wann es besser ist, den Kopf einzuziehen, Schutz zu suchen und etwas über sich ergehen zu lassen. Das Herz schliesslich kann anerkennen, wenn eine Sache für uns (im Moment) zu gross ist und wir damit an unsere Grenzen stossen. Dies auszuhalten, braucht oft noch mehr Mut, weil das Herz einen besonders gefährlichen Gegner vor sich hat. Der Mut des Herzens kämpft normalerweise vor allem gegen den eigenen Stolz, und dieser kennt alle unsere Schwächen und macht sich zielsicher über sie her. Nur, wer im richtigen Moment den Mut der Schildkröte und den Mut des Herzens beweist, kann später unter anderen Umständen wieder den Mut des Kriegers unter Beweis stellen und eine Herausforderung doch noch erhobenen Hauptes angehen.
Ich für meinen Teil sollte auf dieser Reise noch genügend Gelegenheiten bekommen, in den Bergen im Zelt und auch unter freiem Himmel zu übernachten. An diesem Abend war es der richtige Entscheid gewesen, mein Zelt wieder neben einem Bett abzustellen, statt unter einem Gipfel aufzubauen – auch wenn er mich in diesem Moment sehr viel Überwindung gekostet hat.
Aller guten Dinge sind drei, denke ich mir an diesem Morgen, und so, wie sich der Wettergott gestern am Nachthimmel mit Feuerwerk und Trommelwirbel ausgetobt hat, wird er wohl sein Pulver für die nächsten Tage verschossen haben. Zeit also, nun doch endlich richtig in die Freiheit und Unabhängigkeit meines Abenteuers einzutauchen. Gut gestärkt vom morgendlichen Hotelbuffet und voller Zuversicht machen sich Daniela und ich auf zum Lebensmittelgeschäft in Ulrichen, wo wir unsere Vorräte so weit aufstocken, dass wir sicher zwei Tage in den Bergen bleiben können. Vieles ist zwar bereits vorhanden (umsonst ist mein Rucksack schliesslich nicht so schwer), doch frisches Brot, ein Stück Bergkäse, etwas mehr Reis (weil wir ja jetzt zu zweit unterwegs sind) und einige Snacks für zwischendurch komplettieren unseren Proviant und machen meinen Rucksack noch schwerer, als er ohnehin schon war. Real-Life-Tetris. Nun trägt das stundenlange Spiel auf dem altehrwürdigen Gameboy doch noch seine Früchte. Man weiss nie, wann einem welche Fähigkeiten zugutekommen. Leise summe ich die eingängige, immergleiche Melodie des Spiels, zu welcher sich auch noch das letzte Päcklein in einer verborgenen Lücke verstauen lässt. Nachdem auch all das irgendwie noch Platz in meinem Rucksack gefunden hat, schwinge ich mir das schwere Ding voll kribbelnder Vorfreude auf den Rücken. In diesem Moment durchfährt mich nebst dem Kribbeln aber auch ein stechender Schmerz, der von meiner Leiste aus bis hinunter in die Zehenspitzen schiesst.