Umverteilung neu - Oliver Tanzer - E-Book

Umverteilung neu E-Book

Oliver Tanzer

4,6

Beschreibung

Tiefe wirtschaftliche Krisen waren in der Geschichte immer auch ein Anlass über die Verteilung des Reichtums nachzudenken. Die aktuelle Finanz- und Schuldenmisere macht dabei keine Ausnahme. Einer ihrer Hauptursachen ist die massive Ungleichverteilung der Güter und Chancen. Der Lösung dieses Ungleichgewichts ist dieses Buch gewidmet. Seit der Antike beschäftigen sich Ökonomen und Philosophen mit der Herstellung gerechter Verhältnisse. Viele ihrer Ideen wurden vergessen oder missverstanden. Aristoteles und Platon ging es da ebenso wie Adam Smith oder Friedrich von Hayek. Ihnen ist der erste Teil des Buches gewidmet. Darauf aufbauend analysieren die Autoren die Gründe der aktuellen Krise, das Verhältnis von Politik und Finanzsystem, schlagen Modelle der Finanzierung der Realwirtschaft vor und versuchen, die Frage zu beantworten, welchen Platz die Ethik in der Finanzwirtschaft der Zukunft haben sollte.

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Josef Taus • Oliver Tanzer

Cover

Titel

Vorwort: Die Krise – ein Symptom

TEIL I Die Geschichte der Umverteilung und ihr modernes Erbe

Es begann mit einem göttlichen Fluch

1. Kapitel: Die griechische Idee

Die Erfindung des gerechten Staates

2. Kapitel: Das christliche Fundament

Das römische Verteilungssystem und der Aufstieg des christlichen Gesellschaftsmodells

3. Kapitel: Von Mammon und Hölle

Thomas von Aquin und seine Schüler suchen nach einer Synthese von Wirtschaft und Gerechtigkeit

4. Kapitel: Ein Utopia gegen die Wirklichkeit

Mit der Renaissance erhält die Welt ein neues Ziel: den Idealstaat

5. Kapitel: Fortschritt und Elend

Die Erben von Thomas Morus: Karl Marx und die französischen Sozialisten und Utopisten

6. Kapitel: Die Schöpfung des Kapitalismus

Adam Smith und die Entstehung des liberalen Kapitalismus

7. Kapitel: Von Arbeit und Konsum

Wie Arbeit und Eigentum die Verteilung der Güter prägen

8. Kapitel: Die Vergessenen der Globalisierung

Warum die Suche nach globaler Verteilungsgerechtigkeit einen falschen Weg geht

9. Kapitel: Der ewige Streit um den Staat

Die Auseinandersetzung um die Rolle des Staates in der Wirtschaft verläuft entlang 200 Jahre alter ideologischer Bruchlinien

10. Kapitel: Chancen der Synthese

Plädoyer für eine neue Sicht der Ökonomie

TEIL II Ideen für die Zukunft des Finanzsystems

Großer Fortschritt braucht kleine Schritte

11. Kapitel: Was bleibt vom Neoliberalismus?

Gibt es einen neuen Neo-Keynesianismus oder herrscht Pragmatismus?

12. Kapitel: Die gegenwärtige Krise

Eine von vielen – ist sie bewältigt?

13. Kapitel: Das Finanzsystem

Seine Funktion und seine Schwächen

14. Kapitel: Hüter der Realwirtschaft

Das Finanzsystem hilft Unternehmen – kann sie aber auch gefährden

15. Kapitel: Wie geht es weiter mit dem Finanzsystem?

Möglichkeiten einer grundlegenden Reform

16. Kapitel: Währungspolitik

Instrumente der Geldpolitik

17. Kapitel: Der Überlebenskampf des Euro

Kann die gemeinsame Währung bestehen?

18. Kapitel: Und alles trägt der Mittelstand

Die unbedankte Funktion der echten Wertschöpfer

19. Kapitel: Eine neue Vermögenspolitik für Bürgerinnen und Bürger

So funktioniert ein Stabilitätspakt für Sparer und Wirtschaft

20. Kapitel: Ein Weg für Österreich

Möglichkeiten für eine Sozialbindung des Eigentums

21. Kapitel: Resümee

Die verbindende Moral

Anhang

Expertise der RA-Kanzlei Wildmoser/Koch & Partner zu Basel III

Literatur

Endnoten

Glossar

Register

Weitere Bücher

Impressum

Fußnote

Vorwort

Die Krise – ein Symptom

„Die Krise ist überstanden“, so schallt es allenthalben aus den Medien und freudig aus dem Mund manches Politikers. Die Krise ist überstanden? Ja, wenn man damit meint, dass es der Konjunktur wieder besser geht. Aber wie aussagekräftig sind Konjunkturdaten und Börsenentwicklungen, wenn es um das Große und Ganze unserer Wirtschaft und Gesellschaft geht? Wenn es um Griechenland, Portugal und Irland geht? Oder wenn man auf Spanien blickt, das mit chinesischen Staatsfonds seine Sparkassen stützt?

Wer jemals Zeuge von Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen zum Thema Finanz- und Wirtschaftskrise war, weiß um den Verlauf solcher Debatten. Sie beginnen bei den Problemen der Finanzwirtschaft und enden in Besorgnis über unser wirtschaftlichdemokratisches System als Gesamtes.

Es offenbart sich da eine tiefe Ahnung, dass etwas nicht stimmt in unserem Zusammenleben und dass die Krise der Finanzmärkte letztlich nur das Symptom einer schweren Krankheit ist, die unser Gemeinwesen erfasst hat. Dann wird vom Prinzip des Egoismus und von der Gier gesprochen, von der ungleichen Vermögenszuteilung, von der Bereicherung der Eliten und vom bedauernswerten Zustand des Staates und der Politik, die beide, so die gängige Analyse, ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Diese Pflichten bestünden darin, die Kohäsion, den Zusammenhalt der Gesellschaft, zu fördern, indem alle Bürgerinnen und Bürger – gleich welcher Herkunft – mit Chancen ausgestattet werden, sich in dieser Gemeinschaft zu verwirklichen. Es geht aber auch um die Verteilung der gemeinsamen Güter unter der Bedachtnahme, dass nicht der eine viel zu viel, der andere aber trotz Arbeit gar nichts habe – weder Vermögen noch Rechte.

Wir sind nicht die erste Generation, die sich in einer existenziellen und moralischen Krise wähnt. Die abendländische Geschichte ist voll von solchen Krisen – aber auch von Konzepten und Ideen zu ihrer Beseitigung. Sie haben ihre Wurzeln teilweise im antiken Griechenland und sind bis heute wirksam. Wir wollen die bedeutendsten von ihnen im ersten Teil des Buches vorstellen.

Platon und Aristoteles bilden den Ausgangspunkt. Ihr Einfluss reicht weit über das Mittelalter hinaus: bis zu den ersten Kapitalisten und – auf der anderen Seite – bis zu den utopischen Sozialisten und Karl Marx. Der Leser wird entdecken, dass einige der bekanntesten ökonomischen Schriften vorsätzlich missverstanden, sinnentstellend interpretiert oder ganz einfach verdrängt wurden – zumeist aus ideologischen Gründen. Er wird aber auch entdecken können, dass viele dieser Ideen heute aktueller wären denn je.

So wie wir in den vergangenen Jahrhunderten die Frage der Gerechtigkeit und der Verteilung innerhalb eines Staates diskutierten, so müssen wir heute auch die Globalisierung und ihre Wirkung auf die weltweite Verteilung der Güter betrachten. Denn das Ungleichgewicht, das von jeher zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen besteht, vergrößert sich tendenziell, anstatt sich zu vermindern. Wir haben es also mit einem doppelten Verteilungsdrama zu tun: einem nationalen und einem globalen.

Diese Kapitel werden Basis und Anregung bieten für eine Auseinandersetzung mit Politik und Finanzwirtschaft der Moderne, die den zweiten Teil des Buches bildet. Welche Änderungen in Staat und Wirtschaft sind notwendig, um die Zukunft zu meistern? Welche Reformen braucht das System, um seine Ziele der gesellschaftlichen Kohäsion wieder erfüllen zu können? Wie können vor allem jene wieder gefördert und gestärkt werden, die den Löwenanteil zum Reichtum durch ihre tägliche Arbeit beitragen: die Unternehmer sowie die Arbeiter und Angestellten der Realwirtschaft? Wie kann dieser Mittelstand gefördert und vergrößert werden? Was kann die Finanzwirtschaft zu einer gerechten Verteilung von Chancen und Gütern beitragen? Die im zweiten Teil enthaltenen Antworten auf diese Fragen und konkrete Vorschläge sollen Anhaltspunkte für ein Gemeinwesen des 21.Jahrhunderts bilden. Denn wir wollen nicht den Pessimismus zum Leitmotiv unserer Überlegungen machen. Für Österreich lässt sich doch sagen, dass wir – ökonomisch – noch nie in einer so guten Situation waren. Leider halten viele die gegenwärtigen Zeiten für schlechte. Was wir aber wollen, ist einige Ideen vorstellen, die für manche der offenen Fragen Lösungsansätze bieten. Wir betreiben also vorsichtigen Optimismus – auch wenn’s manchmal nicht ganz leicht ist.

Oliver Tanzer
Josef Taus

Wien, Mai 2011

Es begann mit einem göttlichen Fluch

Plutos, der Gott des Reichtums, wurde geboren aus Wollust und Mord. Die Göttin der Fruchtbarkeit, Demeter, verfiel während eines Festes der Himmlischen dem Charme und der Schönheit des Titanen Iasion. Ein frisch gepflügtes Feld war das Bett, auf dem die beiden Plutos zeugten. Die Erde an ihrem Rücken aber verriet Demeter, als sie in den Kreis der Götter zurückkehrte. Zeus entdeckte das Verhältnis und tötete Iasion mit einem Blitz. Das Kind der Demeter aber blendete er. So klammert sich der kleine Plutos an sein Füllhorn, randvoll mit den Reichtümern der Erde. Und er verschüttet sie blind und ohne Ansehen der Verdienste über einzelne Menschen.

Der Autor, der vor gut 2600Jahren diese Sage erfand, hatte einen tiefen poetischen Sinn für verborgene Schatten der Psyche und gleichzeitig die hellste Klarsicht über die ehernen Gesetze gesellschaftlicher Realität: die Sucht und das Verlangen, aus denen Reichtum entsteht, die natürlichen Ressourcen der Erde, aus denen er sich speist, die Willkür, mit der er sich fortpflanzt.

Aus diesen Komponenten werden wir im Folgenden das Problem der Verteilung herausschälen. Dies und die Frage, welche Rolle dabei das Gemeinwesen einzunehmen hat, sind die Kernfragen der menschlichen Gesellschaft. An ihr entzünden sich seit mehr als 2000Jahren Intrigen, Aufstände, Kriege und Revolutionen.

Lange schien das Problem nicht aktuell zu sein – zumindest nicht für die reichen Teile der Menschheit. In einer Gesellschaft des überbordenden Konsums und des scheinbar unbegrenzten Wachstums hatte ein jeder sein Auskommen – und sehr viele hatten sehr viel mehr als das. Nun aber fallen die Schatten der Globalisierung und der Wirtschaftskrise auf uns. Das ändert das Bild. Brüche werden sichtbar und Sprünge klaffen in der scheinbar heilen kapitalistischen Fassade.

Die Sicherheit als Grundpfeiler, der allgemeine Reichtum als Substanz, das solide Sozialgefüge als Polster der Gesellschaft scheinen verloren zu gehen. Warum ist das so? Gibt es Lehren und Modelle, die zu einem gerechteren Miteinander führen würden, die gleichsam Plutos die Augen öffnen könnten?

Auf den folgenden Seiten werden wir einige von ihnen vorstellen. Platon und Aristoteles suchen wir im antiken Athen auf, Thomas von Aquin im mittelalterlichen Paris, Adam Smith im schottischen Glasgow des 18.Jahrhunderts – um nur einige zu nennen. Die Werke der großen Wirtschaftsdenker sollen auf die Themen Arbeit, Zins, Geldwirtschaft und Gerechtigkeit hin durchforstet werden.

In diesem Sinne begeben wir uns auf eine Reise durch die Geschichte der Verteilung von Gütern und Chancen, die im Zentrum der abendländischen Welt um 500v.Chr. beginnt: in Griechenland – nur einen historischen Wimpernschlag nach dem Sündenfall Demeters und Iasions. Dort öffnet sich ein Kosmos des politischen Denkens, der die schönsten, manchmal seltsamsten und bizarrsten Blüten treibt, welche – ehe sie zugrunde gehen – ihre Samenkörner über das gesamte Abendland ausstreuen.

Speckbrei und Hunger

In Athen, dem Mittelpunkt der griechischen Antike, heißt es nun Anker werfen. Als Berater und Führer durch diese Zeit wird uns Diogenes zur Seite stehen, landläufig bekannt als schrulliger Mann, der aus einem Fass heraus Alexander den Großen anschnauzte, ihm gefälligst aus der Sonne zu gehen. Was ihn für unsere Zwecke besonders geeignet macht, ist, dass er auch selbst einiges von Wirtschaft verstand. Er war der Spross eines Finanzbevollmächtigten und Bankiers in Sinope am Schwarzen Meer. Vater und Sohn waren aber auch mit der künstlichen Vermehrung von Geld beschäftigt – sie wurden jedenfalls wegen Falschmünzerei angeklagt und aus der Stadt gejagt. Diogenes hat daraus die Konsequenz gezogen, fortan arm zu bleiben. Geldgier, so meint er, ist „die Metropole aller Übel“.1

Mit krummem Rücken schreitet er uns nun voran, alles und jedes kritisierend, mit allem und jedem seinen Spott treibend. Das Erste, wovor er uns warnt, ist, sich unter den alten Griechen eine Ansammlung hoch kultivierter Damen und Herren in blütenweißen Togen am azurblauen Meer vorzustellen. In Wahrheit seien sie verrottet, eitel und verroht, wie die Tiere, meint Diogenes. Zur Unterstreichung dieses Urteils geht er an manch sonnigem Tag mit einer entzündeten Öllampe über den dicht belebten Marktplatz von Athen. Sobald jemand an ihn herantritt und fragt, was er denn da treibe mit seinem Licht, antwortet er: „Ich suche Menschen.“2 Alles Tiere also? Diogenes übertreibt und karikiert, doch der wirtschaftliche Zustand dieser ersten Demokratie ist tatsächlich alles andere als erhaben. Extreme Güterknappheit prägt die Ökonomie. Wer gut bürgerlich wohnt, tut das in primitiven, fensterlosen Häusern, gebaut aus Holzrahmen und Lehmziegeln, mit einem von Säulen umrahmten Vorhof. Im Haus ist auch das Vieh – zumeist Rinder und Schweine – untergebracht. Die öffentlichen Bäder der Zeit gleichen eher Kaltwasser-Kneippanstalten als Warmwasser-Thermen und scheinen in einem teilweise erbärmlichen sanitären Zustand zu sein. „Wo säubern die sich, die sich hier säubern?“, fragt Diogenes.3

So karg die Häuser und Wascheinrichtungen sind, so dürftig ist es auch um die lebensnotwendigen Güter bestellt. Mangel ist ein ungebetener Dauergast in den städtischen Kornkammern. Per Gesetz ist deshalb für alle Athener die Ausfuhr von Getreide verboten, und ein ganzer Beamtenapparat überwacht Qualität, Menge und Preis des Mehls. Jedes Handelsschiff, das Piräus mit den üblichen athenischen Exportgütern (Textilien, Eisenwaren, Waffen, Handwerkszeug, Kunstgegenstände) verlässt, ist angehalten, mit Korn beladen wiederzukehren. Der Mangel macht das tägliche Brot auch extrem anfällig für Inflation und Spekulation: Jedes Gerücht von einem ausgefallenen oder verunglückten Transport lässt die Brotpreise oft um bis zu 30Prozent pro Tag ansteigen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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