Umgang mit Sterben und Tod im Feuerwehrdienst - eine Chance für die Seelsorge?! - Gerhard Deißenböck - E-Book

Umgang mit Sterben und Tod im Feuerwehrdienst - eine Chance für die Seelsorge?! E-Book

Gerhard Deißenböck

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Beschreibung

Sterben und Tod sind immer wieder trauriger Bestandteil der Einsätze im Kontext Feuerwehr. Auf dem Fundament von Nächstenliebe und Barmherzigkeit kristallisiert sich die Begegnung oder vielmehr die Begleitung als größte Chance im Umgang mit Sterben und Tod im Feuerwehrdienst heraus. Sie hat das Potential, das Inkognito Gottes in den diversen Möglichkeiten im Feuerwehrdienst, in denen man auf Sterben und Tod treffen kann, zu entdecken und damit in das Antlitz Gottes im Angesicht des Anderen zu blicken. Die Seelsorgenden wirken hierbei als "Anführer" der Nächstenliebe. Sie qualifizieren ihre und die Liebesfähigkeit der Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr in der begegnenden Begleitung und im Zusammenspiel mit entsprechend notwendigen Kompetenzen auf Basis des Konsensus-Prozesses.

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34

Studien

zur Theologie und Praxisder Caritas und Sozialen Pastoral

Herausgegeben vonKlaus Baumann undUrsula Nothelle-Wildfeuer

Begründet vonHeinrich Pompeÿ und Lothar Roos

Band 34

Gerhard Deißenböck

Umgang mit Sterben und Todim Feuerwehrdienst –eine Chance für die Seelsorge?!

echter

Als Dissertation eingereicht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg

Dekan Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Alois Halbmayr

1. Gutachter Pater em. Univ.-Prof. Mag. Dr. Friedrich Schleinzer OCist (Pastoraltheologie)

2. Gutachter em. Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Werner Wolbert (Moraltheologie)

Tag des Promotionsbeschlusses 28. 11. 2017

Bibliografische Information

der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ›http://dnb.d-nb.de‹ abrufbar.

1. Auflage 2019

© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

ISBN

978-3-429-05386-4

978-3-429-05033-7 (PDF)

978-3-429-06443-3 (ePub)

Geleitwort

Die im Begriff »Caritas« enthaltene Einstellung von Menschen ihrem Nächsten gegenüber – im Sinne von »Nächstenliebe« oder »Fürsorge« – wird vielerorts in den Freiwilligen Feuerwehren ganz konkret gelebt. Gerade in Bayern tun dies besonders viele: Derzeit leisten etwa 320.000 Männer und Frauen aktiven Dienst in bayerischen freiwilligen Feuerwehren, das heißt, 25 von 1000 Bürgern. Es wird hierbei natürlich ein enormes zeitliches Engagement für Ausbildung und Übungen erbracht - dazu gehören aber auch die »echten Einsätze«. Darin genau besteht der Unterschied zu anderen ehrenamtlichen Aktivitäten. Man kann sich auch mit großem Aufwand im sozialen, kirchlichen, kulturellen oder sportlichen Bereich einbringen – die Bereitschaft, Tag und Nacht, egal in welcher persönlichen Lebenslage man sich gerade befindet, dem Ruf des Funkalarmempfängers zu folgen und in einen »Einsatz« zu fahren, von dem man beim Ausrücken noch nicht weiß, was einen erwartet, ist noch einmal etwas ganz anderes.

Auch wenn es viele unproblematische Aufgaben gibt, wie z. B. »Straße reinigen« aufgrund einer Ölspur, sind im Laufe der Zeit, gerade bei größeren Feuerwehren, immer wieder auch Einsätze dabei, bei denen man mit Schwerverletzten oder gar Toten konfrontiert ist.

In den mehr als vier Jahrzehnten meines bisherigen aktiven Dienstes habe ich derartige Situationen oft erlebt: man ist grundsätzlich bereit und gut ausgebildet, das Material ist top. Alarmierung: »VU mit eingeklemmter Person«, Anfahrt ins Gerätehaus, Umziehen, Aufsitzen, Ausrücken. Auf der Anfahrt: Anlegen der »Aidshandschuhe«, Prüfen der Wettersituation, Kontrolle der persönlichen Schutzausrüstung, Ankunft am Einsatzort. Was dann geschieht, welche Entscheidungen fallen, was man konkret erlebt, läuft dann ab wie eine filmische Handlung. Wenn die geretteten Personen erstversorgt, geborgen und im RTW oder im Rettungshubschrauber verschwunden sind, beginnt bei vielen erst wieder die Wahrnehmung der äußeren Umstände: es ist kalt, man ist außer Atem, etc.. Das gerade Erlebte reflektiert man meist erst in einem gewissen zeitlichen Abstand. Oft geschieht das, wenn man nach der Rückkehr von nächtlichen Einsätzen versucht, noch einmal etwas Schlaf zu finden, bevor man morgens wieder zur Arbeit aufstehen muss. Das ist die Zeit der Fragen: hätte man nicht früher ein anderes Gerät einsetzen sollen, wäre es nicht besser gewesen …?

Wenn es Schwerverletzte oder Tote gegeben hat, sind diese Eindrücke besonders bewegend, ganz intensiv, wenn die Verunfallten leiden mussten oder Angehörige unter starker emotionaler Erregung den Einsatz behinderten.

Erlebnisse dieser Art belasten jeden – ganz besonders natürlich die freiwilligen Einsatzkräfte, die nur selten mit solchen Situationen konfrontiert sind. Deshalb ist es wichtig, Menschen, die in ihrem freiwilligen Engagement für ihre Mitmenschen in seelische Belastungssituationen geraten sind, professionelle Hilfe anbieten zu können. Eine Antwort zu finden auf die Fragen: „Warum musste dieser Mensch gerade jetzt an dieser Stelle sterben und warum konnten wir nicht mehr helfen?“, fällt jedem schwer und belastet einen, oft noch lange Zeit.

Die Verankerung im christlichen Glauben bietet hierfür oft den einzigen Ankerpunkt, um in diesen Situationen Trost und Hilfe spenden zu können. Feuerwehrseelsorgerinnen und -seelsorger oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kriseninterventionsteam mit einem gefestigten christlichen Gottes- und Menschenbild haben in solchen Situationen schon oft wertvolle Hilfe geleistet.

Aus diesem Grunde halte ich die Seelsorge für eine wichtige Einrichtung, um die Probleme im Umgang mit Sterben und Tod im täglichen Einsatzgeschehen der freiwilligen Feuerwehren bewältigen zu können.

Dr. Marcel Huber MdL

Staatsminister a D.

Ehemaliger Kommandant FFAmpfing

Vorwort

Der Umgang mit Sterben und Tod im Feuerwehrdienst – warum beschäftigt man sich in dieser Intensität mit den dunklen Seiten des Lebens und das auch noch ausdrücklich im Kontext der Feuerwehr – sind sie doch eigentlich die Helden und großen Retter. Die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse mit Sterben und Tod im ehrenamtlichen Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr sind ein maßgeblicher Antrieb dieses Dissertationsprojektes. Im Rahmen dieses Vorwortes möchte ich die persönliche Motivation noch etwas differenzierter in den Blick nehmen. Die Worte der Einleitung meiner Diplomarbeit „Grenzerfahrung Tod. Idee und Konzept einer Schulung für AusbilderInnen der Bayerischen Jugendfeuerwehren“ aus dem Jahr 2008 drücken auch neun Jahre später immer noch die Beweggründe aus, die im tiefsten Innern hinter dieser Arbeit stehen:

Es war der 3. November des Jahres 1996. Ein typischer Sonntag im Herbst. Um 7.30 [Uhr] begann die Sirene der Freiwilligen Feuerwehr in Heldenstein zu heulen. Unfall mit Schienenfahrzeug, eine Person Exitus, auf der Bahnstrecke Mühldorf a. Inn nach München, in Höhe B12 Ausfahrt Küham, lautete die Meldung der Polizei. Vor diesem Unfall haben sich schon mehrere Personen im Zeitraum eines Monats an dieser Stelle das Leben genommen. So auch zweifelsfrei an diesem Sonntag. Als damaliges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Heldenstein rückte ich mit aus. Als 18-Jähriger und damit frisches Mitglied in der aktiven Mannschaft saß ich im zweiten Fahrzeug. Auf der Anfahrt dachten wir uns – durch die »Routine« dieser Einsätze – nicht mehr viel. Auf einer Brücke über der eigentlichen Unfallstelle blieben wir auf Bereitschaft und machten noch Witze über die verunfallte Person. Zum Schluss des Einsatzes durften wir den Gleiskörper reinigen. Jung und motiviert gingen wir ans Werk. Es machte mir nichts aus, denn wir kannten die Person nicht. Und damit wardie notwendige Distanz gegeben. Der Einsatz war schnell abgearbeitet und nach Herstellung der Einsatzbereitschaft gingen wir alle nach Hause zu unseren Familien. Ca. um 10.00 [Uhr] vormittags, ich war gerade nach dem Besuch der heiligen Messe zu Hause angekommen und im Gespräch mit meiner Schwester und meiner Großmutter vertieft, schellte die Glocke an der Haustür. Ich öffnete diese und sah den Beamten der Kriminalpolizei, der auch an der Unfallstelle war, an der Türe stehen. Wir sahen uns in die Augen und er sagte: »Herr Deißenböck ich brauche Ihnen ja nichts mehr sagen, sie waren ja dabei.« Verdutzt blickte ich ihn an. Er setzte fort: »Es war ihre Mutter, …«.

Sterben und Tod sind Begleiter im Leben einer oder eines Feuerwehrdienstleistenden. Der soeben geschilderte Fall war nur ein Punkt neben weiteren auf dem Weg, wo sich Sterben und Tod mit meiner ehrenamtlichen Arbeit als Feuerwehrdienstleistender und damit auch mit meinem Leben und meinem Glauben gekreuzt haben. Das Sterben, der Tod und vor allem das Leid im Angesicht dieser Protagonisten begleiten mich. So kam eines zum anderen. Aus diesem Grund ist auch diese Arbeit entstanden. Trotz aller konträren Erfahrungen sehe ich eine große Chance in der Seelsorge, in diesem Themenfeld Lösungen, Wege und vielleicht auch Antwortversuche andenken zu können.

Seit über fünfzehn Jahren bin ich selbst als Peer und Psychosoziale Fachkraft (PsF) in der Betreuung von Feuerwehrkameradinnen und -kameraden unterwegs. Neben den eigenen Erfahrungen mit Sterben und Tod im Feuerwehrdienst ist diese Tätigkeit ein weiterer Anreiz, sich mit dieser Herausforderung intensiv auseinanderzusetzen und vor allem mögliche Ansatzpunkte für die Seelsorge herauszuarbeiten.

Natürlich gilt es auch weiterhin, seine eigenen Erfahrungen ein Stück weit zu reflektieren, in einem neuen Licht zu sehen und damit auch weiter aufzuarbeiten. Dieser Aspekt, der auf meine eigene Person in diesem Projekt bezogen ist, muss benannt und erkannt werden. Ein sorgfältiger Umgang mit dieser intrinsischen Motivation ist in jedem Fall gewährleistet.

Es gilt vielen Menschen an dieser Stelle zu danken. Sie alle sind im wahrsten Sinne des Wortes Seelsorgende ohne deren Dasein, Begleitung und Sorge diese Arbeit nie hätte gelingen können. Die Intimität, die sich im Antlitz des Lebensendes einstellt und vor allem die damit verbundene Herausforderung braucht ein tragendes Fundament, um erlebt, durchlebt und überlebt zu werden. Eine Betreuung, die bei aller Fachlichkeit verbunden war mit Einfühlsamkeit und gleichzeitigem Ansporn wurde vor allem durch Pater em. Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schleinzer OCist gelebt. Ihm zur Seite standen in der heißen Phase Frau Univ.-Prof. Dr. Angelika Walser und Herr Ass. Prof. Dr. Andreas Michael Weiss. Ein Mentor und Impulsgeber war insbesondere Prof. Dr. Bernhard Sill – ohne seine Initiative und stetige Begleitung wäre es nie zu dieser Dissertation gekommen.

Eigentlich an erster Stelle zu nennen wäre jedoch meine Frau Regina Spiegler. Sie hat geduldig, liebevoll und mit langem Atem die stressige Zeit ertragen, Texte korrigiert und meine Motivation gestärkt. EPHK Rainer Zwislsperger reiht sich ein in die Liste der Wegbegleiter: als Freund, Trauzeuge und Kamerad in der Feuerwehr ist er ebenfalls immer mit Rat und Tat sowie Halt und Unterstützung zur Seite gestanden. Daneben meine Schwester Bianca Deißenböck – Hand in Hand haben wir das factum brutum des Todes geschaut und durch die geschwisterliche Verbundenheit konnten wir das Leid und den damit verbundenen Schmerz durchstehen.

Ein Schlagwort dabei war und ist immer wieder die Begleitung. Hierbei verdienen zwei Menschen, zwei pastores boni, eine besondere Erwähnung. Zuallererst mein herzlichster Dank an Landespolizeidekan und 1. Vorsitzenden des Klerusverbandes e. V., Monsignore Andreas Simbeck. Er war lange Jahre geistlicher Begleiter, Beichtvater und vor allem Übersetzer für die vielen Fragen und Klagen an Gott in meinem Leben. Als mein späterer Dienstvorgesetzter hat er mir die Freiräume gelassen, um dieses Projekt zu einem guten Ende zu führen. Seine Rolle als Begleiter übernahm nicht weniger herausfordernd und damit bereichernd Pfarrer Martin Hetzel, Leiter der katholischen Klinikseelsorge im Universitätsklinikum Großhadern.

Diakon Matthias Holzbauer ist ein guter Freund, Kamerad und vor allem Pionier in der Betreuung von Einsatzkräften. Christoph Kober ist sein säkulares Pendant. Beide sind – jeder auf seine Weise – Ratgeber und Mahner im positivsten Sinne.

Der Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Klerusverbandes e. V., Frau Susanne Hagendorn, gilt ein herzlicher Dank für ihre Geduld und die Unterstützung in der letzten Zeit. Meinem Vorgänger als Geschäftsführer, Herrn Dr. Florian Trenner, sei gedankt für das unermüdliche Lektorat und die Unterstützung. Es gäbe sicherlich noch viele Menschen zu bedenken und ihnen Dank zu zollen. Stellvertretend für sie darf ich zum Schluss den Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr in Bayern für ihren unermüdlichen Einsatz danken und an dieser Stelle ganz besonders den Wehren aus Heldenstein, Waldkraiburg und aus meiner neuen Heimat Mühldorf a. Inn für das Mitgehen, Mitleiden und für die Begleitung.

„Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn.“1

Mühldorf a. Inn am XV. Oktober MMXVII

1 Ijob 1,21; Stellen der Heiligen Schrift werden zitiert nach: Bischöfe Deutschlands u. a. (Hg.), Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Freiburg im Breisgau 2004.

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Forschungsobjekt

Zielsetzung und Hypothesen

Methodik und Aufbau

Teil I Seelsorge im Feuerwehrdienst: Bestandsaufnahme

1. Institutionelle Verortung

1.1. Feuerwehr in Bayern – eine kommunale Einrichtung

1.1.1. Rechtliche Grundlagen und Versicherungsschutz

1.1.1.1. Föderalismus in Deutschland

1.1.1.2. Freistaat Bayern

1.1.1.2.1. Bayerisches Feuerwehrgesetz

1.1.1.2.2. Bayerisches Katastrophenschutzgesetz

1.1.1.2.3. Bayerisches Rettungsdienstgesetz

1.1.1.3. Versicherungsschutz

1.1.2. Organisation der Freiwilligen Feuerwehr in Bayern

1.1.2.1. Kommunale Einrichtung

1.1.2.2. Besondere Führungsdienstgrade

1.1.2.3. Vereins- und Verbandsebene

1.1.3. Einsatzspektrum und mögliche Bedrohungsszenarien

1.1.4. Selbstverständnis der Feuerwehr

1.1.5. Das Angesicht des »factum brutum« als Begleiter im Feuerwehrdienst

1.1.6. Psychische Auswirkungen

1.1.6.1. Belastung im Einsatz, Reaktionen und entsprechende Folgen

1.1.6.2. Akute Belastungsreaktion und -störung

1.1.6.3. Posttraumatische Belastungsstörung

1.2. Strukturen der Feuerwehrseelsorge in Bayern

2. Psychosoziale Notfallversorgung in Deutschland

2.1. Der Weg des Konsensus-Prozesses 2007 - 2010

2.2. Ergebnisse des Prozesses: Standards und Leitlinien

2.3. Die Zukunft der Psychosozialen Notfallversorgung

3. Zusammenfassung

Teil II Seelsorge im Feuerwehrdienst: Dimensionen

1. Pastoral- und moraltheologische Verortung

1.1. Zweites Vatikanisches Konzil

1.2. Pastoraltheologie und -psychologie

1.3. Moraltheologie

2. Umgang mit dem Unumgehbaren

2.1. Umgang mit Sterben und Tod

2.1.1. Eine geistliche Theologie des Todes

2.1.2. Ars moriendi als ars vivendi

2.1.3. Das Zwischen des Karsamstag als Weg und Schlüssel

2.2. Umgang mit Leid

2.2.1. Das Leid und seine Gipfel

2.2.2. Entfaltungsmöglichkeiten im Leid

2.3. Umgang mit Verwundbarkeit, Scheitern und der eigenen Ohnmacht

2.3.1. Die eigene Verwundbarkeit als Chance

2.3.2. Eine Chance im Scheitern sehen

2.3.3. Das Kapital guter Führung

3. Der Andere als Inkognito Gottes

3.1. Nächstenliebe und Barmherzigkeit

3.1.1. Nächstenliebe als Grundlage für den Umgang mit dem Anderen als Inkognito Gottes

3.1.2. Barmherzigkeit als Schlüssel zum Umgang mit dem Anderen als Inkognito Gottes

3.2. Theologie der Begegnung

3.3. Das Antlitz Gottes im Angesicht des Anderen

4. Salutogenetischer Ansatz

4.1. Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE)

4.2. Spiritualität als Lebensressource

5. Zusammenfassung

Teil III Feuerwehrdienst und Seelsorge – ein gemeinsamer Weg

1. Die notwendige Handlungskompetenz der Seelsorgenden

2. Rollenverständnis und Emanzipation gegenüber der Notfallseelsorge

3. Möglichkeit der institutionellen Umsetzung am Beispiel der Polizeiseelsorge in Bayern

4. Zusammenfassung

Schlusswort

Literaturnachweis

Quellen aus dem Internet

Abkürzungsverzeichnis

Alarmierungsbekanntmachung für die Alarmierung

 

im Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz in Bayern

ABEK

Akute Belastungsreaktion

ABR

Akute Belastungsstörung

ABS

Allgemeines Anpassungssyndrom

AAS

Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.

ASB

Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren

 

in der Bundesrepublik Deutschland

AGBF-Bund

Ausführungsverordnung zum Bayerischen Feuerwehrgesetz

AVBayFwG

Auswärtiges Amt

AA

Bayerische Landesunfallkasse

Bayer. LUK

Bayerisches Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr

BayStMI

Bayerisches Feuerwehrgesetz

BayFwG

Bayerisches Katastrophenschutzgesetz

BayKSG

Bayerisches Rettungsdienstgesetz

BayRDG

Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz

BayVwVfG

Bayerische Verfassung

BV

Berufsfeuerwehr

BF

Betriebsfeuerwehr

BtF

Bezirksfeuerwehrverband

BFV

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

BBK

Bundesanstalt Technisches Hilfswerk

THW

Bundesgrenzschutz

BGS

Bundesministerium des Innern

BMI

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

BMAS

Bundespolizei

BPol

Bundespsychotherapeutenkammer

BPtK

Bundesvereinigung Stressbearbeitung nach

 

belastenden Ereignissen e. V.

SbE e. V

Bundeszentrale für politische Bildung

bpb

Christlich-Soziale-Union

CSU

Critical Incident Stress Management

CISM

Deutsche Forschungsgemeinschaft

DFG

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

DGUV

Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V

DLRG

Deutscher Feuerwehrverband

DFV

Deutsches Institut für Normung

DIN

Deutsches Rotes Kreuz

DRK

Diagnostic and Statistical Manual

 

of Mental Disorders, Fourth Edition

DSM-IV

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition

DSM-5

Eingetragener Verein

e. V.

Elektronische Datenverarbeitung

EDV

Erster Polizeihauptkommissar

EPHK

Evangelische Kirche Deutschland

EKD

Freiwillige Feuerwehr

FF

Feuerwehr-Dienstvorschrift

FwDV

Gesellschaft für Konsumforschung

GfK

Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes

ZSKG

Gesetz über die Errichtung und den Betrieb Integrierter Leitstellen

ILSG

Grundgesetz

GG

Helfer vor Ort

HvO

Hochschule

HS

Initiative Neue Qualität der Arbeit

INQA

Intercity-Express

ICE

International Classification of Diseases, Tenth Revision

ICD-10

International Critical Incident Stress Foundation

ICISF

Integrierte Leitstelle

ILS

Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.

JUH

Katastrophenschutz

KatS

Kohärenzgefühl – Sense of Coherence

SOC

Kommunale Unfallversicherung Bayern

KUVB

Kreisfeuerwehrverband

KFV

Krisenintervention im Rettungsdienst

KIT

Landesfeuerwehrverband Bayern e. V

LFV.

Landesstraf- und Verordnungsgesetz

LStVG

Ludwig-Maximilians-Universität München

LMU

Malteser Hilfsdienst e. V.

MHD

Örtliche Einrichtungen organisierter Erster Hilfe

Ersthelfergruppen

Posttraumatische Belastungsstörung

PTBS

Psychosoziale Fachkraft

PsF

Psychosoziale Notfallversorgung

PSNV

Psychosoziale Notfallversorgung für Betroffene

PSNV-B

Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte

PSNV-E

Siebtes Sozialgesetzbuch

SGB VII

Stadtfeuerwehrverband

SFV

Staatliche Feuerwehrschule

SFS

Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder

in der Bundesrepublik Deutschland – Kultusministerkonferenz

KMK

Strafgesetzbuch

StGB

Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen

SbE

Verordnung zur Verhütung von Bränden

VVB

Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes

VollzBekBayFwG

Werksfeuerwehr

WF

Einleitung

Die Motivation zu diesem Dissertationsprojekt beruht auf mehreren Faktoren: Feuerwehrkameradinnen und -kameraden erleben Situationen, in denen sie mit Sterben und Tod konfrontiert werden. Die daraus resultierende Belastung ist als eine erste Größe anzuführen. Hieraus ergibt sich auch der nächste Antrieb. Er besteht darin, den Kameradinnen und Kameraden Hilfe anzubieten, die belastenden Erlebnisse durchzustehen und Beistand bei der späteren Verarbeitung aus der Hand der Seelsorge zu geben. Die wissenschaftliche Betrachtung soll bei aller Emotionalität dieses Themas ein Werkzeug sein, um Begleitung zu ermöglichen und ein vernachlässigtes Thema in den Fokus der Theologie zu rücken. Auf Grundlage eines reflektierten Glaubens wird das mögliche Wirken der Seelsorge, im Kontext von Sterben und Tod im ausdrücklichen und ausführlichen Zusammenspiel mit den maßgeblichen Disziplinen, spezifiziert auf die Belange der Feuerwehr, zu einem weiteren Antrieb.

Vor über 25 Jahren gab es noch keinen der Begriffe und Einrichtungen, die sich in diesem Werk wiederfinden werden: keine Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV), keine Feuerwehrseelsorge oder Krisenintervention im Rettungsdienst (KIT). Die Zeiten haben sich geändert. Neues wurde geschaffen und wir sind in diesem Themenfeld schon sehr viel weiter als wir es im Jahr 1996 gewesen sind. Diese Entwicklung ist ein weiterer Impuls für die Motivation, diese Arbeit zu schreiben.

Das alltägliche Geschäft der Feuerwehr ist zwar oftmals sehr hektisch, aber meist weniger dramatisch, wie Wolfgang Ising in seiner im Jahr 2016 erschienenen Sammlung von besonderen Einsätzen aus seinem Feuerwehrleben berichtet.2 Der Feuerwehrdienst ist auch wesentlich mehr als nur das Erleben von Sterben und Tod, denn „[es] gibt auch eine Vielzahl an schönen Momenten und selbst Einsätze können manchmal sehr lustig sein“3.

2 Vgl. Ising, Wolfgang, Für immer im Kopf. Schockierende und berührende Erlebnisse eines Feuerwehrmannes - 24 Einsätze der besonderen Art, Berlin 2016, 263.

3 Ebda.

Forschungsobjekt

Als Forschungsobjekt habe ich die Freiwillige Feuerwehr in Bayern ausgewählt. Diese Wahl hat mehrere Gründe. Ich selbst bin seit 1992 als Mitglied ehrenamtlich in verschiedenen freiwilligen Feuerwehren in Bayern tätig gewesen und noch tätig.

Neben diesem persönlichen Interesse gibt es noch übergeordnete Argumente für diese Auswahl. Die Zuständigkeit für die Innere Sicherheit obliegt den Bundesländern im Rahmen des föderalen Prinzips der Bundesrepublik Deutschland. Die Feuerwehr ist somit Teil der Ländergesetzgebung. Darüber hinaus ist Bayern geprägt von einem sehr hohen ehrenamtlichen Engagement in allen Lebenssphären.

Das bürgerschaftliche Engagement in Bayern hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. 47 Prozent der Bürger sind inzwischen ehrenamtlich tätig, wie Sozialstaatssekretär Johannes Hintersberger (CSU) am [08. Mai 2016] unter Hinweis auf den jüngst veröffentlichten Deutschen Freiwilligensurvey 20144 mitteilte. 2009 seien es noch 36 Prozent gewesen. Hintersberger sprach von einer »herausragenden Entwicklung«, die zeige, »dass das Miteinander in Bayern funktioniert und gelebt wird«5.

Diese Tatsache spiegelt sich auch in der Stärkemeldung der Feuerwehren wider, welche einmal jährlich in der zweiten Hälfte des Folgejahres vom Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr (BayStMI) im Zuge des Jahresberichtes »Brand- und Katastrophenschutz, Technische Hilfe, Rettungsdienst. Feuerwehren in Bayern« veröffentlicht wird. Im Jahr 20156 gab es in Bayern 7.666 Freiwillige Feuerwehren (FF), 7 Berufsfeuerwehren (BF) sowie 168 Werks- (WF) und 51 Betriebsfeuerwehren (BtF)7.

4 Der Freiwilligensurvey 2014 wurde am 14.04.2016 veröffentlicht und gleichzeitig vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einer Kurz- und einer Langfassung 2016 herausgegeben. Er wurde 1999 zum ersten Mal durchgeführt. Er wird im fünfjährigen Abstand wiederholt.

5 Bönisch, Julia/Plöchinger, Stefan, Fast jeder zweite Bayer hat ein Ehrenamt, Süddeutsche Zeitung (Digitales Archiv, 08.05.2016) München.

6 Zur Zeit der Abfassung dieser Arbeit war der Jahresbericht für das Berichtsjahr 2016 vom BayStMI noch nicht veröffentlicht und aus diesem Grund werden die Zahlen aus dem Jahr 2015 aufgrund ihrer Aktualität verwendet.

7 Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (BayStMI), Brand- und Katastrophenschutz, Technische Hilfe, Rettungsdienst. Feuerwehren in Bayern. Jahresbericht. Berichtsjahr 2015, München 2016, 8.

Zielsetzung und Hypothesen

Die Zielsetzung dieses Dissertationsprojektes ist in der Beschreibung der Motivation und der damit verbundenen Ausformulierung der entsprechenden Faktoren schon angerissen worden. Im Vordergrund steht die Möglichkeit einer eigenen Feuerwehrseelsorge im konkreten Umgang mit dem Umfeld von Sterben und Tod im Feuerwehrdienst auszuloten und zu skizzieren. Es kristallisieren sich folgende Hypothesen als Basis dieser Forschungsarbeit heraus:

• Es gilt zu untersuchen, wie sich der Umgang mit Sterben und Tod im Feuerwehrdienst ganz generell darstellt. Welche Besonderheiten sind zu beobachten und zu beachten?

• Welche Chancen können speziell für die Seelsorge im Zusammenspiel von Psychologie, Philosophie und Theologie entstehen?

• Ferner geht es auch um eine mögliche und vielleicht auch notwendige Emanzipation der Feuerwehrseelsorge gegenüber der Notfallseelsorge im Kanon der kategorialen Seelsorgefelder.

• Zu guter Letzt wird ein Ausblick auf eine mögliche Implementierung der Feuerwehrseelsorge in vorhandene kirchliche und vor allem staatliche Strukturen gegeben.

Diese Arbeit will einen Beitrag dazu leisten, dass die Gefahren im Feuerwehrdienst, insbesondere im Umgang mit Sterben und Tod, erkannt und angesprochen werden.

Die reiche Vielfalt an Möglichkeiten seelsorglichen Handelns ist zu entdecken, wahrzunehmen und entsprechend einzusetzen. In der Hilflosigkeit gilt es ein Zeichen zu setzen, denn

Gott erweist sich als gegenwärtig und lebendig und sei es [nur] dadurch, dass […] durch das gestammelte, das zerrissene Gebet […] der Hoffnungslosigkeit ein Bein gestellt wird.8

8 Klessmann, Michael, Seelsorge. Begleitung, Begegnung, Lebensdeutung im Horizont christlichen Glaubens. Ein Lehrbuch, Neukirchen-Vluyn 42012, 418.

Methodik und Aufbau

Das Thema »Sterben und Tod im Feuerwehrdienst« und speziell die Verknüpfung mit seelsorglichen Möglichkeiten steckt nach heutigem Kenntnisstand noch in den Kinderschuhen. Verwiesen sei hier auf die Ergebnisse der Literaturrecherche nach dezidierten Stichworten in einschlägigen Bibliotheken wie z. B. der Bayerischen Staatsbibliothek mit angeschlossener Fernleihe oder der Universitätsbibliothek Salzburg. Es wurde nach Begriffen wie »Feuerwehr und Sterben bzw. Tod« oder »Feuerwehrseelsorge« oder »Feuerwehr und Seelsorge« gesucht. Die Ergebnisse waren in allen Fällen marginal. Wenn sich Ergebnisse einstellten, waren es in fast 100 % der Fälle Werke zum Thema »Notfallseelsorge«. In der Folge werden zur Darstellung der Feuerwehr vermehrt einschlägige Internetquellen genutzt. Allgemein gestaltet sich das vorliegende Dissertationsprojekt aufgrund der dargestellten Informationslage als Literatur- und Grundlagenarbeit. Ergänzend ist anzuführen, dass die Ausführungen grundsätzlich ökumenisch vollzogen werden können.9

Der Hauptteil besteht aus drei Teilen:

In Teil I findet sich eine Bestandsaufnahme der Seelsorge im Feuerwehrdienst. Diese gliedert sich in den Bereich der Institution Feuerwehr, der PSNV in Deutschland und einer Zusammenfassung der gewonnenen Einsichten. Die Institution Feuerwehr wird dargestellt in Form der rechtlichen Grundlagen, der Organisation, des Einsatzspektrums und der möglichen Bedrohungsszenarien. Das Selbstverständnis der Freiwilligen Feuerwehren in Bayern, das Antlitz des »factum brutum«10, das Sterben und Tod speziell im Feuerwehrdienst mit sich bringt sowie die psychischen Auswirkungen des Einsatzgeschehens runden die Beschreibung ab.

In einem zweiten Schritt folgt die Darstellung der vorhandenen säkularen und kirchlichen Strukturen der Feuerwehrseelsorge in Bayern. Die PSNV in Deutschland ist „ein fast flächendeckendes System“11, und „dazu gehören beispielsweise die Krisenintervention im Rettungsdienst (KIT), die Notfall-, Polizei- und Feuerwehrseelsorge, die Notfallpsychologie u. v. m.“12. Die Erläuterungen zur Genese der PSNV gliedern sich in den Weg des Konsensus-Prozesses von 2007 – 2010, in die Ergebnisse – in Form von Standards und Leitlinien – sowie in die Zukunftsperspektiven der PSNV.

In Teil II werden die verschiedenen Dimensionen der Seelsorge im Feuerwehrdienst durchleuchtet. Als Basis dient die Verortung der Feuerwehrseelsorge im Zweiten Vatikanischen Konzil, in der Pastoraltheologie und -psychologie sowie in der Moraltheologie. In einem zweiten Schritt nähert sich die Arbeit dem Umgang mit dem Unumgehbaren. Der Fokus richtet sich hierbei auf den Umgang mit Sterben und Tod, mit Leid, Verwundbarkeit, Fehlern und Hilflosigkeit. Die Verbindung oder vielmehr die Grundlage der einzelnen Aspekte ist die Heilige Schrift. Die biblischen Grundlagen der Nächstenliebe und Barmherzigkeit schlagen in einem dritten Schritt eine Brücke zum Ostergeschehen und ermöglichen den Entwurf einer Theologie der Begegnung. Der Weg führt weiter zu der Erkenntnis, dass Gottes Gesicht im Angesicht des Anderen zu sehen ist. In einem vierten Schritt richtet sich die Aufmerksamkeit innerhalb eines salutogenetischen Ansatzes auf die Maßnahmen der »Bundesvereinigung Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen« (SbE e. V.) und die Spiritualität als Lebensressource, die im Umgang mit Sterben und Tod eine große Hilfestellung sein kann.

Im anschließenden Teil III gilt es aus den vorangegangenen beiden Teilen I und II einen gemeinsamen Weg von Feuerwehrdienst und Seelsorge zu umreißen. Zunächst wird die notwendige Handlungskompetenz der Seelsorgerinnen und Seelsorger skizziert. Ein eigenes Rollenverständnis und eine vielleicht notwendige Emanzipation der Feuerwehrseelsorge gegenüber der Notfallseelsorge werden sich an dieser Stelle herauskristallisieren. Die Darstellung und Diskussion der Möglichkeit einer Umsetzung am Beispiel der Polizeiseelsorge in Bayern folgt als letzter Punkt im Teil III und gibt einen Ausblick.

9 Damit der Umfang dieses Dissertationsprojekts nicht überstrapaziert wird, erfolgen die Erarbeitung und die Überlegungen weitestgehend nach katholischen Gesichtspunkten. Der Umgang mit Quellen erfolgt ökumenisch und wird nicht dezidiert gekennzeichnet.

10 Das »factum brutum« als eine Tatsache, die keine Erklärung zulässt.

11 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hg.), Psychosoziale Notfallversorgung; Qualitätsstandards und Leitlinien Teil I und II (Praxis im Bevölkerungsschutz, Band 7), Bonn 220 1 2, 7.

12 Ebda.

Teil I Seelsorge im Feuerwehrdienst: Bestandsaufnahme

Im Rahmen einer Bestandsaufnahme setzt sich diese Arbeit in Teil I mit der Seelsorge im speziellen Kontext des Feuerwehrdienstes auseinander. Es gilt die vorhandenen Seelsorgestrukturen zu beschreiben und einen Einblick in die Freiwillige Feuerwehr in Bayern zu geben. In Anlehnung an die Deutung des Begriffs »Seelsorge« durch Christoph Morgenthaler wird diese Bestandsaufnahme strukturiert. Er gibt vier mögliche Antworten auf die Frage, was Seelsorge bedeutet und führt auf dieser Basis den Seelsorgebegriff ein.13 Seelsorge ist für ihn „Interaktion und Deutung“14. Diese wiederum drücken sich aus in Geschichten der Seelsorge, der Sicht des Anderen und der Seelsorgerin bzw. des Seelsorgers sowie in der Seelsorge als interaktiv-kommunikativen Konstruktionsprozess.15

Die Feuerwehr wird in Anlehnung an diese „Sicht der Seelsorgerin [oder des Seelsorgers]“16 institutionell verortet. Das System Feuerwehr gilt es darzustellen und für die Sicht der Seelsorge abzuklären. Die rechtliche Ausgangslage, ausgehend vom föderalistischen System in der Bundesrepublik Deutschland bis hin zu den Gesetzen im Freistaat Bayern, wird als Handlungsgrundlage der Feuerwehr in Bayern dargestellt. Der Versicherungsschutz als elementare Schutzvariable schließt diese Darstellung ab. Darauf aufbauend stehen im Anschluss auf der einen Seite die Organisation der kommunalen Einrichtung Feuerwehr und auf der anderen Seite die Vereins- und Verbandsstrukturen. Die Vorstellung des Einsatzspektrums, möglicher Bedrohungsszenarien und des Selbstverständnisses der Feuerwehr geben einen weiteren Einblick. Hieraus resultieren Auswirkungen auch im psychischen Bereich, wie z. B. verschiedene Krankheitsbilder.

Innerhalb der „Sicht des Anderen“17 werden exemplarisch die vorhandenen Strukturen der Feuerwehrseelsorge in Bayern betrachtet. Wie ist die Seelsorge schon jetzt im Raum der Institution Feuerwehr präsent und wie gestaltet sich das Zusammenwirken? Die Feuerwehrseelsorge ist Teil der Psychosozialen Notfallversorgung in Deutschland18. Im Rahmen des so genannten Konsensus-Prozesses zur Qualitätssicherung in der PSNV haben sich Delegierte aus vielen Organisationen und Institutionen, die die PSNV in Deutschland verantworten, anbieten und anwenden, in den Jahren 2007 - 2010 in einem intensiven Arbeits- und Abstimmungsprozess auf bundeseinheitliche Standards und Leitlinien geeinigt.19 Die Darstellung des Konsensus-Prozesses anhand der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) herausgegebenen Ergebnisse schließt den Teil I der Arbeit ab.

13 Vgl. Morgenthaler, Christoph, Seelsorge. Lehrbuch Praktische Theologie, Band 3, 22012, 15ff.

14 Ebda., 15.

15 Vgl. ebda., 15ff

16 Ebda., 16.

17 Ebda., 15.

18 Vgl. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hg.), Psychosoziale Notfallversorgung; Qualitätsstandards und Leitlinien Teil I und II (Praxis im Bevölkerungsschutz, Band 7), Bonn 22012, 7.

19 Vgl. ebda., 1.

1. Institutionelle Verortung

In der Gesellschaft sind unterschiedliche Lebens- und Funktionsbereiche, wie z. B. Politik, Wirtschaft, Recht, Gesundheit, Kultur und Religion, repräsentiert. Das kirchliche Angebot von Seelsorge muss sich daher über den traditionellen Bereich der Gemeinden hinaus erstrecken und eine Differenzierung darüber hinaus vornehmen.20 Die Feuerwehr in Bayern und speziell die Freiwillige Feuerwehr ist eine staatliche Institution, welche von der Seelsorge entdeckt und in ihrem Wirken verstärkt in den Blick genommen werden sollte. Zu diesem Zweck ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Metier als Institution notwendig und zielführend, denn „besondere Lebenssituationen wie Sterben, Trauer oder die Konfrontation mit einer Krise erfordern andere Zielsetzungen und Methoden“21 als die alltäglichen Seelsorgekontexte. Die Feuerwehr als kommunale Einrichtung mit ihren Mitgliedern, ob im Ehren- oder Hauptamt, ist immer wieder mit diesen besonderen Lebenskrisen konfrontiert.

1.1. Feuerwehr in Bayern – eine kommunale Einrichtung

Die alltägliche Gefahrenabwehr im Freistaat Bayern fußt auf drei Säulen: der Polizei, dem Rettungsdienst und den Feuerwehren.22 Die Feuerwehr ist eine kommunale Einrichtung. Zur Erfüllung dieser kommunalen Pflichtaufgabe bedienen sich die bayerischen Kommunen vielerorts einer Freiwilligen Feuerwehr. Berufsfeuerwehren sind nur in den sieben größten bayerischen Städten zu finden: Augsburg, Fürth, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg. „Der Grundtypus der gemeindlichen Feuerwehr schlechthin ist daher die Freiwillige Feuerwehr.“23

1.1.1. Rechtliche Grundlagen und Versicherungsschutz

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Art. 28 Abs. 1 des Deutschen Grundgesetzes (GG)24 ein republikanischer, demokratischer und sozialer Rechtsstaat. Jegliches staatliche Handeln muss gesetzmäßig sein und sich nach der Verfassung und den Gesetzen richten. „Das Rechtsstaatsgebot gehört zu den grundlegenden Prinzipien [des deutschen] Staates.“25 Die Feuerwehren in Bayern sind Teil der staatlichen Verwaltung. Im Rahmen des Föderalismus ist der Freistaat Bayern für die polizeiliche und nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr, Art. 30 i. V. m. Art. 70 GG26, zuständig. Nach dem Prinzip der Subsidiarität liegt die Zuständigkeit bei den Kommunen. Als wichtigste rechtliche Grundlagen für die Arbeit der Feuerwehren ergeben sich hieraus das Bayerische Feuerwehrgesetz (BayFwG), das Bayerische Katastrophenschutzgesetz (BayKSG) und das Bayerische Rettungsdienstgesetz (BayRDG). Diverse staatliche und kommunale Gesetzmäßigkeiten, wie z. B. das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) auf Bundesebene, das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) oder die Verordnung zur Verhütung von Bränden (VVB) auf Landesebene, ergänzen die rechtliche Basis der Feuerwehr, können jedoch in ihrer Gänze im Rahmen dieser Arbeit nicht beleuchtet werden. Einen Sonderstatus nimmt der Versicherungsschutz ein. Im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist jede Feuerwehrdienstleistende und jeder Feuerwehrdienstleistende nach dem siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII)27 bei ihrer oder seiner ehrenamtlichen Tätigkeit abgesichert.28 Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung der öffentlichen Hand in Bayern fungieren die Kommunale Unfallversicherung Bayern (KUVB) und die Bayerische Landesunfallkasse (Bayer. LUK). In ihren Zuständigkeitsbereich fällt der Unfallversicherungsschutz z. B. der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, der Schüler, Studierenden und der ehrenamtlich Tätigen.29 Die Darstellung der für die Thematik wichtigen rechtlichen Grundlagen als auch das tiefere Verständnis für dieses Themenfeld sind wichtige Punkte auf dem Weg zum Verständnis dessen, wie diese staatliche Institution Feuerwehr funktioniert.

1.1.1.1. Föderalismus in Deutschland

„Die Vielfalt Deutschlands spiegelt sich in seiner föderalen Ordnung, die den besonderen Schutz des Grundgesetzes genießt.“30 Mit diesem Satz beginnt Roland Sturm seinen Artikel »Demokratie als,Leitgedanke‘ des deutschen Föderalismus«, veröffentlicht in den Informationen zur politischen Bildung Nr. 318 »Föderalismus in Deutschland« der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Die Feuerwehr als Akteur in der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr ist Teil dieser Vielfalt. Die für sie geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen unter diesen föderalen Aspekten betrachtet werden. Die strukturellen Vorgaben haben ihre Auswirkungen auf die Seelsorge, insbesondere im Hinblick auf eine institutionelle Umsetzung, und müssen in ein entsprechendes Kalkül miteinbezogen werden. Wie schon unter 1.1.1 ausgeführt unterliegen Maßnahmen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr gemäß Art. 30 GG31 in Verbindung mit der Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 70 ff GG32 den Ländern. Eine Einschränkung hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundes im Verteidigungsfall weist Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG33 auf. In der Regel gibt es in jedem Bundesland entsprechende landesgesetzliche Regelungen:

Wichtige Regelungen enthalten die Brandschutz- und Feuerwehrgesetze, in denen den Gemeinden die Pflichtaufgabe zugewiesen wird, drohende Brand- und Explosionsgefahren zu beseitigen, Brände zu bekämpfen sowie ausreichende technische Hilfe bei sonstigen Unglücksfällen oder Notständen zu leisten. Die Belange des Brandschutzes, des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes können dabei entweder in voneinander gesonderten Gesetzen geregelt sein, wie zum Beispiel in Bayern […] oder teilweise bzw. umfassend in einem Gesetz zusammengefasst werden, wie zum Beispiel im Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz des Landes Hessen oder dem Hilfeleistungsgesetz der Freien Hansestadt Bremen. Daneben sind die Belange der polizeilichen Gefahrenabwehr in den Polizeigesetzen der Länder […] geregelt.34

Das Grundgesetz, speziell Art. 3535, ermöglicht darüber hinaus aber auch die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Gefahrenabwehr.

Danach können die Länder unter anderem bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen zusätzlich Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen, wie das Technische Hilfswerk (THW), die Bundespolizei (BPOL) oder die Streitkräfte zur Unterstützung anfordern.36

Demokratische und föderalistische Strukturen wie die Subsidiarität und die Solidarität prägen den Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere die subsidiären Grundsätze ziehen sich wie ein roter Faden durch die Gefahrenabwehr, denn

[n]ur wenn die kleinere staatliche Ebene (die Kommune, [der Landkreis,] das Land) eine Aufgabe nicht mehr bewältigen kann, hilft die [nächst] übergeordnete ([z. B. Land oder] Bund).37

Das Sozialstaatsprinzip nach Art. 3 der Bayerischen Verfassung (BV)38 und Art. 20 Abs. 1 GG39 fordert neben der sittlichen Pflicht zu helfen, eine „Rechtspflicht aller, die sich für den Staat und [andere juristische] Personen des öffentlichen Rechts […] ergibt“40. Selbiges wird in Art. 122 BV41 ebenfalls vorausgesetzt, „wonach bei Unglücksfällen, Notständen und Naturkatastrophen alle nach Maßgabe der Gesetze zur gegenseitigen Hilfe verpflichtet sind“42. Die Intention dieser allgemeinen Solidarität wird unmissverständlich in § 323c des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) „Unterlassene Hilfeleistung“43 formuliert. Es macht sich strafbar,

wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist.44

Hans Ellmayer führt hierzu in seinem Kommentar zum BayKSG folgende Sachverhalte aus, welche die Bedeutung des Solidaritätsgedankens grundsätzlich auch auf staatliche Institutionen ausdehnt:

Als strafrechtliche Bestimmung bezieht sich § 323c StGB nur auf das Verhalten natürlicher Personen. Das bedeutet nicht, dass die zur Konkretisierung eines allgemeinen Rechtsgedankens in § 323 c StGB angesprochene Hilfspflicht für juristische Personen nicht gilt.45

Er schränkt dabei ein,

soweit es um juristische Personen des öffentlichen Rechts geht, ist jedoch zu beachten, dass auch die Abwehr von Katastrophen oder die Mitwirkung bei der Abwehr in die bestehende Zuständigkeitsordnung eingefügt ist, also Aufgabe bestimmter Behörden (der Katastrophenschutzbehörde) oder anderer Träger oder Einrichtungen öffentlicher Verwaltung (z. B. der Polizei oder der Feuerwehren) ist.46

1.1.1.2. Freistaat Bayern

Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr obliegt, wie schon mehrfach erwähnt, den einzelnen Bundesländern. Gemäß der Zielgruppendefinition im Rahmen der Einleitung und im Zusammenspiel mit den Ausführungen über das föderalistische Prinzip im vorangegangenen Abschnitt ist der Freistaat Bayern im Fokus der Betrachtungen innerhalb dieser Arbeit. Es gilt sich nun den erwähnten rechtlichen Grundlagen innerhalb des Freistaates Bayern zuzuwenden.

1.1.1.2.1. Bayerisches Feuerwehrgesetz

Die Grundlage des heute gültigen Bayerischen Feuerwehrgesetzes (BayFwG) wurde 1946 mit dem damaligen Gesetz über das Feuerlöschwesen gelegt. Auf dieser Basis wurde am 1. Januar 1982 das neue BayFwG in Kraft gesetzt. Eine Änderung wurde am 22. Juli 2014 vollzogen.47 Die letzte Änderung ist am 29. März 2017 in den Landtag eingebracht worden.48 Sie trat am 1. Juli 2017 in Kraft. Diese Arbeit bezieht sich auf den Gesetzestext vom 22. Juli 2014. Darüber hinaus sind sowohl die Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (AVBayFwG), welche zeitgleich mit dem BayFwG erlassen wurde, als auch die Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (VollzBekBayFwG) vom 28. Mai 2013 als Gesetzgrundlage für die Feuerwehren in Bayern anzuführen.

Das BayFwG gliedert sich in fünf Abschnitte. Diese sind überschrieben mit (1) Aufgaben und Träger, (2) die Feuerwehren, (3) besondere Führungsdienstgrade, Feuerwehrverbände, (4) Pflichten der Bevölkerung und (5) Kosten, Schlussvorschriften.49 Die für das allgemeine Verständnis der Institution Feuerwehr wichtigen Inhalte finden sich in den Abschnitten 1 und 2. Das BayFwG regelt in Art. 1 klar die Zuständigkeit der Gemeinden mit Benennung der jeweiligen Aufgaben:

Die Gemeinden haben als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis dafür zu sorgen, dass drohende Brand- oder Explosionsgefahren beseitigt und Brände wirksam bekämpft werden (abwehrender Brandschutz) sowie ausreichende technische Hilfe bei sonstigen Unglücksfällen oder Notständen im öffentlichen Interesse geleistet wird (technischer Hilfsdienst).50

Damit sie dieser gesetzlichen Pflichtaufgabe nachkommen, „haben die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit (Art. 4 Abs. 1 [BayFwG]) gemeindliche Feuerwehren aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten“51. Die Gemeinden werden nach dem Subsidiaritätsprinzip durch die Landkreise gemäß Art. 2 BayFwG und durch den Staat gemäß Art. 3 BayFwG unterstützt. Hierzu sind den Landkreisen und dem Freistaat Bayern klare Aufgaben, wie z. B. die Beschaffung und der Unterhalt von überörtlich erforderlichen Fahrzeugen oder der Unterhalt der drei Landesfeuerwehrschulen in Geretsried, Regensburg und Würzburg, zugewiesen. Mit der Errichtung und dem Betrieb der 26 Integrierten Leitstellen (ILS) in Bayern besteht flächendeckend ein einheitlicher Notruf (112) für Feuerwehr und Rettungsdienst.52 Näheres regelt das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb Integrierter Leitstellen (ILSG); Artikel 3a BayFwG verweist darauf. Die Aufgaben der ILS zeigt Art. 2 Abs. 1 ILSG auf. Diese sind auch im Hinblick auf das Zusammenwirken zwischen Seelsorge und Feuerwehr nicht unwichtig:

1Die Integrierte Leitstelle hat die Aufgabe, alle Notrufe, Notfallmeldungen, sonstige Hilfeersuchen und Informationen für Rettungsdienst und Feuerwehr in ihrem Leitstellenbereich entgegen zu nehmen. 2Sie allein alarmiert die erforderlichen Einsatzkräfte und -mittel; […]. 3Darüber hinaus begleitet sie alle Einsätze und unterstützt die Einsatzleitung. 4Außerhalb der üblichen Dienstzeiten übernimmt sie für dringliche Fälle die Funktion eines Meldekopfes für die Kreisverwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden.53

Die kommunale Institution Feuerwehr findet ihre Umsetzung in Freiwilligen Feuerwehren, Pflicht- und Berufsfeuerwehren. Im Jahr 2015 gab es, wie schon in der Einleitung angeführt, laut aktuellem Jahresbericht des BayStMI in Bayern „7.666 Freiwillige Feuerwehren, 7 Berufsfeuerwehren sowie 168 Werks- und 51 Betriebsfeuerwehren“54. Folglich gab es im Jahr 2015 keine Pflichtfeuerwehr im Freistaat Bayern. Die Recherchen zu dieser Arbeit ergaben auch aktuell keine anderen Erkenntnisse. Darüber hinaus stellt Art. 4 BayFwG die Aufgaben der gemeindlichen Feuerwehr klar heraus: den abwehrenden Brandschutz, den technischen Hilfsdienst und entsprechend durch die Gemeinde angeordnete Sicherheitswachen. Diese Aufgaben sind der Feuerwehr „unmittelbar aus dem Gesetz“55 zugewiesen. Damit begründet Art. 4 BayFwG die „ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Feuerwehren für diese Sicherheitsaufgaben“56 und gibt so den Feuerwehren eine gesetzliche „Bestandsgarantie“57. Ein großes Thema innerhalb der gesetzlichen Aufgaben einer Feuerwehr ist die Amtshilfe nach dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Aus diesem Grund wird sie an dieser Stelle eingefügt, obwohl sie nicht Teil des BayFwG ist.

Die Gemeinden können mit ihren Feuerwehren als unselbstständige Einrichtungen nach dem BayVwVfG zur Amtshilfe verpflichtet sein. Der Begriff der Amtshilfe setzt voraus, dass die Gemeinde [zum einen] mit ihrer Feuerwehr von einer anderen Behörde um Unterstützung bei einer Amtshandlung ersucht wird und [zum anderen] die Hilfeleistung nicht schon zum eigenen Aufgabenbereich der Gemeinde nach BayFwG, dem BayKSG oder dem LStVGgehört (vgl. Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG).58

Die Amtshilfe ist aber kein Selbstläufer, denn „die Gemeinde darf mit ihrer Feuerwehr Amtshilfe nur leisten, wenn dadurch die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr nicht beeinträchtigt wird (Art. 4 Abs. 3 BayFwG).“59

Abschließend sei in diesem Themenfeld die Möglichkeit der Wahrnehmung von freiwilligen Tätigkeiten in Abgrenzung zu den Pflichtaufgaben nach Art 4. Abs. 1 BayFwG erwähnt. Folgender Grundsatz ist dabei maßgeblich:

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Gemeinden und damit auch die Feuerwehren außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge grundsätzlich wirtschaftliche Leistungen durch die Übernahme freiwilliger Leistungen nur erbringen dürfen, wenn ein öffentlicher Zweck dies erfordert und diese Leistungen nicht ebenso gut und wirtschaftlich von privaten Unternehmen erbracht werden können. Sie dürfen insoweit nicht in Konkurrenz zu privaten Wirtschaftsunternehmen treten.60

Die Artikel 5 bis 8 BayFwG regeln relevante Personalfragen. Die Bedeutung der Vereine innerhalb der Institution Feuerwehr wird in Art. 5 klar herausgehoben: „Die [aktiven] Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren werden in der Regel von Feuerwehrvereinen gestellt“61. Innerhalb der Feuerwehren gibt es ein geflügeltes Wort, welches den Charakter des Einsatz- und Übungsdienstes deutlich macht: »Ein- und Austritt sind freiwillig, zwischendrin herrscht Pflicht und Disziplin.« Die Grundlage für dieses Sprichwort findet sich in Art. 6 BayFwG Abs. 1:

1Der Feuerwehrdienst wird, soweit nichts anderes bestimmt ist, ehrenamtlich geleistet. 2Feuerwehrdienstleistende haben an Einsätzen, Ausbildungsveranstaltungen, Sicherheitswachen und am Bereitschaftsdienst teilzunehmen und die Weisungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen.62

Das Personal für den Feuerwehrdienst rekrutiert sich aus der gesamten Gesellschaft. Alle körperlich und geistig geeigneten Personen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 63. Lebensjahr können Feuerwehrdienst in der Gemeinde leisten, in der sie wohnen. Darüber hinaus können sie ebenfalls Feuerwehrdienst in der Kommune leisten, in der sie regelmäßig zur Arbeit gehen. In Ausnahmefällen kann auch Feuerwehrdienst in der Nachbargemeinde geleistet werden. Es kann in maximal zwei Feuerwehren Dienst geleistet werden. Die jeweilige Einsatzkraft wird durch den Leiter der Feuerwehr – den Feuerwehrkommandanten – in die Feuerwehr aufgenommen. 63 In Bayern waren im Jahr 2015 „rund 323.000 Personen, davon knapp 313.000 ehrenamtlich, im aktiven Feuerwehrdienst“64. Der Anteil der weiblichen Dienstleistenden nimmt kontinuierlich zu; so waren 2015 ca. 27.000 Frauen in der Feuerwehr aktiv tätig. Der Nachwuchs für den Feuerwehrdienst generiert sich weitestgehend aus den Feuerwehranwärtern: „Jugendliche können vom vollendeten 12. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr als Feuerwehranwärter [und Feuerwehranwärterinnen] Feuerwehrdienst leisten.“65 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die „nicht unerhebliche Jugendarbeit in über 5.300 Jugendgruppen mit rund 49.000 Mitgliedern“66. Zwischen Feuerwehrdienstleistenden und Feuerwehranwärterinnen bzw. -anwärtern gibt es eine gesetzliche Gleichstellung.

Der besonderen Stellung der Jugendlichen wird in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 Rechnung getragen: 2Sie dürfen nur zu Ausbildungsveranstaltungen und erst ab vollendetem 16. Lebensjahr bei Einsätzen zu Hilfeleistungen außerhalb der unmittelbaren Gefahrenzone herangezogen werden.67

1.1.1.2.2. Bayerisches Katastrophenschutzgesetz

Das BayKSG stammt in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Juli 1970. Es wurde mit Wirkung vom 1.1.1997 durch eine Neufassung abgelöst, welche bis heute gültig ist.68 Neben den unter 1.1.1.2.1. aufgeführten drei Pflichtaufgaben, dem abwehrenden Brandschutz, dem technischen Hilfsdienst und der durch die Gemeinde angeordneten Sicherheitswache (Art. 4 BayFwG), sind die Feuerwehren durch Art. 7 Abs. 3 Nr. 4 BayKSG zur Katastrophenhilfe verpflichtet.69 Hierbei handelt es sich um eine „Bündelung bestehender Pflichten“70, da diverse zur Katastrophenhilfe durch Art. 7 Abs. 3 Verpflichtete „bei Katastrophen kraft eigenen Rechts tätig werden müssen“71. Die Pflicht zur Katastrophenhilfe gliedert sich in zwei Bereiche. Die Vorbereitungsmaßnahmen nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayKSG sind zunächst zu nennen:

Bei der Vorbereitung der Katastrophenabwehr erstreckt sich die Pflicht zur Katastrophenhilfe darauf,

1. die Katastrophenschutzbehörden bei der Erstellung und Fortschreibung von allgemeinen Katastrophenschutzplänen und von Alarm- und Einsatzplänen zu unterstützen,

2. auf Anforderung geeignete Personen für die Mitwirkung in der Katastropheneinsatzleitung zu benennen sowie

3. an Katastrophenschutzübungen mitzuwirken.72

Der „Schwerpunkt der Katastrophenhilfspflicht [jedoch] ist die Mitwirkung im abwehrenden Katastrophenschutz [(KatS)], also der Einsatz unter der Leitung und nach den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde“73. Wer in Bayern Katastrophenschutzbehörde ist, regelt Art. 2 Abs. 1 BayKSG:

(1) Katastrophenschutzbehörden sind die Kreisverwaltungsbehörden, die Regierungen und das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr. Kreisangehörige Gemeinden, die während einer Katastrophe ohne Verbindung mit der Kreisverwaltungsbehörde sind, nehmen in dieser Zeit die Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde wahr.74

Abwehrmaßnahmen im Sinne der Katastrophenhilfspflicht können der „Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln (Realakte oder tatsächliche Verwaltungshandlungen)“75 sein oder „Verwaltungsrechtshandlungen (Rechtsakte) einer zur Katastrophenhilfe verpflichteten juristischen Person des öffentlichen Rechts (z. B. das Schließen einer Schule)“76.

1.1.1.2.3. Bayerisches Rettungsdienstgesetz

Das BayRDG in der heutigen Form wurde am 22. Juli 2008 durch den Gesetzgeber erlassen. Die letzte Änderung trat am 1. April 2017 in Kraft. Für die Feuerwehr ist Art. 2 Abs. 17 BayRDG relevant. Es wird folgender Sachverhalt definiert:

1Organisierte Erste Hilfe ist die nachhaltig, planmäßig und auf Dauer von einer Organisation geleistete Erste Hilfe am Notfallort bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. 2Sie ist weder Bestandteil des öffentlichen Rettungsdienstes noch dessen Ersatz, sondern dient lediglich der Unterstützung. 3Organisierte Erste Hilfe unterliegt nicht dem Sicherstellungsauftrag der Aufgabenträger des Rettungsdienstes.77

Das BayStMI veröffentlichte mit Bekanntmachung vom 27. April 2011 und Änderung vom 7. Februar 2013 einen Leitfaden für die Tätigkeit örtlicher Einrichtungen organisierter Erster Hilfe (Ersthelfergruppen) in Bayern. Einleitend führt das BayStMI im Leitfaden aus:

In den letzten Jahren haben sich in zunehmendem Maße Initiativen gegründet, die auf örtlicher Ebene im Vorfeld des Rettungsdienstes organisiert Erste Hilfe leisten. Ziel der Initiativen ist die Verkürzung des sogenannten therapiefreien Intervalls bis zum Eintreffen des öffentlichen Rettungsdienstes. In den örtlichen Einrichtungen organisierter Erster Hilfe (im Folgenden als Ersthelfergruppen bezeichnet) sind in der Regel Mitglieder von Hilfsorganisationen und Feuerwehren tätig. Die Ersthelfergruppen werden auch als »First-Responder« oder »Helfer vor Ort« bezeichnet.78

Es sind unterschiedliche Organisationsformen möglich, wenn sich Menschen zur organisierten Ersten Hilfe zusammenschließen.

Am häufigsten anzutreffen ist die organisierte Erste Hilfe in der Trägerschaft einer Hilfsorganisation [sog. Helfer vor Ort (HvO)] oder einer Feuerwehr [sog. First-Responder].79

Im Jahr 2015 wurden die Kameradinnen und Kameraden der First-Responder-Gruppen bayernweit ca. 20.000-mal alarmiert; 9.811 Personen konnte geholfen werden und für 524 Menschen kam jede Hilfe zu spät.80 Der Landkreis Erding verfügt z. B. z. Zt. über 12 First-Responder-Gruppen. Diese werden von unterschiedlichen Freiwilligen Feuerwehren betrieben.81 Abschließend sei erwähnt, dass Feuerwehren gemäß Art. 4 Abs. 3 BayFwG zusätzlich zu ihren Pflichtaufgaben auch andere Aufgaben durchführen dürfen, wenn ihre Einsatzbereitschaft dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die Gemeinde, die Träger der Feuerwehr ist, muss dieser freiwilligen Tätigkeit zustimmen.82 Das Engagement der Feuerwehren als First Responder laut Art. 2 Abs. 17 BayRDG zählt zu den freiwilligen Tätigkeiten nach Art. 4 Abs. 3 BayFwG.

1.1.1.3. Versicherungsschutz

Im Jahr 2015 haben sich laut KUVB „2.131 Feuerwehrdienstleistende hauptsächlich beim Einsatz- und Übungsdienst verletzt.“83 Grundsätzlich sind

alle Feuerwehrdienstleistenden zwischen dem vollendeten 12. und 63. Lebensjahr […] für Unfälle mit Körper- oder Gesundheitsschäden durch die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Den gleichen Versicherungsschutz haben Personen, die der Feuerwehr bei einem Einsatz helfen oder nach Art. 24 BayFwG herangezogen wurden.84

Die aus dem Arbeitsleben bekannten drei möglichen Versicherungsfälle, Arbeits- und Wegeunfall sowie die Berufskrankheit, subsummieren sich unter dem Begriff Feuerwehrdienstunfall. Im speziellen Fall der Feuerwehr gehören zum Feld Arbeitsunfall

alle Unfälle bei Erfüllung von Pflicht- und freiwilligen Aufgaben der Feuerwehr, alle Unfälle beim Sport (Dienstsport), sofern es sich nicht um Wettkämpfe handelt [und] alle Unfälle bei sonstigen Veranstaltungen, sofern diese Tätigkeiten vom Kommandanten oder einem Führungsdienstgrad angeordnet wurden und die Tätigkeit im Rahmen der gemeindlichen Einrichtung Feuerwehr erfolgte.85

Der Wegeunfall ist - wie auch im Berufsleben - ein Unfall auf direktem Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit und zurück zur Wohnung bzw. zum Ausgangsort. Die Wahl des Verkehrsmittels ist dabei unerheblich. In Abgrenzung zum beruflichen Wegeunfall beginnt der Versicherungsschutz im Alarmierungsfall bei der Feuerwehr schon in der Wohnung