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Wenn YouTube mal zu etwas gut war, dann um Sarah Lau Mathe beizubringen und sie dem Poetry Slam vorzustellen. Und so berichtet sie heute von Vergangenem, Vize-Plätzen, schlechten Küssen und Nudeln mit Pesto.
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Seitenzahl: 123
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Sarah Lau
Erste Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 2019 by
Lektora GmbH
Schildern 17–19
33098 Paderborn
Tel.: 05251 6886809
Fax: 05251 6886815
www.lektora.de
Covermotiv: Olivier Kleine, www.olivierkleine.de
Covermontage: Olivier Kleine, www.olivierkleine.de
Lektorat: Lektora GmbH, Denise Bretz
Layout Inhalt: Lektora GmbH, Denise Bretz
eISBN: 978-3-95461-140-9
Schaut mich an
Zitronenlimonade
Ich bleib immer zu lang wach
Ich bin müde
Zweitnamensaustausch
Alles im Griff
Ich habe Angst
Wie umarmt man einen Rollstuhlfahrer?
OMPA
Caro Kaffee
Du, Mama …?
Diddlblättersammelei
Zuhause
Hausgeschichte
Alles, was du brauchst, ist Liebe
Eine Geschichte im Präteritum
Fragen
Ohr
Ein Geständnis
Ich wär lieber ein Mann
Wahre Liebe
Erdbraun und Grasgrün
Definitionen
Hasskuss
- - -
Zahnbürste, Kekse und Co.
Rosaroter Panther
Zweinsam
Das ist dasselbe, sag ich. Das Gleiche, verbesserst du mich
33 Empfindungen
Reise
Meer
Tretboot
Die Reise zum Dings
Zwischen zwei Stühlen
Stuhl
Im Wäldchen
Das ist mir ein Dorn im Fuß
Gut Leben
Nudeln mit Pesto
Danke.
Für Jakob
So … Und jetzt habt ihr mich abgecheckt, habt euch die Finger geleckt nach Informationen, die verraten, was hinter der Fassade steckt. Habt mich skeptisch beobachtet, von oben bis unten, habt die Oberfläche gesehen, von dem, was ich bin, und produziert euch eine Geschichte drum rum, wie ihr mich gerne hättet.
Die einen sehen Trauer in meinen Augen, sie erkennen die Unsicherheit, die meine Haare zerzaust und meine Wangen strahlen lässt. Ja, sie sehen meine Vergangenheit. Sie sehen die mit der kaputten Familie:
Mein Vater wollte mich nicht, meine Mutter liebte Alkohol mehr als mich und mein Bruder hat seine Liebe in Schlägen ausgedrückt und mit der Zeit wurde ich dann verrückt. Jetzt bin ich Außenseiter, sitze in der Schule in der letzten Reihe, stehe in der Pause alleine im Regen. Alles geht an mir vorbei, ich höre einfach weg, wenn sie mich schikanieren. Ja, vielleicht hab ich mir schon überlegt, mich umzubringen, weil ich keinen hab zum Reden. Doch vielleicht habe ich auch Angst davor, dass mich niemand vermisst. Und ich sitze abends alleine vorm PC, spiele WOW und trinke Sekt – entweder den billigen, der Kopfschmerzen verursacht, oder den guten, aber nur, wenn der im Angebot ist.
Und sie fragen sich: Wie kann man nur helfen und ist nicht eigentlich schon alle Hoffnung Irrsinn. Doch ich lache nur, denn schaut mich an, das bin ich nicht.
Schaut mich nochmal an, nur diesmal genauer.
Die einen sehen dann die Mauer, die mich umgibt, nennen mich Mauerbauerin, weil es nichts mehr gibt, was mir zu nahe kommt. Habe meinen weichen Kern zum Schmelzen gebracht, um das, was davon übrigblieb, mit einer noch härteren Schale zu schützen. Ich lass nichts mehr an mich ran, hab mein Herz vor Jahren an den Teufel verkauft, er hat es aufgebraucht und dann die Reste geraucht. Liebe war für mich meist ein Spiel, nur dass ich nichts davon wusste und mein Mitspieler geschummelt hat. Ewig verlieren kann niemand. Dann lieber die Spiele auf dem Dachboden verstauen: aus den Augen, aus dem Sinn. Ich bin, was ich bin, und ihr könnt mich alle mal! Ich brauche keine Zärtlichkeit, brauche nur ab und an Sex, mehr aber auch nicht. Also bitte ruf mich nicht an, schreib nicht und vergiss, was war, denn ich komme nur klar, wenn ich alleine bin. Das steht mir gut und du bewunderst meinen Mut, das zuzugeben, doch nur so können wir beide damit leben. Und ihr denkt euch: »Was ne Bitch«, doch ihr wisst insgeheim: Das bin ich nicht.
Schaut mich nochmal an, nur diesmal genauer.
»Bitch war gar nicht so verkehrt«, sagen dann einige.
Ob Mainstream oder Hipster, das lässt sich eh nicht unterscheiden. Ja, ich trage nur den neusten Scheiß, um dazuzugehören, höre ich zu, und lasse reden, um Meinungen anzunehmen und als eigene zu verkaufen. Ja, vielleicht bin ich ja so eine richtige Bitch, eine, die sagt, sie liebt dich, und dann nen anderen fickt, und vielleicht bin ich deine beste Freundin und verrate dich. Als richtige Bitch schmink ich mich viel und trage unter der Schicht Make-up nur etwas wahres Gesicht. Bin so richtig hinterlistig, um zu kriegen, was ich will, und will alles auf einmal, brauche dann aber zwölf Typen, die mir tragen helfen. Und daheim hab ich nen Chihuahua, so nen miesen Kläffer, den ich dann in Handtaschen packe und ausführe. Und ihr denkt euch: »Nee, das passt nicht« und, ja, ihr habt recht: Das bin ich nicht.
Schaut mich nochmal an, nur diesmal genauer.
Bin ich nicht doch die, die in der Schule vorne sitzt, die Hand in die Höhe gestreckt, um die Hausaufgaben vorzulesen? Die, die nie auf Partys geht, weil Lernen nun mal höher steht. Dann bin ich die, die auf den Richtigen wartet – und ihm dann doch absagt, weil Mathe Priorität hat. Die, die so viel Zeit mit Arbeit verbringt, dass sie Sport vergisst und immer fetter und fetter und fetter wird. Oder die, die vor lauter Lernstress vergisst, zu essen, und das Wenige, das sie sich abends dann noch in den Rachen stopft, sofort wieder auskotzt. Doch wenn ihr mich anschaut, seht ihr, ich bin kein Kind von Traurigkeit.
Schaut mich nochmal an, nur diesmal genauer.
Vielleicht bin ich ja doch das Mädchen, bei dem auf Dauer alles gut läuft. Große Familie, beste Freundin, fester Freund. Gute Noten trotz langer Nächte und so im Großen und Ganzen einfach glücklich. Doch vielleicht bin ich das gerade nicht, sondern alles zugleich.
Ob euch das reicht, ist mir egal. Ihr seht, was ihr sehen wollt. Wollt Menschen in Schubladen stecken, Hände und Identitäten brechen, doch du hast jetzt die Chance, etwas Großes zu entdecken.
Sprich mich an!
Frag mich aus!
Und hol mich aus dieser verdammten Schublade raus!
Dann entdeckst du vielleicht ein Detail an mir, das einer Eigenschaft gleicht, einem Teil von dir. Und vielleicht haben wir uns gesucht und dann endlich gefunden.
Also hör auf, mich bloß anzuschauen!
Hör auf, eine Geschichte zu bauen!
Und hör auf mich, wenn du mich ansprichst!
Hi. Ich bin Sarah.
Und wer bist du?
Mama sagt immer: »Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus.«
Ich finde, das klingt ziemlich klug. Generell sagt Mama oft kluge Sachen, die stimmen und guttun, wenn man sie befolgt. Und da ich von Zitronen in letzter Zeit mehr als genug bekommen hab, baue ich mir einen Limonadenstand.
Ich baue mir einen Limonadenstand aus den Brettern, die ich im Schuppen meines Nachbarn finde, ich frag nicht nach, ich nehm sie einfach, braucht er sicher nicht mehr. Und die Bretter schlage ich mit Nägeln zusammen, die ich aus der Wand meines Zimmers ziehe, die Bilder stelle ich auf den Boden, ich glaube, das ist jetzt in so, irgendwie rebellisch und modern. Meinen Schuh nutze ich als Hammer, funktioniert besser als gedacht. Ich bin zufrieden, hämmere stolz vor mich hin und stehe schließlich verschwitzt vor dem Ergebnis. Hässlich sieht der aus, mein Limonadenstand, aber hässlich ist ja auch irgendwie sympathisch.
Und dann sitze ich da an meinem Limonadenstand und mache meine erste Limonade. Ich weiß gar nicht, wie das geht, merk ich und presse lustlos die erste Zitrone über dem Glas aus. Toll, jetzt schon keinen Bock mehr. Schmeckt auch scheiße, merke ich beim Probieren, da muss Zucker oder Alkohol dran. Ich entscheide mich für beides und verbessere mit jeder weiteren »Limonade« das Rezept.
Mama sagt immer: »Übung macht den Meister.«
Das hört sich für mich nach nem ganz akzeptablen Ziel an. Schließlich stehen vor mir 25 große leere Gläser, aus denen traurig noch Strohhalm und Dekoscheiben stechen. Ich habe mit dem Messer in eine der Dekoscheiben »Meister« geritzt und sie mir an mein Oberteil gepinnt. Meine Blase ist voll, ich auch, mein erster Kunde kommt.
»Hey, hallo, na, hey!«, rufe ich ihm entgegen.
»Du siehst ja süß aus!«, denke ich.
»Danke«, sagt er.
»Mist«, denke ich.
»Hab ich wohl laut gesagt«, sag ich.
»Ja«, sagt er. »Gibt’s noch Limonade?«
»Ne«, sag ich, »alles weg, ›ausverkauft‹.«
»Schade«, sagt er grinsend.
»Ja«, sag ich, ebenfalls grinsend, und flüstere ihm zu, dass ich da ein bisschen Alkohol mit reingemixt hab.
»Ich merk’s«, sagt er. »Soll ich dir noch eine Zitrone holen?«, fragt er.
»Ja, gern!«, sag ich, ohne drüber nachzudenken, dass ich eben noch so glücklich war, so ganz ohne Zitronen in meinem Leben, und stolz irgendwie, alle auf einmal verarbeitet zu haben, alle weg, und jetzt will dieser Kerl mir ne neue bringen und ich lächle und sag: »Ja, bitte, danke, super lieb.«
Doch er bringt mir nicht nur eine, er bringt gleich mehrere Zitronen mit sich, und irgendwie gewöhn ich mich dran, die mit mir rumzutragen, und schaffe es nur ab und an mal, eine Limonade daraus zu machen, sie zu trinken, mit zusammengekniffenen Augen und brennenden Mundwinkeln.
Und kaum hab ich eine Zitrone als Limonade getrunken, bringt er mir zwei neue und wir streiten und ich sag: »Ich kann nicht mehr, ich kann nicht noch mehr tragen und erst recht nicht noch mehr trinken! Ich bekomm Bauchschmerzen und Durchfall!«
Und er lacht und drückt mir drei weitere in die Hand. Und wohin mit Zitronen, die man loswerden will, die nimmt einem ja niemand ab, da steht ja niemand an der Ecke und will statt Geld in seinem Becher lieber Zitronen haben.
Und ich wollte auch keine Zitronen und auch dich nicht, ich wollte nur mal ausprobieren und basteln an mir und meinem Leben, nur mal einen Schluck probieren, nicht gleich die ganze Vorratskammer voll mit Zitronen und Verantwortung haben. Ich fühl mich wie ein Elefant im Zitronenladen, aufgedunsen und am falschen Platz. Ich wollt nur mal ausprobieren, wie’s mir am besten schmeckt, wie’s am hübschesten ist und wie viel ich dann davon vertrage.
Und Mama sagt immer: »Wenn die Maus satt ist, schmeckt das Mehl bitter.«
Ich bin die Maus und du wohl das Mehl, die Zitronen stören nur, die passen auch überhaupt nicht in das Sprichwort.
»Der Hunger kommt beim Essen«, sagt Mama immer.
Durst kommt aber sicher nicht beim Trinken. Und nichts wird so heiß gekocht, wie es gegessen wird. Keine Zitrone schmeckt so sauer wie in meiner Limonade und keine Zitrone ist so sauer wie deine und ich bin so sauer auf dich. Ich bin satt und sitt, das ist das Gegenteil von durstig.
Doch meine Mutter sagt immer: »Appetit holt man sich woanders, gegessen wird zuhause.«
Zitronen holt man sich wohl auch woanders und presst sie dann zuhause allein zur Limonade. Denn niemand hilft beim Zitronenaufbrauchen, niemand bleibt zum Limonadetrinken, nicht einmal, wenn Alkohol drin ist. Außer dir, du bleibst.
Irgendwie aber auch nur, um zu sehen, wann neue Zitronen geholt werden müssen.
»Gibt’s noch Limonade«, fragst du und ich merke, wie aus einem fremden »er« ein sehr nahes »du« wurde.
»Nein«, sag ich. »Nein. Nicht für dich und für sonst auch niemanden und bitte, bitte lass mich die scheiß Limonade alleine trinken, mit Gin oder Wodka, schmeckt beides halt besser als ohne.«
Und du stutzt und gehst und wirst wieder zu einem er, zu jemandem, den ich mal kannte, der nun vielleicht manchmal noch vorbeischaut, ob mein Limonadenstand noch steht, doch der steht nicht mehr, denn …
… Mamas Sprüche waren alle gegoogelt, die kamen gar nicht von ihr. Mein Nachbar hat die Bretter wirklich dringend gebraucht, die Bilder kommen auf dem Boden nicht zur Geltung und mein Schuh hat vom Hämmern ein Loch in der Sohle und wenn ich noch einmal eine Zitrone sehe, esse ich sie einfach. Warum lange damit herumschlagen und sie zu Limonade machen, wenn sie mit drei Bissen, die vielleicht ein bisschen schmerzen, weg ist? Wenigstens sieht man komisch aus beim Essen. Und sauer macht ja bekanntlich lustig, aber jetzt ist Schluss mit witzig, andere kochen auch nur mit Wasser und stille Wasser sind tief, doch wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Zu viele Köche verderben die Limonade – und du mich.
Meine Mutter … Na ja, Google sagt immer: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.«
Mir steht Silber aber besser als Gold, und es ist nicht alles Gold, was glänzt, nicht jeder toll, der schenkt, erst recht nicht, wenn’s scheiß Zitronen sind.
Seitdem ich sie entlarvt habe, sagt meine Mutter immer »laut Google« vor jedem ihrer klugen Sprüche.
»Laut Google spielt die erste Geige immer das Glück.«
Und ich sag, ganz ohne Google: Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann … gib sie halt zurück.
Ich bleib immer zu lang wach
und verzehre zu viel Alkohol
Dann schlafe ich nicht aus
und verzehre zu viel »I don’t know«
was das nur mit mir macht
und ob, wenn ich dann so weitermach
das alles so gut klappt
mit Studium und Geld und so
wie vorgestellt und ausgemalt
So
schön war ich noch nie
klug bin ich sowieso
nicht
wissen, wie man schreibt
aber weiß, was ich zu sagen hab
Doch halt mich stets zurück
denn wenn ich meine Meinung sag
gibt’s nur nen blöden Blick
und meistens auf die Fresse
Und jetzt bin ich wohl Student
Wohn anscheinend in Paderborn
Hab coole Leute um mich rum
und blöde ignorier
ich
bin hochnäsig von Zeit zu Zeit
gelassen, angespannt
Verpasse Züge und auch Busse
doch bin ewig nicht gerannt, denn
davon bekomm ich Seitenstiche
Rücken und werd rot
verschwitzt, verklebt und zittrig
und ich wäre lieber tot
denn wer tot ist, fühlt nichts Schlechtes
und wird nicht beschämend anders
Doch wer tot ist, fühlt halt gar nichts
und wer anders ist, der kann was
Meine Oma ist sehr groß
und hat schöne lange Beine
Doch meine Oma, die hat Wasser
das geht von alleine
überall im Körper rum
Und Oma muss fast platzen
die Hose spannt, der Schuh, der klemmt
Und ich muss auch fast platzen
denn mir passt das nicht ins Weltbild
meine Oma so zu sehen
denn ich für meinen Teil
kann nicht mit Krankheit umgehen
Ich umgehe blöde Themen
bin lieber still und lächle mild
Und wenn du mich fragst, wem denn
das alles hier was bringt
ja, dann sage ich »mir selbst«
bin egoistisch, arrogant
elegant, fast zu markant
aufgesetzt und grässlich
Hässlich eigentlich
Eigentlich
Nicht-ich
bau in letzter Zeit viel scheiße
und kann damit gar nicht umgeh’n
Versuch dann, Lösungen zu zeigen
und verstecke das Problem
Doch das Problem bin ich
und ich pass in kein Versteck
Meine Füße sind zu groß
und wenn ich so lieg, verrenk
ich mir alle meine Knochen
und mein Herz springt aus der Brust
Mein Herzschlag hämmert Worte
in meinen Kopf im Überdruss
Überfluss, zerfließe
Biege mich dann vor, zurück
Seh nach hinten, um zu sehen
niemand blickt zu mir zurück
Niemand da, der auf mich wartet
der zurückbleibt und dort steht
Niemand da, der unerwartet
lieber kommt, anstatt zu gehen
Niemand da, der aus Versehen
»Guten Tag« statt »Gute Nacht« sagt