(Un)heilbar - Die Wunder der Hypnosebehandlung - Yasemin Höck - E-Book

(Un)heilbar - Die Wunder der Hypnosebehandlung E-Book

Yasemin Höck

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Beschreibung

In (Un)heilbar - Die Wunder der Hypnosebehandlung erzählt die Autorin Yasemin Höck ihre bewegende Lebensgeschichte als Betroffene von Gewalt in der Kindheit und ihrem Leben mit chronischen Krankheiten. Offen und ehrlich spricht sie über ihre Traumata und den Zusammenhang zwischen seelischen und körperlichen Erkrankungen. Der Ausbruch ihrer Autoimmunerkrankung und die Diagnose "unheilbar" führen sie auf die Suche nach ganzheitlicher Heilung von Körper, Geist und Seele. Im Mittelpunkt steht die Transformative Kraft der Hypnose. Dieses Buch ist ein kraftvolles Zeugnis für die Selbstheilungskräfte des Menschen und ein Mutmacher für alle, die noch auf der Suche sind.

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Seitenzahl: 269

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Yasemin Höck

(Un)heilbar – die Wunder der Hypnosebehandlung

Wie die Seele durch unseren Körper spricht

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. KeinTeil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder anderes Verfahren) ohne schriftlicheGenehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet,vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für meine Eltern.

Für deine bedingungslose Liebe und Unterstützung T.

Für M., weil du im richtigen Moment da warst.

Für alle die mutig genug sind hinter die Wirklichkeit zu blicken.

Für meine Tochter, ich liebe dich.

Prolog

„Hallo Yasemin, ich bin gerade zufällig auf unsere letzte Unterhaltung gestoßen und habe dein Profilbild gesehen. Ich muss loswerden, dass du wirklich fantastisch aussiehst! Ich bin sehr froh, dass es dir besser geht. Egal was dir geholfen hat, man sieht, dass du wieder glücklich bist und das ist alles was zählt.“ - Nici aus der Spezialklinik am 05.05.2017 per Messenger.

Warum schreibe ich dieses Buch? Was bringt einen Autor dazu, über Wochen, Monate und nicht selten Jahre an seinem Computer zu sitzen und in die Tasten zu tippen, bis jeder Muskel am Rücken vor Schmerzen schreit? Und wie findet man die richtigen Worte, die diese eine Botschaft vermitteln sollen, die man im Herzen trägt?

Seit meiner Jugend habe ich mich an unzählige Werke begeben, die ich nie zu Ende schrieb. Einige von diesen unvollständigen Werken liegen in einem alten USB-Stick abgespeichert in der Schublade meiner Nachttischkommode. Ich wollte meine Gedanken mit anderen teilen, hatte jedoch starke Selbstzweifel. Wer würde sich für meine Erzählungen interessieren und wer war ich schon, im Alter von 17, 20, 24 Jahren, ein adäquates Buch zu schreiben?

Tatsächlich ist dies hier das erste Werk, das ich vollende und das in nur drei Wochen. Diese Erzählung beruht auf einer wahren Begebenheit und doch ist sie das Unglaubwürdigste, was mir je wiederfahren ist. Nachdem die Erkrankung, die mich die letzten drei Jahre fast niedergestreckt hätte, endlich überstanden war, war der Gedanke darüber zu schreiben und alle Erinnerungen wieder aufleben zu lassen, das Letzte was ich wollte. Ich wollte abschließen, einen Schlussstrich ziehen und weiterleben, als wäre dieses schwarze Kapitel nie geschehen oder bloß ein entfernter Albtraum. Aber bekanntlich kommt es anders als man denkt und so ließt du nun die ersten Zeilen meiner Heilungsgeschichte. Das Leben spielt schon merkwürdig. Vor nicht einmal drei Jahren habe ich Menschen wie mich belächelt, Querdenker als Irre abgestempelt und stolz behauptet, ich sei der einzig normale Mensch auf diesem Planeten.

Jetzt, drei Jahre später, mache ich selbst den größten Irren dieser Welt Konkurrenz. Ich bin an magischen Orten gewesen, habe mit Geistern gesprochen, Bäume umarmt und bin in frühere Leben gereist. Ich bin tausende Tode gestorben und habe mich aus der Asche erhoben wie Phönix. Irgendwo auf diesem besonderen, meinem ganz eigenen Weg begegnete mir eine Kulisse, die wir als „Realität“ betiteln. Ich war mutig genug um dahinter zu schauen. Was ich dort fand, möchte ich gerne mit dir teilen, denn ich weiß, dass diese Erkenntnisse anderen Betroffenen helfen werden. Ich könnte sogar behaupten, dass ich diese Geschichte teilen muss! Es brennt mir auf der Zunge und drängt sich aus meinem Herzen an die Oberfläche. Ich kann keinen Tag länger schweigen, es scheint mir sehr wichtig, etwas auf den Kopf zu stellen, was lange Zeit als normal betrachtet wurde. Wenn ich auch nur einen kranken Menschen da Draußen inspirieren kann weiter nach Heilung zu streben, dann wird dieses Buch seinen Zweck erfüllt haben. Das Schlagwort „unheilbar“ spielt hierbei eine zentrale Rolle. Wir müssen uns wieder unserer Selbstheilungskräfte erinnern und aufhören einer Lüge Glauben zu schenken, die so viele kranke Menschen ins Verderben stürzt. Die Wunder, die ich erleben durfte, werden dir Mut machen, sie werden der Anstoß sein, den man manchmal braucht um das Denken in eine andere Richtung zu lenken. Denn der Kopf ist rund, damit der Verstand die Richtung ändern kann. Wohin uns diese Erzählung führt, ist ungewiss. Mit Sicherheit aber wird sie Welten verändern.

„Glaube nicht alles, was du siehst und sehe mehr als das, woran du glaubst.“ - Die Skeptikerin 5

Kapitel 1 - Die Skeptikerin

Meine Eltern sind Migranten zweiter und erster Generation. Mein Vater war gewzungen mit 7 Jahren seine Heimat zu verlassen, meine Mutter wurde mit 15 Jahren nach ihrer Zwangsverheiratung nach Deutschland gebracht. Ich wurde als zweites Kind meiner Eltern im örtlichen Krankenhaus per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Mein Kopf war angeblich zu groß für das schmale Becken meiner jungen Mutter. Heute wissen wir, dass Stress und Angst eine große Rolle gespielt haben. Nachdem meine Mutter zwei Tage lang vergeblich versucht hatte mich natürlich zur Welt zu bringen, entschied der Oberarzt des Krankenhauses aufgrund eines steigenden Risikos für Mutter und Kind, eine Kaiserschnitt OP einzuleiten. Damals wurden Kaiserschnitte routinemäßig mit Vollnarkose durchgeführt. Mitten in der Operation öffnete sie aufgrund einer unzureichenden Narkosetiefe ihre Augen, sah sich selbst in einem Schlachtfeld von Instrumenten und ihrem eigenen Blut und geriet unausweichlich in Panik. Da man annahm, sie würde die ganze OP verschlafen, hatte man ihren Körper nicht durch einen Sichtvorhang abgedeckt. Nach einer weiteren Vergabe von Narkosemitteln verabschiedete sie sich vollends ins Land der Träume und wachte erst einige Stunden nach der Operation wieder auf. Ich wurde durch den Oberarzt der Klinik geboren und der Schwester übergeben Diese brachte mich unter tobendem Geschrei zur Babywaage, um mit den ersten Untersuchungen anzufangen. Nachdem ich gewaschen und angekleidet wurde, legte man mich in ein fahrbares Babybett und brachte mich in das Zimmer meiner Mutter, wo ich ihren leisen Atemzügen lauschte, bis sie genug Kraft hatte, mich zu sich zu nehmen.

Als sie mich das erste Mal in ihre Arme nahm, war sie so schwach und erschöpft, dass sie fürchtete, jeden Augenblick weg zu sterben. Die Freude über das neue Leben in ihren Armen hielt sich in Grenzen. Doch sie liebte mich, wie nur eine Mutter ihr Kind zu lieben vermag. Entgegen den Erwartungen ihrer Schwiegereltern, mir den Namen meiner Großmutter zu geben, beugte sie sich in diesem Moment zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr: „Hosgeldin Yasemin!“. Ich fand den Klang meines Namens schön, um Längen besser als die Alternative „Fatma“. Was ich damals noch nicht begriff, war die revolutionäre Botschaft, die in diesem Namen mitschwang. Meine Mutter hatte ein Statement gesetzt, indem sie sich das erste Mal seit ihrer Verheiratung vor vier Jahren meinen Schwiegereltern offen widersetzte. In unserer Familie waren die Frauen stark. Sie schufteten, sie hielten aus, sie kämpften, sie waren allesamt der Anker der Familie. Ich bekam von all den Stürmen in dieser Familie noch nichts mit. Alles was ich wollte war eine Mütze Schlaf und Muttermilch, ich hatte großen Hunger!

In den ersten Tagen Zuhause spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Meine Mutter hielt mich immer zu fest in ihren Armen. Presste mich an ihre Brust, als würde ich ihr jeden Augenblick aus den Händen gerissen werden. Ihr Herz schlug oft viel zu schnell und ich konnte an ihrem Körperduft Angst riechen. Sie war immer in Alarmbereitschaft. Was ihr so zu schaffen machte konnte ich nicht ahnen. Jedoch blieb es mir nicht verborgen, dass ihr Hormonhaushalt sich veränderte sobald männliche Verwandte ihr zu nahe kamen. 22 Jahre später würde sie mir unter strömendem Regen und ebenso strömenden Tränen erzählen, dass ihr Schwiegervater sie mehrfach sexuell belästigt hatte. Er sollte nicht der Einzige gewesen sein. Meine Mutter baute sich eine Rüstung auf, und wir waren ihre Schutzschilder. Wo sie war, waren wir. Sie nahm mich eng umschlugen in ihre Arme und legte meinen Bruder auf ihren Schoß, hielt uns fest an sich gedrückt. Ich glaube ich brauche dir nicht zu erläutern, worin meine Klaustrophobie als Erwachsene zu begründen war. Eine junge Frau allein in einem fremden Land. Sie beherrscht die Sprache nicht, sie hat keinen Schutz durch ihre Familie. Alles was sie hat ist sie selbst.

Jahre vergingen und unsere Kleinkinderkörper wuchsen. Irgendwann konnte sie uns nicht mehr halten. Wir tobten, rannten, sprangen, zerstörten, bauten wieder auf und tanzten im Regen bis der Himmel lila wurde. Auf dem Land aufzuwachsen war das Schönste für mich. Meine Eltern hatten sich räumlich von meinen Großeltern getrennt, und wir lebten zu viert in einer Dreizimmerwohnung, so ländlich, dass wir morgens vom Kikeriki des Nachbarhahns geweckt wurden. Wenn ich mit meinem Bruder durch den Garten des Mehfamilienhauses jagte, fühlte ich mich vogelfrei und unbeschwert. Dies sind die kostbarsten Momente meiner Kindheit. Ich kann heute noch den Wind auf meinen Schultern spüren, rieche das hohe Gras und erinnere mich an jeden Baum, an jeden Ameisenhügel, den wir entdeckten. An unsere Freunde, mit denen wir Räuber und Bandit spielten und an lange Sommertage, an denen wir auf dem Rücken liegend im Schutz der hohen Wiese die Wolken beobachteten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann liegen sie noch heute unter demselben Himmel und träumen von ihrem Leben. Es wäre ein schönes Märchen, wenn wir diese Erzählung hier beenden würden. Ich müsste nicht allzu viel von mir Preis geben, und du hättest die bunte Seifenblase, nach der wir Menschen uns sehnen. Ein Fünkchen Hoffnung in einer immer dunkler scheinenden Welt.

Es gab eine Zeit, in der ich meiner Vergangenheit entfliehen wollte, sie ausblenden, ungeschehen machen, leugnen wollte. Ich schämte mich für meine Herkunft, für meine Erlebnisse und für den Großteil meiner Familie. Migrantenfamilien sind anders. Wir versuchen diesen Umstand immernoch zu leugnen und so zu tun als wäre es unproblematisch Menschen aus ihrer Heimat und ihrem gewohnten Umfeld loszureißen und in eine völlig fremde Umgebung zu integrieren. Meine Familie war eher eine modernere als viele andere türkischen Familien, die ich kannte und dennoch gab es häusliche Gewalt, es gab Züchtigung mit Schlägen, es gab ein ganz klares Autoritätsgefüge, in dem vor allem Kinder Respekt vor den Älteren haben mussten, es gab die Unterdrückung der Frauen, viele Verbote und Einschränkungen und ein komplett abweichendes Weltbild. Ich kannte keine einzige deutsche Familie, die so war wie unsere Türkischen. Wir wurden nie gefragt, wir wurden nie gesehen. Wir Kinder mussten viel ertragen und viel kompensieren. Unsere Eltern haben Therapie nicht verstanden, sie haben auch uns nicht verstanden. Wir waren die Generation, die zwischen den Stühlen aufwuchs, zwischen zwei Himmeln, zwei Welten.

Heute weiß ich, dass man an Herausforderungen am besten wachsen kann und schwere Zeiten unsere Persönlichkeit stärker prägen als Gute. Heute kenne ich die Güte meines eigenen Herzens, das mit allem, was geschah, Frieden schließen kann. Heute weiß ich, dass Menschen stets ihr bestmöglichstes tun und es niemandem zusteht darüber zu urteilen. Vielleicht macht mich eben diese Vergangenheit zu einem Menschen mit weitem Herzen für Andere, die ähnliches durchmachen. „Urteile niemals über Jemanden, wenn du nicht einen Tag in seinen Schuhen gelaufen bist“, heißt ein bekanntes Sprichwort und es ist eine Art Mantra für mein Leben geworden. Mein Schmerz lässt es nicht zu, dass ich andere Flüchtlinge oder Menschen anderen Glaubens, anderer Weltansichten, ja selbst Rechtsradikale hasse. Mein Schmerz zeigt mir, dass jeder Mensch zum Monster werden kann, wenn Zeit, Ort und Umfeld ihn vergiften. Ich wähle nicht zu hassen, ich wähle zu verstehen. Und laub mir, wenn ich dir sage, dass zu verstehen hundert mal schwerer ist, als blind mit dem Finger auf Jemanden zu zeigen. Verstehen braucht das Einreißen eigener Mauern, das über den Schatten springen, das Loslassen von Rechthaberei.

In jedem Märchen gibt es diesen einen Moment, an dem sich die Katastrophe ereignet. Schneewittchen wird vergiftet, Aschenputtel wird von der bösen Stiefmutter weggesperrt, Dornröschen verflucht und Rotkäppchen vom bösen Wolf attackiert. Wieso aber erzählen wir unseren Kindern diese Geschichten, wenn wir im realen Leben keine Negativerlebnisse mehr zulassen können? Wie viele Menschen fürchten sich vor Krankheiten, Krebs, Thrombosen, Infarkten oder Tumoren? Wie viele verzichten auf Abenteuer aus Angst vor Unfällen, Verletzungen und Gefahren? Das Universum ist immer ausgeglichen. Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Yin und Yang gehören nun mal zusammen, nur so erreichen wir die Vollkommenheit. Das sind die Gesetze des Lebens, man kann sich dagegen aufstellen oder lernen auf den Wellen zu reiten.

Surfer stürzen sich geradewegs in eine Welle hinein, nur so können sie sich von dieser tragen lassen. Nehme diese Metapher als ein Mantra für dein Leben und stürze dich in die höchsten Wellen. Dort wo unsere größte Angst sitzt, ist der Ort, an dem wir große Siege feiern können. Die Frage ist, bist du mutig genug um dich ins Leben hinein zu stürzen oder bevorzugst du es, dir das Spektakel vom sicheren Strandufer aus anzusehen? Sei dir gewiss, beides ist in Ordnung. Dieses Leben liegt in deiner Hand, du schreibst die Zeilen.

„Lass uns Feste wie Konfetti schmeißen, sehen wie sie zu Boden reißen und, die gefallenen Feste feiern bis die Wolken wieder lila sind. Und lass mal an uns selber glauben, ist mir egal ob das verrückt ist, und wer genau guckt, sieht, dass Mut auch bloß ein Anagramm von Glück ist...“ - aus „One Day Baby Reckoning Text“ von Julia Engelmann.

„Ich fühle mich immer so aufgekratzt. Still sitzen ist furchtbar für mich. Am liebsten würde ich 12 Stunden am Tag arbeiten, immer in Bewegung bleiben, keine Rast einlegen. So bleiben meine Gedanken stumm, so muss ich an nichts denken.“ - Gespräch in der ersten Psychotherapie nach dem Ausbruch der Erkrankung am 6.4.2015.

Hast du dich schon mal körperlich wehren müssen? Vielleicht kannst du dich vage an eine Auseinandersetzung in der Schule erinnern, in der du dich schützen musstest? Vielleicht hast du einen Unfall überlebt, eine Naturkatastrophe oder ähnliches. In Momenten, in denen unser Körper ums Überleben kämpft, verändern sich schlagartig Puls und Blutdruck. Adrenalin strömt in unsere Gefäße und unsere Muskeln ziehen sich zusammen. Energie wird gebündelt, und wir stehen förmlich unter Strom. Wir alle kennen diese Situationen, haben unzählige Male einen solchen „Überlebenskampf“ gemeistert. Manchmal ging es nur um ein Referat, das vor versammelter Klasse abgehalten werden wollte, andere Male schleuderten wir mit unserem Auto in einen Graben, mussten in Sekunden entscheiden was zu tun war. Ganz gleich, was du erlebt hast, die Art wie unser Körper auf Gefahr reagiert ist immer die Gleiche, nur an Intensität variiert es.

Ich kann mich sehr gut an das Gefühl von Gefahr erinnern. Die Gefahr wurde zu einem konstanten und ungeliebten Begleiter. Ich habe jeder Sekunde misstraut, die vor mir stand. Nicht gerade eine angenehme Art, durch das Leben zu gehen, noch dazu sehr risikoträchtig für einen frühzeitigen Burnout. Wieso aber war mein Körper ständig in Alarmbereitschaft und kam nicht mehr zur Ruhe?

„Ich habe Alpträume. Ich stehe alleine in einem dunklen Raum, alles ist pechschwarz, und ich kann nichts sehen. Nichts außer diese Augen. Haben Sie schon mal in Augen geblickt, die Sie hassen?“ - In der Gesprächstherapie am 24.04.2016.

Mein Vater war gewalttätig. Er fing an mich zu misshandeln, als ich gerade einmal alt genug war, meine Windeln abzulegen. Als ich zwei Jahre alt war, beschlossen meine Eltern, ich müsse künftig auf eine richtige Toilette gehen. Leider klappte das nicht von Anfang an wie gewünscht. Eines Tages schaffte ich es nicht rechtzeitig zur Toilette zu laufen und pinkelte einen halben Meter vor der Türe auf den Teppichboden. Mein Vater wurde sehr zornig, beschimpfte mich, seine Fingernägel bohrten sich in meinen Arm als er mich runter auf den Boden zog. Dann packte er mich bei den Haaren und drückte mein Gesicht in den Urin. Er wollte, dass ich meinen eigenen Urin auflecke, denn so, glaubte er, würde ich lernen mich nicht mehr einzunässen. Ich erinnere mich daran, dass wir noch mit meinen Großeltern und meinem Onkel und seiner Tante in einem Haus lebten. Keiner kam mir zu Hilfe. Ich schrie und weinte, währen die Erwachsenen die Situation amüsant fanden und lächelten.

Bis zu meinem vierten Lebensjahr blieb ich nächtliche Bettnässerin. Heute weiß ich, dass es die Angst war, die mir diese lästige Angewohnheit verschaffte. Ich hatte Todesangst vor meinem Vater.

Ich rede nicht viel von meiner Kindheit, weil sie voller schwieriger Momente für mich war. Ich möchte nicht bemitleidet werden und auch nicht mit meiner Gescichte Aufmerksamkeit anziehen. Zudem gaben mir die Erwachsenen im ersten drittel meines Lebens nie das Gefühl, dass mein Reden erwünscht sei. Mir fällt es daher besonders schwer, wirklich Wichtiges aus meiner Innenwelt zum Vorschein zu bringen. Dennoch weiß ich mitlerweile, dass Sprechen die schönste Form der Verbindung mit Anderen sein kann. Meine eigene Tochter war mutistisch und zeigte mir den Wert der Kommunikation umso deutlicher. Ich danke ihr für diese Lernaufgabe.

Wenn ich mich früher doch einmal Jemandem öffnete, dann stand mir diese Person vermutlich sehr nahe. Die Reaktionen waren ähnlich schmerzerfüllt und ungläubig. Häusliche Gewalt und vor allem psychische Gewalt sieht man Menschen nicht an. Kleider verstecken die blauen Flecken auf der Haut und Maskierung versteckt die auf der Seele. Im Sichanpassen sind Menschen wie ich Meister. Wir haben über Jahre hinweg gelernt unser Lächeln anzuziehen und so zu tun, als sei nichts. Wer so einen Menschen kackt, hat wohn wirklich Zugang zu seiner Seele.

In den ersten zwölf Jahren meines Lebens befand ich mich auf einem Schlachtfeld. Jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde rechnete ich mit einem Angriff. Jeden Moment war ich gewappnet für meine Verteidigung. Denn anders als in einem gewöhnlichen Krieg, war es mir unmöglich mich zu schützen. Ich war körperlich klar unterlegen, hatte keine Mittel und riskierte durch meine Abwehrversuche jedes mal eine schlimmere Bestrafung. Jetzt klingt es doch wie ein gewöhnlicher Krieg. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an die Attacken meines Vaters und der Schmerz wurde immer vertrauter. Mein Vater hatte viele Methoden: Gürtel, Schuhe, Feuerzeuge, Fäuste, Tritte, Folter und Beschimpfungen. Bei allen physischen Attacken, denen ich ausgeliefert war, waren es die verbalen Erniedrigungen, die sich nachhaltig in meine Seele brannten und mich schwer verletzten. Ich weiß nicht wie ich diese Zeit überlebt habe, nur dass sie keineswegs spurlos an mir vorbei gegangen ist. Meine Mutter entzog sich mir in damals völlig. Sie verhielt sich mir gegenüber immer kühler, je älter ich wurde. Ich suchte oft bei ihr nach Schutz und hatte doch das Gefühl, dass sie es keine zehn Minuten aushielt, mich in ihre Arme zu nehmen. Ihr eigener Schmerz saß tief und ich triggerte diesen, weil ich auch zum Opfer wurde. Ich war ihr Spiegel und sie konnte es nicht aushalten hinein zu sehen.

„Ich muss dringend mit Ihnen über ihre Tochter sprechen. Sie hat diese blauen Flecken am ganzen Körper. Was genau ist da los bei ihnen Zuhause? Möchten sie es mir erzählen?“ - Klassenlehrerin der Grundschulklasse 1998.

Ich trug viele blaue Flecken am Körper, als hätte meine Seele durch sie sprechen wollen. Es war offensichtlich, dass ich Gewalt erfuhr und doch schienen die Erwachsenen in meiner Welt nicht bereit dafür zu sein, dieser Tatsache ins Auge zu blicken. Sehr früh machte ich die Erfahrung, dass Erwachsene gerne weg sahen, wenn es ungemütlich wurde. Die Art, mit der sie meine Verletzungen ansahen, gab mir das Gefühl etwas Beschämendes erlebt zu haben. Flüchtige, unsichere Blicke, gestresste Gesten machten diese unbequeme Wahrheit deutlich. Wenn ich mit neuen Flecken in der Schule auftauchte, ging mir meine Klassenlehrerin aus dem Weg. Niemand wollte Verantwortung für ein Vergehen übernehmen, dass er selbst nicht begangen hatte. Aber es wurde begangen und mit jedem weiteren Erwachsenen, der weg sah, wuchsen die Komplizen dieses Verbrechens. Und in meinem Herzen wuchs die Wut über all jene Menschen, die nichts unternahmen. Mir war bewusst, dass mein Vater etwas mit mir machte, was nicht in Ordnung war. Eines Tages bekam ein Kind aus meiner Klasse Läuse. Meine Klassenlehrerin schrieb einen Brief an alle Eltern, in dem sie die Eltern bat ihre Kinder nach Läusen abzusuchen. Einige blieben daraufhin ein paar Tage der Schule fern. Im nächsten Unterricht untersuchte die Klassenlehrerin die Kinder nacheinander nach Läusen. Wir gingen einer nach dem Anderen in einen seperaten Raum und wurden untersucht. Als ich and er Reihe war, sah meine Klassenlehrerin die blauen Flecken auf meinem Hals. Sie fragte mich, ob ich mein Oberteil ausziehen könnte. Danach sah sie auch die blauen Flecken auf meinem Körper. Sie wurde ruhig. Als nächstes sollte ich die Hose ausziehen. „Wer hat dir das angetan?“, fragte sie leise. In meiner kindlichen Unschuld antwortete ich mit der Wahrheit: „Mein Papa.“ Ich war sieben Jahre alt und hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Kurz darauf wurde meine Mutter zum Gespräch gebeten. Ich war dabei, als meine Klassenlehrerin sie fragte, woher meine blauen Flecken kämen und ich hörte meine eigene Mutter sagen „Sie ist tollpatschig, sie stößt sich überall. Und dann kämpft sie auch mit anderen Kindern, sie ist sehr wild.“ Damit war das Gespräch beendet. Es war wohl leichter damit zu leben.

Im Alter von neun Jahren begriff ich allmählich, dass ich mich nicht auf andere Menschen verlassen konnte. So versuchte ich meine Bedürfnisse möglichst selbstständig zu erfüllen. Ich wollte auf Niemanden mehr angewiesen sein, der mich womöglich verletzen könnte. Mein Misstrauen wuchs von Tag zu Tag. Leider schwächelte zudem regelmäßig mein Immunsystem und machte mich zu einem kränkelnden, bedürftigen Kind. Entzündungen, Fieber, Magenkrämpfe, Durchfall, Erkältungen und Angina suchten mich regelmäßig heim. Mein Körper rebellierte. Wenn ich krank war, war meine Mutter wie ausgewechselt. Sie machte mir Kamillentee mit Honig, wenn ich Magenschmerzen hatte und kochte ihre berühmte Hühnersuppe, wenn ich erkältet war. Sie streichelte mir über meine Haare, wenn ich Fieber hatte und legte mir kalte Umschläge auf Stirn und Nacken. Ich genoss diese Phasen sehr, obwohl ich einen hohen Preis dafür zahlen musste. Ärzte verschrieben mir massenweise Antibiotika, Kopfschmerzmittel, Hustensäfte, Fieberzäpfchen, von allem etwas und meine Mutter sorgte dafür, dass ich jedes Medikament ordentlich einnahm.

„Das ist erschreckend. In Ihren ersten beiden Lebensjahren haben sie mehr Antibiotika abgekriegt als eine ganze Hühnerfarm!“ - Anamnese bei meiner Heilpraktikerin am 27.8.2015.

Angriff auf allen Ebenen. Medikamentenmissbrauch Seelische Verletzungen, ein gewaltbereiter, cholerischer Vater und eine Helikopter Mutter, die aus ihrer eigenen Angst heraus Krankheiten in mich hinein projezierte. Im Jahre 2000 kam noch eine schwere Epilepsie Erkrankung meines Bruders hinzu. Es wurde jedenfalls nie langweilig bei uns.

Drei Jahre später erfüllten sich meine Eltern einen langjährigen Traum und kauften sich eine Immobilie. Das Haus war groß genug für uns, aber alt, und es musste vieles erneuert und umgebaut werden. Fast vier Monate blieben wir in unserer alten Wohnung und nutzten jede freie Minute des Tages, um auf der Baustelle zu arbeiten. Ich war dreizehn Jahre alt und besuchte die achte Klasse des örtlichen Gymnasiums. Meine schulischen Leistungen waren eher durchschnittlich. Mein Gedächtnis versagte oft, Vergessen sicherte mir das Überleben.

Mit dem Beginn der Renovierungen wurden meine Noten schlagartig schlechter. Jeden Tag ging ich nach der Schule auf die Baustelle und half meinen Eltern beim Umbau. Ich schleppte Steine, riss die Tapete von den Wänden und half dabei, neue Wände hochzuziehen. Abends ließ ich mich erschöpft ins Bett fallen und am nächsten Tag ging das Ganze von vorne los. Nach dreieinhalb Monaten zogen wir dann in die Baustelle. Ich hatte endlich ein eigenes Zimmer, was mir sehr gefiel, jedoch fehlten noch die Türen im Obergeschoss. In der Not spannte ich einen Vorhang über den Türrahmen. Mit zwölf Jahren wurde mir meine Privatsphäre immer wichtiger.

In der Zeit der Renovierungen war mein Vater sehr gereizt. Seine täglichen Wutausbrüche belasteten die ganze Familie. Irgendwann war es nicht mehr auszuhalten.

„Ich kann nicht mehr, Anna. Bitte hilf mir, ich halte das hier nicht mehr aus!“ - zu meiner besten Freundin am Telefon, 12.4.2005.

Eine Stunde zuvor war ich ausgelaugt von einer anstrengenden Woche leise ins Wohnzimmer getreten und hatte mich zu meinen Eltern auf das Sofa gesetzt. Ich wollte einfach nur Fernsehen und abschalten. Als ich das Wohnzimmer betrat, konnte mein Vater sich eine spitze Bemerkung über mein Aussehen nicht verkneifen. Das gehörte ebenso zu seinem Naturell wie seine Gewaltausbrüche. Er machte uns gerne runter und demütigte uns. Damit zeigte er uns regelmäßig seine Überlegenheit. Zumindest glaubte er selbst das. Ich war mir da damals schon nicht so sicher. Obwohl ich seine abfälligen Bemerkungen zu genüge kannte, schafften seine Worte es mir weh zu tun, ich war dreizehn und er nunmal meine erste männliche Bezugsperson.

Ich saß keine fünf Minuten auf dem Sofa, als meine Mutter anfing, sich im Monolog darüber zu beklagen, dass ihr Niemand mit den täglichen Aufgaben half. Undankbare Kinder hätte sie groß gezogen. Eine Schande wären wir für die Familie. Ein tiefer Seufzer entfloh meiner Kehle. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Mein Vater unterbrach meine Mutter. „Wann kriege ich denn meinen Feierabendtee, Schatzi?“, fragte er überspitzt freundlich. „Ich habe den Tee schon aufgesetzt. Es muss noch eine Minute durchziehen. Mein Gott, immer nur funktionieren muss ich in diesem Haus. Deine Tochter könnte auch mal einen Finger krumm machen!“ Sie giftete mich regelrecht an.

„Ich mache genug!“ Ehe ich mich versah, waren die Worte aus meinem Mund. Es wurde still. Mein Körper ging in Vorbereitung auf eine bevorstehende Gefahr und erhöhte meinen Puls. Ich spürte meinen Herzschlag deutlich in der Brust, Adrenalin und Noradrenalin wurden ausgeschüttet und mein Gehirn vom Ausstoß der Hormone vernebelt. In den nächsten Sekunden erlebte ich in Zeitlupe, wie mein Vater mir eine scheuerte und mir dann befahl ihm sofort seinen Tee zu holen und nicht so frech zu meiner Mutter zu sein. Tränen schossen mir in die Augenwinkel, ich fühlte mich so wertlos wie ein Stück Papier in diesem Haus.

Das abfällige Grinsen im Gesicht meiner Eltern machte die Situation noch unerträglicher. Waren sie stolz auf ihre Überlegenheit? War alles nur ein Schauspiel der Macht und Ohnmacht? Ich begriff nicht, wie man so mit seinen Kindern umgehen konnte. In diesem Moment veränderte sich etwas in meinem Inneren. Ich konnte richtig fühlen, wie in mir etwas zerbrach und etwas Gewaltiges dort an die Oberfläche trat. Eine Hitze schoss mir in die Brust und breitete sich bogenförmig um meinen Brustkorb aus. Blanke Wut erfüllte meine Lungen und so öffnete ich meinen Mund und schrie: „Ihr seid grauenvolle Eltern. Ich hasse euch! Ich werde euch verlassen, weil ihr mich schlecht behandelt. Was ihr hier tut ist nicht richtig, und ich werde dich verklagen, Papa!“

Ich sprang auf, doch er war schneller und packte mich an den Haaren. Ich kassierte ein paar Schläge auf den Kopf und wurde an den Haaren in die Küche gezogen. Dort angekommen, dachte ich im ersten Moment, er würde das heiße Teewasser über mich gießen. Gott sei Dank, tat er dies nicht. Stattdessen hielt er meinen Kopf ganz nah an das heiße Stahl der Teekanne und sprach leise und deutlich: „Noch so ein Spruch und du kommst dem heißen Wasser näher als dir lieb ist, junge Dame! Du wirst mir jetzt meinen Tee eingießen und ihn dann zu mir ans Sofa bringen. Dann setzt du dich brav neben mich und wartest darauf, dass ich dir erlaube aufzustehen. Deinen frechen Mund wirst du heute nicht mehr aufmachen!“ Er ließ mich als Häufchen Elend in der Küche zurück. Mit zitternden Fingern goss ich ihm den Tee ein und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Dann ging ich zurück ins Wohnzimmer und stellte das Glas auf dem Tisch vor meinem Vater ab. Danach setzte ich mich neben ihm auf das Sofa und wartete auf die Erlaubnis, in mein Zimmer gehen zu dürfen. „Dann geh doch, wenn du kannst“, lachten sie über mich. „Wohin willst du denn gehen?“

Dort sitzen zu müssen, nachdem er mich wieder einmal dominiert hatte, war schlimmer als tausend Tritte. Die Demütigung brannte wie Feuer auf meiner Haut. Doch auch, wenn es den Anschein machte, dass ich mich ihm wieder unterwarf, hatte in mir eine Revolution begonnen. Während ich still auf dem Sofa saß, ging ich in Gedanken durch, wie ich aus diesem Höllenhaus ausbrechen könnte. Schnell wurde mir klar, ich brauchte eine Komplizin. Die einzige Person, der ich vertraute und die mir wirklich etwas bedeutete, war meine beste Freundin Anna. Später am Abend steckte ich mir unser Haustelefon unter den Pulli und ging hinter das Haus, auf die Steinterrasse. Dort hockte ich mich auf den Boden und wählte ihre Nummer. Die Nummer der besten Freundin vergisst man nie. Ihr Vater nahm ab und reichte mich weiter an Anna. In dem Moment, in dem ich ihre Stimme hörte, brach ein elendes Geheul aus meinen Lungen. Ich erzählte ihr alles, schüttete ihr mein Herz aus und betete innerlich, dass sie mir helfen möge. Andernfalls würde ich mir morgen früh die Pulsadern aufschneiden. So war der Plan. Ich war gerade einmal dreizehn Jahre alt und erlitt meinen ersten Nervenzusammenbruch.

Nachdem wir aufgelegt hatten, saß ich noch eine Viertelstunde in der Abenddämmerung. Die Luft war kalt, leichte Regentropfen fielen auf meinen zitternden Körper und ein sanfter Wind streichelte durch meine Haare. Ich atmete frischen Sauerstoff in meine Lungen. Es war, als wolle mir der Wind Mut machen. Es fühlte sich nach einem Aufbruch an, nach etwas magischem. Mir war klar, wenn etwas schief ginge, würde ich womöglich die heftigsten Prügel meines Lebens dafür ernten. Doch ich war darauf gefasst. In diesem Moment empfand ich einen derart tiefen Frieden in meinem Herzen, wie ich ihn nie zuvor gespürt hatte. Das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich frei und selbstermächtigt. Es gab nur zwei Optionen für mich, Abhauen oder Untergehen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass ein Teil von mir erst untergehen musste, bevor meine Seele wirklich frei sein konnte und diese Freiheit erst Jahre später zu mir finden würde.

Meine größte Inspiration und Muse ist die Natur, die unser aller Ursprung ist und von der wir viele Erkenntnisse gewinnen können. Manchmal erleben wir eisige Winter, die uns die letzten Kräfte rauben, die uns niederstrecken und uns alles nehmen, wovon wir einst glaubten ohne es nicht leben zu können. Und wenn wir am Limit sind und glauben, es gäbe keine Hoffnung, dann entsteht aus der Aufgabe pure Hingabe. Wir lassen los und lassen zu, was bestimmt ist zu geschehen. Wir kämpfen nicht mehr gegen etwas an, wir finden Frieden. Die Pflanzenwelt macht es uns wunderbar vor und lässt jedes Jahr ihre Blätter fallen, opfert ihre prächtige Schönheit im Vertrauen auf einen nächsten Frühling nach dem Winter. Kein Baum hat sich je darüber beschwert, weshalb er seine Blätter und Blütenpracht nicht behalten darf. Schaue ich mir hingegen die Bewerberinnen für eine bekannte Topmodellshow an, wenn das Umstyling losgeht, kann ich mich nur fremdschämen. Abgesehen vom Menschen gibt es ebenfalls keine Spezies, die freiwillig hungern würde, nur um in dem nächsten Fotoshooting einen Apfelpo in die Kamera halten zu können, aber ich schweife wieder ab.

Nach dem Winter, kommt der Frühling gewiss. So sind die Naturgesetze, und alles hat seine Zeit. Wirklich alles, was auf diesem Planeten stattfindet, hat seine eigene Zeit und seinen Raum. Von daher, träume groß und höre nicht auf an das Unmögliche zu glauben. Ich als geborene Skeptikerin kann dir versichern, irgendwann wachen selbst die härtesten Zweifler auf, meistens wenn sie ganz unten angekommen sind, denn wenn wir Sturköpfe eines gut können, dann ist es zu hinterfragen und zu analysieren bis zum Schluss.

Alles verändert sich in dem Moment, in dem wir aufgeben, in dem keine Waffe ausreicht, keine Abwehr standhält, in dem wir den Kampf verlieren. In diesem Moment wächst aus der Dunkelheit eine Knospe des Lichts heran. Der Frühling erblüht, in diesem oder dem nächsten Leben, das ist gleich. Denn die Seele unterscheidet nicht zwischen den Welten.

An diesem Abend saß ich als kleines Mädchen mit einem tapferen Herzen auf der Terrasse hinter meinem Elternhaus und blickte in die Dunkelheit, die sich wie eine Decke über die Welt legte. Und während ich mich leer und verloren fühlte, keimte ein neues Leben in mir heran, dass mich bald einnehmen sollte.