Übung der Nacht - Tenzin Wangyal Rinpoche - E-Book

Übung der Nacht E-Book

Tenzin Wangyal Rinpoche

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  • Herausgeber: Goldmann
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Einführung in die tibetische Methode des Traum-Yoga, die uns Träume bewusst erleben lässt

Traum-Yoga ist eine in Tibet seit alter Zeit bekannte meditative Praxis. Der Praktizierende versucht dabei, auch während der Nacht bewusst zu bleiben, um auf die eigenen Träume Einfluss zu nehmen. Traum-Yoga führt zu hoher Bewusstheit und Gelassenheit und unterstützt die spirituelle Entwicklung. Es hilft u. a. bei der Bewältigung von Stress oder Versagensängsten und bringt uns der „Erleuchtung“ näher.

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Seitenzahl: 342

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Buch

Traum-Yoga ist eine in Tibet seit alter Zeit bekannte Praxis. Während des Schlafens wird dabei ein wacher Bewusstseinszustand aufrechterhalten. In diesem Zustand ist es einem geübten Traum-Yoga-Praktizierenden möglich, sich während des Träumens des Umstands bewusst zu bleiben, dass er träumt. Er erlebt die Trauminhalte bewusst (luzid), kann die flüchtige und irreale Natur der Träume beobachten und auf die Geschehnisse seiner Träume Einfluss nehmen. Traum-Yoga führt zu einer tieferen Bewusstheit und Gelassenheit und unterstützt die spirituelle Entwicklung.

Der tibetische Meister Tenzin Wangyal Rinpoche gibt eine alltagstaugliche Einführung in die Methode. Nach einem Überblick über Yoga-Atemtechniken, die Lehre von den Chakras und die Natur der Träume baut er die Übungen des Traum-Yoga so auf, dass westliche Leser Schritt für Schritt mit den Möglichkeiten und der Tiefe der Erfahrungen mit dem Traum-Yoga vertraut werden. Praktische Übungen zur Bewältigung von Problemen wie Stress oder Versagensängsten geben einen Eindruck vom Alltagsnutzen des Traum-Yoga.

Autor

Tenzin Wangyal Rinpoche ist ein Tulku, ein bewusst wiedergeborener Lama. Er wurde 1961 in Tibet geboren. Seine Eltern flohen mit ihm nach Indien, wo er später von tibetischen Meistern des Buddhismus zum Meditationsmeister ausgebildet wurde und den Titel eines Geshe erhielt, den höchsten akademischen Titel in der tibetischen Tradition. 1991 ging er in die USA und gründete dort das Ligmincha-Institut. Er lehrt seit Jahren auch regelmäßig im deutschsprachigen Raum.

Dieses Buch widme ich Namkhai Norbu Rinpoche,der für mich eine große Inspiration ist,sowohl in meiner Art zu lehrenals auch in meiner eigenen Praxis.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWidmungVorwortEinleitungDie Lehren empfangenI - DIE NATUR DES TRAUMS
1. Traum und Wirklichkeit2. Wie Erfahrung entsteht
UnwissenheitTaten und FolgenNegatives KarmaPositives KarmaDie Emotionen befreienVerdunkelungen des BewusstseinsKarmische Spuren und der TraumDie sechs Bereiche des zyklischen DaseinsWeshalb »negative« Emotionen?
3. Der Energiekörper
Kanäle, Prāna und die ChakrasKanäle (Tsa)Prāna (Lung)Ausgleichen des PrānaPrāna und GeistDie ChakrasBlindes Pferd, lahmer Reiter
4. Zusammenfassung: Wie Träume entstehen5. Bilder aus dem »Mutter-Tantra«
Lehr-Metaphern
II - VERSCHIEDENE ARTEN VON TRÄUMEN UND IHR GEBRAUCH
6. Drei Arten von Träumen
Samsārische TräumeKlarheits-TräumeKlares-Licht-Träume
7. Nutzung der Träume
TraumerfahrungTräume als RatgeberDivinationGeist-Schätze
8. Die Entdeckung der Chöd-Praxis9. Zwei Ebenen der Praxis
III - DIE PRAXIS DES TRAUM-YOGA
10. Schau, Handeln, Traum, Tod11. Ruhiges Verweilen: Zhine
Nachdrückliches ZhineNatürliches ZhineHöchstes ZhineHindernisse
12. Die vierfache grundlegende Praxis
Karmische Spuren ändernAnhaften und Widerwillen abbauenDie Intention stärkenAusbildung von Erinnerungsvermögen und freudigem BemühenBeständigkeit
13. Vorbereitung auf die Nacht
Die neun Atemzüge der ReinigungGuru-YogaSchutz
14. Die Hauptpraxis
Bewusstheit in den Zentralkanal bringenDie Klarheit steigernDie Kraft der Präsenz entwickelnFurchtlosigkeitDie HaltungSammlung des GeistesDie Abfolge
15. Luzidität
Wie Flexibilität entsteht
16. Die Hindernisse
TäuschungNachlässigkeitInnere UnruheVergessenShardza Rinpoches vier Hindernisse
17. Die westliche und die östliche Sicht18. Einfache Übungen
Geistesgegenwart im WachzustandVorbereitung auf die Nacht
19. Integration
IV - SCHLAF
20. Der Schlaf und das Einschlafen21. Dreierlei Schlaf
Der Schlaf der UnwissenheitSamsārischer SchlafKlares-Licht-Schlaf
22. Schlafpraxis und Traumpraxis
V - DIE PRAXIS DES SCHLAF-YOGA
23. Die Dākinī Salgye Du Dalma24. Die Vorbereitung25. Die Schlafpraxis
Eintritt in den Schlaf
26. Tigle27. Fortschritt28. Hindernisse29. Unterstützende Übungen
MeisterDākinīAusdruckGebetAuflösenHUNG
30. Integration
Das Klare Licht und die drei GifteDas Klare Licht und die Zyklen der Zeit
31. Kontinuität
VI - MATERIALIEN
32. Kontext33. Geist und Rigpa
Der denkende GeistNonduales Gewahrsein: RigpaGrund-Rigpa und Pfad-Rigpa
34. Der Grund: Kunzhi
Geist und Materie
35. Klarheit und Leere erkennen
AusgleichUnterscheidung
36. Die Wirklichkeit des Ich37. Das Ich – ein Traum
AusblickAnhang: Abriss des Traum-Yoga
Die vierfache grundlegende PraxisÜbungen zur Vorbereitung auf den SchlafDie Hauptpraxis
DankGlossarLiteraturKontaktadressenCopyright

Vorwort

Ein tibetisches Sprichwort lautet: »Um Zweifeln an der Echtheit der Lehre und der Übermittlung zu begegnen, soll man die Linie und die Geschichte vorweisen.« Deshalb möchte ich dieses Buch mit einer kurzen Darstellung meines Werdegangs beginnen.

Ich wurde kurz nach der Flucht meiner Eltern vor den chinesischen Unterdrückern in Tibet geboren. Unsere Lebensumstände waren damals schwierig, und meine Eltern brachten mich in einem christlichen Internat unter, in der Hoffnung, dass ich dort gut aufgehoben sei. Mein Vater war ein buddhistischer Lama,1 meine Mutter praktizierte Bön.1 Mein Vater starb nach einiger Zeit. Meine Mutter heiratete später noch einmal, und zwar einen Bön-Lama. Er und meine Mutter wünschten sich, dass ich in meine Kultur eingebunden bliebe, und so kam ich mit zehn Jahren nach Dolanji, in das Hauptkloster des Bön in Indien, und erhielt die Mönchsordination.

Ich hatte bereits einige Zeit in diesem Kloster gelebt, als ich von dem Lopon (Hauptlehrer) Sangye Tenzin Rinpoche als Reinkarnation Khyungtul Rinpoches, eines berühmten Gelehrten, Lehrers, Autors und Meditationsmeisters, erkannt wurde. Er genoss außerdem den Ruf eines großen Astrologen und war in Westtibet und Nordindien als Bezwinger wilder Geister berühmt. Man kam von weit her, um ihn als einen Heiler mit magischen Fähigkeiten aufzusuchen. Einer seiner Gönner war der Herrscher von Himachal in Nordindien. Er und seine Frau hatten sich schon lange Kinder gewünscht, aber vergeblich, und so baten sie Khyungtul Rinpoche, sie zu heilen. Er tat es, und der Sohn, der dem Paar daraufhin geschenkt wurde, ist der gegenwärtige Chief Minister von Himachal Pradesh, Virbhardur.

Als ich dreizehn war, plante mein gütiger Wurzelmeister, Lopon Sangye Tenzin, ein Mann von großem Wissen und hoher Verwirklichung, eine Einführung in eine der wichtigsten, hochesoterischen Lehren der Bön-Religion, in die Dzogchen* Lehre der »Mündlichen Übermittlung von Zhang Zhung« (Zhang Zhung Nyan Gyud*). Obwohl ich noch recht jung war, besuchte mein Stiefvater Lopon Rinpoche und bat ihn, auch mich zu diesen Unterweisungen zuzulassen, die drei Jahre lang jeden Tag in Anspruch nehmen würden. Lopon willigte ein, doch wie alle anderen zugelassenen Schüler musste ich ihm einen Traum aus der Nacht vor dem Beginn der Unterweisungen berichten; aus diesem Traum konnte er für jeden Einzelnen ersehen, ob er wirklich schon bereit war, die Lehre zu empfangen.

Manche der Schüler konnten sich an keinen Traum erinnern, und das galt als Zeichen dafür, dass Hindernisse im Wege lagen. Lopon wies ihnen geeignete Reinigungsübungen zu und verschob den Beginn der Unterweisung so lange, bis jeder Schüler einen Traum gehabt hatte. Die von anderen Schülern berichteten Träume dienten Lopon als Hinweis auf bestimmte Übungen, die zur Vorbereitung dienen konnten – beispielsweise Übungen, welche die Verbindung der Schüler zu den Beschützern* des Bön stärkten.

Ich träumte von einem Bus, der das Haus meines Meisters umrundete, obgleich es dort keine Straße gab. Mein Freund war in diesem Traum der Schaffner im Bus, und ich stand neben ihm und händigte allen Leuten im Bus die Fahrscheine aus. Auf diesen Fahrscheinen war nichts weiter als der tibetische Buchstabe A zu sehen. Das war im zweiten oder dritten Jahr meiner Erziehung in Dolanji, und ich wusste noch nicht, dass dieses A in den Dzogchen-Lehren ein Symbol von großer Bedeutung ist. Mein Lehrer verlor kein Wort über diesen Traum, doch das war überhaupt seine Art. Er sagte nie viel über etwas, das gut war, aber mir war alles recht, wenn ich nur zu den Unterweisungen zugelassen wurde.

Es ist in den spirituellen Traditionen Tibets üblich, dass der Lehrer sich der Träume seiner Schüler bedient, um zu ermitteln, ob der Schüler reif ist, bestimmte Unterweisungen zu empfangen. Für mich sollte es zwar noch eine Weile dauern, bis ich mit Studium und Praxis des Traum-Yoga beginnen würde, aber dieses Erlebnis war der Beginn meines Interesses an Träumen. Mir wurde hier schon sehr deutlich, welchen hohen Stellenwert der Traum in der tibetischen Kultur und im Bön hat und inwiefern Informationen aus dem Unbewussten häufig von größerem Wert sind als das, was unser Oberflächenbewusstsein an Information bereitstellen kann.

Nach den drei Jahren dieses Lehrzyklus, zu dem auch etliche Meditationsklausuren in der Gruppe und allein gehörten, trat ich in die Dialektik-Schule des Klosters ein. Das Studium nimmt normalerweise neun bis dreizehn Jahre in Anspruch. Zur traditionellen Ausbildung gehören allgemeine Fächer wie Grammatik, Sanskrit, Dichtkunst, Astrologie und die Künste, aber auch sehr anspruchsvolle Gegenstände wie Erkenntnislehre, Kosmologie, Sūtra*, Tantra* und Dzogchen. Während meiner Mönchsausbildung kam ich mit einer Reihe von Lehren über den Traum in Berührung, deren wichtigste auf Texten des Zhang Zhung Nyan Gyud, des »Mutter-Tantra« und von Shardza Rinpoche beruhten.

Ich kam in meiner Schulung gut voran, und mit neunzehn wurde ich aufgefordert, andere zu unterweisen. Das tat ich, und in dieser Zeit schrieb und veröffentlichte ich außerdem eine kurz gefasste Biografie des Erhabenen Shenrab Miwoche*, des Stifters der Bön-Religion. Später war ich vier Jahre lang Leiter der Dialektik-Schule und bemühte mich um ihre Ausgestaltung und Entwicklung. 1986 erhielt ich den Titel eines Geshe, den höchsten in der tibetischen Klosterausbildung vergebenen Titel.

1989 folgte ich einer Einladung von Namkhai Norbu Rinpoches Dzogchen-Gemeinschaft in Italien und reiste in den Westen. Ich hatte nicht vor zu lehren, wurde aber von Mitgliedern der Gemeinschaft darum gebeten. Einmal verteilte ich dabei kleine Zettel, die bei der Meditation verwendet werden sollten. Sie waren alle mit einem tibetischen A beschrieben. Da war plötzlich dieser Traum von vor fünfzehn Jahren wieder da, in dem ich genau solche Zettel an die Leute im Bus verteilt hatte. Diese Erinnerung traf mich wie ein Schlag auf den Kopf.

Ich blieb im Westen und erhielt 1991 ein Rockefeller-Forschungsstipendium an der Rice University. 1993 veröffentlichte ich mein erstes Buch im Westen, in dem ich die Dzogchen-Lehren auf klare und einfache Weise darzustellen versuchte. 1994 stellte das National Endowment for the Humanities Forschungsgelder bereit, damit ich – in Zusammenarbeit mit Professor Anne Klein, Inhaberin des Lehrstuhls für Religionswissenschaft an der Rice University  – die logischen und philosophischen Aspekte der Bön-Religion erforschen konnte.

Meine wissenschaftlichen Interessen fanden also weiterhin Betätigungsgebiete, aber die Praxis ist stets das Wichtigste, und in dieser ganzen Zeit habe ich mich weiterhin auch für Traum und Traumpraxis interessiert. Und das ist kein bloß theoretisches Interesse. Ich habe der Weisheit meiner Träume vertraut, darin von früher Jugend an durch die Traumerfahrungen meiner Lehrer und meiner Mutter und durch den Stellenwert des Traums in der Bön-Tradition bestärkt; und ich habe in den letzten zehn Jahren intensiv den Traum-Yoga praktiziert. Wenn ich abends zu Bett gehe, empfinde ich Freiheit. Die Geschäfte des Tages sind vorüber. In manchen Nächten läuft die Praxis gut, in anderen weniger gut, und das ist nicht anders zu erwarten, bis man einen sehr hohen Stand erreicht hat. Ich gehe jedoch beinahe jeden Tag mit der Absicht zu Bett, die Traumpraxis auszuführen. Was ich in diesem Buch mitzuteilen habe, stammt aus meiner eigenen Erfahrung und aus den drei bereits angeführten Texten. Es erwuchs aus mündlichen Unterweisungen, die ich über etliche Jahre in Kalifornien und New Mexico gegeben habe. Der informelle Charakter dieser Unterweisungen wurde größtenteils beibehalten.

Der Traum-Yoga ist für mich eine der wichtigsten Stützen bei der Entwicklung meiner Praxis, und das gilt für viele Meister und Yogis* Tibets. Sehr beeindruckend habe ich beispielsweise immer die Geschichte von Shardza Rinpoche gefunden. Er war ein großer tibetischer Meister, der bei seinem Tod im Jahre 1934 den Lichtkörper (jalus*) erlangte, ein Zeichen der vollkommenen Verwirklichung. Er hatte viele hervorragende Schüler, verfasste zahlreiche bedeutende Texte und setzte sich tatkräftig für das Land ein, in dem er lebte. Man kann sich kaum vorstellen, wie er in seinem äußeren Leben so produktiv sein, wie er um der Menschen willen so viele Aufgaben auf sich nehmen und so viele langfristige Projekte begleiten konnte und dabei auch noch in der Lage war, seine spirituelle Praxis zu solcher Vollendung zu führen. Es gelang ihm, weil er nicht einen Teil des Tages nur schrieb, einen anderen Teil nur lehrte und in den wenigen verbleibenden Stunden dann meditierte. Sein ganzes Leben war Praxis, mochte er sich zur Meditation niedergesetzt haben oder schreiben oder lehren oder schlafen. Er schreibt, die Traumpraxis sei von zentraler Bedeutung für seinen spirituellen Weg und völlig unverzichtbar für das Erreichte gewesen. Das kann auch für uns gelten.

Einleitung

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Ob unser Tun tugendhaft oder lasterhaft ist, ob wir Mörder oder Heiliger, Mönch oder Freigeist und Wüstling sind, alle Tage enden gleich. Wir schließen die Augen und vergehen ins Dunkel. Wir tun es ohne Angst, obwohl ja alles, was wir »ich« nennen, verschwindet. Nach kurzer Zeit stellen sich Bilder ein, und mit ihnen kehrt unser Ich-Gefühl zurück. Wir existieren wieder in der scheinbar grenzenlosen Welt unserer Träume. Jede Nacht haben wir teil an diesen tiefen Mysterien, gehen von einer Dimension der Erfahrung in eine andere über, verlieren unser Ichgefühl und finden es wieder – und all das ist uns ganz selbstverständlich. Am Morgen wachen wir auf und machen weiter mit dem »wirklichen« Leben, aber in gewissem Sinne schlafen und träumen wir noch. Die Lehren sagen uns, dass wir weiterhin, Tag und Nacht, in diesem verblendeten, traumartigen Zustand bleiben oder aber zur Wahrheit erwachen können.

Wenn wir uns mit Schlaf- und Traum-Yoga befassen, werden wir Teil einer langen Übermittlungslinie. Seit Jahrhunderten widmen sich Menschen dieser Praxis, begegnen den gleichen Zweifeln und Hindernissen wie wir, und was sie schließlich erringen, steht auch für uns bereit. Viele hohe Lamas und Yogis haben den Schlaf- und Traum-Yoga zu ihrer Hauptpraxis gemacht und durch ihn Erleuchtung gefunden. Wenn wir uns diese Geschichte vergegenwärtigen und an die Menschen denken, die ihr Leben diesen Lehren gewidmet haben – an unsere spirituellen Ahnen, die in diesen Lehren die Früchte ihrer Praxis an uns weitergeben –, werden wir Vertrauen zu dieser Tradition fassen und dankbar sein, dass es sie gibt.

Manchen tibetischen Meister mag es befremden, dass ich diese Praktiken an Menschen aus dem Westen weitergebe, die sich nicht den vorbereitenden Übungen gewidmet haben und nicht das für erforderlich erachtete Vorverständnis besitzen. Traditionell sind diese Lehren stets geheim gewesen, und das war sowohl ein Zeichen der Achtung als auch eine Vorkehrung gegen ihre Verwässerung durch die Missverständnisse unvorbereiteter Praktizierender. Sie waren nie öffentlich oder leicht zugänglich und blieben Menschen vorbehalten, die die nötige Reife besaßen.

Die Praktiken sind heute nicht weniger wirksam oder wertvoll als früher, aber die Bedingungen in unserer Welt haben sich geändert, und so versuche ich jetzt etwas anderes. Ich hoffe, dass die Tradition dadurch, dass ich sie offen und einfach darlege, leichter zu bewahren ist und mehr Menschen zum Nutzen gereicht. Es bleibt natürlich wichtig, die Lehren zu achten, damit sie geschützt sind und unsere Praxis fördern können. Bemühen Sie sich bitte um direkte Einführung in diese Lehren durch einen authentischen Lehrer. Es ist gut, über diese Yogas zu lesen, aber noch besser ist die direkte mündliche Übermittlung, die stärkere Verbindungen zur Übertragungslinie knüpft. Außerdem stößt man unterwegs leicht auf Hindernisse, die man allein kaum zu überwinden vermag, während ein erfahrener Lehrer sie erkennt und helfen kann, sie aus dem Weg zu räumen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man nicht vergessen darf.

Unser menschliches Leben ist kostbar. Körper und Geist sind mit allem Notwendigen ausgerüstet. Vielleicht sind wir Lehrern begegnet und haben Unterweisungen empfangen, jedenfalls haben wir in diesem Leben die Freiheit, dem spirituellen Pfad zu folgen. Wir wissen, dass Praxis von entscheidender Bedeutung für die spirituelle Reise ist und unser Bestreben, anderen zu helfen, ebenfalls nicht ohne Praxis auskommt. Das Leben vergeht so schnell, und der Tod ist uns gewiss, doch obwohl wir das wissen, finden wir in unserem geschäftigen Leben selten die Zeit, so viel zu praktizieren, wie wir gern möchten. Wir meditieren vielleicht jeden Tag ein oder zwei Stunden lang, aber da bleiben immer noch zweiundzwanzig Stunden, in denen wir abgelenkt sind und von den Wellen des Samsāra* herumgeschleudert werden. Ein Gutteil unserer Zeit verbringen wir allerdings schlafend, und diese Stunden lassen sich für die Praxis verwenden.

So lautet denn auch eine der Hauptaussagen dieses Buchs, dass wir durch Übung mehr Bewusstheit in jeden Augenblick unseres Lebens hineintragen können. Dann werden Freiheit und Flexibilität beständig zunehmen, und wir lassen uns nicht mehr so sehr von allen unseren Belangen in Atem halten und ablenken. Wir sind auf lebhafte Weise und durchgängiger als bisher präsent, was uns zu besonneneren Reaktionen auf alles, was der Tag bringt, befähigt  – Reaktionen, mit denen anderen und unserer eigenen spirituellen Entwicklung in der bestmöglichen Weise gedient ist. Schließlich können wir dann eine durchgängige Bewusstheit erreichen, die im Traum ebenso gewahrt bleibt wie im Wachzustand. Dann erst können wir Traumphänomene schöpferisch und auf positive Weise umsetzen und den Traumzustand für die Praxis nutzen. Sobald das weit genug entwickelt ist, werden wir feststellen, dass das Leben für uns im Wachen wie im Träumen unbekümmerter, leichter und klarer wird und wir es mehr zu schätzen wissen; außerdem bereiten wir uns auf diese Weise auf die Befreiung im Zwischenzustand (bardo*) nach dem Tod vor.

Die Lehren geben uns viele Methoden für die Steigerung der Qualität unseres gewöhnlichen Lebens an die Hand. Das ist gut so, denn dieses Leben ist wichtig und lebenswert. Letztlich sind diese Yogas jedoch dazu da, uns zur Befreiung zu führen. Deshalb nimmt man dieses Buch am besten als ein Praxishandbuch, als Führer zu jenen Yogas der zum Bön oder Buddhismus gehörenden Traditionen Tibets, die Träume zum Aufwachen aus dem Traum des gewöhnlichen Lebens und den Schlaf zum Erwachen aus dem Zustand der Unwissenheit nutzen. Um das Buch in diesem Sinne nutzen zu können, sollten Sie Verbindung zu einem qualifizierten Lehrer aufnehmen. Dann sollten Sie zur geistigen Stabilisierung die im dritten Teil beschriebenen Übungen des Ruhigen Verweilens (zhine*) folgen lassen. Wenn Sie sich dann bereit fühlen, können Sie mit den vorbereitenden Übungen beginnen und sie nach und nach zu einem Bestandteil Ihres Lebens machen. Danach gehen Sie zu den primären Praktiken über.

Es gibt keinen Grund zur Eile. Seit unvordenklichen Zeiten irren wir in den Illusionen des Samsāra umher. Noch ein Buch über Spiritualität zu lesen wird daran nicht viel ändern. Folgen wir diesen Übungen aber von Anfang bis Ende, so werden wir zu unserer ursprünglichen Natur erwachen, und das ist nichts anderes als Erleuchtung.

Wenn wir nicht im Schlaf präsent zu bleiben lernen, wenn wir uns jede Nacht wieder verlieren, welche Chance haben wir dann wohl, im Tod bewusst zu bleiben? Wenn wir uns unseren Träumen so überlassen und uns den Bildern des Geistes gegenüber so verhalten, als wären sie real, dürfen wir erwarten, im Nachtod-Zustand Befreiung zu erlangen. Betrachten Sie Ihre Traumerfahrung, und Sie werden wissen, wie es Ihnen nach dem Tod ergehen wird. Betrachten Sie Ihre Schlaferfahrung, und Sie werden erkennen, ob Sie wirklich wach sind oder nicht.

Die Lehren empfangen

Die beste Art, mündliche oder schriftliche spirituelle Unterweisungen zu empfangen, ist »hören, Schlüsse ziehen und erleben«, also das Gesagte aufnehmen und intellektuell verstehen, sich klarmachen, was gemeint ist, und es dann praktisch anwenden. Geht man so an das Lernen heran, so ist es ein kontinuierlicher und nie endender Prozess; wo es sich jedoch auf die Ebene des Intellekts beschränkt, wird es ein Hindernis für die Praxis.

Was das Hören oder Empfangen der Lehren angeht, ist der gute Schüler wie eine klebrige Wand: Was man dagegen wirft, bleibt daran haften. Der schlechte Schüler dagegen ist wie eine trockene Wand: Was man dagegen wirft, fällt wieder zu Boden. Hat man die Lehren einmal empfangen, darf man sie nicht wieder verlieren oder vergeuden. Der Schüler muss die Lehren behalten und mit ihnen umgehen. Nicht von Verstehen durchdrungene Unterweisungen sind wie Gräser, die man an die Wand wirft und die zu Boden fallen und vergessen werden.

Zu einer Schlussfolgerung über die Bedeutung der Lehren kommen, das ist wie Licht machen in einem dunklen Zimmer: Was verborgen war, wird jetzt klar. Alle Bruchstücke fügen sich zu einem Bild und werden begriffen: »Aha!« Von einfachem begrifflichem Verstehen unterscheidet sich dieses Begreifen dadurch, dass es etwas ist, was wir jetzt wissen und nicht bloß gehört haben. Wenn man uns beispielsweise von einem gelben und einem roten Kissen in einem Zimmer erzählt, dann haben wir zwar ein intellektuelles Wissen von ihnen, aber wenn wir dann in dieses Zimmer gehen und es dort dunkel ist, wissen wir nicht, welches das gelbe und welches das rote ist. Den Sinn erfassen ist wie Licht machen: Wir erkennen dann sofort das gelbe und das rote Kissen. Die Lehre ist dann nichts mehr, was wir lediglich wiedergeben können; sie ist Teil unserer selbst.

Mit »praktisch anwenden« meinen wir die Umsetzung des begrifflich Verstandenen – des Entgegengenommenen, Erwogenen und in seiner Bedeutung Erforschten – in unmittelbare Erfahrung. Das lässt sich am Geschmack von Salz erläutern. Wir können über Salz sprechen, es in seiner chemischen Struktur erfassen und so weiter, aber die unmittelbare Erfahrung gewinnen wir nur dadurch, dass wir es schmecken. Diese Erfahrung kann nicht intellektuell erfasst oder in Worten vermittelt werden. Wenn wir jemandem, der noch nie Salz geschmeckt hat, davon erzählen, wird er nicht verstehen können, was wir da erfahren haben. Erzählen wir es aber jemandem, der weiß, wie Salz schmeckt, dann wissen wir beide, was gemeint ist. Ganz genauso ist es mit den Lehren. Und so studiert man sie: Man hört oder liest sie, denkt über sie nach, schließt auf ihre Bedeutung und sucht diese Bedeutung in der unmittelbaren Erfahrung auf.

In Tibet legt man Rohleder in die Sonne und reibt es mit Butter ein, damit es weicher wird. Der Schüler ist wie solches Rohleder, zäh und hart, voller starrer Anschauungen und unbeweglich in seinem Denken. Die Lehre (dharma*) ist die Butter, die durch Praxis einmassiert wird; die Sonne ist hier die unmittelbare Erfahrung. Wo beide vorhanden sind, wird der Schüler weich und geschmeidig. Butter wird jedoch auch in Lederbeuteln aufbewahrt. Lässt man die Butter jahrelang in solch einem Beutel, dann wird das Leder bretthart und ist auch mit frischer Butter nicht mehr zu erweichen. Wenn jemand viele Jahre die Lehren studiert, sie aber nur intellektuell verarbeitet und kaum praktische Erfahrung gewinnt, ist er wie dieses hart gewordene Leder. Die Lehren machen die zähe Haut der Unwissenheit und Konditionierung zunächst weicher, aber wenn sie dann einfach nur im Intellekt aufbewahrt und nicht durch Praxis einmassiert und von direkter Erfahrung durchwärmt werden, kann dieser Mensch in seinem intellektuellen Verständnis starr und unbeweglich werden. Weitere Lehren machen ihn dann nicht wieder geschmeidig; sie dringen nicht ein und können ihn nicht verwandeln. Geben wir also Acht, dass wir die Lehren nicht einfach als Verstandesinhalte speichern, denn als bloße Verstandesinhalte würden sie uns den Zugang zur Weisheit verstellen. Die Lehren sind keine Ideen, die man sammeln kann. Sie sind ein Pfad, dem man folgen muss.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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