Unanfechtbar? - Fritz Vahrenholt - E-Book

Unanfechtbar? E-Book

Fritz Vahrenholt

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Im März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig erklärt und der Politik aufgetragen, die CO2-Reduktion über 2030 hinaus bis 2050 bereits jetzt zu regeln. Die Konsequenzen werden zu einem Klima-Lockdown führen und das soziale Gefüge Deutschlands auseinanderreißen. Das Gericht ignoriert dabei den mit hohen Unsicherheiten behafteten wissenschaftlichen Diskussionsstand und erweckt fälschlicherweise den Eindruck einer alternativlosen Gefahrenlage. Dieses Buch will zu einer faktenorientierten Diskussion des Urteils beitragen und prüft die Argumentation auf fachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität. Die Autoren belegen mit einer Fülle von Quellenverweisen eindrucksvoll, auf welchen fehlerhaften Annahmen dieser folgenschwere Beschluss beruht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 144

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Distanzierungserklärung: Mit dem Urteil vom 12.05.1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite gegebenenfalls mit zu verantworten hat. Dies kann, so das Landgericht, nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Wir haben in diesem E-Book Links zu anderen Seiten im World Wide Web gelegt. Für alle diese Links gilt: Wir erklären ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte der gelinkten Seiten haben. Deshalb distanzieren wir uns hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten in diesem E-Book und machen uns diese Inhalte nicht zu Eigen. Diese Erklärung gilt für alle in diesem E-Book angezeigten Links und für alle Inhalte der Seiten, zu denen Links führen.

© 2021 LMV, ein Imprint des Langen Müller Verlag GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Sabine Schröder

Umschlagmotiv: iStock

Satz und Ebook-Konvertierung: VerlagsService Dietmar Schmitz, Heimstetten

ISBN: 978-3-7844-8419-8

www.langenmueller.de

Inhalt

Vorwort

Zusammenfassung

Faktencheck

1. Die Zuverlässigkeit des IPCC

2. Die Unsicherheitsspanne der CO2-Erwärmungswirkung

3. Der klimageschichtliche Vergleich

4. Einflussgrößen für zukünftige Erwärmung

5. Die thermohaline Zirkulation des Nordatlantiks

6. Der Jetstream

7. Die Kipppunkte

8. Die zu erwartende Erwärmung bis 2100

9. Extremwetter

10. Krankheiten, Stürme und Lawinen

11. Der Anstieg des Meeresspiegels

12. Sturmfluten

13. Dürren

14. Klimaflüchtlinge

15. Bedrohung der Küsten

16. Das Aufhalten des Klimawandels

17. Kohlenstoffsenken

18. Carbon Capture and Storage (CCS)

19. Die Rolle der Naturwissenschaften

20. Unsicherheiten beim CO2-Restbudget

21. Berechnung des CO2-Restbudgets

22. Unumkehrbarkeit

23. Umrechnung von CO2 in Temperatur

24. Budget auf null

25. Umgang mit Unsicherheiten

26. Abwägung von Unsicherheiten

27. Verlässlichkeit des IPCC

28. Die Bestimmung des nationalen Anteils durch den SRU

29. Negativemissionstechnologien

30. Quantifizierung der Unsicherheiten

31. Verengung auf ein Restbudget

32. Wie realistisch ist das Restbudget?

33. Die Bedeutung der Temperaturschwelle

34. Planungshorizont jenseits 2030

35. Erzeugung von Planungsdruck

Quellenverzeichnis

Vorwort

Mit Beschluss vom 24. März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf Klage einiger Einzelpersonen wie Hannes Jaenicke (Schauspieler), Luisa Neubauer (Fridays for Future), Volker Quaschning (Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin) und Josef Göppel (CSU-Politiker, Energiebeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit) entschieden, dass das Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 verfassungswidrig ist, weil »hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahre 2031 fehlen«.1 Die Klage war im Februar 2020 eingereicht worden. Unterstützt wurden die Einzelkläger unter anderem von den Aktivisten-Gruppierungen Germanwatch, Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie Greenpeace. Zu den parallel klagenden Organisationen gehörte der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass über eine so hochkomplexe Klage mit weitreichenden Auswirkungen auf die durch die Verfassung garantierten Grundrechte, aber auch mit dramatischen Auswirkungen auf Wohlstand, Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft und soziale Sicherungssysteme, innerhalb eines Jahres entschieden wird. Dass der Beschluss im Vorwahlkampf des Wahljahrs 2021 verkündet wurde, passt zu den Aussagen des Gerichts in Randnummer (im Folgenden abgekürzt als Rn.) 254, wonach der Beschluss dazu dienen soll, dass »Reduktionsmaßgaben so differenziert festgelegt« werden, denn erst dies erzeuge »den erforderlichen Planungsdruck, weil nur so erkennbar wird, dass und welche Produkte und Verhaltensweisen im weitesten Sinne schon bald erheblich umzugestalten sind.«

Das Gericht hat nur drei Stellungnahmen erhalten, jeweils eine des Deutschen Bundestages, der Bundesregierung und der Bundestagsfraktion der Grünen. Die Beklagten Deutscher Bundestag und Bundesregierung widersprechen den Klägern in der Sache nicht: Das Gericht zitiert etwa die Stellungnahme des Bundestages, es »sei von einer gegenwärtigen Grundrechtsbeeinträchtigung durch den Klimawandel auszugehen« (Rn. 48). Wenn Kläger und Beklagter ähnliche Positionen vertreten, ist ein einseitiges Ergebnis vorhersehbar. Es wundert dann kaum, dass die Stellungnahme der Grünen, in der die »Festlegung konkreter Reduktionsziele für den gesamten Zeitraum bis zur Erreichung von Klimaneutralität im Jahr 2050« gefordert wird, im Beschluss des Gerichts widergespiegelt wird.

Weder Industrieverbände noch Arbeitnehmerorganisationen oder andere gesellschaftliche Gruppen, für die das Ergebnis des Beschlusses von existenzieller Bedeutung ist, wurden angehört. Und bei dem wissenschaftlichen Fundament bezieht sich das Gericht im Wesentlichen auf vier Quellen: zum einen auf den Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), zum anderen auf das Buch »Der Klimawandel«2 von Stefan Rahmstorf, dem Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam, und Hans Joachim Schellnhuber, dem langjährigen Direktor des 1992 von ihm mitgegründeten PIK, ferner auf den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) und schließlich auf das Umweltbundesamt (UBA). Dabei ist das UBA als nachgeordnete Behörde der Bundesregierung schon fast wie eine Aktivistenorganisation einzustufen, wenn man sich den jüngsten Bericht3 der Behörde zu den »Risiken der Erderhitzung in Deutschland« anschaut, wonach es in Deutschland bis 2100 um 5 Grad heißer werden könne. Das UBA vergisst dabei aber mitzuteilen, dass dieses Szenario die völlig absurde Annahme der Verbrennung aller Kohle-, Öl- und Gasvorkommen der Welt bis 2100 voraussetzen würde.

Kritiker dieser extrem unwahrscheinlichen und unrealistischen Szenarien von UBA, PIK oder dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) wurden durch das Gericht nicht angehört. Die Berichterstatterin des Gerichts, Gabriele Britz, Professorin für Öffentliches Recht und Europarecht an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und seit dem 2. Februar 2011 Richterin des Bundesverfassungsgerichts, hielt das offenbar nicht für erforderlich. Wenn so einseitig Quellen ausgewählt werden, darf man durchaus die Frage stellen, ob eine Befangenheit der Richterin vorlag, denn immerhin ist sie mit dem Vorstandssprecher der Grünen in Frankfurt am Main, Bastian Bergerhoff, verheiratet, den die Frankfurter Neue Presse den »heimliche(n) Herrscher der Grünen in Frankfurt« nennt.4 Zur Kandidatur als Spitzenkandidat der Frankfurter Grünen forderte Bergerhoff im Dezember 2020 auf seiner persönlichen Webseite:5

»Dabei ist es wichtig, dass wir uns der Tatsache stellen, dass wir zur Erreichung der Pariser Klimaziele nur noch eine beschränkte Menge an CO2 ausstoßen dürfen. Das verbleibende sogenannte ›CO2-Budget‹ für Deutschland ab 2020 (das Jahr, das gerade vergangen ist) wird vom Sachverständigenrat für Umweltfragen auf rund 6,7 Milliarden Tonnen geschätzt. Das klingt viel. Allerdings betrug der Jahresausstoß in Deutschland in 2019 über 800 Millionen Tonnen. Im Klartext: In diesem Tempo ist unser gesamtes verbleibendes Budget in 8 Jahren und 4 Monaten aufgebraucht. … Es ist also allerhöchste Zeit, die Dinge grundlegend zu verändern« (Hervorhebungen durch Bastian Bergerhoff).

Das hier als Ausgangspunkt politischer Forderung proklamierte Restbudget von 6,7 Milliarden Tonnen CO2 ist auch der wesentliche Kern der Überlegungen des Verfassungsgerichts. Der Wunsch des Verfassers, »die Dinge grundlegend zu ändern«, wurde durch das Gericht konsequent umgesetzt. Um dahin zu kommen, musste das Gericht naturwissenschaftliche Fakten ignorieren und Folgendes neu erfinden:

»Der große Rest anthropogener CO2-Emissionen verbleibt aber langfristig in der Atmosphäre, summiert sich, trägt dort zur Erhöhung der CO2-Konzentration bei und entfaltet so Wirkung auf die Temperatur der Erde. Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevanten Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise. Jede weitere in die Erdatmosphäre gelangende und dieser nicht künstlich wieder entnommene (unten Rn. 33) CO2-Menge erhöht also bleibend die CO2-Konzentration und führt entsprechend zu einem weiteren Temperaturanstieg. Dieser Temperaturanstieg bleibt bestehen, auch wenn sich die Treibhausgaskonzentration nicht weiter erhöht« (Rn. 32).

Selbst der IPCC würde dem widersprechen, denn es werden zurzeit etwa 4,7 ppm (parts per million/Millionstel) jährlich durch anthropogene CO2-Emissionen der Atmosphäre hinzugefügt, aber etwas mehr als die Hälfte der Emissionen wird durch Ozeane und Pflanzen aufgenommen. Das Gericht nimmt fälschlicherweise an, es wären »nur kleine Teile«, die aufgenommen würden. Da die Aufnahme von Pflanzen und Ozeanen proportional zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre (und nicht proportional zur jährlichen Emission!) erfolgt, hätte eine deutliche Emissionsreduktion – wie etwa eine Halbierung – in der Zukunft sehr wohl eine Konzentrationsminderung in der Atmosphäre zur Folge, denn die durch Pflanzen und Ozeane aufgenommenen etwa 2,6 ppm bleiben vorerst unverändert, auch wenn die CO2-Emission auf 2,35 ppm sinkt.

Mit anderen Worten: Bei einer Halbierung der globalen Emissionen in zwanzig Jahren würde eine Konzentration von etwa 450 ppm wahrscheinlich niemals überschritten und die Klimakatastrophe wäre abgesagt. Indem es aber die CO2-Senken ignoriert, hat das Gericht die Voraussetzung für den CO2-Budgetansatz geschaffen:

»Daher lässt sich in Annäherung bestimmen, welche weitere Menge an CO2 noch höchstens dauerhaft in die Erdatmosphäre gelangen darf, damit diese angestrebte Erdtemperatur nicht überschritten wird … Diese Menge wird in der klimapolitischen und klimawissenschaftlichen Diskussion als ›CO2-Budget‹ bezeichnet« (Rn. 36).

Und nun fängt das Gericht an zu rechnen und folgt dem Gutachten des 6-köpfigen Sachverständigenrats SRU (stellv. Vorsitzende Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sowie Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg). Der SRU hatte in seinem Gutachten von 2020 das Budget des IPCC von 2018 zur Einhaltung eines Ziels von 1,75 °C mit 800 Gigatonnen CO2 übernommen.6 Diese Größe teilt der SRU durch die anteilige Bevölkerung (warum nicht durch das Bruttosozialprodukt?) und kommt zu 6,7 Gigatonnen CO2, die Deutschland noch ausstoßen darf.

Dass die genannten 800 Gigatonnen selbst nach Ansicht des IPCC mit großer Unsicherheit versehen sind, erwähnt das Gericht, rechnet aber weiter mit den 6,7 Gigatonnen des SRU. Der Hamburger Klimaforscher Jochem Marotzke ging 2018 sogar von einer Erhöhung der zulässigen Emission an CO2 für das 1,5-Grad-Ziel auf 1000 Gigatonnen aus.7 Ursache hierfür war die Erkenntnis, dass die Pflanzen der grüner werdenden Erde unvorhergesehenerweise mehr CO2 aufnehmen können als bislang vermutet. Aber das Gericht folgt lieber den Rechnereien des Sachverständigenrats für Umweltfragen und begeht damit einen weiteren schweren Abwägungsfehler.

Selbst wenn man den höchst fragwürdigen Restbudgetansatz von 800 Gigatonnen für die Welt zur Grundlage macht (zum Vergleich: 6,7 Gigatonnen entsprechen der CO2-Emission eines halben Jahres der Volksrepublik China), darf doch nicht vergessen werden, dass Deutschland wichtige Güter für die Welt produziert, seien es Maschinen, Chemikalien, Arzneimittel, Flug- oder Kraftfahrzeuge. Produktionen, die mit CO2-Emissionen verbunden sind, aber hochnotwendig für alle Länder der Welt, insbesondere die Entwicklungsländer sind. Daher kann man doch redlicherweise nicht den gleichen Maßstab der Bevölkerungszahl für Deutschland wie für Entwicklungsländer wie etwa Somalia, Syrien oder Afghanistan nehmen.

Würde man nicht den Bevölkerungsanteil mit 0,84 Prozent, sondern den Anteil an der CO2-emittierenden Güterproduktion heranziehen, wäre das Budget mit 2 Prozent CO2-Anteil etwa 2,5-mal so groß und würde damit 16,75 Gigatonnen betragen (immerhin noch eineinhalb Jahre China-Emissionen). Oder würde man etwa das erwähnte Bruttosozialprodukt als Bezugspunkt wählen, dann wäre das Restbudget ca. 32 Gigatonnen groß und würde kaum noch in diesem Jahrhundert aufgebraucht. Das Gericht interessiert das aber nicht, und es kommt ohne weitere Begründung zum Ergebnis, dass nach 2030 nur noch ein »CO2-Restbudget von weniger als 1 Gigatonne übrigbleibt«(Rn. 233).

Wie die Politik die nach Ansicht des Gerichts 2030 noch vorhandene 1 Gigatonne CO2 auf alle Sektoren und den Zeitraum 2030 bis 2050 verteilt, ist eine unlösbare Aufgabe. Es sei denn, man macht ab 2035 alles dicht. Damit nähert sich das Gericht der Auffassung eines Klägers, Volker Quaschning, der eine Null-CO2-Emission für 2035 gefordert hatte. Das Gericht sieht also für Deutschland für 2030 bis 2050 ein Restbudget von durchschnittlich 0,05 Gigatonnen pro Jahr vor, so viel, wie allein die Baustoffindustrie emittiert, die naturgesetzlich durch die Zementherstellung CO2 (Calciumcarbonat-Verarbeitung zu Calciumoxid) ausstößt.

Die Bundesregierung reagierte prompt. Sechs Wochen nach dem Urteil legte sie ein verschärftes Klimaschutzgesetz vor, das am 24.6.2021 im Bundestag beschlossen wurde. Durch das Gesetz wird die CO2-Minderung bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt, bis 2040 um 88 Prozent. 2045, fünf Jahre früher als das Gericht es verlangte, soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. War schon das bisherige Klimaschutzgesetz dazu angetan, erhebliche Wohlstands- und Arbeitsplatzverluste bis 2030 zu bewirken, werden die jetzt zu erwartenden Verschärfungen zu tiefsten Verwerfungen führen.

Spät, sehr spät wird man erkennen, dass die Elektrifizierung der Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie ohne Erdgas, ohne die in Deutschland verbotene CO2-Abscheidung in tiefen Gesteinsschichten, ohne die in Deutschland verbotene Kernenergie nicht zu bewerkstelligen ist. Wind und Solar werden die nötige Energie jedenfalls nicht liefern. Denn es geht praktisch um die Stilllegung der Gas- und Ölheizungen, das Verbot von Benzin- und Dieselautos, die weitgehende Aufgabe des dieselbetriebenen LKW-Verkehrs, des Flugverkehrs, der Raffinerien, der Grundstoffindustrie und um die Durchleitung des in Nord Stream 1 und 2 ankommenden Erdgases (etwa 0,2 Gigatonnen CO2 pro Jahr) an unsere Nachbarn, die es dann verbrennen dürfen – das volle grüne Programm also. Denn für 2040 sieht die Bundesregierung nur noch 0,1 Gigatonnen CO2 an Restemission vor. Da bleibt dann neben der Landwirtschaft (heute knapp 0,1 Gigatonnen) nicht mehr viel übrig.

Das wird grandios scheitern. Das Bundesverfassungsgericht hat einen momentanen, mit hohen Unsicherheiten behafteten Diskussionsstand der Klimadebatte zum Anlass genommen, den CO2-Knopf in Deutschland für 2030 bis 2050 auf null zu stellen. Bundesregierung und Bundestag überholen das Gericht mit der Verschärfung auf 2045. Politik und Gericht glauben offenbar fest daran, dass mit Windkraftanlagen und Solaranlagen 2400 Terawattstunden Energie (heutige Erzeugung rund 200 Terawattstunden) erzeugt werden können, und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit erhalten werden können, wissend, dass dieser Pfad die Energiekosten vervielfachen wird. Und dies in einem Land, das mittlerweile die weltweit höchsten Stromkosten hat.

Am Ende wird das Festhalten an diesen unerreichbaren Zielen zu einem Klima-Lockdown des Landes führen, sowie zu Strommangelwirtschaft, Fahrverboten, Zusammenbruch der Grundstoffindustrie wie der Chemieindustrie. 464 000 Arbeitsplätze gibt es hierzulande in 2000 Unternehmen der Chemieindustrie, mit Zulieferern eine Million hochwertige Arbeitsplätze. Schauen Sie sich um in Ihrem Umfeld, um zu entdecken, worauf man verzichten würde ohne Petrochemie, ohne Pharmaka, ohne Handy-Bildschirm, ohne Kabelummantelung, Dämmstoffe, Kosmetika, Farben, Lacke, Beschichtungen, Kunstfasern, Klebstoffe, Wasch- und Reinigungsmittel. Und stellen Sie sich vor, diese Produkte müssten nicht auf der Grundlage von Öl oder Gas, sondern auf Basis von Wasserstoff produziert werden, der aus Windenergie gewonnen wird. Ist das bei der benötigten Menge realistisch? Allein die BASF hat heute einen Stromverbrauch wie Dänemark und würde beim Ersatz von Öl und Gas durch Wasserstoff den Stromverbrauch verdreifachen – und das zu erheblich höheren Strompreisen. Es wird zu Kostenexplosionen kommen, die das soziale Gefüge Deutschlands auseinanderreißen werden.

Schon vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und den Verschärfungen des Klimaschutzgesetzes warnte der Bundesrechnungshof in seinem Sonderbericht zur Energiewende,8 »dass die Energiewende in dieser Form den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet, die finanzielle Tragkraft der letztverbrauchenden Unternehmen und Privathaushalte überfordert und damit letztlich die gesellschaftliche Akzeptanz aufs Spiel setzt.«

Daher soll diese Denkschrift, die allen politisch Verantwortlichen und allen Wirtschafts- und Umweltjournalisten zur Verfügung gestellt wird und über den Buchhandel jedermann zugänglich ist, Politik, Medien und Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, auf welch fehlerhaften klimapolitischen Annahmen der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und die Beschlüsse von Bundestag und Bundesregierung beruhen.

Die vorliegende Analyse des BVerfG-Klimaschutz-Beschlusses bildet eine Ergänzung zu unserem im September 2020 im selben Verlag erschienenen Buch »Unerwünschte Wahrheiten: Was Sie über den Klimawandel wissen sollten«. In 50 Kapiteln gehen wir dort systematisch und kritisch auf die wichtigsten Aspekte und Streitpunkte der Klimadebatte und der Energiewende ein, detailliert belegt durch 2300 Fachquellen.

Wir danken Dr. Lutz Peters, dem Ideengeber für diese Denkschrift, der uns ermutigt hat, dieses Dokument noch vor den Wahlen zum Deutschen Bundestag fertigzustellen. Ebenso danken wir Michael Fleissner vom Langen Müller Verlag, der in kürzester Frist dieses Buchprojekt umgesetzt hat.

Prof. Fritz Vahrenholt, Hamburg

Dr. habil. Sebastian Lüning, Lissabon

Zusammenfassung

Ende April 2021 veröffentlichte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (als Antwort auf vier gebündelte Klima-Verfassungsbeschwerden) einen Beschluss, gemäß dem die Emissionsreduktion in Deutschland auch über das Jahr 2030 hinaus bereits jetzt zu regeln ist. Denn das dann gemäß den im Klimaschutzgesetz vom Dezember 2019 festgelegten nationalen Klimaschutzzielen noch zur Verfügung stehende »CO2-Restbudget« ist nach Ansicht des BVerfG äußerst gering und würde die Freiheit zukünftiger Generationen zu sehr einschränken. Eine 110-seitige Begründung des Beschlusses ist auf der Webseite des BVerfG verfügbar. Im vorliegenden Faktencheck prüfen wir die Argumentation des Gerichts auf fachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität.

Die Klimawissenschaften sind ein hochkomplexes Gebiet mit noch vielen Unsicherheiten, ungeklärten Grundsatzfragen und kontroversen Fachdiskussionen. Es ist daher verwunderlich, dass sich das BVerfG überhaupt an dieses schwierige Thema herangewagt hat, ohne hierfür fachlich adäquat gerüstet zu sein. Die Entscheidung des BVerfG erfolgte einstimmig, unterschrieben von allen acht Richtern des Ersten Senats. Keiner der Richter besitzt jedoch entsprechende klimawissenschaftliche Expertise. Die Leitsätze der Beschlussbegründung werden üblicherweise vom festen Mitarbeiterstamm des Bundesverfassungsgerichts entworfen. Eine namentliche Nennung der am Dokument beteiligten Mitarbeiter und ihrer Fachexpertise findet jedoch nicht statt. Unklar ist auch, ob das BVerfG externe Fachberater hinzugezogen hat, und falls ja, welche. Insofern ist fraglich, ob an dem Dokument überhaupt Fachleute mit klimawissenschaftlicher oder energiewirtschaftlicher Expertise beteiligt gewesen sind.

Diese Zweifel erhärten sich angesichts einiger leicht vermeidbarer »Anfängerfehler«, die das Dokument enthält. So behauptet das BVerfG (Rn. 19), dass zwischen Treibhausgasen und dem Anstieg der Temperatur eine »annähernd lineare Beziehung« bestünde. Das ist falsch, denn der Zusammenhang ist in Wirklichkeit logarithmisch. An anderer Stelle erklärt das Gericht fälschlicherweise, dass nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen von den Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen würden (Rn. 32). Auch dies ist objektiv falsch, da derzeit etwa die Hälfte aller globalen Emissionen von CO2-Senken abgepuffert werden, während die andere Hälfte zum Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre beiträgt.