Und Gott sah, dass es schlecht war - Julia Enxing - E-Book

Und Gott sah, dass es schlecht war E-Book

Julia Enxing

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Beschreibung

Klimakrise und Umweltschutz: die zentralen Herausforderungen unserer Zeit!

Klima- und Umweltschutz sowie der Erhalt der Artenvielfalt kann nur gelingen, wenn wir uns in die ernsthafte Nachfolge Jesu Christi stellen, und das bedeutet: Niemals bequem bleiben, sondern immer mutig vorangehen! Aufstehen, um den entscheidenden Unterschied zu machen!

Denn gutheißen kann Gott schon längst nicht mehr, wie der Mensch mit der Schöpfung umgeht: meterhohe Müllberge, Meere voller Plastik, Monokulturen so weit das Auge reicht. Zu lange und zu unerschütterlich vom Christentum befeuert, erlag der Mensch seiner Hybris, sich als „Krone der Schöpfung“ zu begreifen. Dabei ist längst allen klar, dass gerade der Mensch in einer besonderen Verantwortung steht, eine Zukunft im Einklang alles Existierenden zu gestalten. Friedvoll bewahrend statt ausbeuterisch unterwerfend!

Das Buch der Stunde für alle, die an die Schönheit und das Wunder der Schöpfung glauben. Ein Buch, das einen Paradigmenwechsel fordert: hin zur Schöpfungslehre des 21. Jahrhunderts, aus der sich notwendiges Handeln für alle Christ*innen ableitet.

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Klima- und Umweltschutz sowie der Erhalt der Artenvielfalt kann nur gelingen, wenn wir uns in die ernsthafte Nachfolge Jesu Christi stellen, und das bedeutet: Niemals bequem bleiben, sondern immer mutig vorangehen! Aufstehen, um den entscheidenden Unterschied zu machen!

Denn gutheißen kann Gott schon längst nicht mehr, wie der Mensch mit der Schöpfung umgeht: meterhohe Müllberge, Meere voller Plastik, Monokulturen so weit das Auge reicht. Zu lange und zu unerschütterlich vom Christentum befeuert erlag der Mensch seiner Hybris, sich als »Krone der Schöpfung« zu begreifen. Dabei ist längst allen klar, dass gerade der Mensch in einer besonderen Verantwortung steht, eine Zukunft im Einklang alles Existierenden zu gestalten. Friedvoll bewahrend statt ausbeuterisch unterwerfend!

Das Buch der Stunde für alle, die an die Schönheit und das Wunder der Schöpfung glauben. Ein Buch, das einen Paradigmenwechsel fordert: Hin zur Schöpfungslehre des 21. Jahrhunderts, aus der sich notwendiges Handeln für alle Christ*innen ableitet.

Julia Enxing, geb. 1983, ist Professorin für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der TU Dresden. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Theologien der Nachhaltigkeit, Öko- und Tier-Theologien, theologische Gender Studies sowie Prozesstheologie. Seit Langem fordert sie einen theologischen Paradigmenwechsel hin zu einer ganzheitlichen Theologie alles Existierenden. Sie geht verschiedensten universitären und außeruniversitären Engagements nach, ist u. a. Redaktionsmitglied des theologischen Online-Feuilletons feinschwarz.net, »Wort zum Sonntag«-Sprecherin in der ARD, Mitbegründerin des European Research Network »Transcending Species – Transforming Religion« Mitglied im Executive Committeedes European Forum for the Study of Religion and the Environment sowie Mitglied bei PRISMA– Zentrum für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik der TU Dresden.

JULIA ENXING

UND GOTT SAH, DASS ES SCHLECHT WAR

Warum uns der christliche Glaube verpflichtet, die Schöpfung zu bewahren

Kösel

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Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Innenteilabbildung: Віталій Баріда/stock.adobe.com

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN978-3-641-29458-8V001

www.koesel.de

missachtet

schläft tiernis

in uns:

träumend von

einem spielenden gott

träumend von

freundlichen menschen

Kurt Marti

Inhalt

Wie alles anfing …

1. Was in den Schöpfungserzählungen (nicht) steht: Die Bibel als Grundlage

2. Warum wir die Erde (nicht) ausbeuten dürfen: Zu Gast in G*ttes Welt

3. Warum früher (nicht) alles besser war: Ökologische Bildung als Herzensbildung

4. Warum wir (nicht) mehr Rechte haben als die anderen Geschöpfe: Der Mensch als Teil des Ökosystems

5. Warum es so (nicht) weitergehen kann: Unsere generationenübergreifende Verantwortung

Dank

Anmerkungen

Für Lucy

Wie alles anfing …

Vermutlich fing es schon an, bevor es anfing und bevor ich mich daran erinnern kann und es ist auch kein außergewöhnlicher Anfang. Wie im Leben vieler Menschen, die eine Sensibilität für ihre Mitwelt haben, so war auch mir von Anfang an eine große Aufmerksamkeit für Tiere gegeben. Schon als kleines Kind versetzte mich meine Fantasie in Welten, in denen ich in enger Lebensgemeinschaft mit Tieren und Pflanzen lebte: Auf Lebenshöfen1 mit Tieren all jener Arten, die mir zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. Wie im Jesaja’schen Tierfrieden lebten sie hier alle friedlich beisammen, das Schwein beim Löwen, das Pferd beim Panther. Früh forderte ich sehr hartnäckig und sehr zum Widerwillen und Desinteresse meiner menschlichen Bezugspersonen den Besuch von Pferde- und Bauernhöfen, Weiden etc. ein und landete so auch früh bei Pflegepferd, Voltigieren und Co. Als ich acht Jahre alt war, wusste man mein »Gequengel« mit einem Meerschweinchen zu befriedigen, aus »Gerechtigkeitsgründen« bekam mein Bruder ein Zwergkaninchen, welches allerdings bald an mangelnder Zuwendung zu verwahrlosen drohte und deshalb– dem Meerschweinchen gleich– in mein Kinderzimmer einzog. Zwei Käfige, Streu an meinen Socken, in meinen Haaren, an meinem Pullover, Heugeruch, Knabberstangen… das war die kleine Welt von »Miss Biggi«, »Purzel« und mir. Zum Glück duldeten sich die beiden Nager und teilten so, da die Käfige stets offen standen, das gesamte Kinderzimmer miteinander und mit mir. Ein sehr trauriges Szenario aus heutiger Perspektive.

Wie »Miss Biggi« zu ihrem Namen kam, ist eine eigene Geschichte: Zwar kann ich nicht behaupten, dass mir die Muppet-Show besonders bekannt gewesen wäre, aber irgendwo muss ich sie mal gesehen haben und wusste, dass es dort ein Schwein gab, welches den Namen »Miss Piggy« trug. Wobei, gerade Letzteres wusste ich eben nicht, denn in Hessen aufzuwachsen bedeutete auch, dass »Piggy« stets »Biggi« ist und so beschloss ich, dass das Meerschweinchen »Miss Biggi« heißen solle. Dass es sich bei »Miss Biggi« um ein Männchen handelte, darüber wurden wir zum einen erst beim ersten Tierarztbesuch aufgeklärt, zum anderen erachtete ich auch diesen Umstand nicht als problematisch. Was »Miss« heißen solle und dass es einen Unterschied zwischen »Miss«, gar »Misses«, und »Mister« gibt, war mir damals nicht bekannt. »Purzel« hatte es da etwas einfacher, er war ein »er«, hatte als »kleiner Kerl« einen Namen für einen »er«, der auch bei Erwachsenen keine kognitiven Dissonanzen erzeugte. Beide Tiere wurden sehr alt, noch heute frage ich mich, wie das bei diesen Haltungsbedingungen überhaupt sein konnte. Aber gut, das frage ich mich bei manchen alten Menschen auch …

Dass Tiere Kinder entscheidend prägen können– nicht immer so positiv wie in meinem Fall –, ist längst bekannt. Als Erwachsene, die sich mit Fragen der Tierethik beschäftigt, denke ich auch mit schlechtem Gewissen an all die »Kinderzimmerinsass*innen«. »Miss Biggi« und »Purzel« sind nur zwei dieser Individuen. Dennoch hat mich die Begegnung mit ihnen und mit »Quai« (dem Hund), »Rondy« (meinem schwarzen Shetland-Pflegepony) und anderen unglaublich berührt und für Fragen nichtmenschlichen Leids und einer die Grenzen der Spezies überschreitenden Gerechtigkeit sensibilisiert. So sehr sogar, dass ich zwar einerseits sagen kann, dass es egoistisch ist, Tiere zu unseren Gunsten, zu unserer emotionalen Befriedigung und womöglich sogar Unterhaltung, quasi als unsere Gesellschaftler*innen zu »benutzen« oder zu »vernutzen«, und andererseits auch sagen muss, dass ich nicht weiß, ob und wie ich heute wäre, hätte ich die Gemeinschaft mit meinen/diesen Tierfreund*innen nicht erleben dürfen.

Eine meiner intensivsten, frühen Erinnerungen ist diese: Wie fast alle Meerschweinchen, so hatte auch »Miss Biggi« eine Vorliebe für Salziges, weshalb er ein kleines Salzleckstein-Rädchen an den Stangen seines Meerschweinchengefängnisses hatte. Wenn ich als Kind in meinem Zimmer weinte, setzte ich mich jedes Mal ganz dicht vor »Miss Biggi« und beobachtete sein Tun, hörte auf die schier unendliche Vielfalt seiner Quiektöne und schaute in seine tiefschwarzen Knopfaugen. Eines Tages näherte sich mir »Miss Biggi« ganz vorsichtig. Ich lag auf dem Boden, den Kopf auf dem bunten Flickenteppich und »Miss Biggi« kam neugierig angeschlichen, roch an meinem tränennassen Gesicht und fing an, Träne für Träne wegzulecken, den Spuren des Salzes auf der Haut folgend. Erlebt zu haben, wie eine Zunge, die nur so groß ist wie der Fingernagel meines kleinen Fingers, im wahrsten Sinne des Wortes »Tränen trocknet«, hat Spuren in meiner Seele hinterlassen.

Es ging nur kurze Zeit ins Land, bis es mir merkwürdig vorkam, dass Menschen Tiere aßen, dass ich Tiere aß, wo ich doch »Miss Biggi«, »Purzel«, »Rondy«, und den Hund »Quai« auch nicht aß. Da konnte etwas nicht stimmen und diese Unlogik führte dazu, dass ich in meinem achten Lebensjahr entschied, Vegetarierin zu werden. Tiere isst man nicht! Auch 1991 gab es bereits zahlreiche Alternativen (die in Restaurants stets »Gebackener Camembert« lauteten). Seit diesem Tag habe ich kein einziges Stück Fleisch oder Wurst gegessen. Mittlerweile lebe ich weitestgehend vegan und mache lediglich auf Reisen oder wenn ich auswärtig esse und eine Alternative das gesamte Sozialgefüge sprengen würde, eine vegetarische Ausnahme. Nein, ich fühle mich deshalb moralisch nicht überlegen und nein, ich bin auch nicht missionarisch tätig, indem ich dem Gegenüber, während es sein/ihr Schnitzel verdrückt, das erbärmliche, intensiv-verzweifelnde Schreien eines Kälbchens auf der Suche nach seiner Mama vormache. Aber: Ich bin davon überzeugt, dass es längst Zeit ist, den eigenen Konsum (und damit meine ich nicht nur das eigene Essverhalten) kritisch und ehrlich zu überdenken und entsprechend des Ergebnisses konsequent zu handeln. Dass dies nicht für alle möglich ist und dass ein gewisser Grad an »Sättigung«– auch im übertragenen Sinne– die Voraussetzung für ein Nachdenken über das eigene Leben ist, darüber bin ich mir bewusst. Wer täglich neu fürs »Überleben« kämpft, der kann nicht in gleichem Maße »über Leben« nachdenken wie andere. Sich tierleidfrei zu ernähren ist allerdings kein neumodischer Kram und auch nicht (nur) Thema der LOHAS und Hipster vom Prenzlauer Berg. Es ist kein Luxusproblem, sondern in anderen Regionen unseres Globus seit tausenden von Jahren religiös-kulturell verankert wie beispielsweise in einigen vedischen Traditionen.

Es ist kein Zufall, dass ich gleich zu Beginn des Buches auf das Thema »Essen« zu sprechen komme. Ich habe bisher kaum eine Diskussion, kaum einen Vortrag, eine Vorlesung oder Seminarsitzung, ein Interview oder eine Publikation erlebt, die sich einigermaßen konkret und lebensnah mit Fragen von Nachhaltigkeit, Ökologie, Mitwelt auseinandersetzt und nicht rasch auf dieses Thema kommt. Das ist insofern auch absolut einleuchtend, da dies der Bereich der eigenen Lebensführung ist, den wir zum einen immer wieder neu und dies gleich mehrfach täglich, zum anderen recht einfach ändern können. Hinzu kommt, dass es natürlich einleuchtend ist, dass wir mit Blick auf die globale Ernährungssicherheit und die Reduktion von Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß verstehen, dass mit einer Ernährungsumstellung auf eine pflanzenbasierte Nahrung jede*r von uns ab heute, ab jetzt einen Beitrag leisten kann. Vom Tierwohl und Tierleid braucht man hier noch gar nicht zu sprechen und kommt bereits mit einer sehr vertrauten– da radikal anthropozentrischen– Perspektive zu dem Punkt, dass die biblische Schöpfungserzählung wohl recht hatte, als sie uns die Pflanzen, Blätter und Samen zur Nahrung gab und damit zum Ausdruck brachte, dass, wer sich daran halte, ein Leben in Fülle für alle ermöglichen könne.

Mein kindlicher Entschluss, Vegetarierin zu sein, war ein Ausdruck dessen, dass ich merkte, dass irgendetwas nicht stimmt. Dass diese Tiere, an deren Leben ich teilnahm, uns ausgeliefert waren und wir es waren, die ihr Schicksal besiegelten. Was haben sie uns getan, dass wir so über sie entscheiden? Dass wir entscheiden, dass die einen gegessen, die anderen gepierct werden, dass die einen geritten und die anderen geschlachtet werden? Warum eigentlich und weshalb können wir uns so wenig an ihrem Leben selbst erfreuen, weshalb hängt ihr Dasein von ihrem Zweck für uns ab? Wie kann ich ihnen helfen, ein schöneres Leben zu führen? So entwuchs sehr früh bei mir der Wunsch, Tierärztin werden zu wollen. Ein ambivalenter Wunsch: Einerseits verband ich damit das gute Gefühl »helfen zu können«, andererseits wollte ich damit meiner schier unstillbaren Sehnsucht nach einer Nähe zu Tieren und dem Sein in der Natur begegnen. Würde ich Tierärztin, so dachte ich, könnte ich Tag und Nacht mit Tieren zusammen sein. An jedem Tag der Woche könnte ich auf Höfe fahren (wie der Tierarzt, bei dem ich in meiner Schulzeit sehr regelmäßig »mitfuhr«), ich könnte nachts Dienst in Ställen haben, in denen es nach Kühen, Pferden, Eseln, Schweinen duftet. Ihre Wärme und ihre Nähe würden mich durch meine Tage tragen und ich wäre auch noch diejenige, die ihnen helfen könnte. Ein kindlicher Traum mit zweifelhaften Beweggründen, der mich spätestens mit Beginn meines Veterinärmedizin-Studiums derart hart auf dem Boden der Mediziner*innentatsachen aufschlagen ließ, dass er schneller ausgeträumt war als mir lieb war. Zwar habe ich meine romantische Vorstellung vom Tierärzt*innen-Sein bis heute nicht ganz abgelegt (daran ist vor allem meine Freundin Anja schuld, die vor Jahren nach Irland ausgewandert ist und die ich seither jährlich für eine gewisse Zeit begleite, meist zur Lammungs- und Kalbungssaison…), das Studium selbst kam meiner freigeistigen Haltung, meinem Wunsch nach individueller Gestaltung meines Studiums, dem Setzen eigener Schwerpunkte und dem permanenten Hinterfragen nicht gerade entgegen.

So bin ich also bei der Theologie und Philosophie gelandet. Für mich die naheliegendste Alternative, wenn man sich gerne mit den »großen Fragen« beschäftigt, einen Beitrag zu einem guten Miteinander leisten möchte, selbst die kleinsten Lebewesen dabei nicht aus dem Blick verlieren möchte, Visionen nicht (per se) für pathologisch erklärt, sondern es geradezu als notwendig erachtet, »Narrationen« von einem gerechteren Leben zu entwerfen. Immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass es nicht nur– aber oft genug– auf uns ankommt, dass wir Teil eines großen Ganzen sind, dass das hier nicht alles sein kann und dass, wenn das Reich G*ttes wirklich schon unter uns (wenn auch noch nicht vollendet) ist, wir dies doch deutlich spüren und an selbigem mitwirken müssen, unsere eigene Schaffenskraft zugunsten einer Vielfalt der Schöpfung und eines guten Lebens einsetzen müssen, in der Gewissheit, dass auch wir unser Leben nicht uns selbst verdanken, Gast auf dieser Erde sind und weder mit Besitz kommen noch mit Besitz gehen. Dass ich also von der Tiermedizin zur Theologie gewechselt habe, war für mich das Schlüssigste überhaupt. Für Außenstehende wirkt das wohl schräg; zumindest wurde ich bislang in jedem Radio- oder Zeitungsinterview und auch bei jedem Vorstellungs- und Bewerbungsgespräch in meinem Leben auf diesen »merkwürdigen« Schritt angesprochen.

Heute teile ich mein Leben noch immer mit Tieren, genauer gesagt mit einem Tier, meiner Freundin und Gefährtin Lucy, einer Hündin. Meine seit frühster Kindheit bestehenden Träume eines Landlebens, in einem »Mehrgenerationen-Multispezies-Co-Habitat«, in dem ich mehr Zeit barfuß oder mit Gummistiefeln draußen als mit Blazer, gestärkter Bluse und Bundfaltenhose in Büros und an Schreibtischen, in Tagungshäusern, Bibliotheken und Hörsälen verbringe, werden wohl den Status eines Traumes nicht mehr verlassen. Dennoch sind es gerade diese Träume sowie meine täglichen Begegnungen mit unseren tierlichen Verwandten (seien es physische oder literarische Begegnungen), die sowohl meine theologische Aufmerksamkeit für »die Schöpfung« prägen als auch mir die Kraft zum Leben geben. In den tierlichen Begegnungen, im unmittelbaren Kontakt mit »Flora und Fauna«– kurzum: draußen– begegnet mir eine Lebenskraft, die ich nicht anders beschreiben kann als die Stimme und der Körper G*ttes.

Und dann werde ich, werden wir, Zeug*innen dieser Stimme G*ttes und des Körpers G*ttes und zugleich Zeug*innen des Verstummens und Verfalls der Erde, wie sie einst für gut befunden wurde. Ich frage mich, wie eine G*ttheit, die die eine Lebenswelt für alle Geschöpfe erschaffen hat, die das Leben selbst ins Dasein brachte und mit Lebenswillen ausstattete, eine G*ttheit, die die Fülle des Lebens für alle bereitet hat und ihnen ihren Lebensraum zugewiesen hat, wie diese G*ttheit es aushalten kann, dass täglich 150 Arten ausgelöscht, ermordet werden. Dass 4340 Fußballfelder Regenwald pro Tag gefällt werden, die Polarkappen schmelzen und wir in SUVs durch die Megacitys fahren, schlechte Laune und Bad Vibes durch das Buchen einer Kreuzfahrt überwinden, und viele, so viele Mitgeschöpfe töten, weil sie uns schmecken. Einfach so. Weil wir sie lecker finden. Weil wir Lederjacken sexy finden. Weil wir halt gerne in den Urwald reisen und weil Tropenholz irgendwie weltmännisch wirkt. Was muss das für eine G*ttheit sein, die ihren Bund mit uns dennoch hält? Was muss das für ein G*tt sein, der das alles aushält und die Welt nicht aufgibt? Was muss das für eine G*ttheit sein, die uns einst den Garten Eden bereitete und nun schier unendlich große Berge an Müll auf dem gesamten Planeten vorfindet? Was bedeutet es, wenn jener G*tt, der einst alles für gut befunden hatte, in unsere Plastikmeere schaut?

Und G*tt sah, dass es schlecht war.

1.Was in den Schöpfungserzählungen (nicht) steht: Die Bibel als Grundlage

»Theologie« selbst bedeutet »Rede von G*tt«2 oder auch »Lehre von G*tt«. Wer sich also mit Schöpfungstheologie beschäftig, fragt danach, was uns »die Schöpfung« über G*tt sagt, oder auch, was uns G*tt »in der Schöpfung« sagt. Es geht darum zu verstehen, welche Lehre von G*tt sich in der Schöpfung verbirgt und was G*tt uns mit und durch das Geschaffen-Sein lehrt. Schöpfungstheologie selbst geht G*tt in der Schöpfung auf die Spur, erkundet das G*ttliche in den Geschöpfen. »Schöpfung« ist natürlich kein neutraler Begriff, sondern setzt voraus, dass es ein schöpferisches Wesen gibt. Begriffe wie »Natur« sagen noch nichts darüber aus, wem ich diese »Natur« zu verdanken habe, woher sie kommt und ob es in ihr höhere Ziele oder einen tiefen Sinn zu entdecken gibt. Bezeichnet man jene »Natur« (was auch immer damit gemeint sein könnte) jedoch als »Schöpfung«, dann bettet man sie in einen größeren Zusammenhang ein, artikuliert, dass hinter ihr (oder in ihr) ein*e Schöpfer*in steckt. Schöpfungstheologien geht es nicht darum, eine Existenz dieses Schöpfers oder dieser Schöpferin zu »beweisen«– dies wäre ohnehin ein aussichtsloses Unterfangen; vielmehr gehen sie bereits davon aus, dass es eine höhere Kraft gibt, die mit dem, was wir als »Welt« oder »Leben« bezeichnen, in einem Zusammenhang steht. Damit werden ein Sinnzusammenhang und eine tiefere Dimension, auch eine im wahrsten Sinne des Wortes über-irdische Dimension, bereits anerkannt.

Woher speist sich eine Theologie der Schöpfung? Was sind ihre Grundlagen?

Zur Schöpfung gehört zunächst und vor allem »die Schöpfung« selbst, das heißt alles, was geschaffen ist, was da ist, was wir vorfinden oder was wir erahnen, zu dem wir aber unter Umständen, und womöglich zu dessen Glück, noch nicht vorgedrungen sind, das wir uns noch nicht bekannt gemacht haben. Alles, was da ist, was einst existierte oder existieren wird, bezeichnen Theolog*innen als »Schöpfung«. Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass es eine schaffende Kraft gibt, die Ursache dafür ist, dass etwas ins Dasein gelockt wurde und am Dasein erhalten wird. Das heißt nicht unbedingt, dass alles, was existiert, von einem g*ttlichen Wesen genau so gewollt ist, dass das »Wie« des Existierens so von G*tt gewollt ist. Dass etwas ist– für uns gesprochen: dass es uns gibt –, ist von G*tt gewollt. Das heißt aber nicht, dass alles, was wir tun und wie wir leben, von G*tt bestimmt oder so gewollt ist.

Neben der Schöpfung an sich gibt es natürlich noch die Zeugnisse von Theolog*innen, die die Schöpfung interpretieren, deuten und ihr so einen bestimmten Sinn verleihen oder für diesen argumentieren. Diese Interpretationen machen die Schöpfungstheologie ebenfalls aus, genauso wie natürlich– und dies zumindest lange Zeit in erster Linie– die biblischen Texte.

Was uns die Bibel über die Schöpfung erzählt

Am prominentesten sind sicherlich die beiden Schöpfungserzählungen aus dem ersten Buch der Bibel, dem Buch Genesis. »Genesis« bedeutet übersetzt »Geburt«, »Anfang« oder auch »Entstehung«. »Genesis«, so lautet das erste Wort der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des ersten Buches der hebräischen Bibel. Nicht nur das Ins-Dasein-Kommen der Erde und ihrer Bewohner*innen, der Erdlinge, wird hier beschrieben, sondern des gesamten Universums, auch die Sterne am Himmel, die Wasser und Pflanzen finden Erwähnung.

Während die Bibel an zahlreichen Stellen– meist im Alten Testament– auf die Entstehung der Welt eingeht, sind die Schöpfungserzählungen aus dem Buch Genesis zweifelsohne die bekanntesten. Das Geniale an ihnen ist, dass es zwei sind. Denn hier wird bereits deutlich: selbst diejenigen, die den biblischen Kanon zusammengestellt haben, das heißt diejenigen Menschen, die entschieden haben, welche Texte Teil der »Heiligen Schrift« werden und damit eine besondere Autorität und Verbindlichkeit für Jüd*innen und Christ*innen haben, wollten sich nicht auf eine Ursprungserzählung festlegen. Zwei unterschiedliche Geschichten stehen unmittelbar hintereinander, und dies ohne weitere Erklärung. Zwei mögliche Ursprungszenarien werden so gezeichnet, das eine so wahr wie das andere, beide beleuchten die Entstehung der Welt aus unterschiedlichen Perspektiven.

Es sind Erzählungen, keine Berichte. Bei einem Bericht gibt es Zeug*innen, die bestätigen, dass sich etwas genau so ereignet hat– denken Sie zum Beispiel an einen Unfallbericht. Dass es sich bei den Schöpfungserzählungen schon deshalb nicht um einen Bericht handeln kann, wird allein daran klar, dass der Mensch sich selbst jeweils erst spät in den »Plot« des Geschehens setzt. In der ersten (Gen 1,1–2,4a) biblischen Erzählung ist es der Nachmittag des sechsten Tages (Gen 1,26–27) (also kurz vor knapp) von insgesamt sechs symbolischen (!) Schöpfungstagen und in dem zweiten (Gen 2,4b–2,25) Text bringen die Schreibenden sich selbst erst dann in Szene, wenn der Ackerboden bereits gewässert ist (Gen 2,7) beziehungsweise nachdem der erste Mensch, Pflanzen und Tiere schon geschaffen wurden (Gen 2,22). Für beide Erzählungen ist es entscheidend, dass der Mensch selbst als »Spät-Erschaffener« damit aber auch aussagt, dass dieser gar nicht dabei war, als die nichtmenschliche Schöpfung ins Dasein gerufen wurde. Der Mensch findet diese vor, findet (alles) Leben bereits vor.

Insofern wird deutlich, dass es sich nicht um einen »Bericht« handeln kann. Ein Schöpfungsbericht würde Zeug*innen voraussetzen, dass der- oder diejenige, der oder die den Text aufschreibt, dabei war. Solche Zeug*innen gibt es allerdings nicht– mal abgesehen von G*tt selbst. G*tt hat die Heilige Schrift aber nicht geschrieben, sondern höchstens die Schreibenden hierzu inspiriert. Zudem: Würde es sich tatsächlich um Berichte handeln, hätten wir ein Problem: Welcher Bericht ist der richtige? Es kann nicht zwei richtige Tatsachenberichte geben, einer der Schöpfungsberichte müsste also falsch sein, es stünde ein falscher Bericht in der Bibel. Wie gut, dass es sich nicht um Berichte, sondern um Erzählungen handelt, und wie gut, dass der Horizont schon durch die Pluralität der Erzählungen geweitet ist. Statt um Berichte handelt es sich um Ursprungserzählungen. Was ist der Anspruch dieser, was wollen, was können die Erzählungen vom Anfang aller Dinge leisten?

Wer schrieb wann am Buch Genesis mit?

Die alttestamentliche Forschung des 20. Jahrhunderts ging davon aus, dass die zweite Schöpfungserzählung (Gen 2,4b–2,25) die entstehungsgeschichtlich ältere sei.3 Man datierte sie lange Zeit in das Jahr 900 v. Chr. und rechnete sie damit den sogenannten »jahwistischen« Texten zu. Einige Passagen ließen allerdings schon damals auf spätere Einfügungen schließen. Die aktuellen Bibelwissenschaftler*innen datieren den Text deutlich später:4 entweder noch in die vorexilische Zeit (7. Jh. v. Chr.), der sogenannten »Priesterschrift« vorausgehend,5 oder als Fortschreibung der Priesterschrift in die nachexilische Zeit.6

Bei der ersten der beiden Erzählungen handelt es sich um eine Schrift, die wohl in exilischer bis nachexilischer Zeit, das heißt ca. 600 v. Chr. entstanden ist. Die Forschung ordnet sie meist der sogenannten (und nicht unumstrittenen) »Priesterschrift« zu.7 Während das Volk Israel, das Judentum, im Exil ausharrte, entwurzelt war und umgeben von Menschen, die von der Existenz anderer G*ttheiten überzeugt waren, dementsprechend eigene Rituale, Bräuche, Alltagsroutinen und G*ttesdienste feierten und pflegten, war es darauf bedacht, seine eigene religiöse Identität zu stärken, sich selbst zu versichern und immer wieder zu vergewissern, dass ihr monotheistischer Glaube der richtige ist. Die Frage nach den Wurzeln dieses Glaubens liegt da auf der Hand.

Wir können davon ausgehen, dass schon weit vor der griechischen Antike, genau genommen seit es Menschen gibt, diese auf der Suche nach ihrem Ursprung und nach dem Ursprung der Welt sind, sich fragen, woher sie kommen, wozu sie da sind und wohin sie gehen (sollen). So kommt es, dass die biblischen Schöpfungserzählungen keinesfalls die ersten oder gar einzigen sind, die beschreiben, wie sich Menschen den einstigen Ursprung allen Seins vorgestellt haben. Etliche Motive bereits vorliegender Schöpfungsmythen, wie aus dem altorientalischen »Gilgamesch Epos« bekannt, wurden in den Erzählungen der Bibel aufgegriffen. Darunter sind beliebte Motive wie jene eines königlich-herrschaftlichen Gartens, des Lebensbaums, die Vorstellung der Flüsse, Bäume und Früchte, aber auch die Entstehung des Menschen. Während die Motive der biblischen Texte so originell also gar nicht sind, ist es der darin zum Ausdruck gebrachte Glaube an einen G*tt als Schaffenskraft aller Existenzen durchaus. Nichtjüdische Schöpfungserzählungen kennen die Vorstellung konkurrierender G*ttheiten oder gar mehrerer, an der Entstehung der Dinge beteiligter G*tter (gute wie schlechte). Das identitätsstiftende Merkmal der jüdischen Schöpfungserzählung liegt in der Überzeugung, dass es nur eine G*ttheit gibt und diese für die Entstehung des Lebens ursprünglich und– so zumindest die Überzeugung vieler– auch fortwährend verantwortlich ist.

Mit Blick auf die ersten beiden biblischen Schöpfungserzählungen können wir also festhalten, dass wir uns ungefähr im Jahr 900 bis 600 v. Chr. befinden. Über die Autoren möchte ich an dieser Stelle nur so viel sagen: es handelt sich um unterschiedliche Schreibende, um ein Autorenkollektiv, vermutlich waren es– aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Umstände– männliche Schreibende. Die Schöpfungserzählungen im Buch Genesis sind also eine Komposition unterschiedlicher Textstücke, die über hunderte von Jahren verfasst wurden.

Den Anfang der Dinge erklären

Heute nehmen wir an, dass das Leben in einem Milieu, wie es vor etwa vier Milliarden Jahren auf der Erde herrschte, entstanden ist. Erste primitive Wirbeltiere gab es vermutlich seit circa 540Millionen Jahren, den ersten Homo sapiens vor circa 300 000 bis 200 000 Jahren.8 Angesichts dieser Zeitspanne ist der Mensch ein junges Gewächs. Würde man die Entstehung der Welt anhand eines Tages abbilden, so würde der Mensch erst zwei Minuten vor Mitternacht auftauchen.9 Im ersten Jahrtausend v. Chr. überlegten sich also g*ttlich inspirierte Menschen, wie es wohl einst dazu kam, dass die Welt entstanden ist. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass das, was diese Autoren kennen, ihr Umfeld und ihre Lebenswirklichkeit im Jahre 900–600 v. Chr. im vorderasiatischen Raum ist: Gesellschaftlich, kulturell, sozial und politisch bedeutet dies eine durch und durch patriarchale Gesellschaft, deren Vorstand ein König bildet, ein in der Regel männlicher Alleinherrscher; vegetativ bedeutet dies eine Wüstenregion, die sowohl Dürreperioden als auch fruchtbare Oasen kennt. Allerdings hatten nur Könige zur damaligen Zeit einen Garten; sie waren es, die sich finanziell und infrastrukturell ein Bewässerungssystem leisten konnten, einen Garten also zum Lustwandeln und zur Inspiration. Die den Autoren bekannte ökologische Vielfalt, die Pflanzen und die Tiere sind sicher nicht mit dem zu vergleichen, was wir heute– mitunter aufgrund von Fernreisen, Dokumentationsbänden oder -filmen– kennen. Man nennt dieses Ansinnen, zu einer späteren Zeit einen Ursprungszustand zu imaginieren und von diesem her einen Erklärungsansatz dafür zu liefern, weshalb die Dinge so sind, wie sie sind, »ätiologisches Erklärmuster«. »Ätios«, ist das griechische Wort für »Ursprung«. Hier soll also der Ursprung erklärt werden, eine Mustererzählung entwickelt werden, nicht, um einen Tatsachenbericht abzulegen, so, als wäre man selbst dabei gewesen, sondern um eine Interpretation der aktuellen Zustände zu liefern, die das Leben erklären könnte. Eine Erzählung vom Anfang also.

Wie aus Chaos Kosmos wurde

Besonders spannend sind dabei folgende Aspekte: Zum einen die Tatsache, dass der Anfang selbst im Chaos besteht. Am Anfang, so sind sich beide Schöpfungserzählungen einig, war Chaos. Tohuwabohu, Urflut, Urschleim, Wasser, ein Wirrwarr, ein Durcheinander von… wovon eigentlich? Vielleicht könnte man sagen »von Energien«– einige davon Materie. Es gab also am Anfang etwas und über diesem schwebte G*ttes Geist (Gen 1,2). G*ttes Geist, G*