Umg´schaut (eBook) - Klaus Schamberger - E-Book

Umg´schaut (eBook) E-Book

Klaus Schamberger

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Beschreibung

60 ausgewählte Geschichten aus der populären Umg'schaut-Reihe von Presse und Publikumsliebling Klaus Schamberger Seit 2014 verfasst Klaus Schamberger wöchentlich eine Kolumne für die Nürnberger Zeitung, in der er sich in seiner Heimatstadt und deren Umgebung "umschaut" und festhält, was neben ihm auch viele andere bewegt. Ohne Angst vor der Konfrontation und mit genauem Blick, aber mit ebenso viel Verstand wie Verständnis entstehen dabei Geschichten über regionale Besonderheiten, menschliche Schwächen und politische Missstände, voller Sprachwitz und Humor, moralisch im besten Sinne. Für diesen Band hat er nun erstmals für ars vivendi seine liebsten Kolumnen persönlich ausgewählt.

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Seitenzahl: 225

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Klaus Schamberger

Umg’schaut

Ausgewählte Kolumnen aus der Nürnberger Zeitung

 

 

ars vivendi

 

Die Beiträge stammen allesamt aus der gleichnamigen wöchentlichen Kolumne in der Nürnberger Zeitung.

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (1. Auflage August 2021)

 

© 2021 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

 

Umschlaggestaltung: ars vivendi, nach einem Klaus Schamberger gewidmeten Bild von Toni Burghart

 

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

 

eISBN 978-3-7472-0311-8

 

Inhalt

Blaue Nacht bis zur Umnachtung

Der Club is a Depp

Onkel Hans, der Kinderkleiderschinder

Das christliche Kerbholz

Buchsbaum ade, der Zünsler tut weh

Wanderweg der Menschenrechte

Gans großer Beschiss

Die Antwort, mein Freund, weiß ganz allein der Sackkiefler

Rheingoldene Worte

O weh, Wöhrder See

Vom Aussterben der Langeweile

Am vereisten Arsch der Welt

Kraft durch freudiges Gelächter

Muggenhof den Muggenhofern!

Fränkisch, der leckerste Dialekt

Geschmacksverirrungen

Alle Atemwege führen nach Nürnberg

Aus der Zeit gefallen

Beleidigte Bratwürste

Culture main city (Nämberch) English spoken

Graffiti auf Granit

Bombom-Bittgang an Allerheiligen

NoVember No Fun

Die Renaissance von 1957

Christkind mit Hüftleiden

Adventeventkultur

Nachbescherung

Ungerührt geschüttelt

Drümmer Schelln für Planet B

Gut Platz will Weile haben

Vollgas für die Freiheit

Die Würde der Kunst ist antastbar

Mobile Bebaumung

Soko Schnarchzapfen

Spring, Stadtgärtner, spring!

Vom Reichswald zur Reichswüste

Nürnberg macht mobil

Nürnberger Nächte sind lang

Frauenstreik für den Mamikan

Die Torheiten des heiligen Club

Designerstühle in baumfreier Zone

Wo ein hip ist, ist auch ein hop

Müll im Park

Lass fließen!

Aufwärmen auf dem Aufseßplatz

Geschwindigkeitsheimat drahtloser Fröhlichkeit

Sankt Sebald R. I. P.

Nürnberg in Kürze?

O Nürnberg, Heimat der Kuckucksuhr

Voll verpinnt

Dregg am Stängala

Gut Nacht, Schnarchzabfn-City!

Nussecken am Idioteneck

Zurückgemörtelte Vergangenheit

Ist die Pausalastraße zumutbar?

Das reinrassige Christkind

Atmen war gestern

Bratwursthäusle statt Schnöselhütte

Aufpoppende Lebensfreude in Mögelvillage

Früher war alles Keeser

Söder und die Seuche

Der Autor

 

Blaue Nacht bis zur Umnachtung

Ich hab es sehr gern, wenn ich mit einhundert- oder einhundertfünfzigtausend Mitmenschen des Abends durch unsere baldige europäische Kulturmetropole geschlendert werde. Es ist unterhaltsam, es wärmt und es ist sehr schön, wenn man danach wieder daheim ist und seine Ruhe hat. Wahrscheinlich haben Sie schon gemerkt, dass ich nicht von meinen Eindrücken am Nürnberger Christkindlesmarkt berichte, sondern von der Blauen Nacht, die mir ganz früher ja nur durch das Lied von Lale ­Andersen »Blaue Nacht, o blaue Nacht am Hafen« bekannt gewesen ist. Jetzt aber wieder Nürnberg in seiner Eigenschaft als blauer Nachthafen: Die letzte Blaue Nacht also war, bevor sie von der Weltseuche gemeuchelt worden ist, wie fast immer, sehr gwerchhaft, sehr unterhaltsam und vor allem kulturmäßig enorm lehrreich. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang nur die performative Textinstallation vor der Industrie- und Handelskammer, die partizipative Lichtperformance im Nebenrathaus in der Theresien­straße, eine multimediale Interaktivität hinterm Hauptmarkt, noch einmal was Performatives, und zwar eine Intervention, in der Katharinenruine, oder eine Angelegenheit namens Mind and Dance – Broaden your Horizon. Also Dinger, da schlackerst mit den Synapsen, so du welche hast.

Bei mir werden die Synapsen infolge einer immer länger werdenden Vergangenheit zuungunsten der Zukunft spürbar weniger. Dennoch hat mir die Blaue Nacht rein performativ wieder gut gefallen. Dem Ausruf eines blauen Mit-Nachtwanderers »Einmalich, des Gwerch!« muss ich allerdings entschieden widersprechen, vor allem, was das enthusiastische »Einmalich« betrifft. Denn Blaue Nächte hat es in Nürnberg schon gegeben, da ist unsere jetzige Kulturreferentin noch in den Präparandenunterricht gegangen. Von einer Einmaligkeit der Blauen Nacht kann also keine Rede sein.

Jene damaligen Blauen Nächte haben, wie heutzutage auch, des Abends gegen 19.30 Uhr begonnen und in ihrer wahrhaft denkwürdigen Partizipativität in einer Bläue geendet, von der eine Lale Andersen nur träumen hat können. In der Jetztzeit eingeholte Reminiszenzen, besser: Erinnerungsfetzen oder ganz kleine Bruch­stücke von sogenannten Filmrissen, beginnen meist mit dem rhetorischen Seufzer: »Wassders nu?« Vollständige Satzaussage: »Wassders nu – dou woor mer amol alle middernander bis iibern Oorsch noo bsuffn …« Es sei da gschwind eingeschoben: Bei den damaligen jungen Leuten und Leutinnen, die ihre alten Erinnerungen mit diesem »Wassders nu – dou woor mer amol alle bis iibern Oorsch noo bsuffn« beginnen, handelt es sich nicht selten um jene ewigen Oberleerer (mit zwei e), die jedwedem aktuellen Koma-Saufen teils mit großer Entrüstung, teils mit dem erhobenen Zeigefinger (den sie sich früher vor lauter Elend in den Hals gesteckt haben) entgegentreten.

Um aber wieder auf uns wahre Erfinder der Blauen Nacht zurückzukommen: Da hat es sich zum Beispiel ereignet, dass jemand im Gunzenhausner Bräustübl früh um drei Uhr angeordnet hat, wir sollten jetzt eine Menschenpyramide in irrlichter Höhe von drei Metern bilden, sodass die Pyramidenspitze in Gestalt eines namhaften Stammtischteilnehmers ganz furchtbar auf die Waffl geflogen ist und er eine Woche lang nicht sprechen hat können. Was aber kein Unglück war, sondern eher ein Segen. Oder wir haben des Winters das auch nicht gerade niedrige Standbild des Martin Behaim in der Theresienstraße erklommen und dem angeblichen Globuserfinder einen Adventskranz über den Kopf gestülpt. Auch ist einmal einer von uns über die gusseiserne Umgitterung des Schönen Brunnens gestiegen und hat dort einige, inzwischen Gott sei Dank fachmännisch restaurierte Verheer­ungen durchgeführt.

Sogar leibhaftige Ratsherren sind in den Blauen Nächten mit von der Partie gewesen. Einer von ihnen hat sich anlässlich eines Volksfestbesuches dienstlicher Art kurz vor Sonnenaufgang in dem Feuerwehrauto eines Kinderkarussells zur Ruhe gebettet und beim Erwachen nicht mehr genau gewusst, ob er ein Feuerwehrmännlein oder ein Feuerwehrweiblein ist. Kurze Zeit später hat ihm der Kinderkarussellinhaber aber eröffnet, er sei keines von beiden, sondern vielmehr ein bsuffns Woongscheidla sowie ein Drimmer Oorschluuch. Das waren halt performative Textinstallationen, da macht man sich heute keinen Begriff mehr davon!

Sehr schöne, in ihrer Schönheit fast wehmütige Erinnerungen durchfluten mich, wenn ich an einen an Bläue kaum mehr zu überbietenden Junggesellenabschied denke. Dieser Abschied im nicht mehr existierenden Bratwurst-Sternle in der Vorderen Sterngasse hat mit Sliwowitz und Tucher-Bieren begonnen und mit einer Vollbläue geendet, dass einer der Teilnehmer eine geraume Zeit der wahrscheinlich Blauesten aller Blauen Nürnberger Nächte in einer Außennische der Sebalduskirche verbracht hat. Zwei Polizisten haben ihn dann an Händen und Füßen ergriffen und ihn samt dem baldigen Bräutigam in die nahegelegene Wohnung des Hochzeiters verbracht. Auf dem Bauch des teils röchelnden, teils Kärwaliedla lallenden, horizontal transportierten Nischenschläfers hat der seinerzeit bei Junggesellenabschieden obligatorische Trauerlorbeerkranz geruht. Da sich der zukünftige Ehemann im Rahmen seiner blauen Umnachtung am Klingelschild angelehnt und mittels einem Komplett-Glockensturm alle Bewohner des Anwesens in der Theresienstraße aus dem Tiefschlaf geläutet hat, ist die Treppenhaus-Prozession, bestehend aus zwei Polizisten, einem Bräutigam, einer Sliwowitz-Leiche und einem Lorbeerkranz, von allen Mietern, begleitet von stehenden Ovationen, besichtigt worden. Partizipativ ohne Ende! Um ein Haar wäre auch die Eheschließung anderntags ins Wasser, respektive in den Sliwowitz gefallen. Trotz meiner Synapsen-Trübung sind mir die Namen der wirklichen Urheber der Blauen Nacht heute noch geläufig. Wenn man sie einmal kulturreferatlicherseits würdigen könnte, etwa im Rahmen einer performativen Textinstallation, würde ich das sehr begrüßen. Julia, broaden your horizon!

 

Der Club is a Depp

Was is’n jetzt wieder los in Mumbfl-City? Haben wir eine mittelfränkische Mendalidääd mit drei harte d im Wort oder nicht? So wie es momentan ausschaut, scheint’s eher nicht: Freibier ohne Ende, Fröhlichkeit, Frenetik, Aufstiegsfeier! Völlig stadtworschd, was du einen einigermaßen eingeborenen Nürnberger gestern Nachmittag und schon die Tage davor gefragt hast, immer ist dir die Antwort ins Ohr gepeitscht worden: »Niiiie meeeehr zweite Liga, nie meeeehr, nie meeeehr!!!« Dir vollkommen unbekannte Menschen, teilweise sogar Menschinnen haben dich umarmt wie den verlorenen Sohn seinerzeit, da und dort ist dir das bereits erwähnte Freibier hinter den Hemdkragen geschnalzt worden, Sardinaweggla hat’s geschneit und Freudentränen geregnet. Und da fragt sich natürlich momentan der ganz normale, herkömmliche Nürnberger Depp und Haupterwerbs-Bfobferer: Woher soll ich jetzt auf einmal eine vor Überschwang triefende Seele, eine Vollfreude, ein niiiie meeeehr endendes Zwerchfell-Hupfing nehmen, wenn es doch eigentlich unser Innenleben niemals nicht bewohnt hat? Gwiss vom Club?! Ausgerechnet vom 1. FC Nürnberg?! Also von jener Zerzabelshofer Vereinigung für Leibesübungen e. V., die uns in den letzten fast 50 Jahren den hierorts vielleicht auch einmal existierenden Frohsinn allwöchentlich mit mindestens 500 atü aus dem Gemüt geblasen hat, praktisch raustransplantiert, dass uns Hören und Sehen und Hebbern vergangen ist.

Nie mehr zweite Liga! Ja freilich – manchmal wären wir um eine zweite Liga heilfroh gewesen. Da sind wir Gimpel ein Jahr lang zum Beispiel nach Weismain, Egelsbach, Neukirchen oder in ein gewisses Ditzingen ­gefahren zum Club-Glotzn. Auch die legendären Sehenswürdigkeiten wie etwa das Bierbank-Stadion von Bürstadt gleich hinter Hettelleitelheim oder so ähnlich haben wir besichtigen dürfen, Bananental, Bayreuth, Burghausen und viele andere schöne Kleinode, dass uns im Lauf der Zeit nicht nur das Lachen, sondern auch das Kilometergeld gestrichen worden ist.

Namhafte Pech- und Glückforscher haben unseren scheinbar unauslöschlichen Drang zur Selbstkasteiung, zum Flagellantentum einem irreparablen genetischen Defekt, einem Mutationssprung in der Schüssel irgendwann während der mittelfränkischen Evolution zugeschrieben. Aber weit gefehlt! Wir haben unseren Treffer ein halbes Jahrhundert lang von der größten Seelenprägeanstalt der Welt erhalten – vom albtraumreichen 1. FC Nürnberg. Zum Lachen, so hat damals ein ungeflügeltes Wort gelautet, zum Lachen geht der Nürnberger, wie auch der Fürther, in den Keller, zum Weinen aber ins Stadion.

Und Fußball? Keine Spur! Wir haben Heimspiele erleben dürfen seinerzeit, da haben Lastenhubschrauber über dem Stadion mehrere Tonnen Heu abgeworfen. Für die letzten Rimbfiecher, die immer noch zum Club gehen. Und eines dieser Rimbfiecher kenn ich sehr gut, sogar inwendig, es hat damals nicht ganz ungehalten fünf Wörter in sein inzwischen verblichenes 8-Uhr-Blatt hineingeschrieben: Der Club is a Depp. Halt so, wie man es einem guten Freund bei nachweisbarer notorischer Ignoranz ins Ohr raunt. Simmer gwiss a weng a Debbala?

Und jetzt im Freudentaumel gschwind noch was ganz anderes. Gehen Sie einmal in Ihren onleinernen PC hinein und stanzen in die Tastatur die fragmentarischen Zeichen »der Club is …«. Zack! taucht in der Abteilung Google schon der vollständige Satz auf »Der Club is a Depp«. Und von diesem kleinen Freundschaftsbeweis gibt es digital, halten S’ Ihnen möglichst fest, gibt es 400 000 Einträge! Überall kommt dieser Satz vor, in neu- und altehrwürdigen Nachrichtenmagazinen, in Tageszeitungen von der Augsburger Allgemeinen bis nauf zur Zerbster Volksstimme, wahrscheins sogar in der Waschingtoner Post, im Fernseh, im Radio, auf T-Unterhemmerdn und Strickmützlein, Fäißbuck, Hasenbuck, Wodd Sepp und so weiter und so weiter. Jetzt hat dieser einstige Sumpf-Reporter infolge seiner damaligen Einstufung des 1. FC Nürnberg als Depp heutzutage, wo der Club ausnahmsweise einmal kein Depp ist, natürlich in sich eine fast unübersteigbare Hemmschwelle mit dem unablässigen Aufjauchzen des Club-Chorals »Niiiie meeeehr zweite Liga, niiiie meeeehr, niiiie meeeehr!«, einerseits. Andererseits könnte er ein gemachter Mann sein, hätte er sich damals, wie der Club in Weismain, Egelsbach oder Ditzingen mehr oder weniger Fußball gespielt hat, die fünf Worte »Der Club is a Depp« beim Deutschen Patent- und Markenamt schriftlich schützen lassen, eventuell mit der Maßgabe, im Fall der Wiederverwendung seien jeweils 5 Deutsche Mark (damals), beziehungsweise heute 2,50 Euro fällig. Unter Zuhilfenahme der Multiplikationsrechnung (400.000 x 2,50) ergäbe sich für den »Der Club is a Depp«-Schöpfer ein Vermögen von sage und abschreibe 1 Million Euro! Vom Literatur-Nobel-, Pulitzer-, Grimme-Preis, Bundeshöchstverdienstkreuz oder dem Goldenem Bambilein gar nicht zu reden. Aber: nix is, der Eintrag beim Patent- und Markenamt ist damals versäumt worden. Und eigentlich wollte ich nur fragen: Wer ist jetzt der bessere Depp: Der Club oder der erwähnte Sprücheklopfer? Ich tippe auf Letzteren. Und sollte Ihnen in den nächsten Jubeltagen und -wochen ein gramgebeugter, vom Leid vieler Jahrzehnte gezeichneter alter Mann in der Nürnberger Fußschlurcherzone über den Weg stolpern, der einigermaßen melodisch vor sich hin bfobfert »Niiiie meeehr dritte Liga, niiie meeeehr, niiiie mehr …«, werfen S’ ihm ein Fuchzgerla in seine rotschwarze Strickmütze. Es ist der Depp, der 1 Million vergeigt hat und weiß, wovon er mumbflt.

 

Onkel Hans, der Kinderkleiderschinder

Neulich ist mir mein persönlicher Onkel Hans in meinem Emmentaler von Gedächtnis erschienen. Also jetzt nicht der Onkel Hans von der Tante Paula, seinerzeit wohnhaft am Rennweg. Obwohl, der wär auch eine ausführlichere Erörterung wert; schon allein deswegen, weil er früh nach drei Pris’ Schnupftabak immer zur Tante Paula gesagt hat, er braucht jetzt ein Geld, weil er zum Einkaufen geht, sich aber nach Empfang des Geldes sogleich in den nahen Stadtpark zum Open-Air-Schafkopf’n begeben und das Einkaufsgeld verzockt hat.

Vom Kartlgeldhinterzieher Onkel Hans soll also jetzt nicht die Rede sein, sondern vielmehr vom Onkel Hans mit Gänsefüßchen, also »Onkel Hans«, in der Karolinenstraße, oder aber vom Eisen-Burkert, vom Sport-Riemke oder gar vom Feinkost-Engelbrecht. Sie alle wie auch der Koffer-Berner, der Radio-Pruy oder der Betten-Böhner, der Stempel-Pemsel, Gardinen-Möser, Schreibwaren-Mandel und so weiter und so weiter, sie alle haben in mir Gestalt angenommen, wie ich neulich einige bedenkliche Worte des fast weltberühmten deutschen Philosophen und Büchervollschreibers Richard David Precht gelesen hab. Und zwar hat der Professor Dr. Precht anlässlich der momentan schwer im Schwang befindlichen Debatte über seelische Heimaten, Söders Kreuzweh, Beschleunigung des digitalen Breitbandwurms und eine mir nicht näher bekannte Silikon-Wally (womöglich die Gespielin vom Nürnberger Diddlasbadscher?) Folgendes in den Raum und die Zeit gestellt: »Ich habe mich immer gewundert, wie leicht sich die Deutschen ihre Traditionen nehmen lassen … wenn ich durch die Straßen gehe, zähle ich gern, wie viel qualifizierten Einzelhandel es gibt. Laden für Laden. Da ist fast nichts mehr übrig, fast alles globalisierte Ketten.« Ende des vollkommen unausgegorenen Zitats. Und jetzt wieder zum »Onkel Hans«, der in mir sofort eine Gänshaut erzeugt, weil er mit furchterregenden Erzeugnissen einen schwunghaften Handel betrieben hat: Kinderkleidung in Form von grauenhaften Spielhöschen, kratzender Unterwäsche, langen Knabenwollstrümpfen (mit Straps!) oder sogenannten Box’n, Lederhosen, die nach erster Ingebrauchnahme, zum Beispiel Durchwatung der Bengerz beim Wastl (Pegnitz in Höhe Sebastianspital), steinhart geworden und anschließend eingegangen sind wie die sprichwörtlichen Brimala (Primeln).

Großmütterlicher Terror hat damals nicht nur aus Drümmer Schelln oder der Teppichklopfer-Bastonade bestanden, sondern bisweilen auch aus der Androhung »Wasch di und kämmder die Hoorer! Mir gänger in die Stadt, gräigsd wos vom Onkel Hans.« Tausendmal lieber wäre ich mit dem anderen Onkel Hans in den Stadtpark zum Karteln gegangen, trotz der Tante Paula. Und dass es den Kinderkleiderschinder »Onkel Hans« seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gibt, das soll jetzt laut dem Precht ein schlimmer Verlust von Heimat sein? Dass ich fei nicht kichere, Herr Philosoph! Das Gegenteil ist nämlich richtig. Als Ersatz für die Betten-Nagel und Uhren-Gebhardte und Spielwaren-Virniche und Kurzwaren-Buchholze und den Möbel-Prasser und die Juweliere Merklein oder Schott und die Metzgerei Schafft, Gebhardt & Kuhn, Wüst & Thaufelder und den ganzen Einzelhandelskrampf haben wir inzwischen soviel Heimat bei uns, dass wir es gar nicht in einem einzigen Leben derkaufen können.

Wenden wir uns nur einmal dem bereits erwähnten Eisen-Burkert zu, einstmals ebenfalls in der Karolinenstraße beheimatet. Dort hat dir der Herr Burkert höchstpersönlich oder einer seiner ungefähr zehn wandelnden grau ummantelten Mitarbeiter Schrauben aller Art, Muttern, Nägel, Kupferbleche, Nieten, Brecheisen, Hämmer, Beißzangen, Spaten, Schaufeln, Maurerskelln und Millionen anderer eisen- oder auch nicht eisenhaltiger Produkte nahezu ohne größeres Mumbfln ausgehändigt.

Jetzt aber Obacht: An Stelle des zum Alteisen abgewanderten Eisen-Burkerts haben wir den OBI, den Hornbach, Bauhaus, BayWa, Baustoff-Union, in jedem Stadtviertel mindestens fünf Schwarzarbeiterzubehör-Tandler. Und nicht nur in jedem Stadtviertel! Denn, Reisender, kommst du zum Beispiel nach Österreich, Italien, Polen, Ungarn, Russland, in die Schweiz, Slowakei, wenn’s unbedingt sein muss in die USA, nach China, Australien, Spanien, Holland, Frankreich, in die Türkei, nach Irland oder Portugal – planetenweit prickelt es doch vor lauter Heimatgefühl im Bauch, denn allüberall sind sie mit ihren sauber uniformierten Brach- und Bruchbuden schon da: die uns an Herz und Hosenarsch gewachsenen United Colors of Benetton, Hornbach, OBI, Bauhaus, BayWa, Lidl, Aldi, Netto, Gerry Weber, adidas, Jack Jones, Palmers Unterhuusn and more, Humanic, René Lezard, Müller Markt, Starbuck’s, von McDonald’s Gummiweggla-Manufucktur ganz zu schweigen. Und hoffentlich geht die Konfektionierung unserer Gemeinwesen so zügig weiter, dass wir möglichst in baldiger Bälde weltweit, und wenn’s irgendwie geht, auch hinterm Mond Städte haben, die sich wie ein faules Gaggerla dem andern gleichen.

Ganz worschd, wo wir dann künftig aus dem Flieger raus in die nächste schöne neue Welt taumeln – immer werden wir meinen, wir sind in Nürnberg gelandet. Und den merkwürdigsten aller Nürnberger Werbesprüche seit Menschengedenken, der da bekanntlich lautet »Mehr Nürnberg finden Sie nirgendwo«, kann man, lediglich mit einer kleinen Abänderung, beibehalten: Mehr Nürnberg finden Sie überall. Oder um es reumütig in Gedichtform niederzuschreiben: Der Philosoph Precht hat wahrscheins recht.

 

Das christliche Kerbholz

Wo die mutmaßlich sandsteinalten, innernürnbergischen Schimpfwörter Doldi, Driefala oder Heichdala herstammen, wissen weder der Konrad Duden noch der Dr. Herbert Maas. Wissenschaftlich gesichert ist nur, dass es sie gibt, die Doldi, Driefala und Heichdala, und zwar in reichem Maß. Erst jetzt wieder, wie unser oberster Nürnberger Evangelist Markus II. einerseits den insgesamt zwei Päpsten im Vatikan eine Audienz gewährt hat und andererseits, gleichen Tags, sein Kreuzerlass für freistaatliche Amtsstuben in die Tat umgesetzt werden hat sollen müssen dürfen. Und noch vor der feierlichen Einnagelung der jeweiligen Kreuzhalterungen sind allenthalben und vor allem in Nürnberg jene Doldi, Driefala und Heichdala mit dem ihnen ureigenen Gschmarri & Gwaaf, teilweise sogar öffentlich, in Kraft getreten. Dergestalt, dass dem Markus seine Anordnung eine scheinheilige Angelegenheit sei, ein zum Himmel schreiender Grambf und Wahldampf sowie eine gröbliche Ausgrenzung aller jener Amtsstubenbegeher, deren religiöses Symbol mitnichten ein Kruzifix bildet, sondern, was weiß ich, vielleicht ein rechtwinkliges Dreieck, eine Sonne, ein Halbmond, ein Ostergaggala oder ein Goldbarren.

Diese Vorwürfe sind haltlos bis dorthinaus und, um es noch einmal zu wiederholen, doldi-, driefala- und heichdalahaft. Denn grundsätzlich muss man zu jedweden Gedankengängen vom Markus wissen, dass er sie nur dann verbal äußert, wenn es gar nicht mehr anders geht. Meistens aber denkt er sehr lange nach und sagt anschließend am liebsten überhaupt nix.

Hätte man ihm neulich, bei der von zahlreichen Pressefotografen besuchten Heiltumsweisung in der Freistaatskanzlei, genügend Zeit gegeben, die in ihm unablässig rumorenden Gedanken nach einigen Tagen Bedenkzeit in Worte zu fassen, so hätten wir sinngemäß Folgendes erfahren: In diesem nunmehr für immer und ewig hingenagelten Zeichen des Kreuzes sind, wie wir alle wissen respektive glauben, sehr wohltuende Vorgänge passiert, aber auch weniger wohltuende. Den weniger wohltuenden Vorgängen sind die Kreuzzüge zuzurechnen, die Massakrierungen Andersgläubiger, ob in millionen- oder milliardenhafter Anzahl weiß man nicht genau; weiters hätten wir dann noch die Hexenverbrennungen, Folterungen, Hinrichtungen, Seelenquälungen im Rahmen der Inquisition, die Einführung der Todsünde und die definitive Verheißung auf ein ewigliches Fegefeuer, nicht zu vergessen die Hassprediger der Reformation, der Gegenreformation, mündend in sehr viele Scheiterhaufen und in den Dreißigjährigen Krieg, dessen Beginn sich heuer zum vierhundertsten Mal jährt.

All das hätte der Markus ganz bestimmt gesagt und mit einem deutlichen Hinweis auf seine Heimatstadt vielleicht noch hinzugefügt, dass in Nürnberg im Zeichen des Kreuzes unter anderem die ungefähr fünfhundert jüdischen Bewohner des damals noch nicht erfundenen Christkindlesmarktes zum Stadtrand hinausgeprügelt und dort am ebenfalls noch nicht erfundenen Maxfeld verbrannt worden sind. Etwa so, wie es etwa 200 Jahre später ein Martin Luther, im Zeichen des rechtgläubigen Kreuzes, in einer seiner vielen christlichen Schriften erneut vorgeschlagen hat. Und natürlich auch im Zeichen des Kreuzes hat der vollkommen christliche Nürnberger Magistrat sodann auf dem höchstwahrscheinlich durch eine göttliche Fügung freigeräumten Platz die Frauenkirche errichten lassen.

Ich weiß ganz genau, dass der Markus davon eine Kenntnis hat und es infolgedessen bestimmt erwähnt hätte, wäre es ihm rein zeitlich ausgegangen. Und dann hätte er ganz sicher noch das Wichtigste überhaupt angemerkt, nämlich dass das Schaukreuz, das er in der Staatskanzlei hingehängt hat, zwar ein Kreuz ist, aber eigentlich ein Symbol für ein überkreuz gelegtes christliches Kerbholz darstellt, in das die unzähligen christlichen Schulden der Reihe nach sauber und hoffentlich unvergesslich eingekerbt sind. Zu dem Zweck, dass wir sie nicht wiederholen und uns nicht noch einmal zweitausend Jahre lang am eigentlichen Sinn des Kreuzes versündigen.

Und am Ende seiner aus Gründen des erwähnten Zeitmangels und wahrscheinlich auch einer Überdosis Scham nicht gehaltenen Rede hätte der Markus ohne Zweifel uns noch einmal in Erinnerung gerufen, falls wir es vergessen hätten, dass damals ein Herr Jesus Christus an dieses Kreuz genagelt worden ist. Also jener Herr Jesus Christus, der ähnlich wie sein Markus auch immer lang nachgedacht, dann aber oft doch was gesagt hat. Sätze wie »Selig die Barmherzigen, denn sie werden ins Himmelreich kommen«, »Selig sind die, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen …«, »Selig, die Frieden stiften« oder »Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt …«. Sollte er es nicht gesagt haben, ist es immerhin sehr gut ersonnen.

Das alles und noch viel mehr hätte der Markus ganz bestimmt noch sagen wollen. Aber wenn’sd vor lauter Twittern aus Rom nicht mehr zum Reden kommst, was willst dann machen?

Und wer’s nicht glaubt, dass dem Markus sein Massenkreuz-Erlass als Mahnmal für Mitmenschlichkeit und als christliches Kerbholz gemeint ist, der braucht ihn nur zu fragen. Er wird es ihm dann gern bestätigen, sodass man in dem Fall demnächst im September sein Kreuzla am Stimmzettel ohne weiteres und guten Gewissens bei der CSU hinmalen kann. Und danach beten: Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.

 

Buchsbaum ade, der Zünsler tut weh

Hat wer in letzter Zeit einen halbwegs schön modellierten Buchsbaum gesehen, sei es in Kugelform, elliptisch, zipfelmützenartig? Oder eine dem germanischen Himmel zustrebende Eiche? Wenn ja, dann muss er von akutem Fata Morganaismus befallen sein oder sonst einer optischen Volltäuschung, hervorgerufen vielleicht durch den zu hastigen Genuss von zwölf Hefeweizen. Denn seit einigen Tagen wird man eventuell aller möglichen Pflanzen ansichtig, wie etwa der Hochgeschwindigkeits-Quecke (Elymus repens), der Vogelmiere (Stellaria media) oder des sich in Sekundenquadratkilometern ausbreitenden Giersch (Aegopodium podagraria) aus der Familie der Doldiblütler – aber niemals nicht mehr werden uns am Wegesrand kunstvoll geschnippelte Buchsbäumlein grüßen, und auch die einst dem Wodan – mit hartem »d« – geweihte Eiche hat, wie der Nürnberger zu sagen pflegt, ihrn letzten Schieß brunst.

Und zwar Folgendes: Seit Jahren geht ja der Trend zum Nebenerwerbs-Erdbeerzupfer, zum Klein- und Strebergärtner, aber von deren zahlreichen Latifundien in Schnepfenreuth, Sündersbühl, Schoppers-, Klingen- und Schafhof, Zabo und so weiter raunt es derzeit hinter den weitgehend dahingerafften Buchsbaumverschnörkelungen dumpf und tränenerstickten Volksmundes: »Der Zünsler kummd, der Zünsler kummd, der Zünsler kummd.« Desgleichen der Prozessionsspinner.

Buchsbaumzünsler und Eichenprozessionsspinner, so schön ihre dereinst ersonnenen Bezeichnungen dem studierten Onomastiker auch im Ohr erklingen mögen, verwüsten derzeit von Bislohe bis nunter nach ­Babbnheim (mit drei harte »b«) Stadt, Land und Gartenlust. Bill- und Trilliarden marodierender Würmlinge fressen unser einstiges grünes Paradies kahl, werden dann dick und fett und schwabblerd, entschlüpfen schließlich den Abflugschneisen unserer dahingenagten Buchsbäume und flattern sodann als Schmetterling auf und davon, wie wenn nix wär, um kurze Zeit später schon wieder ihre zahlreichen Arschgranaten in Form von Eiern in den noch verbliebenen Restbuchsbaum- und Eichenbeständen abzubrozzen.

Und es sind ja nicht nur Zünsler und Prozessionsspinner, die uns gramgebeugt durch unseren endgültig verlorenen Kleingarten Eden schleichen lassen. Ich sage nur: Dickmaulrüssler, gefleckte Apfelwicklermade, Johannisbeerblasenlaus, kleiner Frostspanner, Gallmilbe, Möhren-, Zwiebel- und Fruchtfliege, Tigerschnegel, spanische Nacktwegeschnecke, Gespinstmotte, Wasserradz, Wildschwein, Problemwolf, weißgraues Flechtenbärchen, Schlehenbürstenspinner, von der Breitflügeligen Bandeule (Noctua comes), vom Wolfsmilchringelspinner (Malacosoma castrense) oder vom Goldafter (Euproctis chrysorrhoea) gar nicht zu reden. Kurz: Es herrscht Horror im Hortus. Und wenn wer nicht perfectissime und fluently Latein und Altgriechisch spricht, der weiß ja zunächst gar nicht, was in seinem Garten alles kreucht und fleucht und seucht. Auch die höchstwahrscheinlich einigermaßen deutschen Worte Zünsler und Prozessionsspinner sind schwer verständlich und etymologisch nahezu unergründlich. Erst wenn auf einmal Millionen Hektare Eichen vom Prozessionsspinner gefällt zammkrachen und am Zaun das von gierigen Zünslerzähnen abgekiefte Buchsbaumgerippe im Wind klappert, wissen wir Bescheid, sind aber, was beim Menschen, der Krone der Schöpfung, selten vorkommt, hilf- und machtlos.

Heerscharen von Klein- und Großgärtnern irren in ihrer Eigenschaft als Raupenschlepper von Buchsbaumleiche zu Buchsbaumleiche, verpulvern wohltuende Gifte, greifen zum persönlichen C-Rohr und sprinkeln abwasserwerferartig nei in ihre einstigen Kunstwerke in der festen Überzeugung, der Zünsler wisse nicht im Entferntesten, was ein Seepferdchen ist, und könne infolgedessen nicht schwimmen. Aber weit gefehlt.

Wieder andere erzeugen Feuersbrünste unter furchterregendem Absingen der Johanni-Hymne »Flamme empor, Zünsler zieh Leine!«, aber der Wärme und deutsches Sonnwendfeuerliedgut über alles schätzende Buchsbaumzünsler zünselt munter weiter. Auch Kärcher, Laubsauger und Molotow-Cocktail ficht den Zünsler in keiner Weise an. Höchstens scheißt er uns was. Und jetzt ist für uns Kleingärtner natürlich guter Rat teuer. Aber so teuer, wie vielleicht mancher zünslergeschädigte Buchsbaumskelettinhaber befürchten mag, auch wieder nicht. Wahrscheinlich kostet die Beseitigung des Prozessionsspinner- und Zünslerproblems nur ca. 50 Millionen Euro. Diese Summe errechnet sich daraus, dass der Zünsler ja einen Migrationshintergrund hat, nämlich China. Beim Eichenprozessionsspinner weiß man es nicht genau, gesichert ist nur, dass sein naher Verwandter, der Zedernprozessionsspinner, seit Menschengedenken in Marokko, Tunesien und Algerien tätig ist. China, Marokko, Tunesien, Algerien – wer ist also zuständig? Genau, das Nürnberger Mamf oder Bamf oder Gramf oder wie die Bunte Anstalt in der Frankenstraße auch heißen mag. Und für das Mamf, Bamf oder Gramf übt das namhafte Leutnausschmeißer-Unternehmen McKinsey eine beratende Tätigkeit aus, die bisher ungefähr 50 Millionen Euro gekostet hat. Das hat Stil, und zwar Pappenstiel. Und im Rahmen dieser sehr günstigen Beratertätigkeit wird die Firma McKinsey dem Mamf, Bamf oder Gramf raten, sämtliche Prozessionsspinner und Zünsler auf die Straße zu setzen, wo wir sie dann im Rahmen der Menschlichkeit und unserer abendländischen Leidkultur frohgemut überfahren können. Dann hat es sich ausgezünselt.

 

Wanderweg der Menschenrechte

Indem momentan ein kalter Wind weht durchs Land wie auch durch die Stadt, dass es einen, so man keine Hornhaut auf der Seele hat, frösteln möchte, herrscht, wenn auch sonst nix G’scheits, ein schönes Wanderwetter. Nicht wenige Menschen und Menschinnen erwägen sogar, ob obiges Fröstelwetter statt zum Wandern vielleicht auch zum Auswandern geeignet wäre. Erhebt sich nur die Frage: Wohin? Aber zurück zum Wandern.

Nur einmal angenommen, ich wär in dieser unserer sowieso pittoresken Stadt so eine Art Nebenerwerbswanderwart, freier Mitarbeiter vielleicht bei der hiesigen, bekanntlich sehr emsigen Touristenmassen-Vermehrungszentrale, und ich müsste für einen verhältnismäßig berühmt bestückten europäischen und transatlantischen Kegelverein eine Tour ausarbeiten, nicht zu lang, keine Steigungen, betreffs Durst einigermaßen oasenhaltig, personennahverkehrsmäßig günstig gelegen, schwierigkeitsgradmäßig unbedenklich. Und nähmen wir weiterhin an, der leider nicht gänzlich fiktive Kegelverein, im Werfen von Kegeln in letzter Zeit überaus zielstrebig und womöglich demnächst auch erfolgreich, bestünde wie die meisten Kegelklubs aus Herren, und zwar aus den Herren Kaczynski, Conte, Zeman, Erdoğan, Dobrindt, Orban, Söder, Kurz, Seehofer sowie Klub-Präsident D. Trump. Was das »D.« vor Trump bedeutet, Depp, Doldi, Driefala, Dolleroggl oder Donald, ist Interpretationssache.

Angenommen also, es erreichte mich der express-getwitterte Wunsch um Ausarbeitung eines Wanderkurses, böte sich da natürlich zuallererst ein Ausflug in die Fränkische Schweiz an, ins liebliche Pottenstein, mit Besuch der Teufelshöhle. Da der Mensch aber wie auch der politische Mensch, heißt es, ein denkendes Wesen darstellt, ist mir für den Ausflug jener möglicherweise ebenfalls denkenden Herrschaften eine bessere Exkursion eingefallen, nämlich fast mitten in Nürnberg, in der Lorenzer Altstadt, die ca. einhundertsiebzig Meter lange Kartäusergasse.