Um die Welt - Augsburger Allgemeine - E-Book

Um die Welt E-Book

Augsburger Allgemeine

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Beschreibung

Lassen Sie sich mitnehmen zu einer Reise um die Welt: Zu einer Safari in den Süden Afrikas, zu einer Bootstour durch Schweden, nach New York oder nach Tokio, zum Angeln in die Karibik oder zum Wandern in die Alpen. Die Redakteure der Augsburger Allgemeinen berichten in diesem Buch aus allen Erdteilen, haben interessante Menschen getroffen und viele Einblicke in fremde Kulturen gewonnen. Sie erzählen in 44 spannenden Reportage, illustriert mit vielen tollen Fotos, von der Faszination des Reisens.

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Seitenzahl: 312

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Impressum

VERLAG

© 2015 Presse-Druck- und Verlags-GmbH

Curt-Frenzel-Straße 2

86167 Augsburg

www.presse-druck.de

IDEE | KONZEPT | REDAKTION

Doris Wegner

AUTOREN

Birgit Müller-Bardorff, Gloria Geißler-Brems, Norbert Eibel, Florian Eisele, Jasmin Fischer, Oliver Helmstädter, Ronald Hinzpeter, Cordula Homann, Ute Krogull, Andrea Kümpfbeck, Ulf Lippmann, Manuela Mayr, Richard Mayr, Nicole Prestle, Josef Reitmayer, Stephanie Sartor, Stefanie Sayle, Matthias Schalla, Tobias Schaumann, Sarah Schierack, Monika Schmich, Michael Schreiner, Wolfgang Schütz, Karin Seibold, Lilo Solcher, Lea Thies, Rudi Wais, Doris Wegner, Matthias Zimmermann, Miriam Zissler

PROJEKTMANAGEMENT

Andreas Schmutterer (Ltg.), Sabine Mayr, Andreas Zündt

LAYOUT | SATZ

Sonja Löffler, Medienzentrum Augsburg GmbH

BILDER

Siehe Bildnachweis

PRODUKTION

epubli GmbH, Prinzessinnenstraße 20, 10969 Berlin

AUFLAGE | JAHR

1. Auflage 2015

ISBN

978-3-7375-6710-7

Vorwort

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

warum nur tun wir uns das eigentlich immer wieder an? Das mühselige Kofferpacken, die viel zu engen Flugzeuge, die überfüllten Autobahn-Raststätten. Die Antwort ist ganz einfach: Weil uns Entdeckungen und neue Erfahrungen locken. Weil wir uns selbst ein Bild von der Welt machen wollen und weil wir Reise für Reise ein bisschen mehr von ihr begreifen möchten.

Für den Reiz des Neuen nehmen wir alle Unannehmlichkeiten in Kauf. Denn wir wissen, danach sind unserer Neugierde kaum Grenzen gesetzt, werden uns Erlebnisse und Begegnungen geschenkt, von denen wir noch lange erzählen werden. Sich auf etwas Neues, vielleicht auch Ungeplantes einlassen, das macht die Faszination des Reisen aus, genauso wie das gute Gefühl den Horizont erweitert zu haben.

Und dafür muss es nicht nur in die Ferne gehen. Die Schönheit der Welt entdecken, ohne die Augen vor den Problemen und Nöten in anderen Ländern zu verschließen, auf andere Menschen zugehen … Das haben unsere Reporter getan. Sie haben in allen Erdteilen dieser Welt Geschichten aufgeschrieben, die Sie nun in diesem Buch nachlesen können, begleitet von vielen tollen Fotos. Lassen Sie sich einfach mitnehmen von Kontinent zu Kontinent.

Reisen Sie mit uns „Um die Welt“. Nach Südafrika und nach Schweden, nach New York und Tokio, zum Angeln in die Karibik und zum Wandern in die Alpen. Und vielleicht finden Sie ja auch Inspiration für Ihr nächstes Reiseziel. Es gibt jede Menge zu entdecken – vor allem in diesem Buch …

Ihre Doris Wegner

Inhalt

EUROPA

Deutschland

Watt ’ne Wanderung

Deutschland

Im Burgenland

Deutschland | Österreich | Italien

Eine Familie geht an ihre Grenzen

Deutschland | Österreich

Auf den Spuren des weißen Goldes

Österreich

Und jetzt ich!

Slowakei

Ein Ufo in der Stadt

Schweiz

Kaminfeger – ein Unglück

Italien

Im Land der Motoren

Montenegro

Schöne Unbekannte

Griechenland

Die Stadt der guten Hoffnung

Portugal

In aller Ruhe

Frankreich

Der Weg zu den verschwundenen Dörfern

England

Hauszelt mit Badewanne

Schweden

Kanal toll

Norwegen

Die Jagd nach dem Polarlicht

Russland

Wenn es Nacht wird in St. Petersburg

AFRIKA

Marokko

Die Gassen von Fès

Tunesien

Das Licht Afrikas

Tansania

Beim König der Löwen

Südafrika | Johannesburg

Das Schmuddelkind hat sich rausgeputzt

Südafrika | Kapstadt

Die Kunst der Verwandlung

ASIEN

Vietnam

Nah am Wasser gebaut

China | Hongkong

Die „Supercity“

Kambodscha

Schwieriges Erbe

Thailand

Ida im Land der goldenen Buddhas

Japan | Tokio

Nicht zu fassen

Indonesien

Zwischen den Welten

Indien

Der Sound des Lebens

Abu Dhabi

Wenn Geld Tradition frisst

AUSTRALIEN

Australien

Der Berg ruft

Australien

Kangaroo Island

Lord Howe

Australiens Juwel

AMERIKA

USA | New York

Legenden, Geld und Pappkartons

USA | Missouri

Der Geist von Jesse James

USA | North Carolina

Rauschen durch den Blätterwald

USA | Mississippi

Im Delta des Blues

Kanada

Weiße Riesen

Kanada

Such dir deine eigene Spur

Kuba

Cuba libre

Karibik

Jede Menge Wind

Bahamas

Der alte Mann und kein Fisch

Peru

Machu Picchu

Brasilien

Was für ein Waljahr

Grönland

Unter Null

Deutschland

Watt ’ne Wanderung

Das Wattenmeer der Nordsee ist rund 9000 Quadratkilometer groß. Genug Platz für eine Wanderung.

Das Meer ist mal wieder weg, die Sonne steht tief, endlich Ruhe. Auf der Insel Spiekeroog gelten Fahrräder als „Stressfaktor“, Urlauber sind damit einfach zu schnell unterwegs. Am besten geht man hier den Herbst ganz langsam an

Von Manuela Mayr

„Genieße das Meer“, hatte ein Kollege vor der Abreise gesagt. Das Meer. Die ewige Sehnsucht. Wild bewegt wie der Atlantik oder sanft gewellt wie die Adria – wie wird sie sein, die Nordsee, bei unserer ersten Begegnung? Silbergrau und glatt wie Eis hat sie sich vor Wilhelmshaven ausgebreitet. Kein Lüftchen rührt im Dämmerlicht des frühen Abends an der spiegelblanken Wasserfläche im Hafenbecken. Kein Laut stört das Einschlummern des warmen, klaren Herbsttages.

Über Nacht wandelt sich das Bild. Wolken sind aufgezogen. Es nieselt leicht. Vielleicht ist sie ja heute zu erleben, die stürmische See, von der immer erzählt wird – in Neuharlingersiel, dem Ziel unserer ersten Ausflugsfahrt. Im Hafen sieht es nicht danach aus. Der alte Fischer aus Bronze, der dem Gast den Hintern entgegenstreckt, blickt stoisch aufs trübe Wasser. Ruhig wie ein Dorfteich, umgeben von spitzgiebeligen bunten Häuschen, liegt es da. Die Masten der Boote an der Kaimauer stehen kerzengerade. Da wogt nichts, da schwankt nichts.

Aber immerhin ist ein Pegel erreicht, der die Überfahrt nach Spiekeroog erlaubt.

Bei Ebbe geht das nicht. Da kann man durch das Watt in vier Stunden zur Insel hinüberwandern, natürlich nur unter fachkundiger Führung. Denn wer auf eigene Faust loszieht, riskiert, plötzlich von der Flut mitgerissen zu werden. Vor Jahren ist es einer Urlauberfamilie so ergangen, erzählt Susanne Mäntele, die Sprecherin des Nordseeheilbads Neuharlingersiel. Als das Wasser kam, klammerten sich die unerfahrenen Wattwanderer an Tonnen, die die Fahrrinne für die Schiffe markieren, und wurden in letzter Minute gerettet.

Auf Spiekeroog sind selbst Fahrräder zu schnell

Aber wir haben ja einen professionellen Wattführer dabei. Frank Hensel kennt das Geschäft seit zwölf Jahren. Der junge Mann mit dem blonden Pferdeschwanz weiß, in welchem Zeitfenster der Meeresboden vor den Ostfriesischen Inseln gefahrlos erkundet werden kann. Der Gezeitenrhythmus von Hoch- und Niedrigwasser, der sich zweimal täglich wiederholt und im Laufe des Jahres verschiebt, bestimmt den Tagesablauf an der Küste. Jetzt, am Vormittag, ist Flut. Die „Gorch Fock“ legt ab. Im Zickzackkurs steuert Wilhelm Jakob seinen Kutter durch die mit Bäumchen gekennzeichnete Fahrrinne. Ihr Verlauf ändert sich mit der Zeit, weil die Sedimente im Watt vom Auf und Ab der Strömung permanent umgelagert werden, erzählt der Kapitän. Etwa um drei Kilometer habe er sich von 1998 bis 2004 verschoben.

Eigentlich ist Jakob Küstenfischer, schon in der siebten Generation. Aber mittlerweile fährt der 60-Jährige notgedrungen nur noch Touristen. Weil er auf seinem Kutter keine Kühlmöglichkeit hat, darf er keine Krabben mehr vermarkten. Aber er fischt trotzdem. Und er beweist, dass das hier ein richtiges Meer ist, auch wenn sich das Schleppnetz nur wenige Meter tief auf den Grund senkt. Schon nach wenigen Minuten hievt er die Beweisstücke in die Höhe: Krebse und kleine Fische sind ins Netz gegangen. An Bord stehen Bottiche voll Wasser bereit, um die Beute aufzunehmen. Jetzt ist Frank Hensel in seinem Element. Er hat Umweltwissenschaften studiert und ist Spezialist für den Lebensraum Wattenmeer, das im Jahr 2009 zum Weltnaturerbe erklärt wurde.

Seehunde auf der Sandbank. Für ein Sonnenbad genügt ihnen auch trübes Licht.

Hensel hält eine stattliche Strandkrabbe mit zwei unterschiedlich großen Scheren hoch. Die eine hatte sie wohl im Kampf verloren, und die wächst jetzt nach, sagt er. Auch eine Schwimmkrabbe mit abgeflachten Hinterbeinen ist dabei, und natürlich Langschwanzkrabben, auch Garnelen genannt. Man kennt sie von den Krabbenbrötchen. Im vorderen Teil des Kutters wird ein ganzes Sieb voll davon in siedend heißes Wasser getaucht – für den kleinen Hunger zwischendurch. Der Fang im Bottich ist allerdings nicht zum Essen bestimmt. Alle Anschauungsobjekte werden wieder freigelassen – der kleine Dorsch mit den silbernen Schuppen, die winzige Scholle, der stachelige Seeskorpion mit dem furchterregend aufgerissenen Maul, der Steinpicker und der Seestern, der die Miesmuscheln auf dem Wattboden knackt.

Draußen auf dem Wasser lenken jetzt größere Tiere die Aufmerksamkeit auf sich: Seehunde nehmen auf einer Sandbank ihr Sonnenbad. Auch wenn das Licht nur gedämpft durch den Dunstschleier dringt, bauen die Robben so ihren lebensnotwendigen Vitamin-D-Spiegel auf. Von dem herannahenden Kutter lassen sie sich nicht stören. Noch ein kleines Stück tuckert das Boot weiter, und Spiekeroog, die grüne Insel, ist erreicht. Auf der Salzwiese hinter dem Hafen grasen Islandpferde, hinter dem Deich weiden Schafe und dazwischen erstreckt sich ein langer gepflasterter Weg. Von nun an wird zu Fuß gegangen. Drei Autos gibt es auf der Insel – eines für die Feuerwehr, zwei für den Rettungsdienst – und ein Dienstfahrrad für den Polizisten.

Ansonsten rollen hier vor allem zweirädrige Gepäckwagen. Mit Vorhängeschlössern gesichert stehen sie an der Schiffsanlegestelle für die Hotel- und Pensionsgäste breit. Wer ein Fahrrad mitbringt, zahlt extra. „Ein Fahrrad ist ein Stressfaktor“, sagt Patrick Kösters, der Tourismuschef der Kurverwaltung. So schalten eben alle einen Gang zurück. Man sieht es den Urlaubern an, die gemächlich an Vorgärten und Veranden vorbeispazieren oder auf den Terrassen der Lokale an ihrem Ostfriesentee nippen: entspannte Gesichter, verwöhnt von frischer Luft, Sonne, Sauna und Massagen und erfüllt von Naturerlebnissen.

Endlich da: dieses Nordseegefühl …

Es ist später Nachmittag, als wir zur Wattwanderung aufbrechen. Die Sonne steht tief, die Landschaft wirkt milchig überzogen, weich und weit. Das Meer ist weg, doch es hat in Bodenvertiefungen Pfützen und Wasseradern hinterlassen – kleine Priele, gesäumt von Pflanzenteppichen oder einzelnen Büscheln in Grün, Beige, Hellgrau und Rostrot. Auf einer Wiese in Hafennähe bückt sich Frank Hensel nach vertrocknetem Strandflieder. Im Juli habe der violett geblüht, sagt er. Wie die Strandaster und der Strandwermut, der früher als Absinth getrunken wurde, toleriert er die regelmäßigen Salzwasserduschen.

Ein unwirtlicher Lebensraum, der im Herbst Pausenplatz von Millionen Zugvögeln ist. Weit draußen fressen sie sich das Fett für die Reise in ihre Brutgebiete an. Austernfischer, Sandregenpfeifer, Meerstrandläufer, Ringelgänse, Eiderenten, Rotschenkel – die Liste der Arten, die im Sand und im Schlick ihre Nahrung finden, ist lang. Ihre Schnäbel sind so geformt, dass sie das für sie passende Getier perfekt erreichen. Der Wattführer braucht dafür eine Stechgabel. Mit nackten Füßen spürt er, wo Herzmuscheln stecken. 28 Stück findet er auf einem Quadratdezimeter. Wenn es wärmer wäre, würden sie sich mit ihrem Grabefuß wieder einbuddeln. Aber jetzt im Herbst sind sie träge und stellen sich tot.

Warm genug ist es dagegen für die pazifischen Austern. Feinschmeckerlokale haben sie eingeschleppt, als sie die importierten Muscheln in Körben ins Wasser tauchten, um sie frisch zu halten. Die Migranten fühlen sich wohl – dem Klimawandel sei Dank. Manche Wattwanderer kommen nur ihretwegen, um sie an Ort und Stelle zu knacken und zu schlürfen. Den Sekt haben sie im Rucksack dabei, erzählt Hensel. Allmählich senkt sich Dunkelheit herab. Wir müssen zurück. Und dann heißt es warten, bis die Flut kommt. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt steigen wir dann eine lange Leiter hinab in den Kutter. So tief liegt er im Hafen. Langsam und vorsichtig steuert der Kapitän ihn in Richtung Festland. Wer zur falschen Zeit kommt, muss das Meer an der Nordsee regelrecht suchen. Gut, dass es Flugzeuge gibt. In Harle heben sie ab, allerdings nicht nach Spiekeroog, denn dort gibt es keinen Flugplatz. Aber nach Baltrum die kleinste der sieben ostfriesischen Inseln.

Spiekeroog, die Insel der passionierten Fußgänger. Fahrräder gelten hier als zu „hektisch“.

Aus der Luft ist es tags darauf endlich zu sehen, das offene Meer – wild und rau, mit Schaumkronen auf den Wellenkämmen. Davor liegt das Watt in herbstliche Farben getaucht. „Das ist unser Indian Summer“, sagt der Pilot der Cessna. Der Mann ist ein Routinier. Sanft setzt er die Maschine auf der nur 360 Meter kurzen Landebahn auf und bremst sie gefühlvoll ab. Draußen ist Schluss mit der weichen Tour. Der Wind wühlt die Haare durcheinander. Karen Kammer, die Leiterin des Nationalparkhauses auf Baltrum, hat sich mit einer Mütze gewappnet. Über die Dünen führt sie uns in den Ort mit den strengen Backsteinhäusern, vorbei an Hecken voller Kartoffelrosen mit dicken roten Hagebutten.

Dieses Nordsee-Gefühl stellt sich ein. Das Gefühl, der Naturgewalt ausgesetzt zu sein wie die karge Insel selbst. Zweigeteilt war sie schon einmal durch eine Sturmflut im Jahre 1720, an der Westseite hat sie viereinhalb Kilometer Land eingebüßt. Massive Steinschwellen, sogenannte Buhnen, schützen sie jetzt vor dem weiteren Abbröckeln.

Kurz informiert:

Info:

www.die-nordsee.de

Geodaten: 53°46'20.2"N 7°44'15.8"E (Spiekeroog),

Google Maps

Gesundheit: Bei Lungenerkrankungen hilft das heilsame Klima der Nordsee. Der Schlick des Watts wird für Thalasobehandlungen genutzt.

Nicht verpassen: Barfuß über den Meeresboden gehen und die Konsistenz des Watts spüren, sich eine Reflexzonenmassage der Fußsohlen in freier Natur gönnen und dabei in Bewegung sein.

Deutschland

Im Burgenland

Majestätisch streckt sich der Blaue Turm von Bad Wimpfen dem Himmel entgegen.

Heimaturlaub: Eintauchen ins Mittelalter links und rechts der traditionsreichen Burgenstraße am Unteren Neckar

Von Norbert Eibel

Was für ein Ausblick mitten hinein in eine deutsche Seelenlandschaft, wie sie romantischer kaum sein könnte! Vom 40 Meter hohen Bergfried der Burg Guttenberg auf einem Sporn zwischen Neckar- und Mühlbachtal wandert der Blick ungehindert 360 Grad ins Rund. Mit ihrem mächtigen Turm, den vielen Mauern und Wachtürmen und dem großen Palas grüßt die Festung ins Tal hinunter. Unten schlängelt sich gemächlich der Fluss, an den Hängen ziehen sich Weinreben hinauf, darüber stockt prächtiger Mischwald. Und kaum ein Blickwinkel wird nicht von den Zinnen einer Festung oder eines Schlösschens gekrönt.

Von seinem Ausguck herunter spricht Burgherr Bernolph Freiherr von Gemmingen-Guttenberg eloquent mit ungekünstelter Noblesse über die Familiengeschichte. 1449 kaufte Vorfahr Hans von Gemmingen, "der Reiche" genannt, "für läppische 6000 rheinische Gulden die Veste, denn Burgen waren damals ein Auslaufmodell." Die Guttenberg wurde in der Stauferzeit um 1200 zur Sicherung der Kaiserpfalz im nahen Bad Wimpfen gebaut. Sie ist eine der wenigen Burganlagen, die in 800 Jahren nie zerstört wurde und noch immer bewohnt ist - in der 17. Generation von der Linie zu Gemmingen-Guttenberg. Drumherum erstrecken sich auch heute noch knapp 400 Hektar Wald, den die eigene Fortverwaltung bewirtschaftet.

Die Altstadt von Bad Wimpfen thront über dem Neckartal.

Adel verpflichtet - auch heute noch. Für Freiherr Bernolph bedeutet dies, das kostspielige Anwesen für die nächste Generation zu erhalten und das Burgtor für Besucher zu öffnen. Auf Wunsch bietet er persönliche Führungen durch das Burgmuseum an, wo Schätze aus 550 Jahren Familiengeschichte gezeigt werden. Besonders stolz ist man auf Burg Guttenberg auf die Holzbibliothek: Die 93 Bände, die aussehen wie dicke Bücher, sind eine echte Rarität. In den Kästchen aus Holz werden Blüten und Blätter verschiedener, teils schon längst ausgestorbener Baumarten aufbewahrt. In den Zwingeranlagen der Burg hat die Deutsche Greifenwarte ihren Sitz. Rund 100 Raubvögel, vom Geier über den Adler bis zur Eule, können dort bei Flugvorführungen beobachtet werden.

Die besterhaltene Kaiserpfalz nördlich der Alpen

Rund zehn Kilometer südlicher thront die Altstadt von Bad Wimpfen über dem Tal, einer der Höhepunkte auf der Burgenstraße. Ihre Mauern beherbergen die am besten erhaltene Kaiserpfalz nördlich der Alpen. Ein Streifzug durch die verwinkelten Gassen der Stadt, die unter den staufischen Reisekaisern im Mittelalter den Status einer Metropole erlangte, führt zwangsläufig zum höchsten Punkt, dem "Blauen Turm", Bollwerk und Wahrzeichen der Stadt. Oben wohnt auf 53 Quadratmetern seit über 15 Jahren Blanca Knodel, Deutschlands einzige Türmerin. 60 Meter über dem Pflaster der Stadt hat sie drei Kinder großgezogen und lebt heute dort mit Klavier, Whirlpool und Hauskater. Die 134 Stufen hinunter nimmt sie nur einmal in der Woche, denn "so nah am Himmel ist der schönste Platz, den ich mir vorstellen kann." Auch unten scheint die Zeit stehen geblieben. Denkmalgeschützte Häuser bilden die Kulisse für die sehenswerten Museen der Stadt, das Historische, das Reichsstädtische und das Kirchenhistorische.

Wer nach so viel Kultur Bewegungsdrang verspürt, dem bietet die Burgenstraße sportliche Alternativen: Eher gemächlich ist eine Bootsfahrt oder Kanutour auf dem Neckar, aktivere Wanderfreunde schnüren ihre Stiefel und nehmen den Neckarsteig unter die Sohlen und auf dem durchgängig beschilderten Radweg lässt sich die Landschaft mit eigener Kraft oder per E-Bike erstrampeln. Die Etappe von Bad Wimpfen nach Neckarzimmern ist besonders sehenswert. Ohne größere Steigungen führt die Route im Tal unterhalb der Weinberge vorbei an Schloss Ehrenberg, Burg Guttenberg, Schloss Horneck und Burg Hornberg. Der Sitz Götz von Berlichingens, dem durch Goethe bekannt gewordenen Ritter mit der eisernen Hand, ist die älteste Festung im Neckartal. Die umgebauten Stallungen werden heute als Hotel-Restaurant genutzt, die eigentliche Veste ist nur mehr Ruine und prächtige Kulisse, die besichtigt werden kann.

Bei der Ruine handelt es sich um die Burg Hornberg am rechten Neckarufer bei Neckarzimmern.

Wer hungrig oder durstig geworden ist, muss aber nicht den kurzen, aber giftigen Anstieg hinauf zur Burg in Kauf nehmen. Auch unten im Tal gibt es zahlreiche Einkehrmöglichkeiten. Ein lauschiges Plätzchen kennt der Gundelsheimer Stadtführer Armin Englert. Im Weinbau Pavillon der Familie Greiss werden edle Tropfen von den nahen Rebhängen ausgeschenkt. Der Lemberger Weißherbst vom Gundelsheimer Himmelreich ist ein leichter Wein und schmeckt hervorragend zur Winzervesper mit Wurst und Käse. Gehaltvoller ist die Urban-Spätlese, ein trockener Roter aus derselben Lage. Wer sich am Ende der Radtour derart verausgabt hat, für dessen bequemen Rücktransport sorgt die Neckartalbahn.

Ob zu Fuß, auf zwei oder auf vier Rädern, eine Reise durchs Stauferland am Neckar entlang endet stilecht in Heidelberg, dem stadtgewordenen Synonym für Romantik. Die verwinkelte Altstadt mit ihren Plätzen, der weltbekannten Schlossruine und der Alten Brücke zieht Touristen aus aller Herren Länder an. Wer diesem allzu lauten Treiben in der Hauptstraße, der angeblich längsten Fußgängerzone Deutschlands, überdrüssig geworden ist, findet eine Seitengasse weiter eine Szenerie, die romantische Dichter, Musiker und Maler in ihren Werken heraufbeschworen haben.

Heidelbergs eigentliche Attraktion ist die Landschaft

Es empfiehlt  sich, die Bergbahn vom Kornmarkt zum Schloss hinauf zu meiden und die Anlage zu Fuß zu erforschen. Jenseits der klassischen Besucherziele, dem Ottheinrichbau und dem größten Weinfass der Welt  rückt ein Bummel über die Terrassen und angrenzenden Gärten die eigentliche Attraktion in den Mittelpunkt: die Landschaft. Wo der Neckar den Odenwald hinter sich lässt und durch die Rheinebene seiner Mündung zuströmt, ist Heidelberg mit seinen Türmen und Zinnen eine ganz besondere Landmarke an der an großartigen Panoramen reichen Burgenstraße.

Die Burgenstraße ist eine der ältesten Ferienstraßen Deutschlands. Das Bild zeigt Schloss Horneck.

Kurz informiert:

Info:

www.burgenstraße.de

Geodaten: 49°13'47.2"N 9°10'02.1"E (Bad Wimpfen),

Google Maps

Nicht verpassen: Zu Fuß führt der Neckarsteig auf 126,4 Kilometern in acht Tagesetappen von Heidelberg nach Bad Wimpfen. Wo der Untere Neckar in die Rheineben strömt,  wartet mit Heidelberg der städtebauliche Höhepunkt. Besonders schön ist der Blick vom Schloss hinunter auf die Altstadt. Es empfiehlt sich, den Touristenmassen auszuweichen und um die Anlage herum durch den stilleren Park und die umliegenden Höhen zu spazieren.

Deutschland | Österreich | Italien

Eine Familie geht an ihre Grenzen

Idyllisch sieht er aus, der Fernwanderweg E 5 – doch die Strecke hat es ganz schön in sich!

Geschafft! Auf dem Fernwanderweg E 5 in sechs Tagen über die Alpen nach Meran. Mit acht Kilo Gepäck und viel Ausdauer unterwegs

Von Rudi Wais

Hirschtalg, Blasenpflaster, dünne Handtücher aus Mikrofaser und nur ja keine Unterhose zu viel: Das etwas andere Urlaubsgepäck soll nicht mehr als acht Kilo wiegen und in einen Rucksack mittlerer Größe passen. Sonst wird es, buchstäblich, zur Last. Von Oberstdorf nach Meran, eine der populärsten Wanderrouten Europas, schaffen es zwar angeblich auch zehnjährige Kinder und rüstige Mittsiebziger. Unser Selbstversuch aber zeigt: Familien sind auf dem Fernwanderweg E 5 so selten wie ein Enzian in der Eifel und auch nicht die Zielgruppe der einschlägigen Ratgeber. Ambitionierte Bergfexe und die geführten Touren der Bergschulen haben mit den Zeitvorgaben der diversen Wanderführer kein Problem - andere schon. Am Ende aber werden auch wir in Meran ankommen, ganz auf eigene Faust: Vater, Mutter und drei Kinder im Alter von 17, 15 und zwölf Jahren.

Der erste Tag

Katja, unsere Große, ist richtig euphorisch: "Nur der Berg, mein Rucksack und ich, das nenne ich eine Grenzerfahrung." Der Weg von Spielmannsau im Trettachtal zur Kemptener Hütte sieht auf den ersten Metern noch verführerisch flach aus. Eine halbe Stunde später allerdings kämpfen wir uns bereits durch ein schweißtreibendes Steilstück. In der Mittagshitze wiegen die paar Kilo auf dem Rücken einen gefühlten Zentner. Oliver jedoch, der als Kleinster auch den kleinsten Rucksack trägt, hüpft den Berg scheinbar mühelos hinauf.

Forschen Schrittes bergwärts: die Familie Wais.

850 Höhenmeter sind es bis nach oben und die drei Stunden Gehzeit aus dem kleinen Führer, den wir dabeihaben, schon überschritten. "Kurz vor dem Gipfel sterben die meisten", sagt Benjamin, unser Zweiter, irgendwann zu seiner erschöpften Mutter - was deren Laune nicht wirklich hebt. Auf der Hütte, nach gut vier Stunden, bestraft das Leben wie einst bei Gorbatschow den, der zu spät kommt: Die Duschen im zweitgrößten Schutzhaus der Allgäuer Alpen arbeiten mit Solarenergie. Als wir ankommen, erschöpft, aber zufrieden, ist der Vorrat an Warmwasser aufgebraucht. Wer duschen will, duscht kalt. Eisig kalt.

Der zweite Tag

Wanderer sind Frühaufsteher. Wir nicht. Als wir kurz nach acht die Kemptener Hütte verlassen, gehören wir zu den letzten Gästen dort. Bis zur deutsch-österreichischen Grenze am Mädelejoch auf knapp 2000 Metern kommen wir noch zügig voran. Der anschließende Abstieg durch das Höhenbachtal aber hat es in sich: Steil geht es auf Schotter und Geröll nach unten, fast jeder Tritt will wohlüberlegt und sauber gesetzt sein. Für die 900 Höhenmeter brauchen wir deshalb mehr als drei Stunden.

Nun rächt es sich, dass wir morgens getrödelt haben. Nach einer längeren Mittagspause in Holzgau hat der Familienrat so seine Zweifel, ob der mehrstündige Aufstieg zur Memminger Hütte in den Lechtaler Alpen noch zu schaffen ist - und entscheidet sich für den Postbus nach Zams. Es ist ein kleiner Triumph der Bequemlichkeit über den Ehrgeiz. Außerdem haben die Gasthöfe unten, im Inntal, garantiert warmes Wasser. In einem von ihnen sitzen zwei Wanderer, die wir tags zuvor schon getroffen haben. Auch sie haben den Postbus genommen.

Der dritte Tag

Schnell noch Wasser und Müsliriegel gekauft - und ab auf den Krahberg. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, nehmen selbst routinierte Tourengeher für diese Strecke die Gondel. Oben angekommen machen wir uns an der Südflanke des Venetberges auf den Weg zur Goglesalm und weiter zur Galflunalm - eine kleine Hütte für zwei Dutzend Wanderer, deren Dusche zuverlässig warmes Wasser liefert, weil sie noch ganz altmodisch mit Holz befeuert wird. Die Strecke ist, von wenigen steileren Stücken abgesehen, nicht allzu strapaziös, das Panorama beeindruckend und das Binnenklima unserer Wanderfamilie entsprechend gut. Außerdem gibt es hier, auf fast 2000 Metern Höhe, ein Handynetz - zur Freude der Tochter und ihrer Facebook-Freunde. Nachts macht es sich die Hüttenkatze zwischen den Gästen bequem.

Der vierte Tag

Nach einem deftigen Frühstück geht es 1000 Höhenmeter hinab nach Wenns. Der Weg führt in sanft geschwungenen Kurven ins Pitztal, ist für unsere etwas malträtierten Gelenke aber schon wegen seiner schieren Länge belastender als mancher Aufstieg. Dennoch kommen wir gut voran und freuen uns auf die kleine Verschnaufpause in Wenns: Der Bus nach Mittelberg, wo der Aufstieg zur Braunschweiger Hütte beginnt, fährt eine knappe Stunde. Endlich sitzen! An der Endstation aber hängen dunkle Wolken im Berg, der Wetterbericht kündigt ein Gewitter an. Ein junges Paar aus dem Allgäu wagt den Aufstieg trotzdem. Eltern wie wir, die nichts riskieren wollen und schon gar keinen gebrochenen Knöchel auf glitschigem Terrain, drehen um und fahren mit dem Bus nach Vent im Ötztal. Diesmal ist es kein Sieg der Bequemlichkeit, sondern einer der Vernunft.

Der fünfte Tag

Es hat viel geregnet in der Nacht, auf dem neun Kilometer langen Aufstieg zur Martin-Busch-Hütte aber fallen nur noch ein paar Tropfen. Wir liegen gut in der Zeit und sehen hunderte von Schafen, die hier im österreichisch-italienischen Grenzgebiet weiden - mit Glocken um den Hals wie die Kühe auch. Von Höhenmeter zu Höhenmeter wird die Vegetation karger, bis wir endlich an der Busch-Hütte auf 2501 Metern ankommen.

Leuchtet grün aus dem Tal empor: der Vernagt-Stausee im Schnalstal.

Dass die ehemalige Hermann-Göring-Hütte heute vom Alpenverein Berlin betreut wird, spüren wir schon beim Betreten. Der Ton ist preußisch-nassforsch, Verbotsschilder drohen mit Geldstrafen für jeden, der mit seinen klobigen Bergschuhen die Treppe betritt - und Familien stören offenbar nur. Kaum dass wir gegessen haben, fordert die Wirtin uns schon auf, den Tisch für andere Wanderer freizumachen. Auf uns aber wartet jetzt nur noch eine unruhige Nacht in einem muffigen Massenlager, ehe wir an unserem Ziel sind: Italien.

Der sechste Tag

Noch ein überteuertes Frühstück und auf zum letzten Akt dieses kleinen Bergsteigerdramas. Am Abend zuvor ist auch bei uns die leise Saat des Zweifels aufgegangen: erst 500 Höhenmeter nach oben und dann satte 1300 nach unten. Packen wir das? Weil wegen des langen Winters viel mehr Schnee liegt als sonst, nehmen wir zunächst aus Versehen den Weg zur Fundstelle des Ötzi, der uns noch einmal eineinhalb Stunden nach oben führen würde. Mühsam nur finden wir zurück auf den richtigen Pfad, sinken auf dem Schneefeld vor der Similaun-Hütte immer wieder ein oder rutschen auf Passagen voller Geröll plötzlich ab.

Das Gefühl, nach vier Stunden oben angekommen zu sein, auf gut 3000 Metern, entschädigt jedoch für alle Strapazen. Es ist, im wahrsten Sinne des Wortes, der Höhepunkt unserer Tour! Nach einer kräftigenden Minestrone geht es hinunter ins Schnalstal zum Vernagt-Stausee, der in der Mittagssonne in kühlem Türkis schimmert. Dass wir dafür noch einmal vier Stunden benötigen werden, ahnen wir nicht. Die Profis mit ihren Hightech-Ausrüstungen und dem siegessicheren Lächeln von Männern Mitte fünfzig auf den Lippen, die sich noch einmal beweisen müssen, sind in zwei Stunden unten. Uns aber ist das jetzt auch egal. Wir haben es geschafft!

Unser Fazit

"Courage ist gut, Ausdauer ist besser." Auf einem unserer kleinen Umwege, in einem Gasthaus in Vent, haben wir ein Schild mit dieser alten Wandererweisheit entdeckt. Familien, die über die Alpen wandern, brauchen allerdings  nicht nur Courage und Ausdauer, sondern auch einen etwas anderen Takt. Also: Lieber einen Tag mehr einplanen als die Profis und ihre Wanderliteraten, lieber mal ein Steilstück auslassen und dafür in Ruhe Murmeltiere und Steinböcke beobachten. Am Ende, kurz vor dem Stausee, überholt uns eine Gruppe von Wanderern aus Niederbayern, die wir in dieser Woche immer wieder mal getroffen haben. "Gut habt‘s das gemacht", sagt einer von ihnen zu unseren Kindern. "Bis zum Ende durchgehalten. Respekt."

Die eine Woche auf Madeira anschließend haben wir uns jedenfalls verdient. Eigentlich ist die Atlantikinsel ja ein Wandererparadies. Wir aber lassen die Bergschuhe diesmal zu Hause - und schnüren sie erst im nächsten Jahr wieder. Dann geht es noch einmal auf den E 5. Mit Courage. Mit Ausdauer. Und mit etwas mehr Zeit.

Kurz informiert:

Reisezeit: Als beste Wanderzeit gelten Mitte Juli bis Mitte September, wenn der Großteil der Schneereste aus dem vergangenen Winter geschmolzen und die Gefahr neuer Schneefälle noch gering ist

Information: Wanderer, die nicht auf eigene Faust über die Alpen wollen, können sich auch einer geführten Tour anschließen, wie sie verschiedene Bergschulen im Allgäu und im Kleinwalsertal im Programm haben.

Geodaten: 47°24'39.6"N 10°16'38.5"E (Oberstdorf),

Google Maps

Gesundheit: Nicht an der Ausrüstung sparen! Regenschutz, gutes Schuhwerk und ein gut sitzender, nicht zu großer Rucksack sind das A und O für das Gelingen einer solchen Tour. An einigen Stellen ist Schwindelfreiheit erforderlich.

Nicht verpassen: Die Minestrone auf der Similaun-Hütte. Vor dem letzten schweißtreibenden Abstieg ein erster Eindruck von Italien - in mehr als 300 Metern Höhe. Die Fittesten  der Fitten gehen vorher noch an der Fundstelle des Ötzi vorbei.

Deutschland | Österreich

Auf den Spuren des weißen Goldes

Auf dem Königssee wurden einst die Baumstämme transportiert, die für Befeuerung der Sudpfannen bei der Salzgewinnung notwendig waren.

Der Salzalpensteig führt vom Chiemsee nach Obertraun. „Genusswanderern“ will er die Kulturgeschichte des Salzes erschließen – auf alten Saumwegen und entlang von Soleleitungen

Von Ute Krogull

Vielleicht streuen Sie ja gerade ein bisschen Salz über Ihr Frühstücksei, während Sie dies  lesen. Ganz achtlos, nebenbei. Salz ist schließlich ein Alltagsprodukt, 19 Cent kosten 500 Gramm im Supermarkt. Früher aber ließen Menschen für Salz ihr Leben – auf gefährlichen Handelsrouten, in Kriegen, oder weil sie es gestohlen hatten. Salz war heiß begehrt, als Gewürz und Konservierungsstoff. Doch es war mühsam abzubauen. Deshalb wurde es in Gold aufgewogen, Städte wie Salzburg und München verdankten ihm ihren Reichtum.

Handelswege entstanden, etwa die Via Salaria über Rom, die zu den ältesten Straßen Italiens zählt, oder die bayerische Salzstraße von Reichenhall über München und Landsberg zum Bodensee. Salzsteuern, Wegezölle und Handelsrechte machten erhebliche Einnahmequellen der Landesfürsten aus. Mit der Industrialisierung wurde aus dem „weißen Gold“ ein Alltagsgut. Über 300.000 Tonnen im Jahr produzieren allein die Bad Reichenhaller Markensalze.

Die Kulturgeschichte des Salzes, seine Bedeutung für eine ganze Region – früher und auch heute noch – sollen nun sichtbar werden auf einem neuen Weitwanderweg, dem Salzalpensteig. In 18 Tagesetappen von Prien am Chiemsee bis ins österreichische Obertraun führt er 230 Kilometer weit durch historisches Gebiet teilweise jahrtausendealter Salzgewinnungsstätten. Konzipiert ist die Strecke als moderater Mittelgebirgswanderweg für „Genuss-Wanderer“, der von Mai bis in den Spätherbst hinein gangbar ist. Ziel ist es, möglichst viele und möglichst unterschiedliche Naturschönheiten zu inszenieren: Berge natürlich (höchster Punkt des Salzalpensteigs ist der 1 674 Meter hohe Hochfelln), aber auch Moorgebiete wie im Chiemgau, Schluchten wie die Salzachklamm oder die Weißbachschlucht, bizarre Felsformationen wie die „Steinerne Agnes“ – und immer wieder Wasser.

Einen solchen Wanderweg denkt sich heutzutage kein Salz- oder Naturbegeisterter im stillen Kämmerlein aus. Sechs Jahre vergingen von der ersten Idee 2008 bis zur endgültigen Eröffnung im Herbst 2014 – Machbarkeitsstudie, Zertifizierung und EU-Förderung inbegriffen. Nach dieser Vorarbeit geht es zum Beispiel an den Königssee, in den einst die Baumstämme für die Feuer der Sudpfannen aus hunderten Metern Höhe krachend ins Wasser gestürzt wurden – schon damals kamen die Menschen in Scharen, um das Schauspiel aus sicherer Entfernung in Booten zu verfolgen. Den fjordartigen See – übrigens einer der saubersten Deutschlands – kann man auch heute mit dem Boot überqueren. Jeder hat den Blick auf die Kirche St. Bartholomä vor der herrlichen Bergkulisse vor Augen, den Klang des berühmten Echos im Ohr.

Im Zauberwald am Hintersee lässt das Mittelalter grüßen

Auch entlang von Gebirgsbächen, auf denen die Stämme getriftet wurden, führt die Route. Bei Ausgrabungen, in Museen und in Schaubergwerken können die Wanderer sich die Geschichte des „weißen Goldes“ (ganz schnöde: Natriumchlorid) erzählen lassen. Informationstafeln sollen Wissenswertes vermitteln. Ganze Siedlungen entstanden des Salzes wegen, so die malerische Ramsau, an einer uralten Salzhandelsroute gelegen. Die Berchtesgader Fürstpröbste ließen das einstmals abgelegene Tal besiedeln, damit Säumer und ihre Transporttiere Rastplätze vorfanden und der Transport des kostbaren Gutes vor Räubern geschützt wurde. Wer dort heute gemütlich auf dem Salzalpensteig durch den märchenhaften Zauberwald zum Hintersee läuft, kann sich leicht in mittelalterliche Zeiten zurückversetzt fühlen: Der  Pfad schlängelt sich durch einen malerischen Mischwald, streckenweise säumen große, bemooste Felsbrocken den Weg, wie von Riesen liegen gelassen. Von einem Brücklein geht der Blick tief in eine Klamm, von wo aus kühle Luft empor weht.

Aus der Vogelperspektive: Bad Reichenhall, die bekannte Salzstadt.

Für den Wanderweg wurden keine neuen Strecken erschlossen, er nutzt das vorhandene Netz. Viele Etappen führen über die alten Säumerwege oder über Pfade, die vor Jahrhunderten zur Wartung der Soleleitungen angelegt wurden. Das hat einen ähnlichen Reiz wie die Levadas auf Madeira zu erwandern oder die Waalwege in Südtirol: Allzu starke und somit beschwerliche Steigungen gibt es dort nicht, die Strecken führen allein schon aus physikalischen Gründen eher um den Berg herum, als darüber hinweg. An schönen Ausblicken mangelt es trotzdem nicht.

Mit der historischen Bahn geht es nach unten

Außerdem wurde darauf geachtet, dass auch ambitioniertere Wanderer auf ihre Kosten kommen; dazu dienen die zahlreichen Rundtouren oder „Abkürzungen“. So geht es von der Ramsau gemächlich auf breiten Wegen hinauf durch duftende Wiesen und Wälder zur idyllischen Mordau-Alm und weiter nach Bad Reichenhall. Wer mehr will und trittsicher ist, kann aber auch ab der Mordau auf steilen, gewundenen Waldpfaden über den Karkopf gehen. Oben auf dem höchsten Gipfel des Lattengebirges belohnt eine Weitsicht über das umgebende Bergmassiv. Abfahrt nach Reichenhall ist dann mit der historischen Predigtstuhlbahn, deren kürzlich stilvoll renovierte Bergstation bis hin zum originalen (!) Mobiliar das Flair der 30er-Jahre atmet.

Teilweise geht es auch an einer der wenigen Soleleitungen entlang, die noch in Betrieb sind, nämlich der von Berchtesgaden über Hallthurn nach Bad Reichenhall. Sie führt salzhaltiges Wasser, das beim Abbau des Steinsalzes in Berchtesgaden erzeugt wird, nach Reichenhall, wo dieser Sole durch Verdampfen des Wasseranteils das Salz wieder entzogen wird. Auf anderen Streckenabschnitten oder Zubringerwegen sind noch Überreste der Soleleitungen aus Gusseisen oder der Deicheln aus Fichten- oder Eichenholz zu entdecken. Auf dem früheren Soleleitungsweg am sonnigen „Balkon des lieben Gottes“ oberhalb von Ramsau ist außer Deicheln sogar noch ein Stück Soleleitungstunnel erhalten, den Wanderer auch begehen können.

Die Leitungen, gerne „älteste Pipelines der Welt“ genannt, wurden ab dem frühen 17. Jahrhundert gebaut. Sie führten von Reichenhall zum Beispiel nach Rosenheim oder Traunstein – dorthin, wo noch Bäume wuchsen, um das Feuer unter den Sudpfannen zu schüren. Denn da, wo das Salz abgebaut wurde, war der Wald bald abgeholzt. Maschinen, die einst die Sole hunderte Höhenmeter hochpumpten, galten als technische Wunderwerke ihrer Zeit und stehen noch heute in Museen.

Beim letzten Brunnwart Deutschlands

Ein Museum ist inzwischen auch die 1834 von König Ludwig erbaute Alte Saline von Bad Reichenhall, eine lohnende Zwischenstation auf dem Salzalpensteig. Dort arbeitet ein Unikum: Alfons Brümmer, der letzte Brunnwart Deutschlands. Schon als Kind spielte er in den Gängen der Saline, bis zu 120 Meter unter der Erdoberfläche. Sein Onkel arbeitete dort – und das 3,4 Kilometer lange Stollennetz war ein Abenteuerland für den kleinen Buben.

Noch heute hat es besonderen Reiz: So tief unter der Erde ist es zwölf Grad kühl. Die Luft ist feucht und salzhaltig – das spüren Besucher bei jedem Atemzug. Kurgäste kommen hier ab und an sogar zu Heilzwecken her. Niedrige, düstere Tunnelgänge verzweigen sich wie ein Labyrinth unter der Stadt, der Boden aus Carrara-Marmor leuchtet hell zu den Füßen der Besucher. Ein bisschen fühlt man wie in den Minen der Zwerge in Tolkiens „Herr der Ringe“... Seit 31 Jahren tut Brümmer nun dort Dienst – allerdings einen ungewöhnlichen: 20 Prozent seiner Arbeit verbringt er damit, die Anlage zu warten, darunter die 15 Tonnen schweren Räder, die seit 1836 die Sole aus der Tiefe schöpfen. Die restlichen 80 Prozent ist er mit Touristenführungen beschäftigt. Vor 4000 Jahren, erzählt Brümmer tief unter der Erde, sprudelte die Sole noch aus Quellen. Schon damals siedeten die Menschen sie zur Salzgewinnung.

Die imposanten Wasserräder im Pumpenhaus der alten Saline in Bad Reichenhall machen Eindruck.

„Hall“ ist das keltische Wort für Salz. Reichenhall bedeute daher eigentlich „reich an Salz“. Im 12. Jahrhundert wurden die ersten Brunnen gegraben. Reichenhall hatte damals ein Monopol für weite Teile Europas. Noch heute werden täglich 700.000 Liter Sole mit einem Salzgehalt von 26 Prozent emporgepumpt. Diese werde jedoch nicht mehr – wie bis ins 20. Jahrhundert – in großen Siedepfannen verdampft (daher der Begriff Kochsalz). Heute werden geschlossene Verdampferanlagen eingesetzt.

Trotz derart hochtechnisierter Verfahren ist den Menschen etwas von der alten, fast mystischen Verbindung zum Salz geblieben. So glaubten unsere Vorfahren, Brot und Salz banne die Kräfte von Teufel und Hexen – immer noch schenkt man diese Lebensmittel zum Wohnungseinzug. Auch die Gier der Menschen nach dem Mineral ist inzwischen entschlüsselt: Weil es früher so schwer war, den lebenswichtigen Stoff zu bekommen, wird beim Verzehr immer noch das Glückshormon Dopamin im Körper ausgeschüttet. Deshalb nehmen Menschen wohl auch ein Vielfaches der medizinisch empfohlenen Menge zu sich. Doch keine Sorge: Wer den Salzalpensteig entlangwandert, gerät immerhin so ins Schwitzen, dass er das wieder ausdünstet.

Kurz informiert:

Information:

www.salzalpensteig.com

Geodaten: 47°51'18.1"N 12°20'48.2"E (Prien am Chiemsee),

Google Maps

Nicht verpassen: Das Haus der Berge in Berchtesgaden. Es ist mehr als ein  herkömmliches Museum und das nicht nur wegen seiner spektakulären Architektur.  Die Besucher wandern in dem Gebäude virtuell durch die verschiedenen Naturräume des Nationalparks.

www.haus-der-berge.bayern.de/

(Nicht nur) für Nostalgiker: Eine Fahrt mit der Predigtstuhlbahn: (Nicht nur) für Nostalgiker: Seit 1928 bringt die Kabinenbahn Wanderer auf den 1583 Meter hohen Predigtstuhl. Sie ist  die älteste ihrer Art weltweit. Das 2014 originalgetreu sanierte Bergrestaurant wartet mit dem Charme und dem Mobiliar der 30er Jahre sowie einem wundervollen Blick auf.

Besonderheit: Der Salzalpensteig führt auf einer Länge von 230 Kilometern von Prien am Chiemsee über Berchtesgaden  nach Obertraun in Österreich. Die 18 Tagesetappen sind moderat bis anspruchsvoll. Es gibt 25 zusätzliche Rundtouren.

Österreich

Und jetzt ich!

Der Chef am Berg: Mit großem Gerät wird im Skigebiet Silvretta Montafon die Piste in Schuss gehalten.