Überlandleitung - Katharina Hacker - E-Book

Überlandleitung E-Book

Katharina Hacker

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Beschreibung

Kurz nachdem Katharina Hacker für ihren Roman ›Die Habenichtse‹ im Jahr 2006 den Deutschen Buchpreis erhielt, legte sie einen Band mit Gedichten vor, aus denen intensivste Wahrnehmung spricht: ›Überlandleitung‹ enthält Prosagedichte, mit denen wir wie auf Zehenspitzen die Räume zwischen Imagination und Realität betreten, die Zeiten zwischen Gegenwart und Vergangenheit – auch sprachliches Neuland.

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Seitenzahl: 61

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Katharina Hacker

Überlandleitung

Prosagedichte

 

 

Über dieses Buch

 

 

Kurz nachdem Katharina Hacker für ihren Roman ›Die Habenichtse‹ den Deutschen Buchpreis erhielt, legte sie einen Band mit Gedichten vor, aus denen intensivste Wahrnehmung spricht: ›Überlandleitung‹ enthält Prosagedichte, mit denen wir wie auf Zehenspitzen die Räume zwischen Imagination und Realität betreten, die Zeiten zwischen Gegenwart und Vergangenheit – auch sprachliches Neuland.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Impressum

 

 

Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014

Die Originalausgabe erschien 2007 im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-400940-7

 

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Inhalt

Widmung

I

im September

im Oktober

im November

im Dezember

im Januar

im Februar

im März

im April

im Mai

im Juni

im Juli

II

Ein Tag, 1

Ein Tag, 2

Ein Tag, 3

Ein Tag, 4

Ein Tag, 5

Ein Tag, 6

Ein Tag, 7

Ein Tag, 8

Ein Tag, 9

Ein Tag, 10

Ein Tag, 11

Ein Tag, 12

Ein Tag, 13

Ein Tag, 14

Ein Tag, 15

Ein Tag, 16

Ein Tag, 17

Ein Tag, 18

Ein Tag, 19

III

Leichthin

Schattenbilder

Nicht großzügig

Mahnung

Wende

Nacht

Umrißlinien

Ampeln

Unter den Linden, 9. Dezember 2005

Schlachtensee

Kazan

Schuhe

Namen 1

Mantel Gottes

Altern

Kopf

Namen 2

Trostgedicht

Geburt

Zoogedichte

Papier

Körperteil

IV

Krügers Wohnung

Drucknachweis

Für Gisela und Hermann Freudenberg

I

im September

über die Mauer hängen die Zweige der Weide

schnurgerade wächst im Hof der Stamm des Ginkgos

vom Fest blieben zwischen den Pflastersteinen

weiße Salzkörner von den Brezeln gerieben

während die Krümel längst Vögel aufgepickt haben

das ist der Anfang denke ich mir

wobei ich Tage schon zähle in den Herbst

in den Winter den Frühling hinein bis in den Sommer

den nächsten wenn zwischen den Steinen

wieder Salzkörner liegen

zwei Hände bilden den Flugkörper nach der

in der Luft steht sich aufschwingt

von oben aus der Perspektive des stillstehenden Vogels

fotografierte ich diesen Weg die scharfkantigen

schwarzen Steine der alten Messestraße nach Leipzig

ein gedrungener Vogel ist es der in seinem Flug

keinem Raubvogel ähnelt eher dem Wort

Wachtel ja er ähnelt einem Wort dem Namen

eines Zugvogels der fast ausgerottet ist

im Oktober

die Farbe platzt ab von den Augen

während der Tag überm Dach den Wind

antreibt und Geruch nach Weihrauch

aus einem Gebüsch steigt Bussardrufe

unablässig tönen und Flugzeuge aller Arten

Passanten sind hier überall promenieren

wie in der Stadt Hunde voran und

leichtes Schuhwerk an den Füßen

während die Landschaft sich vernutzt

unter den täglichen Blicken

werden die Farben von Tag zu Tag

kühner platzen ab von den Augen

unter den Nußbäumen entlang bis zum Haus das Gras

grell ausgeleuchtet von den Scheinwerfern

spätsommermatt kein Laut zu hören von den Nüssen

wie sie fallen unter den Bäumen zum Haus hin

bräunlich die Halme und das Laub auch –

im Traum nur durchs taunasse Gras spätsommermatt

und lautlos fallen die Nüsse lautlos

tragen die Eichhörnchen sie davon

für Adrienne Schneider

im November

Schneetreiben über den flachen Hängen

hauchdünn zwischen den Gräsern den kahlgefrorenen

flach den Boden entlang

die eisigen Kristalle suchen Deckung

und Schutz in den Ausbuchtungen der Feldwege

in denen knöcheltief der Schnee

in Verwehungen zur Ruhe kommt

im Dezember

im Winterwind

(der Brief schon im Briefkasten in der Kälte)

sind die Sterne so deutlich lesbar als stünden sie

mit dem Rücken zur Vergangenheit

über dem Schneefeld im letzten Licht

flattert ein weißer Vogel auf der Stelle

stürzt schließlich herab.

lange behalte ich den hellsten Stern

im Auge ob er sich nicht doch

beweglich in ein Flugzeug verwandeln will

in der Nacht tauen die Ränder der Fußspuren

gefrieren morgens aufs neue

im Januar

mit jedem Tag wird die Einsamkeit größer

unter den Menschen deren Fußtritte nichts

abbilden als ihre eigene Größe und die

Nachricht bleibt aus die an der Erde haftet

nicht für und nicht gegen uns zeugt

unserer nicht bedarf und nicht unserer Angst

die Überlandleitung quert Äcker und Wege

aufgesprungen hegt das Land

– Eisreste und Pfützen und faulendes Holz –

und spärlich nur Stimmen miteinander

wie Hand in Hand über die Höhe nur zwei

ein Stück weit und wieder zurück

weil’s weiter nicht geht weil’s weiter nicht trägt

unter den Überlandleitungen

fußgroß und nicht größer

aufgehellt wie ein retuschiertes foto

ein re-touchiertes in seiner verlorenen einfalt

eine gruppe menschen in sonntagskleidern

ohne hut aber in feinen schuhen

auf einem feldweg pfützen rechts und links

im winter der nachläßt vereinzelt

schneeplacken auf dem acker während

der hügel sich wölbt wie gewohnt seltsam

altmodisch dies bild einer Sonntagsgesellschaft

digital und in farbe erinnert an august sanders gesellschaft

die strommasten mit großen schritten

treten leise auf

im Februar

als habe die große Reise begonnen

und zeigten die Füße himmelwärts als fliege

wie aus dem Gebüsch ein Bussard

die Zeit auf und vom Wind abgetrieben

den Hang hinauf dicht über den Sträuchern

und dann doch weiter doch leichter und höher

hinaus ins Freie

auf einem ast singend sitzt das leben

schüttelt die kälte aus dem gefieder

hält sich mit den krallen an

der losen rinde die unbeschriftet ist

abfällt nach dem winter vergeht ohne zeichen

geraten die buchstaben im frühling aufs neue

und die alten weichen die zeilen wachsen

wie die halme sich durch die erdkruste

bohren durch die verhärtung des winters

singend sitzt das leben auf einem ast

schüttelt in der letzten kälte

die flügel während unter den krallen

die neuen buchstaben nachwachsen

zeile um zeile bis das gefieder leicht

in der sonne und gewärmt im hellen licht

für christian strub

im März

aufgegangen sind Unkraut und Saat

nahe der Mauer zwischen Vulkansteinen

wie sie auch den Weg nach Leipzig pflastern

auf den Feldern unterm weggeschmolzenen

Schnee die Mausgänge weitverzweigt

und im Gebüsch ein schwarzer Handschuh

aufgesteckt auf einem Zweig

die Strommasten zeichnen sich

triumphal in den Himmel hinauf

mit Linien weithin und

weiter die Vogelflüge im Frühling

im April

die früchte die blüte die blütenblätter

schlehen- und apfelblüten