Und Dein Körper weiß es doch besser - Tobias Born - E-Book

Und Dein Körper weiß es doch besser E-Book

Tobias Born

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Beschreibung

Dieses in Tagebuchform geschriebene Buch beschreibt meine Erfahrungen mit dem, was der Mediziner heutzutage als Burnout bezeichnet. In sehr persönlich und emotional geschriebenen Kapiteln beschreibe ich, als hochsensibler Mann, dem Leser meine tiefgehenden Sorgen, Gedanken und Lösungsansätze, die mich auf meinem steinigen Weg begleitet haben.

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Seitenzahl: 456

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Tobias Born

Und Dein Körper weiß es doch besser

© 2022 Tobias Born

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-33409-0

Hardcover:

978-3-347-33410-6

e-Book:

978-3-347-33411-3

Coverillustrationen: Daniel Stieglitz

E-Mail: [email protected]

Homepage: www.born-to-be-yourself.de

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Dies ist die zweite Auflage meines Buches. Die erste Auflage ist unter meinem damaligen Pseudonym „Tim Beck“ erschienen. Im Bonuskapitel, am Ende dieses Buches, erfährst Du mehr darüber.

Alle Namen wurden zum Schutz der betroffenen Personen verändert. Dieses Tagebuch beruht auf wahren Begebenheiten.

Zunächst war dieses Buch lediglich für mich persönlich gedacht, um mich auf meinem Weg zur Genesung zu unterstützen.

Da jedes einzelne Kapitel in dem Moment geschrieben wurde, als ich es erlebt und gefühlt habe, flossen natürlich auch die entsprechenden Emotionen mit hinein.

Für Dich, als Leser, kann dadurch das eine oder andere Mal der Eindruck entstehen, dass der „rote Faden“ durchaus manchmal etwas ungeordnet dieses Buch durchzieht. Dies beschreibt allerdings recht realistisch, wie ich persönlich diese Zeit erlebt habe. Daher bitte ich Dich, mir auch den einen oder anderen sprunghaften Übergang zu verzeihen.

Ich wünsche Dir viel Spaß beim Lesen!

Inhaltsverzeichnis

Einführung

19.05.2019 Wer ich war…

20.05.2019 Ein ganz normaler Tag

30.05.2019 Feiertag

22.06.2019 Firmung

23.06.2019 Ein Tag später

07.07.2019 Einsichten und Aussichten

14.07.2019. Und wieder mal Ohnmacht

Geburtstag

26.07 2019 Auszug meiner Tochter

29.07.2019 Die erste Stunde…

01.08.2019. Es ist schon August

Rückblick 16.07.2019 Cheyenne

05.08.2019 Es ist schön, Zeit für sich zu haben

09.08.2019 Mein zweiter Termin bei Frau R.

13.08.2019 Wiedersehen

16.08.2018. Jetzt geht’s um die Hormone

20.08.2019 Termin, der keiner ist

21.08.2019 Was zum Teufel ist DHEA??

23.08.2019. Sylt, oder unser nördlichster Ibiza Urlaub

03.09.2019 Wo stehe ich?

09.92019. Wieder eine Einsicht

13.92019. Lachen gibt’s, das gibt’s nicht

14.09.2019 Die Feder

20.09.2019 Neue Einsichten Teil 2

30.09.2019 Update zum Geierhals

04.10.2019 Irgendwie ein langer und seltsamer Tag

07.10.2019 Rückblick nach 3 Monaten

10.10.2019. Man glaubt es zu wissen, und doch weiß man nichts….

13.10.2019 Mal wieder ein Rückschritt (habe gerade gelernt, dass heute Vollmond ist)

14.10.2019 Einen Tag vor dem D- Day

16.10.2019 Der Tag der Erleichterung

18.10.2019 Vakuum

19.10.2019 Sellerie, das erste Resümee

23.10.2019 Es sind fünf Monate….

25.10.2019 Wenn das Ego erwacht

28.10.2019 Von einer Frau überholt, und doch entspannt….

29.10.2019 Spannung

02.11.2019 Ganz allein

06.11.2019 Glaubenssätze

08.11.2019. Wo stehe ich?

12.11.2019 Störfelddiagnostik

16.11.2019 Angst

21.11.2019 Amalgam adieu

25.11.2019 Wie geht es wohl weiter?

26.11.2019 Blutendes Herz

29.11.2019 Nicht mehr dieses Jahr….

04.12.2019 Wo das Herz dran hängt…

07.12.2019 Ich hol mir einen Nikolaus

12.12.2019 Noch 12 Tage bis Weihnachten

15.12.2019 Reflektieren

21.12.2019 Wintersonnenwende

24.12.2019 7 Monate und ein Tag

26.12.2019 Ein Symptömchen zur Bescherung und eine richtige Überraschung

31.12.2019 Und wieder ist ein Jahr vorbei…

04.01.2020 Ein neues Jahrzehnt hat begonnen, Happy New Year!!!

06.01.2020 Drei Schritte vor, zwei zurück…. oder was ist hier los?

11.01.2020 Ich hab’s geschafft….

14.01.2020 Geht es wieder los?

17.01.2020 Noch 14 Tage….

23.01.2020 Acht Monate

26.01.2020 Der Countdown läuft

28.01.2020 Uuups, it did it again….

01.02.2020 Quod erat demonstrandum (Lat. Was zu beweisen wäre…)

03.02.2020 It`s D-Day

06.02.2020 Der erste Turn ist vorbei….

09.02.2020 Wieder allein….

13.02.2020 Fahrerflucht und Evakuierung

19.02.2020 BEM, da war doch was?

22.02.2020 Der 13. Tag

24.02.2020 Ich lerne nicht aus…

27.02.2020 Wo stehe ich?

02.03.2020 Der nächste Schritt….

04.03.2020 Krise

08.03.2020 Und wieder mal, das erste Mal…

12.03.2020 Verrückte Zeiten

15.03.2020 Und wieder einen Schritt weiter…

19.03.2020 Shitstorm

21.03.2020 Adrenalinsucht

24.03.2020 Noch ein Tag….

27.03.2020 Geschafft…

03.04.2020 Und die Welt steht still….

10.04.2020 Die Welt in Hypnose

13.04.2020 Wiederauferstehung

18.04.2020 Es bleibt seltsam

21.04.2020 Bin wach geworden…

24.04.2020 Weltretter

27.04.2020 Demo

03.05.2020 Der Mai ist gekommen…

12.05.2020 Zum ersten Mal im Leben…

23.05.2020 Vor einem Jahr…

28.05.2020 Überschrittene Grenzen….

04.06.2020 Jetzt ist schon Juni….

12.06.2020 Teile und herrsche….

20.06.2020 Mit Dir kann man es anscheinend machen….

25.06.2020 Wann wacht die Welt endlich auf…?

05.07.2020 Tag der Unabhängigkeit

09.07.2020 Alle Tassen stehen noch im Schrank, fragt sich bloß, in welchem?

26.07.2020 Ein halbes Jahrhundert

Nachwort

04.11.2022 Bonuskapitel

Einführung

Es ist heute der 07.Juli 2019, ziemlich genau 2 Wochen vor meinem 49. Geburtstag. Heute ist der Tag, an dem ich mich entschieden habe, dieses Buch zu schreiben. Warum? Tja, so sicher bin ich mir dabei jetzt auch noch nicht so ganz, aber was soll’s. Die Idee kam mir heute Morgen, nachdem ich etwas bibbernd im Auto saß und feststellte, dass die Klimaanlage mit 17,5 Grad Celsius heute, nachdem ich bei 16,5 Grad und strömendem Regen ca. 40 Minuten schwimmen war, doch ziemlich kalt an meinen noch feuchten nackten Füssen hochkroch. Ich entschied mich, sie wärmer zu drehen, 18,5 Grad schienen mir ok. Jetzt noch kurz frische Erdbeeren holen, sowie ein frisches Brötchen zum Frühstück, und dann wartete schon meine warme…vielleicht auch mal wieder heiße Dusche auf mich. Nach dem leckeren Frühstück, dem Wegräumen des Selbigen, sowie einigen unwichtigen Tagesarbeiten, landete ich schließlich im Garten in der Hängematte, die sich glücklicherweise bereits vom Regen erholt hatte. Ich döste vor mich hin, hörte mir den einen oder anderen Kurzvortag auf Youtube und eine wirklich gut gemachte Meditation zum Thema „Treffe und entlasse deinen inneren Perfektionisten“ von Robert Betz an, und landete nun schließlich hier auf dem Sofa, im Schneidersitz, mit einem kleinen weißen Kissen und meinem IPad Mini darauf, auf meinem Schoß. Soviel zum aktuellen Moment.

19.05.2019 Wer ich war…

Hätte mich jemand heute gefragt, wer ich denn sei, und was ich so erlebt hätte, hätte ich vermutlich folgendes erzählt. Ich bin fast 49 Jahre alt, und aktuell als Schichtleiter in der Einsatzzentrale eines global agierenden Konzerns angestellt. Geboren als Sohn zweier liebevoller Eltern, mit einem 7 Jahre jüngeren Bruder, der einer ähnlichen Tätigkeit bei einem großen Chemieunternehmen nachgeht. Nach erfolgreichem, wenn auch nicht zu erfolgreichem Abitur an einem namhaften Gymnasium, folgte die Wehrpflicht bei der Marine. Meine Jugend verbrachte ich vorwiegend bei so ziemlich jeder möglichen Sportart. Ich war beim Fußball sogar einige Monate in der Landesauswahl als Torwart aufgestellt, habe dann aber aus allen möglichen, persönlichen und schulischen, Gründen, die wilden Hoffnungen meines Trainers zunichte gemacht. Mein eigentlicher Traumberuf war Pilot, doch dazu später mehr. Mein Vater arbeitete als Produktmanager, während meine Mutter seit der Geburt meines kleineren Bruders zu Hause war, und christlich katholisch liebevoll für unser aller Wohl sorgte.

Mein Traumberuf Pilot platzte allerdings ziemlich schnell und unspektakulär. Ich war leider ohne jegliche Vorbereitung nach Hamburg zum Auswahlverfahren gereist, komplett davon überzeugt, dort jeden Test mit links zu bestehen, wo doch bisher auch alles irgendwie einfach geklappt hatte. Nachdem „allgemeine Flugzeugkunde und Kopfrechnen“ unter den erforderlichen Prozenten lagen, war der Traum erst einmal ausgeträumt.

Tja, was macht man nun, nachdem der Traumjob geplatzt war und es eigentlich keinen Plan B für mich gab? Na, Studieren… was sonst… nur was?

Hier, und daran kann ich mich gut erinnern, kam mein Vater auf den Plan. Er, der wirkliche Held meiner Jugend, sportlich, sympathisch, humorvoll und auch erfolgreich, und alles aus eigener Kraft erreicht, kannte die richtigen Leute zur richtigen Zeit. Prompt hatten wir einen Termin, bei einer Unternehmensberatung mit einem Headhunter. Der Bekannte meines Vaters erörterte mir, bzw. uns, nun den idealen Werdegang für mich. Dieser sah folgendermaßen aus: Kaufmännische Ausbildung bei Procter & Gamble, danach Studium der Betriebswissenschaften, danach ein Jahr nach England oder in die USA… und schon würde mir die Geschäftswelt zu Füßen liegen.

Nun, was soll ich sagen, ich hasste es, Krawatten und Anzüge zu tragen, fand edle Schuhe eigentlich immer nur unbequem, und hielt mich von „Schnöseln“ auch am liebsten fern. Ich hatte von Wirtschaft so gut wie keine Ahnung, Geld, von dem ich auch nicht wirklich viel hatte, war zum Ausgeben da, …

Aber, da die das ja wissen müssten, übersprang ich die Ausbildung und wurde gleich Student … BWL sollte es sein. Und weil man dabei nichts verdient, suchte ich mir einen Job bei DHL, damals noch ein reines Kurierdienstunternehmen. Hier sortierte, scannte und schleppte ich Pakete, morgens von 04:30 Uhr bis 07:30 Uhr, was ein pünktliches und ausgeruhtes Studieren schon das ein oder andere Mal erschwerte, zumal meist alle Plätze im Hörsaal weg waren.

Nun träumte ich mehr von einem Stipendium für Meeresbiologie in Kalifornien. San Diego fand ich toll, hatte ich es doch nach dem Abitur kennen und lieben gelernt. Surfen, Beachvolleyball, Partys und tolle Mädchen am Strand, nur von Meeresbiologie hatte ich keine Ahnung. Na gut, beim Abi war Biologie eines meiner Leistungsfächer gewesen, neben Sport und Englisch, eben prädestiniert, um mal ein „Großer“ in der Wirtschaft zu werden….

Während der Oberstufe am Gymnasium kam der zweite Schicksalsschlag in meinem wirklich leichten und unbeschwerten Leben. Der erste war der für mich plötzliche Tod meiner über alles geliebten Oma auf Sylt gewesen. Hier hatte ich unglaublich viel Zeit verbracht. Sylt war mein zweites Zuhause, und sie war eine Super- Omi wie aus dem Bilderbuch. Silberne Locken, immer ein liebes und freundliches Lächeln auf dem Gesicht, sie kannte alles und jeden im Ort. Sie vermietete und betreute Zimmer und Ferienwohnungen, war Organistin in der evangelischen Kirche und trank jeden Morgen einen Klaren mit dem Postboten. Dazu bestimmt später mehr.

Der zweite Schicksalsschlag traf mich so was von unvorbereitet und wirklich heftig, dass ich heute nicht einmal mehr weiß, wann genau es war. Die erste wirklich große Liebe meines Lebens rief mich an, um mir nach knapp 3 Jahren mitzuteilen, dass sie mich verlassen würde. Sie hatte auf einer Party einen 1,90 Meter großen türkischen Boxer kennengelernt, mit dem Sie nun zusammen sein wollte. Ich hatte ihn vorher mal gesehen, er hatte mir erzählt, dass er scharf auf sie sei. Ich hatte mir nicht wirklich etwas dabei gedacht, sah daher auch keinen Sinn darin, mich mit ihm anzulegen. Wer sich in Boxerkreisen auskennt, könnte sich eine ziemliche Ähnlichkeit zu Marko Huck vorstellen.

Nun ja, und so kam es, dass wir, nachdem wir noch eine letzte wirklich wunderschöne Nacht miteinander verbrachten, von nun an getrennte Wege gingen. Sie, scheinbar glücklich, ich zu Tode getrübt. Was macht man nun in so einer Zeit? Ich ging zur Marine, 12 Monate weit weg, auf einem Schiff, und nur von Männern umgeben. Ich war froh und dankbar als diese Zeit vorbei war, wirklich wohl habe ich mich dort nie gefühlt. Ich kam zwar mit jedem zurecht und erledigte alles Nötige, aber die Zeit ging vorbei, und Liebeskummer hatte ich noch immer. Und so kam dann eine Zeit, die im Nachhinein leicht selbstzerstörerisch war. Ich machte Sport wie ein Irrer, sprang vom 10 Meter Turm, fuhr Auto und Fahrrad wie ein Henker, und natürlich „musste“ ich mit American Football beginnen. Mein bester Freund nahm mich mit, und es gefiel mir, weil es so schön knallte. Leider knallte es im ersten Spiel für die neue Mannschaft gleich so heftig, dass ich nach einem heftigen Tackling so verletzt vom Feld hinkte, dass an Weiterspielen nicht zu denken war. Der Trainer meinte, ich solle mich kurz ausruhen und mich nicht so anstellen. Ich aber war der Meinung, dass der Besuch eines Krankenhauses besser für mich geeignet sei. Tja, es war dummerweise ein Wochenende und der diensthabende Arzt, der sich als Gynäkologe nicht wirklich mit Knochen und Bändern auskannte, verordnete mir einen gefühlt 20 kg schweren Gips und schickte mich nach Hause. Wiedermal die Verbindungen meines Vaters brachten schließlich Gewissheit. Der zufällig bei uns vorbeischauende Freund meines Vaters, ein Chirurg, verordnete mir eine Punktion und einige Tage später eine Knie -Voll- OP mit künstlichem Kreuzband. Das Innenband, Meniskus und Knorpel waren ebenfalls zerstört, an Sport oder Sonstiges war erst einmal nicht mehr zu denken. Ich solle froh sein, wenn ich danach wieder richtig laufen könnte, hieß es. Nach 18 Monaten und zwei weiteren OPs konnte ich wieder laufen und sogar Sport ging einigermaßen.

Ach ja, bei diesem Chirurgen arbeitete sie, meine zukünftige Frau. Und wie sie selber immer sagte, weil ich im Krankenhaus nicht weglaufen konnte, verliebten wir uns, die zweite Liebe war da. Sie half mir wieder auf die Beine, wir zogen zusammen und machten uns auf, eine Familie zu gründen. In der Zwischenzeit hatte ich neben meinem Studium begonnen, bei meinem jetzigen Arbeitgeber zu arbeiten, und dass, man höre und staune ohne Ausbildung oder abgeschlossenes Studium. Kurze Zeit später wechselte ich zu einer damaligen Tochtergesellschaft. Meine zukünftige Chefin vermisste zwar, wie Sie wahrscheinlich auch, den roten Faden in meinem Leben, war aber so von mir begeistert, dass ich nicht nur den Job bekam, sondern auch in kürzester Zeit aufstieg, und schließlich zum Schichtleiter in der Personaldisposition befördert wurde. Sie war eine tolle Chefin und es war eine tolle Zeit. In der Zwischenzeit hatten wir geheiratet und bekamen 2001 und 2003 unsere wunderbaren Töchter. Wir kauften und bezogen ein Reihenhaus und alles drehte sich um Kinder, Haus und Job. Ein Jahr später bekam ich zum Jahresende eine betriebsbedingte Kündigung wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation der Firma. Das Kämpfen begann. Meine Anwältin klagte gegen die Firma, die Kündigungsschutzklage hatte schließlich Erfolg, ich bekam den gleichen Job bei der Konzernmutter. Nach nur 3 Monaten sollte ich ein Team übernehmen, der Kampf ging weiter. Ich war nun nicht nur der Jüngste, sondern auch der Einzige, der jemals einfach so „von außen“ Schichtleiter wurde, und hatte nicht nur die Alten in der Abteilung, sondern auch die, die eigentlich glaubten dran gewesen zu sein, und das waren einige, gegen mich. Dazu glaubte man, ich hätte mich ja schließlich eingeklagt, dabei wusste ich nicht einmal, dass diese Stelle zu besetzen war. Nach einigen Monaten hatte ich mich glücklicherweise etabliert, und das Team funktionierte super. In diesem Team war auch Christina, und fasziniert war ich sofort von ihr. Da sie aber anderweitig liiert war, dauerte es einige Jahre, bis wir uns schließlich 2008 ineinander verliebten, und für mich war nach einer tollen, wenn auch sexlosen Nacht klar, dass es für mich keinen Weg mehr zurück in meine Ehe gab. Im Nachhinein wurde mir klar, dass wir uns auseinandergelebt hatten, es war nur noch um die Kids und den Alltag gegangen.

Es folgte die Trennung, offen und ehrlich, was aber leider nicht verhindern konnte, dass es zum Anwaltsshowdown kam, und für mich in einem Schuldenchaos endete. Ein Jahr später entschied sich meine Exfrau, mit den Kindern zurück in ihre Heimat zu ziehen, es waren ja nur läppische 300 Km bis dahin. Schließlich hatte ich zwar das Haus, allerdings gehörte es eher zu mehr als 110 % der Bank. Nicht, dass ich es unbedingt haben wollte. Es war kein vernünftiger Verkauf zustande gekommen, und so verschuldete ich mich weiter und übernahm es, um sie auszuzahlen. Die Scheidung hat mich ein Vermögen gekostet, und somit war nicht nur das Haus, sondern auch ich überschuldet. Da ich meine Kinder, die wirklich gelitten haben, wenn wir auch versucht hatten, sie aus dem ganzen Schmutzkram herauszuhalten, von Herzen liebte, und alles tat, um sie nicht zu verlieren, plante ich Wochenenden, Urlaub und einzelne Tage ein, um sie abzuholen oder auch nur zu besuchen. So kam es, dass ich 7 Tage Schicht arbeitete, mit Nachtdienst versteht sich, am einzigen freien Wochenende im Monat am Freitag 600 km im Auto saß um sie zu holen, und am Sonntag wieder 600 km unterwegs war, um sie zurück zu bringen. Die Zeit mit ihnen war mir wichtig und heilig. Dazwischen war Programm geplant, von Schwimmen über Klettern, von Kanufahren bis zum Treffen mit meiner restlichen Familie. Ich verpasste keinen Geburtstag, überlebte Schneechaostage auf der Autobahn und doch, war es natürlich nie genug.

Natürlich belastete das alles auch die Beziehung zu Christina, doch unsere Liebe stand das alles durch.

Was noch zu erwähnen wäre für später, mit der Unterstützung meiner Exfrau begann ich noch bevor unsere Kinder da waren, meinen Traum wieder aufzunehmen. Neben meinem Beruf absolvierte ich an einer privaten Flugschule meine private und auch die kommerzielle Pilotenlizenz. Ich hatte schließlich alles, um einen Job in einem Cockpit zu übernehmen, und ich glaube auch, dass ich ziemlich gut war. Doch der Job kam leider nie. Die Begründungen bzw. Absagen waren entweder seltsam und nicht nachvollziehbar, oder ich hatte beim Kopfrechnen einen Typen mit Hustenanfall vor mir, und fiel durch. So blieb ich am Boden, aber meine Lizenz hielt ich immer valide, was meinen Schulden auch nicht wirklich guttat.

In den letzten Jahren schaffte ich es, langsam aber sicher, aus der Schuldenfalle und zum Glück auch aus dem ewigen Streit mit meiner Exfrau heraus zu kommen. Das Geld, mit dem sie mich damals unterstützt hatte, hatte ich natürlich auch zurückgezahlt, gut, sie sah das naturgemäß anders.

Im Job läuft es super, hab immer alles im Griff, wenn viel los ist, unterstütze ich alle anderen wo es geht, kümmere mich um Einweisungen und Schulungsprogramme und werde aufgrund meines umfangreichen Wissens geschätzt. In meinen Augen könnte es natürlich immer noch perfekter, organisierter und professioneller gehen, aber in einer großen Firma braucht halt alles seine Zeit.

Die Partnerschaft mit Christina ist schön und ist eigentlich der einzige Ruhepol in meinem Leben. Wir verstehen uns toll, vertrauen uns und haben uns immer was zu sagen, Streit ist extrem selten bei uns. Unser Umgang ist sehr achtsam und liebevoll, und unser Sex ist wunderschön. Wir haben vor einigen Jahren unser Sexualleben verändert, im Sinne von Tantra und Slowsex. Druck und Leistung treten nun in den Hintergrund, das Sinnliche und die Achtsamkeit hat Vorrang, sich wirklich spüren, ohne Akrobatik und so. Wir lieben uns meist lang und ausgiebig. Ich wünsche mir natürlich, ihr immer einen Höhepunkt zu schenken, klappt auch meistens. Ich selbst habe gemerkt, dass es mir bei weitem besser bekommt, nicht jedes Mal zum Höhepunkt zu kommen. Ich bin danach oft extrem erschöpft und ich spare mir daher lieber die Kraft. Die Sexualität ist mir sehr wichtig, denn ich bin inzwischen der Überzeugung, nachdem ich mich sehr viel mit Tantra und auch mit Osho beschäftigt habe, dass die Verbindung zwischen zwei Partnern durch eine liebevolle und achtsame Sexualität bei weitem stärker und inniger wird. Mehr als 11 Jahre sind wir nun schon zusammen und ich liebe sie wirklich. Nachdem sie letztes Jahr schwer krank war, alles aber glücklicherweise überlebt und gut überstanden hat, geht es ihr inzwischen, Gott sei Dank, wieder gut.

Der Kontakt zu meinen Kindern hat sich auch wieder stabilisiert. Nachdem ich letztes Jahr, wegen Christinas Krankheit, die gemeinsame Urlaubsreise absagen musste, hatten sie nicht wirklich Verständnis gezeigt. Gut 3 Monate war Funkstille, ich schob es auch auf die Pubertät. Wir schreiben und telefonieren regelmäßig und am 28.06. freue ich mich, sie beide wieder mal zu sehen. Christina sagt zwar oft, sie würden sich von sich aus nur melden, wenn sie etwas benötigten, das möchte ich als Vater natürlich nicht so sehen.

Der Kontakt zu unseren Familien und zu Freunden, von denen wir eigentlich noch nie wirklich viele hatten, ist sehr sporadisch, auch ist dieser eher selten und oberflächlich. Wir scheinen wirklich einfach anders zu sein, aber so waren wir ja eigentlich schon immer. Liegt bestimmt auch an unserer sogenannten Hochsensibilität. Haben Sie noch nie gehört? Ich bis vor ca. 5 Jahren auch nicht. Es bedeutet, u.a. dass man auf Reize jeglicher Art einfach empfindlicher reagiert, dadurch aber auch schneller überfordert ist, einfach bei weitem feinfühliger ist. Mir fällt es zum Beispiel im Büro extrem schwer, Gespräche und Telefonate von Kollegen, die teilweise 15 Meter oder mehr, von mit entfernt geführt werden, auszublenden. Im Restaurant bekomme ich die Gespräche aller Tische um uns herum mit, auf unsere Gespräche versuche ich mich natürlich dennoch zu konzentrieren. Zum Glück bin ich ein sogenanntes Multitasking Talent, ich komme ganz gut klar damit, während Christina es doch oft als sehr anstrengend empfindet. Dennoch bin ich extrem empfindlich was Lärm oder auch laute Musik angeht. Viele Kollegen oder auch mein Bruder können das nicht nachvollziehen, ich solle mich doch nicht so anstellen.

Das letzte Bier mit meinen beiden langjährigen Kumpels ist auch schon länger her, schade eigentlich, aber so ist es halt.

Da Christina und ich noch immer und auch echt gut zusammenarbeiten, dreht es sich auch zu Hause oft um die Firma.

Obwohl, seit gut 6 Monaten ist das alles bestimmende Thema ihre geliebte, jetzt leider schwer kranke Katze. Immer mehr zeichnet sich ab, dass sie wohl nicht mehr lange da sein wird. Da wir beide uns schon seit Jahren mit der Ursache von Krankheiten, dem Zusammenhang zwischen Körper und Geist, der Auswirkung von Ängsten und die tiefgründigen unterbewussten Ursachen hierfür, beschäftigen, versuchen wir beide natürlich alles, um ihr zu helfen. Besonders, seit die Tierärztin weitere Operationen als nicht weiter hilfreich bezeichnet hat.

Tja, und das Fliegen? Ich besitze noch immer alle notwendigen Lizenzen, falls doch noch mal der Pilotenjob oder das eigene Flugzeug kommen sollte. Erst im März bekam ich mein weiteres OK vom Fliegerarzt, nur fliegen tue ich nicht wirklich viel. In den letzten Jahren waren es mehr oder weniger nur die nötigen Checks, sowie einige Rundflüge. Erst vor einigen Wochen bin ich zuletzt geflogen, um meine Landungen aufrecht zu erhalten. Mann, war das ein Krampf, alles zwar sicher und fliegerisch ok, aber eben ein Krampf. Zweimal hintereinander setzte das Funkgerät kurz vorm Start aus, nachdem ich den Knopf zum Frequenzwechsel gedrückt hatte. Ich musste zurückrollen, dann ging es wieder. Und das Ganze zweimal, mich hielten, glaube ich, alle für bescheuert. Erst nach einem Tausch des Fliegers ging alles prima, obwohl das Funkgerät das gleiche war. Tja, Spaß ist leider anders, kommt aber auch wieder anders. In meinem langen Urlaub im Juni plane ich einige Tage zum Fliegen ein, darauf freue ich mich. Wegen Christinas Krankheit ist der letzte Urlaub auch schon etwas her, aber das Wetter soll ja schön werden.

Wir haben im Keller zum Glück einen kleinen Sportkeller mit Sauna, so kann ich mich wenigstens immer wieder auspowern oder auch mal am Boxsack abreagieren.

Ach ja, und einmal in der Woche, ist in der letzten Zeit auch weniger geworden, treffe ich mich mit Mike, meinem Wing Tsun Trainer. Er ist echt ok, alles was ich im Einzeltraining mit ihm lerne, hat, so glaube ich, auch immer etwas mit dem Leben zu tun… nicht verkrampfen, loslassen, in der Entspannung liegt die Kraft, lass deinen Körper reagieren, nicht den Verstand. Er hat gut reden, macht den ganzen Tag nichts anderes, ist 15 Jahre jünger, kein Wunder, dass immer nur ich getroffen werde. Und dann auch immer auf die empfindlichsten Nervenpunkte, schön aufs Brustbein, den Hals oder auch mal auf die Wirbelsäule, natürlich nie wirklich fest, aber für mich doch oft zu fest. Ich muss halt schneller, besser in der Verteidigung und vor allem weniger empfindlich werden. Auch hier ist der Kampf manchmal eher Krampf als Spaß, da muss ich halt durch.

Das ist bestimmt auch ein Grund für meine ständigen Verspannungen und Verkrampfungen in meiner Muskulatur. Besonders mein Psoas, mein Rücken und mein Nacken sind trotz Dehnungen, Yoga und allen möglichen Mobilisationsübungen kaum weich zu bekommen, das viele Sitzen im Büro tut hier ja auch sein Übriges.

Ein ganz normaler Alltag eben. Ob es mir gut geht? „Ich kann nicht schlechter klagen,“ …. wie mein Vater stets zu sagen pflegt, auch wenn ich diesen Satz ziemlich dämlich finde.

20.05.2019 Ein ganz normaler Tag

Bin wieder mal im Spätdienst. Der Übergang vom letzten Schichtblock zu diesem war doch etwas eng. 4 Spätdienste, 3 Nachtdienste, und aus den ursprünglichen 2,5 freien Tagen wurden 1,5 Tage. Kollege war krank, ich bin halt eingesprungen, hab ja bald Urlaub. Hab heute Morgen echt gut im Keller trainiert, Rücken und Schultern, zieht echt noch ganz ordentlich. Die letzten Dienste waren extrem unruhig und anstrengend, immer wieder Unregelmäßigkeiten und Engpässe. Und jetzt geht das kurz nach der Übergabe gleich wieder los. Gut, aber in einer Stunde haben wir das im Griff, ich pack mit an, dann sind wir schneller.

Geschafft, war doch halb so wild. War heute Morgen beim Bäcker und hab zum Kaffee Kuchen mitgebracht, für mich ein leckeres trockenes Streusel- Blätterteig Stückchen, ich liebe das.

Oh, da kommt ein Kollege, der auch Pilot ist. Ein netter und sympathischer Mann in etwa in meinem Alter. Wir quatschen häufiger mal, mich interessiert ja besonders die Technik und ihre Macken. Die Hälfte des Streusels und der Kaffee muss warten.

Ist wieder voll interessant, was der schon so alles in seinem Fliegerleben gemacht hat, Hut ab. Testpilotenausbildung auf zig unterschiedlichen Flugzeugen, Ingenieur ist er, Kunstflugberechtigung, und, und, und…

….. oh, was ist jetzt los, ….

…meine Beine, wir stehen die ganze Zeit, sie werden total schwammig, alles dreht sich, …ich bewege mich, wechsele die Position, und frage schließlich, ob es ok wäre, wenn wir uns setzten …mir wird heiß, das Blut scheint mir in die Beine zu fallen, seltsam, so etwas kenne ich nicht… zum Glück muss er weiter, wer weiß, hoffentlich hat er nichts gemerkt….

Es wird nicht besser, Füße hoch, Schuhe aus, …. schnell was getrunken.

Kurzer Blick rüber zu Christina, sie ist auch da, und sie merkt schnell, etwas stimmt nicht.

Ich steh auf, Schuhe an und raus an die frische Luft, war wohl doch etwas viel Training, oder ist es der Zucker, oder der Kaffee, ….

Mein Weg nach draußen ist wackelig, aber ok. Zum Glück quatscht mich jetzt keiner an…. Ich bin draußen, …. tief durchatmen. Mann, stell dich nicht so an, du wirst jetzt nicht krank, so kurz vor dem Urlaub. Es wird besser, ich bleibe 10 Minuten draußen, dann geh ich wieder hoch und weiter geht’s.

Aber Pustekuchen, mein Körper will scheinbar nicht. Kaum bin ich wieder oben im Büro, geht alles von vorne los, Schwindel, Kreislaufprobleme, verkrampfte Muskeln im Nacken, in der Brust und im Rücken. Ich setze mich wieder, und versuche mich mit Atmen zu beruhigen, 2 Sekunden ein, 4 Sekunden aus, immer wieder. „Versuch dich zu konzentrieren, Mann, du schaffst das schon…!“

Aber nach einiger Zeit wird auch mir klar…. Hier ist Schluss für heute. Ich sage Christina und den Kollegen Bescheid und hinterlasse sie „führungslos“… Nicht meine Art, aber es geht nicht, will schließlich nicht hier kollabieren….

Kaum bin ich draußen geht es mir wieder besser, ich bekomme besser Luft und kann den Weg nach Hause zwar etwas wackelig, aber doch sicher meistern. Zu Hause angekommen, lege ich mich aufs Sofa, …und schlafe sofort ein….

Als ich wieder wach werde, sind gut 2 Stunden vergangen. Ich telefoniere kurz mit Christina. Ich bin wirklich ratlos, was war das denn zum Teufel? Gut, ein paar Tage und es wird schon wieder.

Am nächsten Tag melde ich mich krank, bin total erschlagen, schnell außer Puste und habe immer wieder regelrechte Schwächeanfälle, bei denen ich mich hinlege, und meist auch schnell einschlafe. Ist vermutlich doch irgend so ein seltsamer Virus. Vor zwei Jahren hatte ich doch auch so seltsame Bakterien, die einen einfach nur schwächen, aber seltsamerweise hatte ich schon gut 1 ½ Jahre keine Grippe oder ähnliches … Vielleicht sollte ich doch mal zu Arzt gehen.

Meine Verspannungen im Becken und Rücken sind auch schlimmer als sonst, da hilft nur Dehnen und Yoga. Doch plötzlich schießt es mir, während ich mit gespreizten gestreckten Beinen meine Füße in der Hand hab, dermaßen in den unteren Rücken, dass der Hexenschuss auch gleich perfekt ist.

Einen Tag später sitze ich meiner Ärztin gegenüber, ist schon wirklich ein Segen privat versichert zu sein. Ich schildere ihr alles, und ich stimme einem Bluttest zu, auch von den Bakterien, Mykoplasmen heißen sie, war die Rede. Einen Tag später ruft sie mich an. Der Test war positiv. Leider ist Antibiotika fällig, obwohl sie wirklich nur in dringenden Fällen hierzu tendiert, gibt es für sie keine Alternative. Das Rezept kommt per Mail und schon am Abend ist die erste von drei Kapseln genommen. Die Müdigkeit und Erschöpfung werden jetzt noch schlimmer, ich schlafe die zwei nächsten Nächte wie tot, fast 10 Stunden am Stück, die Kapseln sind echt der Hammer, war aber vor zwei Jahren ähnlich, denk ich mir. Auch der Rücken ist fast wieder ok.

30.05.2019 Feiertag

Nachdem ich nun das Antibiotika genommen hatte und mich nach dem vielen Schlaf einigermaßen erholt fühle, melde ich mich für den 30.Mai gesund. Feiertage sind für Schichtarbeiter beliebt, da hier meist, je nach Unternehmen, höhere Stundensätze bezahlt und zusätzliche frei Tage in Aussicht stehen. Im Übrigen habe ich nur noch die paar Tage, dann kann ich mich so richtig ausruhen, im Urlaub. Verreisen steht zwar nicht an, wegen der todkranken Katze, aber ich freue mich aufs Fliegen und aufs Motorradfahren. Vielleicht mach ich doch für ein paar Tage meine erste längere Tour?

Ich bin zwar schon wieder ziemlich müde, als ich das Gebäude erreiche, aber sonst fühle ich mich gut…

…bis ich aus dem Aufzug steige und durch die mit Ausweisleser gesicherte Glastüre gehe…Schwindel…das Herz beginnt zu rasen und mir wird heiß. Was geht denn hier ab?

Ich gehe extra einen Umweg, versuche mich zu beruhigen, meinen Atem zu kontrollieren….

Heute bin ich eingeplant, eine junge Kollegin, die ich bereits seit Monaten einweise, zu betreuen. Sie macht ihre Sache schon ganz gut. Ich lasse mir nichts anmerken, organisiere die Sitzordnung, begrüße die Kollegen, mein Körper wird sich schon gleich wieder beruhigen. Ich merke, dass eine allgemeine operationelle Unruhe herrscht. Die Übergabe der Frühschicht ist etwas wirr, die Kollegen sind gestresst und freuen sich offensichtlich aus dem Laden schnell raus zu kommen. Ich spreche die Verfahren ab, wie wir das Durcheinander wieder schnell in den Griff bekommen, alle ziehen mit, …. aber das Chaos in meinem Körper wird steigend schlimmer. Wieder habe ich das Gefühl, dass mir gleich der Kreislauf wegsackt, ich lege meine Füße hoch, die Kollegen haben dummerweise was mitbekommen…“Dir geht’s nicht wirklich gut oder?“ werde ich gefragt. Obwohl ich gefühlt alle Stimmen im Raum, und das sind einige, auf einmal und ziemlich laut höre, klingt die Stimme der Kollegin eher dumpf… ich glaube, es geht nicht mehr… „Ich muss hier raus!“ Bevor ich hier von Rettungssanitätern raus geschleppt werden muss, gebe ich auf…. Ich sag dem diensthabenden Kollegen Bescheid, und verziehe mich…. Es waren nicht mal 1 ½ Stunden, …. und das an einem Feiertag… Das Geld und den freien Tag hätte ich echt gebrauchen können, aber hier ist leider Schluss….

Ich bin an der frischen Luft, alles beruhigt sich wieder etwas. Mir kommt eine Voodoo Puppe in den Sinn, bei der gerade jemand wieder die Nadel aus dem Herz gezogen hat…. Ich bin froh am Auto zu sein. Ist bestimmt nicht gerade vernünftig selbst zu fahren, aber wird schon passen…

Passt auch zum Glück. Zuhause erzähle ich nur kurz Christina was los war…. Und dann, gehe ich schlafen.

Am nächsten Morgen bin ich bereits recht früh bei meiner Ärztin. Ich bin extrem nervös, aufgeregt und auch irgendwie ziemlich emotional tangiert. Sie checkt meinen Blutdruck, hört mich ab, kein Anzeichen eines Problems vorhanden. Zur Sicherheit machen wir auf, meinen Wunsch hin, noch ein EKG und machen einen weiteren Bluttest, auch den Hormonstatus wollen wir checken. Hatten wir uns doch vor einigen Wochen im Rahmen einer Therapie nach Rimkus (Therapie mit naturidentischen Hormonen) bereits die Hormone angesehen. Damals ging es mir gut. Nur meine häufige Müdigkeit und Lustlosigkeit bei Unternehmungen war auffällig. Wir kamen darauf, weil bei Christina im Anschluss an ihre Krankheit und wahrscheinlich auch schon davor, extreme Werte beim Östrogen und Progesteron aufgefallen sind. So lag es nah, dass ich meine auch mal checken ließ. Auch bei mir war Progesteron seltsamerweise im Keller, Testosteron war hingegen ok. Als ich ihr erzählte, dass ich jetzt schon so lange nicht mehr krank gewesen war, horchte sie auf, und meinte, das würde ihr eigentlich noch mehr Sorgen machen. Leichtere Infekte wären gut und zeigten, dass das Immunsystems funktionierte. Die Leute, die nie etwas haben, sind dann Kandidaten, die auch mal einfach umfallen und tot sind. Ich nahm das natürlich nicht so ernst, bei mir ist ja alles ok. Das EKG war bestens, ich müsse mich jetzt nur ausruhen, ansonsten sei ich gesund. Seltsamerweise musste ich mir echt ein Tränchen verkneifen, bestimmt vor Erleichterung. Etwas wackelig und ziemlich müde fuhr ich nach Hause. Bis Montag war ich nun erst mal raus, Urlaub ab Dienstag.

Freitagabend hatte ich den dringenden Wunsch, mich zu bewegen, ich musste raus, einfach laufen, keine Ahnung wohin. Ich setze mir die Kopfhörer auf, Jack Johnson wird mich schon irgendwo hinbringen. Und ich wollte alleine laufen, also gehen, denn Joggen war mit meinem Knie eh nicht drin……. Christina war eh müde und wollte meditieren und dann kurz schlafen, also lief ich los. Kreislauf war stabil, kein Schwindel, es ging immer der Nase nach. Nach gut 1 ½ Stunden merkte ich, dass es doch noch ein Stückchen war bis zurück, die Füße und mein linkes Knie machten sich langsam bemerkbar. Außer meinem Handy und den Kopfhörern hatte ich nichts dabei, irgendwo Einkehren so ganz ohne Geld war nicht drin. Christina war leider nicht erreichbar, Handy aus, war wohl eingeschlafen. Dumm gelaufen, ich lief weiter. Nach knapp 3 Stunden war ich zurück, und es ging mir gut. Wer 3 Stunden laufen kann, muss ja gesund sein. Zwischendrin hatte ich sogar kindliche Anwandlungen, ich sprang, rannte und lief ein Stückchen rückwärts….

Ich schlief nachts wie tot, wieder fast 10 Stunden, ohne aufzuwachen…und dabei hatte ich in den letzten Monaten doch so oft nachts wach gelegen und mir wegen allem Möglichen den Kopf zermartert.

Ach ja, apropos kindlichen Anwandlungen, ich hatte beim Laufen die glorreiche Idee, mir Lego Technik zu kaufen, nur was Kleines. Ich liebte es früher über alles Lego zu bauen. Auch mit meinen Kindern genoss ich das Spielen auf dem Boden. Ob mit Lego oder Playmobil, ich konnte stundenlang dabei die Zeit vergessen. Aus kleinem Lego Technik wurde dann doch etwas Größeres …

Christinas Frage, ob ich es mir denn nicht wert sei, gab hier den entscheidenden Ausschlag. Es wurde ein 50 cm großer weißer Porsche GTS.

Samstagmorgen ging es mir allerdings wieder schlechter, hatte bereits nach dem Aufstehen Schwindel und fühlte mich total schlapp. Beklemmungen im Brustkorb, Verspannungen im Rücken, Nacken und im Becken machten mich echt unbeweglich. Dann kamen auch noch Kreislaufproblem dazu, teilweise fühlt es sich an, als würde mein Herz einen Schlag überspringen. Die komischen Bakterien scheinen wohl doch noch da zu sein, denke ich mir. Doch als ich dann plötzlich einen Heulkrampf bekomme, nachdem mich Christina beruhigen will, und meint, es sei halt vielleicht doch alles etwas viel gewesen in der letzten Zeit, ist mir klar…

„There is something rotten in State of Denmark…“ Das hier ist nicht nur so eine einfache Infektion… und das macht mit verdammt Angst.

Gleich am Montag bitte ich meine Ärztin, mich zurückzurufen, da ich mir fast sicher bin, ich müsse das alles doch von einem Kardiologen checken lassen. Als sie zurückruft, sitze ich beim Legobauen im Wohnzimmer, ängstlich und total nervös auf dem Boden. Ich erzähle von meinem Spaziergang, wie es mir geht, dass ich inzwischen zur Entspannung Lego baue, was mich seltsamerweise sogar ziemlich schnell anstrengt und ermüdet. Und von meiner Angst erzähle ich auch.

Ihre Antwort lässt in mir alle Dämme brechen, und ich sitze fast schluchzend, und doch die Tränendrüsen abschnürend am Telefon. Ihr sei vollkommen klar, womit wir es zu tun hätten, mein Herz sei glücklicherweise gesund, und ich solle mir auf keinen Fall Gedanken machen. Ich sei offensichtlich nur komplett ausgebrannt und fertig. Zum ersten Mal fällt der Begriff Burnout!

Wir würden mich aber wieder auf die Reihe bekommen, aber das würde dauern. Ich solle mich jetzt ausschließlich um meine Gesundheit kümmern, und tun was mir gefällt und guttut. Leichter Sport sei gut, aber nicht überanstrengen, viel schlafen und vor allem ausruhen.

Ich legte auf…. und musste weinen.

In den folgenden Tagen wurde ich bis Mitte Juni krankgeschrieben. Ich erzählte von meinen ständigen Verspannungen und Blockaden in meiner Wirbelsäule. Sie empfahl mir einen Chiropraktiker in der Nähe, den sie selbst seit Jahren kannte und regelmäßig besuchte. Noch am gleichen Abend bekam ich einen Termin und war begeistert. Er arbeitete nach amerikanischem Vorbild, war sogar Dr. of Chiropractics, ein lockerer Kerl, der mir ebenfalls Mut machte, und mir zunächst 12 Termine innerhalb von 6 Wochen empfahl. Was über so viele Jahre „schepp“ (schief auf hessisch) geworden war, kann nicht an einem Tag zurückgedreht werden. Die Mobilisationen waren sanft und ruhig, und doch schepperte es gewaltig im Gebälk. Meine Wirbelsäule war schief, vor allem die Wirbel, die das vegetative Nervensystem betrafen, mein Körper sei komplett verspannt und voll von Stress, sagte er.

Als dritte Säule in meinem Behandlungssystem suchte ich Jan auf, einen Heilpraktiker, den wir seit Jahren kannten und schätzten. Er war spezialisiert auf Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin. Auch er bestätigte mir meine extremen Verspannungen, auch im Bauch und Becken, und leider auch meinen extrem flachen und schwachen Puls, was auf einen extremen Stress im Körper hindeutete. Besonders auffällig sei der Nieren Puls, der außergewöhnlich schwach sei. In der TCM wird der Puls je nach Meridian an unterschiedlichen Stellen erfühlt, und dient so zur Anamnese des Patienten. Akupunktur und TCM finde ich selber schon seit Jahren spannend, und habe schon diverse Bücher und Internetseiten studiert, und natürlich auch gerne bei mir selber ausprobiert, teilweise sogar mit Erfolg, glaube ich jedenfalls.

Als vierte und letzte Säule stand für mich Lesen und Arbeit mit mir selbst auf dem Programm.

Schon seit einer gefühlten Ewigkeit bin ich daran interessiert, was in unserem Körper passiert. Wie unser Geist, unsere Erfahrungen und nicht zuletzt unser Unterbewusstsein unsere Gesundheit beeinflussen oder auch, wie Krankheiten entstehen. Immer wieder diskutierten Christina und ich über die vielen unterschiedlichen Krankheitsfälle in unserem Verwandten- und Bekanntenkreis. Anhand von unzähligen Büchern, von Luise Hay, über Rüdiger Dahlke, von den 5 biologischen Gesetzen, über Stresstheorien von Andreas Winter bis zu Robert Betz. Auch Christina hatte bereits viel hierüber gelernt, hat Ausbildungen in Reiki und zum schamanischen Berater gemacht. Wir beschäftigten uns mit systemischer Arbeit und besuchten mehrere Familienaufstellungen. Ich lernte viel über Trainingslehre, Yoga, bestimmte Engpassdehnungen. Besonders angetan war ich von den Lösungsansätzen von Roland Liebscher-Bracht. Er befasst sich intensiv mit unserem Bewegungsapparat und interpretiert ihn aus rein mechanischer Sichtweise. Interessanterweise war er vor vielen Jahren der Ausbilder meines Wing Tsun Trainers Mike gewesen. Das erfuhr ich aber erst während meines Trainings mit ihm. Gerne hätte ich die von Liebscher- Bracht angebotene Ausbildung gemacht, traute mich aber nicht wirklich, da ich ja weder Arzt, noch Physiotherapeut oder ähnliches war. Zwei Seminare zum Erlernen von Sport– und Entspannungsmassage besuchte ich, und vor zwei Jahren machte ich eine tolle, wenn auch ziemlich teure Ausbildung zum Psychologischen Coach bei Andreas Winter in Iserlohn.

Dazu las ich Unmengen über Tantra, besonders die Ansichten von Osho verschlang ich, wobei ich doch bei weitem nicht mit allem einverstanden war. Doch was mich immer unglaublich beeindruckte, war sein umfangreiches Wissen. Einige Jahre später begeisterte mich Sadhguru, ein indischer langbärtiger Yogi und Gelehrter auf ähnliche Weise.

Christina legte mir immer wieder nah, doch anzufangen, als Coach zu arbeiten. Mehrfach hätte ich das doch schon bei Kollegen getan, ohne es zu wollen. Einfach so hatte ich durch scheinbar belanglose Fragen etwas in ihnen ausgelöst, was ihre Symptome verschwinden ließ, oder in einem Extremfall dazu führte, dass eine Kollegin, die keinen wirklichen Sinn mehr in ihrem Leben sah, eine 180 Grad Wende machte, und einige Monate später sogar heiratete und ihr Leben wieder zu leben begann.

Auch ein Grund dafür, dass ich mir diese Arbeit nicht zutraute, war, dass ich trotz mehrerer Versuche und intensiver Bemühungen es nicht geschafft hatte, Christina zu helfen. Letztlich rettete die Schulmedizin, die ich doch immer wieder so kritisch beäugt hatte, ihr das Leben.

Genauso wie ich mich bisher in jedes Thema reinkniete, wollte ich es auch jetzt in meinem Fall machen. Daher bestellte ich mir einige Bücher über das Thema Burnout, auch wenn ich mich damit noch immer nicht wirklich anfreunden wollte, davon betroffen zu sein.

Ich sollte in die Burnout- Falle getappt sein? Ich war immer höchst belastbar, keine Situation auf der Arbeit konnte mich auch nur im Ansatz in Bedrängnis bringen, im größten Chaos war ich immer für jeden ansprechbar und konnte besonnene Entscheidungen treffen. Stundenlange Autofahrten, oft nach Nachtdiensten, stand ich durch, ich war stressresistent und hatte bisher jeden Konflikt ausgehalten und durchgestanden…. Ich sollte Burnout haben? Was ist das überhaupt? Ist das nicht dasselbe wie eine Depression? Na, ich bin mal gespannt.

In der Zwischenzeit wollte ich mir schon einmal ein spezielles Aufbautraining, auch zum Abbau meiner Stresshormone Adrenalin und Cortisol, erarbeiten. Sport hat mir schon immer gutgetan und Meditation hatte ich ja schließlich auch vor gut 10 Jahren gelernt, bei einer inzwischen bestimmt 85 Jahre alten total gelenkigen und noch voll im Leben stehenden Frau, die damals mit 75 beschloss ihr erstes Buch zu schreiben, was sie auch getan hatte.

Ich versuchte langsam wieder anzufangen mit dem Laufen auf dem Laufband… Das ging zwar, fühlte sich zu Beginn aber nicht wirklich gut an, so als musste mein Herz sich erst warmlaufen, wie ein kalter stotternder Motor. Beim Fahrradfahren auf dem Ergometer erging es mir ähnlich, am Anfang erst etwas Schwindel, und dann wieder der stotternde Motor. Nach ein bis zwei Minuten lief es wie früher, … aber die Vernunft sagte mir…. Das ist nicht das Richtige…

Wirklich wohl und entspannt fühlte ich mich im Wasser. Schwimmen tat mir gut, und nachdem ich merkte, dass mich sogar das Zählen der Bahnen nervös machte, versuchte ich wirklich nur zum Spaß zu schwimmen…. Zu Beginn war allerdings bereits nach 10 Minuten meine Grenze erreicht.

Hatte ich doch als Jugendlicher und junger Erwachsener Unmengen an Stunden mit Schwimmen und Tauchen verbracht, hier war mein Element, das tat mir gut. Ich beschloss daher, jeden Tag im Wasser zu verbringen, die Jahreskarte fürs Freibad hatten wir ja eh kaufen wollen.

Und so plante ich, die jetzt durch die Krankschreibung gewonnene Zeit, natürlich mit dem Ziel und dem Gedanken, nach ein paar Wochen wieder auf der Matte zu stehen. Ich besuchte abwechselnd meine Ärztin, den Chiropraktiker, fuhr zur TCM und Akupunktur, und schwamm jeden Morgen, bei jedem Wetter und genoss es. Da sich aber immer wieder Symptome zeigten, wenn auch zum Glück etwas abgeschwächt, und ich noch immer extrem schwach und empfindlich war, zog sich die Zeit hin. So langsam wurde ich nervös, da sich auch der Termin des Schulabschlusses meiner jüngeren Tochter näherte.

Dazu hatte mein Bruder uns eingeladen, zur Firmung seiner ältesten Tochter zu kommen. Geplant war am 22.06. um 18 Uhr Kirche und danach in ein „tolles“ amerikanisches Burgerrestaurant zum Essen zu gehen. Einige Tage vor diesem Termin sprach ich mit ihm, um ihm zu erklären, dass wir definitiv nicht zur Kirche kämen, da Menschenansammlungen in diesem Ausmaß für mich in meiner Situation undenkbar waren. Viel zu empfindlich waren meine sowieso schon sensitiven Sinnesorgane. Abgesehen davon hatten sich meine sozialen Kontakte in der letzten Zeit auf Arzt- und Heilpraktikerbesuche beschränkt. Ich wusste schlicht und einfach nicht mal, wie mein Körper reagieren würde. Das versuchte ich ihm zu erklären, was mit der lapidaren Antwort, „also Kirche gehört doch schon dazu“, beantwortet wurde. In einigen Gesprächen zuvor, hatte ich erklärt, was bei mir so los war, es war wohl nicht wirklich angekommen…

Ich blockte daher ab und gab ihm zu verstehen, dass ich es versuchen würde, aber sofort verschwinden würde, sollte es nicht gehen. Die Begeisterung auf der anderen Seite hielt sich in Grenzen. Meine Mutter, die sich offensichtlich fürchterlich innerlich aufregte, dass in der heutigen Zeit bei der Firmung die Geschenke, das Geld und das Essen mehr im Mittelpunkt stand, als das kirchliche Sakrament und der Glaubensinhalt, bekam daraufhin solche Magenprobleme, dass die Ausrede fürs Nichterscheinen zum Essen perfekt war. Die Kirche sollte sie allerdings selbstverständlich bis zum Ende mitbekommen, und sogar noch die Lesung halten, kann ja sonst keiner lesen….

22.06.2019 Firmung

Die Firmung ist in der katholischen Kirche, aus der ich im Übrigen während meiner Trennungsphase natürlich nur aus finanziellen Gründen ausgetreten war, was nur keiner bisher weiß, das Sakrament, bei dem der Gläubige zum ersten Mal aus freien Stücken, er war ja vorher zu jung, seinen Glauben bestätigen soll. Das soll dann durch den heiligen Geist gestärkt werden, oder so in etwa. Es sollte sich zeigen, dass meine Mutter Recht behielt. Es ging hauptsächlich um schöne Kleider, Geschenke, Showlaufen, eingeladene Gäste, und das Abendessen sollte der krönende Abschluss werden. Das konnte ich auf jeden Fall später den Erzählungen entnehmen.

Ich hatte mich tatsächlich dazu durchgerungen, obwohl weder Lust noch wirklich Kraft vorhanden war, mich mit Christina zum Essen einzufinden. Ich plante grob 1 Stunde Kirche und 30 Minuten Fahrt ein, und so glaubte ich, wir wären zeitlich um 1930 Uhr in etwa richtig. Der wohl recht bekannte Burgerladen, war nicht weit von uns entfernt, und so machten wir uns auf den Weg.

Komischerweise waren wir die Ersten vor Ort. Von meinem Bruder und dem Anhang war nichts zu sehen. Da es regnete, beschlossen wir, schon einmal hineinzugehen. Ich dachte mir, dass es bestimmt nicht schaden würde, sich alles in Ruhe anzusehen und mal zu beobachten, was mein Körper so von der Location hält und wie er reagiert. Wir betraten also den Laden, fuhren mit dem Aufzug in den ersten Stock und kamen durch eine Glastür in das Restaurant. Grundsätzlich war alles echt cool gestaltet. Halbe Autos als Sofas, überall leuchtende Reklameschilder, zig Fernseher an der Wand, die Tennis live zeigten, Leuchtstoffröhren an der stilvoll gebauten Theke, ansonsten Stehtische, Barhocker und Sitzgruppen, die nicht wirklich Gemütlichkeit ausstrahlten. Hektische Bedienungen, die durch die Gegend flitzten, emsige Barkeeper, die Drinks in allen Farben mixten und im Hintergrund ziemlich laute Musik.

Ich versuche jetzt mal in etwa zu beschreiben, wie meine ziemlich empfindlichen Sinnesorgane die Situation wahrgenommen haben….

Wir betreten das Restaurant durch die Glastür. Meine Ohren nehmen gefühlte 100 Stimmen gleichzeitig war, ich höre Leute schreiend Bestellungen aufgeben, Bedienungen nachfragen, Barkeeper rufen sich Bestellungen zu, Leute telefonieren, unterhalten sich, lachen. Die Musik dazu macht den Lärmpegel im ersten Moment kaum aushaltbar. Sie überschneidet sich noch dazu mit dem Ton der laufenden Fernseher, die Klimaanlage läuft auf vollen Touren, die Barkeeper lassen Mixer laufen, schütteln Drinks, das Knirschen der Eiswürfel, instinktiv halte ich mit kurz die Ohren zu. Die Stimmen sind so laut, als würde jeder durch ein Megaphon schreien. Die grellen Beleuchtungen scheinen mir in die Netzhaut zu brennen. Ich nehme bewusst die Bewegungen der vielen Leute wahr, der Laden ist voll, bis auf den von meinem Bruder reservierten Tisch um die Ecke. Die teilweise blinkenden Lichter zwingen mich, meine Augen etwas zu schließen. Ich spüre die schöne kalte Luft der Klimaanlage, nehme aber auch Unmengen an Gerüchen auf. Es ist eine Flut von Sinneseindrücken. Ich komme mir vor, wie Tarzan das erste Mal in der Stadt. Ich sehe, wie besorgt Christina mich anschaut. Ich bemerke, dass ich wohl seltsam dreinschaue, atme tief durch und versuche mich zu entspannen. Ein top gestylter bärtiger Barkeeper spricht uns an. Komm Mann, reiß dich zusammen, höre ich meine innere Stimme zu mir sagen.

Ich bewege mich, um aus der momentanen Starre herauszukommen. Wir beschließen an der Bar zu warten, bis die anderen auch da sind. Ich fühle wie viel Unruhe in meinem Körper ist, mein Blut scheint an meinen Ohren vorbei zu rauschen. Ich entspanne bewusst meinen Nacken, der sich zusammengezogen hatte. Wir bestellen zwei eiskalte Corona und setzen uns auf die Barhocker. Christina fragt, wie es mir denn gehe. Ich nicke, und sage…“geht schon, brauche nur einen Moment“. Ich versuche, mich bewusst auf den Fernseher zu konzentrieren. Jetzt läuft ein Autorennen in Monaco. Ich trinke einen Schluck. Es wird ruhiger in mir. Die Glastüre öffnet sich ständig, Leute kommen und gehen. Ich atme tief und ruhig. Langsam geht es. Ich schaue in Christinas noch immer besorgtes Gesicht. „Wir können jederzeit gehen, wenn du magst“! Nein, ich mag nicht. Ich möchte mich hier bewusst etwas entspannen. Ich schwitze, spüre meine heißen, fast kochenden Füße. Je mehr ich mich konzentriere, mal auf ihre Augen, mal auf den Fernseher, mal auf die Barkeeper… desto besser geht es… Ich sehe die anderen Gäste. Oh Mann, ich bin, glaub ich, der Einzige, der sich hier so fühlt. Die Zeit, bis die ersten anderen Firmungsgäste kommen, erscheint mir schier endlos. Um 20:15Uhr sind endlich alle da und wir können uns an den Tisch setzen. Ich setze mich bewusst mit dem Rücken an die Wand. Nicht weil ich vor der Kugel in den Rücken als Pokerspieler Angst habe, sondern in dem Glauben, es sei angenehmer, nicht auch noch von hinten berieselt zu werden. Ruhig, bewusst atmend merke ich, dass ich es hinbekomme, meine Unruhe zu begrenzen. Inzwischen läuft Tennis auf dem Fernseher gegenüber. Ich sitze neben Christina und habe die beste Freundin meiner Schwägerin gegenüber, ihr Mann sitzt daneben. Ich konzentriere mich auf den Smalltalk und das Tennisspiel und die vielen bunten amerikanischen Nummernschilder an der Wand. Mein Vater sitzt mir schräg gegenüber. Er schaut mich skeptisch an. Ich scheine sehr verändert zu wirken, denn er flüstert mehrmals zu mir hinüber, wie es mir denn gehe. Er würde es vermutlich nicht verstehen, daher gebe ich ihm den Daumen nach oben…. Beruhigen tut ihn das aber nicht.

Es gibt Essen, Chicken Wings mit Barbecue Sauce. Das tut wirklich gut. Mein System kann sich auf etwas Warmes, wirklich Leckeres konzentrieren, und beruhigt sich. Dennoch weiß ich, nach dem Essen wird es Zeit zu gehen. Wir verabschieden uns und ich bin heilfroh an der frischen Luft und in Ruhe zu sein. Ich bin so dankbar, dass weder mein Kreislauf gestreikt hat, noch der Schwindel gekommen war und ich es geschafft hatte. Im Auto merke ich, wie erschöpft ich bin. Ich fahre uns zwar nach Hause, aber der immer so belastbare starke Mann an der Seite seiner Freundin ist komplett ermüdet, platt und fertig. Ich erzähle ihr, wie es für mich war und sie fragt, warum wir dann nicht früher gegangen wären, wenn mein Körper doch gar nicht dableiben wollte. Ich fühle, wie recht sie hat. Alles nur meinem Bruder und seiner Tochter und der Familie zu liebe….

Meine Mutter war übrigens nicht da, der Darm. Sie hat aber die gesamte Kirche durchgehalten, mit Vorlesung.

Warum bin ich nicht gegangen, obwohl mein Körper es wollte?

23.06.2019 Ein Tag später

Warum bin ich nicht früher gegangen, obwohl mein Körper mir doch klare Signale gegeben hat? Ich wollte durchhalten, wie ich es früher auch immer getan hatte.

Doch eines war mir klar geworden. In einer Woche war es mir definitiv nicht möglich, 600 Km zu fahren, in die Kirche zu gehen und mir danach womöglich noch von der Familie meiner Exfrau blöde Kommentare anhören zu müssen, wenn ich nicht mehr konnte oder womöglich noch dort einen Schwächeanfall erleiden würde, oder Schlimmeres. So traurig es mich machte, so wichtig war es doch, jetzt sofort den Besuch für die Schulabschlussfeier abzusagen. Es brach mir zwar das Herz, meine kleine Tochter so enttäuschen zu müssen, aber es gab hierzu keine Alternative. So rief ich sie an und erklärte ihr, so gut es ging, unter Tränen, dass es mir nicht möglich sei, zu kommen. Zunächst schien es so, als würde sie es verstehen. Dann bekam ich jedoch von meiner älteren Tochter eine Nachricht über WhatsApp, wie ich denn ihre Schwester so enttäuschen könne, es sei ihr doch so wichtig gewesen, dass ihr Papa diesen Tag miterleben sollte. Ich könne doch bestimmt irgendwie kommen. Ich könnte mich ja zwischendurch ausruhen, oder meinen Vater mitnehmen, um mich zu fahren. Dieser Tag sei so wichtig für sie. Ich war wieder einmal platt. Ich hatte am Telefon geweint und hatte mehrfach erklärt, dass es mir nicht möglich sei, und nun kommt…. kneif doch mal die Arschbacken zusammen Alter, es wird schon gehen?!

Ich schrieb ihr zurück, ob dieser Tag so wichtig sei, dass ich dafür einen Herzinfarkt oder ähnliches riskieren solle, und ich dann vielleicht niemals wieder einen Tag mit ihnen verbringen könne. Meine Entscheidung sei klar und eindeutig. Jetzt ist meine Gesundheit wichtiger, …. die nächsten Tage war Funkstille.

Ich schrieb zwar immer mal wieder, bekam aber nur kurze Antworten. Am Tag selber schickte man mir 3 Fotos. Erst einige Tage später bekam ich von ihrem so wichtigen Tag erzählt. Sie hatte ihren Realschulabschluss geschafft, und hatte nun die Qualifikation, um ihr Vollabitur zu machen. Meine ältere Tochter hatte ihr Fachabitur geschafft, nicht besonders gut, aber geschafft, was das Entscheidende ist. Noten waren mir noch nie wirklich wichtig.

Auch wenn ich mich in diesen Momenten mal wieder so machtlos und ohnmächtig gefühlt habe, wie schon so oft, bei den ewigen Stänkereien meiner Exfrau, den furchtbaren mit Unwahrheiten gespickten Anwaltsbriefen, den vollkommen überhöhten Forderungen nach Unterhalt, den ständigen Sticheleien, wenn es darum ging, dass ich Zeit mit den Kids verbringen wollte. Dennoch merkte ich, als ich diese Entscheidung für mich gefällt hatte, es machte mich frei und meinem Körper tat es gut. Ich war erleichtert, dass ich mich für mich entschieden hatte.

07.07.2019 Einsichten und Aussichten

Die heiße Dusche nach dem Schwimmen war herrlich. In den letzten Wochen habe ich bereits einige gute Bücher über das Phänomen Burnout gelesen. Besonders die Bücher von Frau Prof. Priess haben mich sehr angesprochen. Zunächst war es unglaublich wichtig für mich, erst einmal zu sehen, was das denn eigentlich überhaupt ist, und wie viele andere Menschen davon betroffen sind. Es ist das eine, das von meiner Ärztin, dem Chiropraktiker oder dem Heilpraktiker zu hören. Aber ich war doch immer noch sehr skeptisch, kannte ich dieses Verhalten meines Körpers bisher nicht, bzw. hatte ich es wohl nie bemerkt. Was mich dann aber wirklich zutiefst berührt hat, war das, was psychologisch dahintersteht.

Dass es gar nicht so sehr um den Stress an sich geht, sondern darum, warum man, oder ich, sich diesem Stress überhaupt so aussetzt, nein ihn sogar selbst erst zu Stress macht!

Natürlich ist mir inzwischen klar, dass mein Leben in den letzten Jahren oder Jahrzehnten extrem belastend war. Da waren 25 Jahre Schichtdienst mit Nachtdienst, eine heftige und langwierige Trennung, die große räumliche Distanz zu meinen Kindern, der große Wunsch den Kontakt aufrecht zu erhalten und ihnen trotz Entfernung ein guter Vater zu sein. Dazu die extremen finanziellen Belastungen, jahrelang immer an jedem finanziellen Limit, Streit mit der Exfrau um eigentlich alles, für nichts und wieder nichts. Unendliche Fahrten zu den Kindern, auf Pump organisierte Urlaubsreisen, um ihnen etwas bieten zu können. Ich bin gut 1400 Stunden Auto gefahren, habe in der Zeit gut 150.000 km zurückgelegt, und das oft nach Nachtdiensten, bei Schneechaos oder Superhitze, und oft mit der Gewissheit, dass mich beim Abholen wieder irgendeine Überraschung erwarten wird. Dazu natürlich mein Job, bei dem ich immer alles gegeben habe und auch vieles verlangt habe, bei dem ich mich oft durchbeißen musste, und durch eigene Unachtsamkeiten leider auch eine Menge Ärger heraufbeschworen habe. Nebenher spielte das Fliegen auch noch immer eine große Rolle. Dauerhaft der Druck, die Lizenz erhalten zu wollen, teure Checkflüge, und da die freien