Überraschungsangriff - Peter Gridling - E-Book

Überraschungsangriff E-Book

Peter Gridling

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Beschreibung

Am 28.2.2018 dringt eine Armada von Staatsanwälten und Polizeibeamten in das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT ein. Ein bis dato unerhörtes Ereignis, das der ehemalige Leiter des BVT schildert und damit Antworten auf Fragen liefern könnte, die bis heute offen geblieben sind. In einer Rahmenhandlung kommentiert ein fiktiver Korrespondent das Geschehen aus Sicht des Auslands.

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ÜBERRASCHUNGSANGRIFF

DIE AUSSCHALTUNG DES BUNDESAMTES FÜR ­VERFASSUNGSSCHUTZ UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG

PETER GRIDLING

unveränderte eBook-Ausgabe

© 2023 Seifert Verlag

2. Auflage (Hardcover): 2023

ISBN: 978-3-904123-83-9

ISBN Print: 978-3-904123-76-1

Umschlaggestaltung: Markus Haralter-Tipi,

unter Verwendung eines Fotos von Helmut Fohringer / APA / picturedesk.com

Sie haben Fragen, Anregungen oder Korrekturen? Wir freuen uns, von Ihnen zu hören! Schreiben Sie uns einfach unter [email protected]

www.seifertverlag.at

facebook.com/seifert.verlag

INHALT

Vorwort

1. Es beginnt

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

2. Umbruchzeiten

3. Gedanken und Abwägungen

4. Turbulente Parteipolitik

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

5. Schmutzkampagne

6. Neue Zeiten

7. Ein Plan entsteht

8. Der Überfall

9. Krisenmodus

10. Das Aus

11. Niedergeschlagenheit

12. Cui bono

13. Die Zeugen

14. Rückkehr und Auftrag

15. Eine Begegnung

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

16. Angriff von allen Seiten

17. Unerwartet

18. Untersuchungsausschuss

19. Nur keine Fehler

20. Ausgrenzung

21. Evaluierung

22. Schwierige Balance

23. Das Verfahren vor dem Untersuchungssausschuss

24. Meinungsaustausch

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

25. Ibiza »Olé«

26. Entspannung und Frustration

27. Kontaktpflege und Nachfrage

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

28. Zeit der Experten

29. Neustart

30. Die Entscheidung

31. Finale

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

32. Der BVT-Skandal – aber welcher? Ein Resümee

Fazit

Nachwort

Anmerkungen

VORWORT

Die Ereignisse des 28. Februar 2018 werden wohl allen damals aktiven BVT-Mitarbeitern immer im Gedächtnis bleiben, insbesondere jenen, die von strafprozessualen oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen betroffen waren und im Anschluss als Beschuldigte in einem Strafverfahren geführt und einvernommen wurden. Man möchte meinen, dass man als Angehöriger einer Polizeibehörde an solche Maßnahmen gewöhnt ist und sie daher mit Langmut ertragen kann.

Dem ist nicht so! Dies ist auch für langgediente Polizeiangehörige eine traumatische Erfahrung – umso mehr, wenn solche Maßnahmen auf falschen Anschuldigungen beruhen. Kein Wunder also, dass diese Situation nicht nur zu Selbstzweifeln, schlaflosen Nächten und sogar zu gesundheitlichen Problemen führt.

Das gilt in einem weit größeren Ausmaß für Eltern, Partner und Kinder, die in einigen Fällen von den Hausdurchsuchungen betroffen waren.

Was geschieht hier? Warum passiert das? Ist mein Partner ein Verbrecher?

Sich diesen quälenden Fragen zu stellen, ist eine Herausforderung. Eine solche Situation selbst zu erleben, zwingt einen, darüber nachzudenken, wie sich wohl jene gefühlt haben mögen, bei denen man selbst eine Hausdurchsuchung oder Beschlagnahme vollzogen oder die man vielleicht im Kreis der Familie oder von Freunden festgenommen hat. Da erhalten die Worte »unter möglichster Schonung der Person und der Ehre« eine Bedeutung, die man ihnen vorher vielleicht nicht ausreichend beigemessen hat.

Diese teils traumatischen Erfahrungen stellten keinen wesentlichen Aspekt in der Berichterstattung über die Ereignisse, von denen dieses Buch erzählt, dar. Die Berichterstattung hatte im Wesentlichen die politischen Dimensionen der Ereignisse im Fokus, und die »Jagdgesellschaft« konzentrierte sich vor allem auf die kleinere Regierungspartei FPÖ. Diese allerdings als Opfer zu bezeichnen, wäre ein fataler Irrtum. Letztlich war es die FPÖ, die ein Fanal schaffen wollte, mit dem Ziel, ein Klima der Angst in Teilen des Innenministeriums zu erzeugen und es so überfallsartig umzufärben. Warum die WKStA dabei zu einem willigen Mitspieler wurde, ist mir bis heute ein Rätsel. Ihr positiv anzurechnen ist nur, dass sie sich dem Wunsch, mit Festnahmen unter Beiziehung von Medien vorzugehen, nicht beugte.

Die Schilderungen der betroffenen Kollegen, ihre psychischen und gesundheitlichen Probleme und die Wahrnehmung meiner Situation durch meine Familie, aber auch meine eigenen Erfahrungen und Eindrücke sind letztlich meine Motivation, mich mit den Ereignissen von damals noch einmal zu befassen und sie in eine Erzählung zu gießen, die wirklichkeitsgetreue Schilderungen mit fiktiven Einschüben versieht.

Diese Mischung aus Fakten, Indizien und Schlussfolgerungen sowie die Interpretation von medialen Spekulationen und Reaktionen aus dem In- und Ausland ist daher jenen gewidmet, über deren Gefühle und Empfindungen kaum gesprochen wurde. Vielleicht finden sich in diesem Buch auch Erklärungen und Antworten auf Fragen, die bis heute offengeblieben sind. Und manche Fragen klären sich möglicherweise im Erleben und der Fantasie der Leserinnen und Leser.

Das mir bis zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung unvorstellbare Szenario verdient es, aus einer anderen Sicht noch einmal aufgearbeitet zu werden. Es zeigt, dass parteipolitische Interessen sicherheitspolitischen Überlegungen vorgezogen werden und Außensichten in solchen Überlegungen keine Rolle spielen.

Die in dieser Zeit erfolgte Ausgrenzung Österreichs und die Auswirkungen auf die innere Sicherheit als Konsequenz dieser Ausgrenzung sowie die Ereignisse selbst sind im Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler möglicherweise schon ein wenig verblasst.

Das Buch soll die Erinnerung wecken und verdeutlichen, dass der politische Missbrauch von Strafverfahren in einem Rechtsstaat ebenso wenig Platz hat wie die unreflektierte Vollziehung in einer unabhängigen Justiz.

Peter Gridling, im Juli 2023

1

ES BEGINNT

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

Spät war es geworden, doch es hatte sich gelohnt. Meine Geschichte würde einschlagen. Ich machte mich auf den Weg in die Redaktion. Die Folgen des langen Abends waren aber noch deutlich zu spüren, und so entschloss ich mich, zu Fuß zu gehen. Der Spaziergang durch den Park würde mir guttun und meinen Kopf durchlüften, dachte ich bei mir.

In der Redaktion angekommen, begrüßte mich unsere Assistentin mit einem »Na, Gott sei Dank! Endlich bist du hier! Der Chef hat schon dreimal nach dir gefragt«, und ihre Miene schien mir nichts allzu Gutes zu verheißen.

Ich machte mich auf den Weg zum Chefzimmer.

»Dass du auch schon da bist!«, empfing er mich ungehalten. Noch bevor ich etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: »Ich habe einen Job für dich. Wir wollen in Wien eine Korrespondentenstelle einrichten. Die Ösis haben nämlich jetzt den OSZE-Vorsitz und dann im zweiten Halbjahr 2018 die EU-Präsidentschaft. Da wäre es gut, wenn wir jemanden vor Ort hätten. Außerdem ist in Wien ja eine GroKo am Werken. Ich hoffe, dass uns dies nach den nächsten Bundestagswahlen erspart bleibt. Wenn du dann schon in Wien bist, kannst du das direkt verfolgen und über das Funktionieren der Regierung in der Alpenrepublik berichten. Was sagst du dazu?«

Im ersten Moment war ich sprachlos. Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf.

»Wow, ein interessantes Angebot!«, hörte ich mich sagen. Ich wusste, dass ich es kaum ablehnen konnte, zumal es ja auch meinem Wunsch nach Veränderung entsprach.

»Bis wann muss ich mich entscheiden?« Im selben Moment bereute ich diese Frage.

Dem Chef war mein Zögern egal. Er drehte sich um, nahm etwas von seinem Schreibtisch und drückte es mir in die Hand.

»Hier ist ein Akkreditierungsschreiben. Das wirst du brauchen in Wien. Und noch ein guter Ratschlag: Pass auf beim Pendeln zwischen Kaffeehauskultur und Heurigengemütlichkeit. Das schlägt aufs Gewicht, die Waage wird dir die Rechnung präsentieren. Und jetzt raus – du wirst noch genug Vorbereitungen zu treffen haben.«

Die nächsten Tage verbrachte ich mit Recherchen zu meinem neuen Wohnort, aber vor allem mit der Suche nach Österreich-erfahrenen Kollegen und Bekannten. Ich hatte Glück und entdeckte eine Studienkollegin, die in Wien wohnhaft war. Der Kontakt war schnell wiederhergestellt, und ich erhielt wertvolle Tipps im Umgang mit der österreichischen Seele, aber noch bedeutendere Unterstützung auf der Suche nach einer Wohnung.

2

UMBRUCHZEITEN

Es knirschte im Gefüge der Bundesregierung. Immer öfter traten um die Jahreswende 2016/2017 Meinungsverschiedenheiten zwischen SPÖ und ÖVP zu Tage. Gemeinsame Vorhaben wurden vor allem von der ÖVP blockiert oder verzögert. Das ging so weit, dass Kanzler Kern, nachdem er Vorschläge für eine Aktualisierung des Regierungsprogramms präsentiert hatte, der ÖVP ein Ultimatum stellte. Vizekanzler Mitterlehner und Klubobmann Reinhold Lopatka gaben sich demonstrativ gelassen und deuteten Lösungen an, während aus Teilen der ÖVP sofort Widerspruch kam. FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache kommentierte unterdessen lauthals, dass Stillstand und Dauerstreit der Regierungsparteien wohl nahtlos in Neuwahlen übergehen würden!

Ob das gut geht, dachte ich mir und ließ Momente aus den Verhandlungen mit der Opposition zum polizeilichen Staatsschutzgesetz Revue passieren. Mit diesem Gesetz wurden die Organisation, die Aufgaben, die Befugnisse sowie die Kontrolle des Staatsschutzes völlig neu geregelt. Ziel meiner damaligen Ministerin Johanna Mikl-Leitner war ja ein Gesetz, dem möglichst auch die Opposition zustimmen sollte.

Aber die Worte des Sicherheitssprechers der SPÖ Otto Pendl klangen mir noch in den Ohren, als er in einer unserer internen Besprechungen zum Gesetzesvorhaben sagte: »Ihr werdet sehen – am Ende beschließen wir das nur mit unseren Stimmen.«

Und so war es dann auch – trotz Berücksichtigung zahlreicher Vorschläge der Opposition.

Mit der Abstimmung des Nationalrats über dieses Gesetz am 26. Jänner 2016 und der ablehnenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den gemeinsamen Antrag von FPÖ und Grünen, das Gesetz für verfassungswidrig zu erklären, hatten wir unser Ziel erreicht, eine eigene Rechtsgrundlage für den Verfassungsschutz zu schaffen.

Trotz demonstrativer Einigkeit von Kanzler und Vizekanzler im Jänner 2017 verdichteten sich mit der Zeit die Anzeichen für Neuwahlen. Erfahrungsgemäß lösen solche Ereignisse, bei denen ein Regierungsumbruch wahrscheinlich wird, auch Reaktionen in der Beamtenschaft aus. Zwar muss man im öffentlichen Dienst nicht unmittelbar Angst vor Arbeitsplatzverlust oder sozialem Abstieg haben, aber dennoch existieren solche Ängste. Da jedoch in jeder Krise oder Bedrohung auch eine Chance liegt, gibt es auch jene, die sich, ihren Karriereplänen entsprechend, in einer solchen Phase neu zu positionieren versuchen.

Die Bandbreite reicht von parteipolitischen Ambitionen über Streben nach Versorgungsposten bis hin zu beruflicher Veränderung in scheinbar sichere »politische« Häfen. Offenkundig wird dies vor allem in den oberen Führungsetagen.

Ich begann mir Gedanken zu machen. Immerhin würde in einem Jahr, im Februar 2018, mein Vertrag als Direktor des BVT auslaufen, und dieses Thema sollte im Mitarbeitergespräch, das im Jänner 2017 geplant war, wohl im Mittelpunkt stehen. Obwohl ich persönlich mit dem Erreichten durchaus zufrieden war, konnte ich die Einflussnahme von außen vor allem auf Personalentscheidungen nicht verhindern. Dieser Umstand störte mich zwar sehr, aber die Fortschritte bei der Organisationsentwicklung wogen das Missbehagen auf.

Doch wo stand das BVT eigentlich im Jahr 2017, und was wurde bis dahin erreicht?

Jeder Staat braucht Institutionen, die ihn vor negativen Trends und Entwicklungen sowie Gefahren warnen, diese bekämpfen, die Verantwortungsträger schützen und dafür sorgen, dass jene kritischen Infrastrukturen, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist und die vor allem in Krisenfällen für Staat und Menschen von enormer Bedeutung sind, reibungslos funktionieren. Unsere freie Lebensweise und der demokratische Rechtsstaat, der diese Lebensweise garantiert, dürfen nicht durch gewalttätige Extremisten oder Terroristen bedroht und gefährdet werden, ebenso wenig wie eine negative Einflussnahme durch Sabotage, Spionage, Korruption und Manipulation von öffentlicher Meinung und Politik aus dem In- und Ausland zu erfolgen hat.

Oft sind die Zuständigkeiten im Amt zersplittert und auf mehrere Institutionen aufgeteilt. Dies ist in Österreich zwar auch der Fall, aber dennoch sind die Aufgaben der konkreten und erweiterten Gefahrenerforschung, der Gefahrenabwehr, des vorbeugenden Schutzes von Rechtsgütern sowie der Verfolgung von Straftaten kompakt gesetzlich geregelt, und ein großer Teil davon wurde dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zugewiesen.

Anders als das Bundesamt für Verfassungsschutz in Deutschland war das BVT kein reiner Nachrichtendienst. Die Zuständigkeiten des BVT beinhalteten aber gesetzlich zugewiesene nachrichtendienstliche Aufgabenstellungen, die von ihm exklusiv erfüllt wurden. Damit konnte das BVT Sachverhalte sowohl nachrichtendienstlich aufklären, polizeilich abwehren und proaktiv schützen wie auch als spezialisierte Kriminalpolizei oder im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermitteln. Dadurch fielen Kompetenzstreitigkeiten, Informationsverluste an behördlichen Schnittstellen sowie Rivalitäten zwischen Organisationen weitgehend weg, und es konnten, mit vergleichsweise geringen Ressourcen, gute Ergebnisse erzielt werden. All dies kann individuelle Fehler und Fehlentscheidungen nicht verhindern, aber es grenzt die Suche nach Verantwortlichen drastisch ein.

3

GEDANKEN UND ABWÄGUNGEN

Bei dem Mitarbeitergespräch mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Jänner 2017 musste ich mich im Hinblick auf das Auslaufen meines Vertrages im Februar 2018 also festlegen, ob ich eine Verlängerung meines Vertrages anstreben oder eine berufliche Veränderung vornehmen möchte. Der Umstand, dass ich aufgrund meines Alters ab April 2019 in Pension gehen könnte, spielte eine nicht unwesentliche Rolle in diesen Überlegungen.

In Vorbereitung des Mitarbeitergesprächs begann ich mit der Erstellung einer Bilanz der letzten vier Jahre. Positiv zu bewerten waren aus meiner Sicht:

Das erfolgreiche Lobbyieren für das Staatsschutzgesetz und die Abwicklung des fordernden zweijährigen Prozesses. Voraussetzung dafür war die politische Verankerung im Regierungsprogramm 2013 und die Unterstützung durch den Generaldirektor, die auch im höchsten Maß gegeben war.Das Entwickeln und Festschreiben von neuen Aufgaben, wie den Schutz kritischer Infrastrukturen als polizeiliche Aufgabe, und die Verankerung im Sicherheitspolizeigesetz.Die Etablierung der Aufgabe Cybersicherheit sowie ihre funktionelle und organisatorische Absicherung. Dass in diesem Bereich personelle und budgetäre Entwicklungen nicht immer nach unseren Vorstellungen vor sich gingen, war wenig überraschend und auch vorherzusehen. Die ersten Schritte waren aber gemacht und das BVT als wichtiger Player positioniert. Gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt und dem Verteidigungsministerium konnte der Bund erfolgreich präsentieren und eine wichtige Rolle in der Cybersicherheitsplattform1 einnehmen.Gewaltprävention im Bereich Extremismus/Terrorismus. Auch hier konnte sich das Amt erfolgreich positionieren. Dank der Finanzierung über diverse Projekte gelang es, die führende Rolle zu übernehmen und zahlreiche behördliche als auch zivilgesellschaftliche Organisationen an Bord zu holen. Im neuen BNED2 übernahm das Amt die koordinierende Aufgabe, und in der Folge gelang auch die Etablierung eines jährlichen Gipfeltreffens dieses Netzwerkes.Diese drei Bereiche, Schutz kritischer Infrastrukturen, Cybersicherheit sowie Gewaltprävention, erfüllten für mich eine Schaufensterfunktion. Damit konnte einerseits hervorragend Öffentlichkeitsarbeit betrieben und andererseits auch gewährleistet werden, dass den operativen Bereichen Extremismus, Terrorismus, Spionageabwehr für Aufklärung, Abwehr, Vorbeugung und Prävention sowie Bekämpfung dieser Gefahren die notwendige Ruhe und der Freiraum verschafft wurden.Gerade im Bereich des islamistischen Terrorismus hatte das BVT fast 300 Personen aus Österreich identifiziert, die sich dem gewalttätigen islamistischen Terrorismus angeschlossen hatten. Koordiniertes Vorgehen in- und ausländischer Behörden gegen sunnitisch-islamistische Netzwerke am Balkan führten zur Festnahme von Radikalisierern und Rekrutierern und zur Verurteilung zu hohen Haftstrafen.Im sensiblen Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus war die Entwicklung aus meiner Sicht durchaus positiv. Probleme bereiteten hier die Nähe von FPÖ-Politikern zur neurechten Szene, insbesondere den Identitären. Mangelnde Sensibilität in diesem Bereich gab es auch innerhalb der Polizei, weshalb interne Sensibilisierungs- und Präventionsbemühungen notwendig waren. Dessen war sich Sibylle Geissler, die Leiterin dieses Bereichs, bewusst und setzte mit einem Aktionsplan ein Zeichen.Auch der Abschluss eines Verwaltungsübereinkommens über die Zusammenarbeit mit den beiden militärischen Partnerdiensten, dem Heeresnachrichtenamt und dem Abwehramt, stellte einen wichtigen Erfolg dar und widerlegte die permanent vorgebrachten Vorwürfe der mangelnden Zusammenarbeit.

Allerdings gab es auch negative und unbefriedigende Dinge in meiner Bilanz. Diese bezogen sich nicht unbedingt auf außenwirksame Angelegenheiten. Vielmehr handelte es sich um interne Querelen, Eifersüchteleien und Egoismen, die sich auf die Arbeit auswirkten und auch außerhalb des Amtes bemerkt wurden.

Die Zusammenarbeit zwischen meinem Stellvertreter Wolfgang Zöhrer und mir war nicht die beste. An und für sich war er ein umgänglicher Typ, aber irgendwie stimmte die Chemie zwischen uns nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass hinter seinem Wechsel ins BVT seine Freundschaft mit Michael Kloibmüller, dem langjährigen Kabinettschef im Innenministerium, stand. Dies war allgemein bekannt und brachte Zöhrer hinter vorgehaltener Hand auch den Spitznamen »Politkommissar« ein. Vielleicht war es aber auch nur sein Desinteresse, sein Führungsstil und die vielen direkten Kontakte zum Kabinett, die eine bessere Zusammenarbeit verhinderten.

Dies blieb auch Generaldirektor Konrad Kogler nicht verborgen, der nach anfänglichen Vermittlungsversuchen mit Konsequenzen drohte. Gleichzeitig begann er damit, direkte informelle Achsen in das BVT aufzubauen. Dies bot einem meiner Abteilungsleiter, Martin Weiss, die Gelegenheit, als informeller Vertrauensmann zu agieren.

Ich hatte Martin Weiss in seinem Vorankommen gefördert und ihn zunächst zum Referatsleiter und später zum Abteilungsleiter gemacht. Diese Position war jedoch offensichtlich nicht das Endziel seiner Karrierewünsche, und so kündigte er mir 2013 seine »Freundschaft« auf. Dass Freundschaft mitunter sehr einseitig sein konnte, musste ich in dieser Situation zur Kenntnis nehmen. Allerdings war ich auch über seine Flexibilität erstaunt. Er, der sich jahrelang über die Unfähigkeit von Wolfgang Zöhrer erregt hatte, bildete plötzlich eine Allianz mit ihm.

Diese Allianz war allerdings nicht von langer Dauer, und der Konflikt zwischen den beiden machte sich bald wieder bemerkbar. Als Martin Weiss nach ein paar Monaten mehr und mehr danach trachtete, den Kontakt zu mir wieder aufleben zu lassen, blieb ich vorsichtig. Ich entschied mich eher für schriftliche Aufträge als mündliche Vereinbarungen, die von ihm interpretiert und offensichtlich auch bewusst verzerrt weitergegeben wurden. An meiner Haltung änderten auch seine erneuten abfälligen Bemerkungen über meinen Stellvertreter nichts. Offensichtlich brachte auch seine Unterwürfigkeit dem Generaldirektor gegenüber nicht das gewünschte Ergebnis, was möglicherweise Auswirkungen auf seine Gesundheit hatte, denn seine Fehlzeiten nahmen zu.

Trotz guter Argumente auf der Habenseite waren die spürbaren Vertrauensdefizite des Generaldirektors gegenüber meiner Person aber eine schlechte Voraussetzung für das bevorstehende Mitarbeitergespräch.

Diese Defizite rührten vermutlich von den internen Spannungen im Amt her und wurden wohl auch befeuert durch Informationen von Zuträgern aus meinem Hause. Die schwierige Führungssituation war ihm schwer zu vermitteln, und er sah wohl auch einen Teil der Schuld an der Situation bei mir.

Sollte ich daher für die 14 Monate bis zur Pensionierung eine Vertragsverlängerung, eine Veränderung innerhalb des Ministeriums oder vielleicht noch einmal eine Verwendung im Ausland anstreben? Ich war von 2002 bis 2008 Leiter des Terrorismusbereichs bei Europol in Den Haag gewesen und hatte mir einen guten Ruf auf europäischer Ebene erarbeitet. Guter Rat war teuer!

Nachdem ich das Thema mit meiner Frau besprochen hatte, rang ich mich dazu durch, keine Verlängerung meines Vertrages anzustreben. Das An-mir-vorbei-Agieren von Generaldirektor und Kabinett belasteten mich sehr und gaben den Ausschlag für die Entscheidung, meinen Vertrag auslaufen zu lassen. Die 14 Monate würde ich schon irgendwie überbrücken.

Ich nutzte daher das Mitarbeitergespräch, um dem Generaldirektor die Arbeitserfolge aus meiner Sicht zu präsentieren, und schloss darauf mit den Worten: »Aber ich mache es euch leicht! Ich strebe keine Verlängerung meines Vertrages an.«

Nachdem ich es ausgesprochen hatte, fühlte ich mich erleichtert.

Als Begründung nannte ich das gefühlt mangelnde Vertrauen sowie die an mir vorbeiführenden Achsen Zöhrer und Weiss. Der Generaldirektor ging auf meine Argumente kaum ein. Was ich damals nicht wusste, war der Umstand, dass es ihn einfach nicht mehr interessierte, da sein Abgang im Hintergrund schon beschlossene Sache war. Er sollte der Ministerin nach Niederösterreich folgen. Dafür musste der damalige Landespolizeidirektor weichen und zu einem sogenannten weißen Elefanten im Innenministerium werden – also jemand, der zwar da ist, aber keine wirkliche Funktion hat.

4

TURBULENTE PARTEIPOLITIK

Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

So landete ich also nach wenigen Wochen in Wien, und nach vierzehn Tagen Aufenthalt im Hotel hatte ich sogar eine kleine Wohnung im 3. Bezirk ergattert.

Mein Akkreditierungsschreiben hatte ich schon der zuständigen Stelle im Bundeskanzleramt übermittelt, und nach einem persönlichen Gespräch mit dem Leiter der Akkreditierungsstelle erhielt ich nach einigen Tagen meinen Korrespondentenausweis in Form einer Scheckkarte.

Ich kontaktierte nach und nach meine neuen Kollegen, um mich mit ihnen auszutauschen. Noch wichtiger empfand ich aber die Vernetzung mit den heimischen Journalisten. Die konnten mir wichtige Kontakte zu Regierungssprechern und Parteibüros vermitteln und mir einen Einblick in die politische Landschaft und die Seilschaften in den verschiedenen Parteien ermöglichen. Ihre Kommentare waren aber nicht immer besonders wertschätzend und oft von einem bedeutungsschweren »Das wirst du schon noch merken« begleitet.

Die Ukraine-Krise war das dominierende Thema des OSZE-Vorsitzes, und es war klar, dass dieses Problem nicht während des österreichischen Vorsitzes gelöst werden würde – ebenso wenig wie die Finanzierungskrise der OSZE. Allerdings konnte Österreich mit Beharrlichkeit ein Problem lösen. Dies war das Personalpaket mit einer Reihe von Spitzenpositionen, die von Russland lange blockiert worden waren. Während eines Treffens in Mauerbach, einem kleinen Ort im Westen Wiens, am 11. Juli 2017 beendete der russische Außenminister Sergej Lawrow medienwirksam die Blockade, und Österreichs junger Außenminister Sebastian Kurz nutzte diese PR-Chance, um seine internationale Reputation als Problemlöser zu stärken.

Der 31-jährige Shootingstar der ÖVP hatte erst wenige Wochen zuvor einen parteiinternen Machtkampf gewonnen und war auf dem besten Wege, die Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ aufzukündigen. Alle Bemühungen von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, die Regierung zu retten, wurden von Seilschaften innerhalb der ÖVP vor dem Hintergrund sinkender Umfragewerte hintertrieben.

Das politische Klima in Österreich wurde zunehmend rauer. Sukzessive steigerte sich der Druck auf Mitterlehner, bis dieser schließlich am 10. Mai 2017 seinen Rücktritt bekannt gab. Obwohl Sebastian Kurz sich zu diesem Zeitpunkt noch zierte, den ÖVP-Vorsitz zu übernehmen, stellte er wenige Tage später eine Reihe von Bedingungen vor, unter denen er dies tun würde. Diese Bedingungen sollten ihm weitgehend freie Hand für alle Entscheidungen in der Parteigeben. Mündliche Zusagen würden ihm nicht reichen, sondern diese Zustimmung der Partei sollte sich auch in den Parteistatuten widerspiegeln.

Das Angebot zur Fortsetzung der Regierungsarbeit, welches Kanzler Kern der ÖVP noch am Tage des Rücktritts von Vizekanzler Mitterlehner gemacht hatte, erwähnte Kurz mit keinem Wort. Damit war jedem klar, dass er auf Neuwahlen drängen würde.

Nachdem Kurz den Machtkampf gewonnen und Mitterlehner mit den Worten »Ich bin kein Platzhalter für Kurz« all seine Funktionen niedergelegt hatte, war der Weg für den jungen Außenminister frei.

Am 1. Juli 2017 wurde Sebastian Kurz mit 98,7 Prozent der Delegiertenstimmen beim Parteitag in Linz zum neuen Parteichef gekürt. Seine Präferenz für ein Ende der Zusammenarbeit mit der SPÖ und beabsichtigte Neuwahlen waren klare Signale. Und seine Chancen wurden in den Umfragen immer besser.

Fehlte lediglich noch der Termin für die Neuwahlen, und beim Heurigen wurden schon Terminwetten abgeschlossen. Schließlich einigten sich die Parteien, und der Nationalrat nahm den Vorschlag der Regierung, am 15. Oktober 2017 ein neues Parlament zu wählen, an. Und der Wahlsieger konnte nach den neuesten Umfrageergebnissen nur Sebastian Kurz heißen. Immerhin hatte er die Umfragewerte von unter 20 Prozent auf mittlerweile fast 34 Prozent gesteigert.

Beachtlich waren auch die Umfragewerte der rechtskonservativen FPÖ, die sich mit der SPÖ weit hinter der ÖVP ein Match um Platz zwei lieferte. Damit würde ein Wahlsieger Kurz plötzlich die Option einer rechtskonservativen Regierung haben und nicht auf die Zusammenarbeit mit der SPÖ angewiesen sein.

Dieser politische Showdown bot mir Gelegenheit, meiner Redaktion laufend Berichte zu liefern und meine Sicht der Dinge darzustellen.