Unser Teil der Nacht - Mariana Enriquez - E-Book
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Unser Teil der Nacht E-Book

Mariana Enríquez

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Beschreibung

»Eine begnadete Schriftstellerin. Eindrücklich, dunkel und poetisch.« Patti Smith Dunkelheit und Licht, Grausamkeit und Liebe. Eine große Familiensaga in einem von Extremen geprägten Land. Mariana Enriquez führt uns durch die verschlungene Geschichte Argentiniens, hin zu den Abgründen der Macht. Eine einzigartige Vater-Sohn-Geschichte, in der doch die Frauen alle Fäden in der Hand halten. Ein Vater und sein Sohn fahren quer durch Argentinien, als wären sie auf der Flucht. Wohin wollen sie? Vor wem fliehen sie? Es sind die Jahre der Militärjunta: Menschen verschwinden spurlos, überall lauert Gefahr. Juan versucht, seinen Sohn Gaspar vor dem Schicksal zu schützen, das ihm zugedacht ist, seit seine Mutter unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Bei einem Unfall, der vielleicht keiner war. Wie sein Vater soll Gaspar einem Geheimbund, genannt der Orden, als Medium dienen, der mit grausamen Ritualen dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur kommen will. Doch der Preis ist hoch und der körperliche und geistige Verfall schnell und unerbittlich, wie Juan weiß. Unser Teil der Nacht ist eine Reise durch 40 Jahre argentinische Geschichte, auf den Spuren der Verführungen und Verbrechen der Macht. Eine große Geschichte, die Enriquez so poetisch, lakonisch und episch erzählt, dass sie noch lange nachhallt. »Mariana Enriquez erzählt mit der Wucht eines Güterzugs.« Dave Eggers

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Seitenzahl: 1148

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Mariana Enriquez

Unser Teil der Nacht

Aus dem argentinischen Spanisch von Silke Kleemann und Inka Marter

Tropen

Impressum

Im Rahmen des Förderprogramms »Sur« für Übersetzungen des Ministeriums für Auslandsbeziehungen, Außenhandel und Kultus der Republik Argentinien verlegtes Werk.

Obra editada en el marco del Programa Sur de Apoyo a las Traducciones del Ministerio de Relaciones Exteriores, Comercio Internacional y Culto de la República Argentina.

Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amts unterstützt durch Litprom e. V. – Literaturen der Welt.

Die Arbeit der Übersetzerinnen am vorliegenden Text wurde mit einem Stipendium vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Tropen

www.tropen.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Nuestra parte de noche« im Verlag Editorial Anagrama, Barcelona

© 2019 by Mariana Enriquez

Published by agreement with Casanovas & Lynch Literary Agency S. L.

Für die deutsche Ausgabe

© 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: Zero-Media.net, München

unter Verwendung einer Abbildung von © Heritage Images/Fine Art Images/akg-images (Alexandre Cabanel, Fallen Angel, 1847)

Übersetzungslektorat: Johanna Schwering

Gesetzt von C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen

Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-608-50161-2

E-Book ISBN 978-3-608-11865-0

Who is the third who walks always beside you?

T.S.Eliot, The Waste Land

Die Klauen des lebendigen Gottes

Januar 1981

Ich glaube, wir verspielen die Unsterblichkeit, weil die Resistenz gegen den Tod sich nicht entwickelt hat; Ansätze zur Vervollkommnung beschränken sich auf die erste, rudimentäre Idee: den ganzen Körper am Leben zu halten. Dabei müsste man nur die Bewahrung dessen anstreben, was für das Bewusstsein von Interesse ist.

Adolfo Bioy Casares, Morels Erfindung

I cried, »Come out of the shadow, king of the nails of gold!«

W.B.Yeats, The Wanderings of Oisin

So viel Licht an diesem Morgen und ein klarer Himmel, nur vereinzelte weiße Flecken auf dem freundlichen Blau, und die ähnelten eher Rauchspuren als Wolken. Es war schon spät und er musste losfahren und dieser heiße Tag würde genauso sein wie der nächste: Wenn es regnete und die Feuchtigkeit vom Fluss und die drückende Schwüle über Buenos Aires kämen, würde er es nie schaffen, die Stadt zu verlassen.

Juan schluckte ohne Wasser eine Tablette, um den Kopfschmerz abzuwehren, den er noch nicht spürte, und ging ins Haus, um seinen Sohn zu wecken, der nur mit einem Laken zugedeckt schlief. Wir fahren, sagte er und schüttelte ihn ganz leicht. Der Junge wachte sofort auf. Ob andere Kinder auch so leicht schliefen, so wachsam? Wasch dir das Gesicht, sagte er und strich ihm behutsam den Schlaf aus den Augen. Es war keine Zeit zum Frühstücken, das konnten sie unterwegs tun. Er nahm die Taschen, die er schon vorbereitet hatte, und schwankte kurz zwischen mehreren Büchern, bis er sich entschloss, noch zwei weitere einzupacken. Er sah die Flugtickets auf dem Tisch, noch hatte er diese Möglichkeit. Er konnte sich hinlegen und auf den Flug in ein paar Tagen warten. Um der Trägheit nicht nachzugeben, zerriss er die Tickets und warf sie in den Müll. Unter dem langen Haar schwitzte er im Nacken: In der Sonne würde es unerträglich werden. Er hatte keine Zeit, das Haar zu schneiden, suchte aber dennoch in den Küchenschubladen nach der Schere. Als er sie fand, legte er sie in dieselbe Plastikdose, in der er die Tabletten, das Blutdruckmessgerät, die Spritze und ein paar Verbände aufbewahrte, seine Erste-Hilfe-Grundausstattung für die Reise. Auch sein schärfstes Messer und den Beutel mit der Asche, die er endlich benutzen würde. Er füllte die Sauerstoffflasche, er würde sie brauchen. Im Auto war es kühl, das Kunstleder hatte über Nacht nicht allzu viel Hitze gespeichert. Er hob die Picknick-Kühlbox mit Eis und zwei Flaschen Mineralwasser auf den Vordersitz. Sein Sohn musste hinten sitzen, obwohl er ihn lieber neben sich gehabt hätte; aber das war verboten und er durfte keinen Ärger mit der Polizei oder dem Militär bekommen, die die Landstraßen brutal überwachten. Ein Mann allein mit einem Jungen konnte verdächtig wirken. Die Staatsgewalt war unberechenbar und Juan wollte Zwischenfälle vermeiden.

Gaspar, rief er, ohne die Stimme zu sehr zu heben. Da er keine Antwort bekam, ging er ins Haus, um nach ihm zu sehen. Der Junge versuchte sich die Schnürsenkel seiner Turnschuhe zu binden.

»Was ist das denn für ein Chaos«, sagte Juan und bückte sich, um ihm zu helfen. Sein Sohn weinte, aber er konnte ihn nicht trösten. Gaspar vermisste seine Mutter, sie hatte diese Dinge ohne nachzudenken gemacht: ihm die Nägel schneiden, Knöpfe annähen, ihn hinter den Ohren und zwischen den Zehen waschen, ihn vor dem Rausgehen fragen, ob er Pipi gemacht hatte, ihm zeigen, wie man die Schnürsenkel zu einer perfekten Schleife band. Juan vermisste sie auch, wollte an diesem Morgen aber nicht mit seinem Sohn weinen. Hast du alles, was du mitnehmen willst, fragte er ihn. Wir kommen nicht zurück, um irgendwas zu holen, nur damit du Bescheid weißt.

Seit Langem war er nicht mehr so viele Kilometer gefahren. Rosario hatte immer darauf bestanden, dass er wenigstens einmal pro Woche fuhr, um nicht aus der Übung zu kommen. Juan war das Auto zu klein, wie ihm fast alles zu klein war: die Hosen zu kurz, die Hemden zu eng, die Stühle unbequem. Er sah nach, ob der Straßenatlas vom Automobilclub im Handschuhfach lag, und fuhr los.

»Ich habe Hunger«, sagte Gaspar.

»Ich auch, aber wir halten fürs Frühstück an einem ganz tollen Ort. In einer Weile, in Ordnung?«

»Wenn ich nicht esse, muss ich kotzen.«

»Und ich kriege Kopfschmerzen, wenn ich nicht esse. Halt durch. Nur eine Weile. Sieh nicht aus dem Fenster, sonst wird dir wirklich übel.«

Er selbst fühlte sich schlechter, als er zugeben wollte. Seine Finger kribbelten und er erkannte die sprunghaften Herzschläge der Arrhythmie in der Brust. Er setzte sich die Sonnenbrille auf und bat Gaspar, ihm das Märchen zu erzählen, das er am Abend zuvor gelesen hatte. Mit seinen sechs Jahren konnte Gaspar schon sehr gut lesen.

»Weiß nicht mehr.«

»Tust du wohl. Ich habe auch schlechte Laune. Versuchen wir, das zusammen zu ändern, oder haben wir die ganze Reise über Scheißlaune?«

Gaspar lachte, weil er »Scheiß« gesagt hatte. Dann erzählte er ihm von einer Waldkönigin, die singend zwischen den Bäumen spazieren ging, und alle hörten ihr gern zu. Eines Tages kamen Soldaten und sie hörte auf zu singen und wurde Kriegerin. Sie wurde geschnappt und verbrachte die Nacht im Gefängnis und floh, und um zu fliehen, musste sie den Wächter töten, der sie bewachte. Da niemand glauben wollte, dass sie stark genug war, um ihn zu töten, weil sie nämlich sehr dünn war, wurde sie als Hexe beschuldigt und verbrannt, gefesselt an einen Baum, der angezündet wurde. Aber am Morgen fanden sie statt der Leiche eine rote Blüte.

»Einen Baum mit roten Blüten.«

»Ja, einen Baum.«

»Hat dir die Geschichte gefallen?«

»Weiß nicht, sie hat mir Angst gemacht.«

»Der Baum heißt Ceibo oder auch Korallenbaum. Hier gibt es nicht so viele, aber wenn ich einen sehe, zeige ich ihn dir. Nicht weit vom Haus deiner Großeltern gibt es ganz viele davon.«

Im Rückspiegel sah er Gaspar die Stirn runzeln.

»Wie, es gibt viele davon?«

»Das ist eine Legende, ich habe dir schon erklärt, was eine Legende ist.«

»Dann gibt es das Mädchen gar nicht?«

»Sie heißt Anahí. Vielleicht gab es sie, aber die Geschichte mit den Blüten wird erzählt, um an sie zu erinnern, nicht, weil das wirklich so passiert ist.«

»Ist es jetzt wirklich passiert oder nicht?«

»Beides. Ja und nein.«

Er sah gern, wie Gaspar ernst wurde und sogar wütend, wie er sich auf die Lippen biss und eine Faust öffnete und schloss.

»Werden Hexen immer noch verbrannt?«

»Nein, heute nicht mehr. Aber es gibt auch nicht mehr viele Hexen.«

An einem Sonntagmorgen im Januar war es leicht, aus der Stadt rauszukommen. Schneller, als er erwartet hatte, blieben die Hochhäuser zurück. Dann auch die niedrigen Häuser und die aus Blech in den Armenvierteln der Randgebiete. Und plötzlich tauchten die Bäume und Felder auf. Gaspar schlief schon und Juans Arm wurde von der Sonne verbrannt wie bei einem normalen Vater an einem Wochenende mit Sport und Ausflug. Aber er war kein normaler Vater, die Leute merkten das manchmal, wenn sie ihm in die Augen sahen, wenn sie eine Weile mit ihm sprachen, irgendwie erkannten sie die Gefahr: Er konnte nicht verbergen, was er war, so etwas konnte man nicht verstecken, nicht allzu lange.

Er parkte vor einer Bar, die heiße Schokolade und Hörnchen anpries. Es gibt Frühstück, sagte er zu Gaspar, der sofort aufwachte und sich die riesigen blauen, ein wenig abwesenden Augen rieb.

Die Frau, die die Tische sauber machte, machte den Eindruck, als wäre sie die Besitzerin und noch dazu umgänglich und geschwätzig. Sie sah sie neugierig an, als sie sich weit weg vom Fenster in die Nähe des Kühlschranks setzten. Ein Junge mit einem Spielzeugauto in der Hand und sein zwei Meter großer Vater, dem das blonde Haar bis auf die Schultern reichte. Sie wischte ihren Tisch ab und nahm die Bestellung auf einem Notizblock auf, als wäre der Laden voll. Gaspar wollte eine heiße Schokolade und süßes Gebäck mit Dulce de Leche; Juan bestellte ein Glas Wasser und ein Käse-Sandwich. Er nahm die Sonnenbrille ab und schlug die auf dem Tisch liegende Zeitung auf, obwohl er wusste, dass die wichtigen Nachrichten nicht in die Presse kamen. Da stand nichts über die Geheimgefängnisse, und auch nichts über die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Nacht, die Entführungen oder die geraubten Kinder. Nur Berichte über die Mini-WM in Uruguay, die ihn nicht interessierte. Normalität vorzutäuschen war manchmal schwierig, wenn er zerstreut war, wenn er so unheilbar traurig und besorgt war. In der vergangenen Nacht hatte er wieder versucht, Verbindung mit Rosario aufzunehmen. Er schaffte es nicht. Sie war nirgendwo, ihm gelang es nicht, sie zu spüren, sie war auf eine Art gegangen, die er einfach nicht begreifen oder akzeptieren konnte.

»Mir ist heiß«, sagte Gaspar.

Der Junge schwitzte, sein Haar war feucht, die Wangen gerötet. Juan berührte ihn am Rücken. Sein T-Shirt war völlig durchnässt.

»Warte hier auf mich«, sagte er und ging ein trockenes T-Shirt aus dem Auto holen. Dann nahm er ihn mit auf die Toilette, um ihm den Kopf nass zu machen, den Schweiß abzutrocknen und ihm das T-Shirt überzuziehen, das ein wenig nach Benzin roch.

Als sie an den Tisch zurückkamen, warteten das Frühstück und die Frau auf sie; Juan bat um ein weiteres Glas Wasser für Gaspar.

»Es gibt hier einen hübschen Rastplatz, falls Sie sich im Fluss ein bisschen abkühlen wollen.«

»Danke, wir haben keine Zeit«, sagte Juan und versuchte, freundlich zu klingen. Er knöpfte sich das Hemd ein Stück weiter auf.

»Sind Sie ganz allein unterwegs? Was für große Augen der Junge hat! Wie heißt du?«

Juan hatte Lust zu sagen, antworte nicht, Sohn, essen wir, während ich sie für immer verstummen lasse, aber Gaspar sagte seinen Namen und die Frau, derart ermuntert, fragte mit scheinheiliger, mädchenhafter Stimme: »Und deine Mami?«

Juan spürte den Schmerz des Jungen im ganzen Körper. Er war primitiv und ohne Worte; roh und schwindelerregend. Juan musste sich am Tisch festhalten und sich richtig anstrengen, um sich von seinem Sohn und diesem Schmerz zu lösen. Gaspar konnte nicht antworten und sah ihn hilfesuchend an. Er hatte erst ein halbes Gebäckstück gegessen. Er musste ihm beibringen, sich nicht so anzuklammern, weder an ihn noch an sonst wen.

»Señora«, Juan versuchte, sich zu kontrollieren, es klang jedoch drohend, »das geht Sie einen Scheißdreck an.«

»Ich wollte doch nur ein wenig plaudern«, gab sie gekränkt zurück.

»Na, großartig. Sie ärgern sich, weil Sie Ihr idiotisches Geplauder nicht bekommen, und wir leiden unter der Taktlosigkeit einer dummen, alten Tratschtante. Wollen Sie es wissen? Meine Frau ist vor drei Monaten gestorben, sie wurde von einem Bus überfahren, der sie zwei Häuserblocks weit mitgeschleift hat.«

»Das tut mir sehr leid.«

»Nein. Das tut es nicht, weil Sie sie nicht gekannt haben und auch uns nicht kennen.«

Die Frau wollte noch etwas sagen, ging aber beinahe schluchzend weg. Gaspar sah ihr nach, aber seine Augen waren trocken. Er war ein wenig verängstigt.

»Alles in Ordnung. Iss auf.«

Juan biss in sein Käse-Sandwich; er hatte keinen Hunger, aber er konnte die Medikamente nicht auf leeren Magen nehmen. Die Frau kam mit entschuldigender Miene und vorgebeugten Schultern zurück. Sie brachte zwei Gläser Orangensaft. Aufs Haus, sagte sie, und ich bitte um Entschuldigung. Mit einer solchen Tragödie habe ich nicht gerechnet. Gaspar spielte mit seinem roten Spielzeugauto, ein neues Modell, bei dem man die Türen und den Kofferraum aufmachen konnte, ein Geschenk von seinem Onkel Luis aus Brasilien. Juan zwang Gaspar, seine heiße Schokolade auszutrinken, und stand auf, um an der Theke zu zahlen. Die Frau bat wieder um Entschuldigung und Juan hatte genug. Als sie die Hand ausstreckte, um das Geld entgegenzunehmen, fasste er sie am Handgelenk. Er überlegte, ihr ein Symbol zu schicken, das sie verrückt machen würde, das ihr die Idee in den Kopf setzen würde, ihrem Enkel die Haut von den Füßen abzuziehen oder Eintopf aus ihrem Hund zu machen. Aber er hielt sich zurück. Er wollte sich nicht verausgaben. Diese Reise mit seinem Sohn geheim zu halten war schon anstrengend genug und würde Konsequenzen haben. Also ließ er die Frau in Frieden.

Gaspar wartete an der Tür auf ihn, er hatte sich seine Sonnenbrille aufgesetzt. Als Juan versuchte, sie ihm abzunehmen, rannte der Junge lachend los. Juan holte ihn kurz vor dem Auto ein und hob ihn hoch: Gaspar war leicht und hochgewachsen, aber er würde wahrscheinlich nicht so groß werden wie er selbst. Er beschloss, dass sie kurz vor Entre Ríos einen Ort zum Mittagessen suchen würden.

Der Tag war anstrengend gewesen, obwohl die Reise vollkommen normal verlaufen war: wenig Verkehr, ein köstliches Mittagessen in einem Grill-Restaurant an der Landstraße und die Siesta im Schatten der Bäume, am von der Brise vom Fluss kühlen Ufer. Der Besitzer des Grills hatte ihnen auch ein Gespräch aufgedrängt, aber da er nicht nach seiner Frau gefragt hatte, beschloss Juan, sich mit ihm zu unterhalten, während er ein Glas Wein trank. Nach der Mittagspause und auf der gesamten Fahrt bis Esquina hatte er sich unwohl gefühlt: Die Hitze war ungeheuerlich. Aber jetzt, als er nach einem Zimmer fragte und dem Angestellten klarzumachen versuchte, dass er ein Doppelbett für sich und dazu ein Einzelbett für seinen Sohn brauchte und dass es auf den Preis nicht ankam, merkte er, dass er außerdem auch Hilfe brauchte. Er zahlte im Voraus und fand sich damit ab, dass jemand anderes für ihn die Taschen die Treppe hinauftrug. Im Zimmer schaltete er zum Zeitvertreib für Gaspar den Fernseher ein und legte sich aufs Bett. Er konnte die Zeichen seines Körpers gut einschätzen: Die Arrhythmie war außer Kontrolle, er hörte das Pfeifen, dieses Geräusch der Anstrengung, spürte den Schwindel der verwirrten Herzklappen, ihm schmerzte die Brust, das Atmen fiel ihm schwer.

»Gaspar, gib mir die Tasche«, bat er.

Er holte das Blutdruckmessgerät heraus und stellte fest, dass sein Blutdruck niedrig war, was gut war. Er legte sich schräg hin, die einzige Art, wie seine Füße auf der Matratze zu liegen kamen, und bevor er die Tabletten nahm und versuchte, sich auszuruhen, möglichst zu schlafen, riss er ein Blatt von dem Notizblock, den das Hotel für die Gäste auf den Nachttisch legte, und schrieb mit dem Kugelschreiber (darauf stand »Hotel Panambí – Esquina«) eine Nummer auf.

»Hör gut zu, mein Junge. Falls ich nicht aufwache, möchte ich, dass du diese Nummer anrufst.«

Gaspar riss die Augen auf und fing an, das Gesicht zu verziehen.

»Nicht weinen. Es ist nur, falls ich nicht aufwache, aber ich werde aufwachen, in Ordnung?«

Er spürte, wie sein Herz einen Sprung machte, als hätte er mit einem Schalthebel das Tempo erhöht. Würde er schlafen können? Er legte die Finger an den Hals. Hundertsiebzig, vielleicht noch mehr. Noch nie hatte er so große Lust gehabt zu sterben wie jetzt, in diesem Zimmer in einem Provinzhotel, und noch nie hatte er so große Angst gehabt, seinen Sohn allein zu lassen.

»Es ist die Telefonnummer von deinem Onkel Luis. Du musst die 9 wählen, dann kommt ein Ton, und erst dann wählst du die Nummer von deinem Onkel. Falls ich nicht aufwache, schüttel mich. Und falls ich nicht aufwache, wenn du mich schüttelst, rufst du ihn an. Ihn zuerst, dann den Herrn unten am Empfang, verstehst du?«

Gaspar bejahte, und die Nummer fest mit der Faust umschlossen legte er sich neben ihn, nah, aber weit genug weg, um ihn nicht zu stören.

Juan wachte verschwitzt und traumlos auf. Es war Nacht, und im Zimmer war nur wenig Licht: Gaspar hatte die Nachttischlampe angeknipst und las. Juan betrachtete ihn, noch ohne sich zu bewegen: Der Junge hatte sein Buch aus der Tasche geholt und wartete, der Zettel mit der Telefonnummer lag neben ihm auf dem Kopfkissen. Gaspar, sagte er, und der Junge reagierte feinfühlig, legte das Buch weg, kam zu ihm gekrabbelt, fragte ihn, ob es ihm gut gehe; wie ein Erwachsener, wie es ihn so viele Male die vielen Erwachsenen gefragt hatten, die sich um ihn gekümmert hatten. Juan setzte sich auf und wartete einen Moment, bevor er antwortete. Das Herz war zu einem normalen Rhythmus zurückgekehrt, oder zu dem, was für ihn relativ normal war. Sein Atem war nicht unruhig, ihm war nicht schwindlig. Es geht mir gut, ja, sagte er und setzte Gaspar auf seine Beine, umarmte ihn, streichelte ihm das dunkle Haar.

»Wie spät ist es?«

Gaspar zeigte mit dem Finger auf die Uhr.

»Du kannst die Uhr schon lesen, sag du es mir.«

»Halb eins.«

In diesem Städtchen würden sie so spät nirgends mehr Abendessen bekommen. Natürlich konnte er bis ins Zentrum laufen, in irgendeinen Laden oder ein geschlossenes Restaurant eindringen und sich holen, was er wollte, eine Tür zu öffnen war sehr einfach. Aber wenn jemand sie sah, müsste er sich mit diesem Zeugen herumschlagen. Und jede kleine derartige Tat häufte sich auf die nächste, bis eine lange und erschöpfende Kette von Spuren entstand, die beseitigt werden mussten, Augen, die zu schließen, und Erinnerungen, die zu löschen waren. Das hatten sie ihm vor Jahren beigebracht: Besser versuchte er, so normal wie möglich zu leben. Er konnte Dinge tun, die den meisten Menschen unmöglich waren. Doch jede Errungenschaft, jede Willensausübung, um das Erwünschte zu erlangen, hatte einen Preis. Unwichtige Fragen waren es nicht wert, den zu zahlen. Er musste den Nachtportier des Hotels überzeugen, ihm etwas zu essen zu machen. Er empfand keinen Hunger; Gaspar sicher auch nicht. Aber der Junge hatte kein Abendessen gehabt, und er hatte vergessen, das Wasser aus dem Auto mitzunehmen, er musste sich wie ein Vater verhalten.

Bevor er das Zimmer verließ, musste er jedoch duschen, er stank. Und sich vielleicht ein wenig die Haare schneiden. Gaspar brauchte auch eine Dusche, nicht ganz so dringend. Er stand auf, Gaspar noch auf dem Arm, und trug ihn bis ins Bad. Er drehte das warme Wasser auf und wartete eine Weile, bis sich sein Verdacht bestätigte.

»Kalt dusche ich nicht«, sagte Gaspar.

»Komm schon, es ist heiß. Na gut, dann wasche ich dich gleich mit einem Handtuch.«

Juan stieg in die Dusche und hörte Gaspar reden, er saß auf dem WC-Deckel, erzählte ihm, was er gelesen hatte und was er aus dem Hotelfenster gesehen hatte, aber Juan hörte nicht richtig zu. Die Dusche war zu niedrig und er musste sich bücken, um sich die Haare waschen zu können, aber zumindest gab es Seife und Shampoo. Mit einem Handtuch um die Hüften stellte er sich vor den Spiegel: Das nasse Haar reichte ihm bis über die Schultern und er hatte dick geschwollene Ringe unter den Augen.

»Bring mir die Schere, sie ist in der kleinen Tasche.«

»Darf ich dir die Haare schneiden? Ein bisschen.«

»Nein.«

Juan betrachtete sein Spiegelbild, die breiten Schultern, die dunkle Narbe, die seine Brust durchschnitt, die Verbrennung am Arm. Rosario hatte ihm immer die Haare geschnitten. Mehrmals hatte sie ihn auch rasiert. Er erinnerte sich an ihre großen Ohrringe, die sie nie ablegte, manchmal selbst zum Schlafen nicht. Er erinnerte sich, wie sie einmal geweint hatte, nackt auf dem Badezimmerboden zusammengekauert, weil sie während der Schwangerschaft zugenommen hatte. Wie sie die Arme verschränkt hatte, wenn sie etwas hörte, was sie dumm fand. Er sah sie vor sich, wie sie ihn auf der Straße wütend anbrüllte; wie stark sie war, wenn sie bei einem Streit mit den Fäusten auf ihn einhämmerte. Wie viele Dinge konnte er nicht allein, wie viele hatte er vergessen, wie viele konnte nur sie? Er benutzte den Kamm, um das Haar zu glätten, und schnitt so ordentlich, wie er konnte. Vorn ließ er eine Strähne länger und föhnte sich dann, um herauszufinden, ob er eine Katastrophe angerichtet hatte. Das Ergebnis schien ihm akzeptabel. Er hatte etwas Bart, aber das sah man nur, weil er so blass war. Er warf das abgeschnittene Haar, das er auf ein Taschentuch hatte fallen lassen, in die Kloschüssel.

»Komm, wir schauen mal, ob wir etwas zu essen bekommen.«

Der Hotelflur war sehr dunkel und roch feucht. Das Zimmer, das man ihnen gegeben hatte, lag genau an der Ecke, neben der Treppe. Juan ließ Gaspar zuerst hinausgehen, und statt direkt runterzugehen, rannte der Junge durch den Flur. Zuerst glaubte Juan, er ginge zum Aufzug. Doch gleich darauf wurde ihm klar, dass Gaspar dasselbe wahrnahm wie er, wenngleich mit einem himmelweiten Unterschied: Statt die Präsenz zu meiden – Juan war derart an solche Erscheinungen gewöhnt, dass er sie ignorierte –, lief er auf sie zu, wurde von ihr angezogen. Was sich da am Ende des Flurs versteckte, war verängstigt und nicht gefährlich, aber es war alt und, wie alles sehr Alte, gierig und unglücklich und neidisch.

Zum ersten Mal hatte sein Sohn eine derartige Wahrnehmung, zumindest in seiner Gegenwart. Er hatte auf diesen Moment gewartet, Rosario hatte beharrlich gemeint, dass es bald so weit wäre, und normalerweise lag sie richtig, aber festzustellen, dass Gaspar diese Fähigkeit tatsächlich geerbt hatte, traf ihn, es schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte sich keine großen Hoffnungen bezüglich der Normalität seines Sohnes gemacht, aber in diesem Flur verflüchtigten sie sich vollends und Juan spürte die Mutlosigkeit wie eine Kette um den Hals. Die vererbte Strafe. Er versuchte, Ruhe vorzutäuschen.

»Gaspar«, sagte er, ohne die Stimme zu heben. »Hier geht’s lang. Über die Treppe.«

Der Junge drehte sich im Flur um und sah ihn mit einem verwirrten Ausdruck an, als erwachte er nach einem tagelangen Traum in einem fremden Zimmer. Der Blick dauerte nur eine Sekunde, doch Juan erkannte ihn. Er musste ihm beibringen, wie man sich vor dieser schwebenden Welt verschloss, vor diesen klebrigen Gruben, wie man sie vermied. Und er musste bald damit beginnen, denn er erinnerte sich an die Angst seiner eigenen Kindheit und es gab keinen Grund, warum Gaspar dasselbe durchleben sollte.

Mein Sohn wird blind zur Welt kommen, wiederholte die Präsenz am Ende des Gangs, die keine Haare hatte und ein blaues Kleid trug. Gaspar konnte sie nicht hören, obwohl er sie vielleicht gesehen hatte. Von ihr hatte er vorhin im Badezimmer erzählt: eine Frau, die auf dem Platz vor dem Hotel saß und mit offenem Mund zu ihrem Fenster hochsah. Juan hatte nicht besonders darauf geachtet, weil Gaspar es nicht ängstlich erzählt hatte, und das war gut. Der Junge hatte intuitiv recht: Es gab nichts zu fürchten, diese Frau war nichts weiter als ein Echo. Es gab jetzt viele Echos. Die gab es immer, wenn ein Blutbad verübt wurde; der Effekt war derselbe wie bei Rufen in einer Höhle, sie hallten nach, bis die Zeit ihnen ein Ende setzte. Bis zu diesem Ende würde es noch lange dauern und die unruhigen Toten bewegten sich schnell, sie wollten gesehen werden. The dead travel fast, dachte Juan.

Sie gingen leise die Treppe hinunter, um die anderen Gäste nicht zu wecken. Eine Frau, sicher eine der Inhaberinnen des Hotels, blätterte an der Rezeption in einer Zeitschrift. Sie hob den Kopf, als sie sie hereinkommen sah, und stand auf; mit einer einzigen schnellen Bewegung strich sie sich die Bluse und das dunkle, etwas zerzauste Haar zurecht.

»Guten Abend«, sagte sie. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

Juan trat an die Theke und legte eine Hand auf das Telefonbuch, das aufgeschlagen neben der Lampe lag.

»Guten Abend, Señora. Hat irgendwo vielleicht noch ein Restaurant offen?«

Die Frau neigte den Kopf.

»Vielleicht können Sie im Anglerclub noch etwas bekommen, aber lassen Sie mich anrufen und nachfragen, es ist ein ganzes Stück weit weg.«

Ein ganzes Stück, dachte Juan, unmöglich, in diesem Städtchen kann nichts sonderlich weit weg sein. Die bis zur Hälfte mit Holz verkleideten Wände der Rezeption, der braune Linoleumboden, die an einem Brett hängenden Schlüssel. Gaspar war zu einem kleinen Aquarium gelaufen und begleitete mit dem Finger den Schwimmweg eines Fischleins. Es geht keiner dran, sagte die Frau, nachdem sie eine Weile gewartet hatte. Gut, dann gehen wir ohne Essen ins Bett. Juan lächelte und merkte, dass die Frau – die jung war, noch keine vierzig, im traurigen Licht des stillen Hotels aber älter aussah – ihn genau und unverhohlen betrachtete. Ich bin eingeschlafen, sagte Juan. Die Fahrt von Buenos Aires ist lang und ich war nicht richtig ausgeruht.

Draußen herrschte vollkommene Stille. Er sah die Blaulichter eines Streifenwagens vorbeifahren, hörte jedoch kaum den Motor. Selbst in diesem Städtchen wurde nachts patrouilliert?

»Entschuldigen Sie die Taktlosigkeit«, sagte die Frau und kam um den Empfangstresen herum. Sie fächelte sich Luft zu, obwohl der Ventilator lief. »Sind Sie in Zimmer 201? Mein Mitarbeiter hat mir heute gesagt, dass er den Eindruck hatte, der Herr aus Zimmer 201 fühle sich nicht gut. Wir haben uns Sorgen gemacht, aber da wir nichts gehört haben und Sie nicht angerufen haben, wollten wir Sie nicht stören.«

»Und woher wissen Sie, dass ich der aus Zimmer 201 bin?«

Die Frau gab halb schüchtern, halb kokettierend zurück: »Mein Mitarbeiter hat gesagt, es ist ein sehr großer blonder Herr mit einem kleinen Sohn.«

»Danke der Nachfrage, Señora. Inzwischen fühle ich mich besser, ich musste mich ausruhen. Ich hatte vor sechs Monaten eine Operation, manchmal glaube ich, dass ich schon wieder ganz fit bin, und übernehme mich.«

Und absichtlich, theatralisch, legte Juan seine eine Hand gerade so auf das dunkle Hemd, das er bis zur Brust offen trug, damit die riesige Narbe deutlich zu sehen war.

»Also gut«, sagte sie. »Ich mache Ihnen wenigstens ein paar Sandwiches. Isst der Junge Tagliatelle? Ich mache sie im Wasserbad mit ein wenig Butter warm, und fertig.«

»Was ist Tagliatelle?«, fragte Gaspar, der sich von dem Aquarium gelöst hatte.

»Nudeln, mitaí«, sagte die Frau zu ihm und kniete sich hin. »Magst du Nudeln mit Butter und Käse?«

»Ja. Mit Tomatensoße auch.«

»Mal sehen, was wir für dich tun können.«

»Kann ich beim Kochen zugucken?«

»Er kocht gern«, sagte Juan und zuckte mit den Schultern als Zeichen seiner Ratlosigkeit.

Eine Stunde später hatte Gaspar gelernt, den Dosenöffner zu benutzen, beide hatten etwas pappige Pasta mit einer köstlichen Salsa gegessen, sie hatten kaltes Wasser mit Eis getrunken und die Frau hatte ihnen mit einem Glas Dessertwein und Zigaretten Gesellschaft geleistet. Als sie fertig waren, erbot Juan sich, den Abwasch zu machen, damit sie zurück an die Rezeption konnte, und die Frau nahm das Angebot an; bevor sie ging, wünschte sie ihm, dass es ihm hoffentlich bald wieder besser ginge. Gaspar half beim Abtrocknen, aber vorher bedankte er sich mit tomatenverschmierten Lippen bei der Frau und sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

Gaspar weigerte sich, das Zimmer zu betreten: Er stand reglos an der Tür, seine Augen glänzten und er sah erschrocken aus.

»Papi, da ist eine Frau im Zimmer«, sagte er. Juan blinzelte, um sie zu sehen und zu spüren: Es war dieselbe aus dem Gang, die sich durchs Hotel bewegte.

»Guck sie nicht an.« Er nahm Gaspars Gesicht zwischen seine Hände; sie waren so groß, dass sie seinen Kopf fast vollständig umschlossen. »Guck mich an.«

Dann setzte er sich auf den Boden und knipste die Nachttischlampe an. Zum Glück hörte Gaspar nicht, was die Frau sagte. Es war immer besser, nur zu sehen. Juan hörte ihr einen Augenblick lang zu, aus Neugier. Dieselbe verzweifelte und einsame Wiederholung des Todes, das Echo des Todes. Danach war er taub für sie, aber er warf sie nicht hinaus, das musste sein Sohn lernen, und zwar schnell. Juan wollte nicht, dass er auch nur eine Minute länger Angst hatte.

»Hör mir jetzt gut zu.«

»Wer ist das, Papi?«

»Das ist kein Jemand. Es ist eine Erinnerung.«

Er legte ihm eine Hand unter das Brustbein und spürte das Herz seines Sohnes schlagen, schnell, stark, gesund. Der Neid trocknete ihm den Mund aus.

»Schließ die Augen. Spürst du meine Hand?«

»Ja.«

»Wo berühre ich dich?«

»Am Bauch.«

»Und jetzt?«

Mit zwei Fingern der anderen Hand tastete er nach dem Wirbel, der hinter dem Magen lag.

»Am Rücken.«

»Nein, nicht am Rücken.«

»An der Wirbelsäule.«

»Jetzt musst du an das denken, was zwischen meinen Händen ist, wie wenn dir der Kopf wehtut und du mir erzählst, es fühlt sich an, als sei da was drin. Denk an das, was da drin ist.«

Gaspar presste die Augen zu und biss sich auf die Unterlippe.

»Fertig.«

»Gut, und jetzt sag der Frau, dass sie weggehen soll. Sag es ihr nicht mit gesprochenen Worten. Du kannst es ihr mit Flüsterstimme sagen, wenn du möchtest, aber sag es ihr, als ob dieser Teil von dir, der zwischen meinen Händen ist, sprechen könnte. Verstehst du mich? Das ist wichtig.«

Es konnte die ganze Nacht dauern, das wusste Juan.

»Ich hab’s ihr gesagt.«

Juan sah die Frau an, die immer noch neben dem Bett saß, schwanger, mit offenem Mund, sicherlich sprach sie immer noch von ihrem ersten Sohn, mit den leeren Augen.

»Noch einmal. Als würdest du von dort aus mit ihr sprechen, als hättest du da drin einen Mund.«

»Soll ich es streng sagen?«

Was war das für eine Frage? Sie verdiente jedenfalls eine klare Antwort, seine Unsicherheit war vollkommen nachvollziehbar.

»Ja, heute schon.«

Das Bild der Frau verschwand langsam, wie verwehender Rauch. Die Luft im Zimmer klärte sich, als hätten sie die Fenster geöffnet. Das Licht der Nachttischlampe wurde heller.

»Sehr gut, Gaspar, sehr gut.«

Gaspar sah sich im ganzen Zimmer um und suchte nach der Frau, die gegangen war. Er war ernst.

»Und sie kommt nicht wieder zurück?«

»Falls sie wiederkommt, machst du dasselbe wie eben.«

Gaspar zitterte, ein wenig wegen der Anstrengung, ein wenig vor Angst. Juan erinnerte sich an das erste Mal, als er einen Körperlosen weggeschickt hatte: Es war ihm genauso leichtgefallen, vielleicht sogar noch ein bisschen leichter, wenn man die Umstände bedachte. Hoffentlich war das alles an Fähigkeiten, was Gaspar geerbt hatte. Hoffentlich gelang ihm nie die Art von Kontakt, zu der er selbst fähig war. Rosario war sich sicher gewesen, dass der Junge seine Fähigkeiten erben würde. Plötzlich war die Erinnerung so lebendig, dass es sich anfühlte, als habe er im Dunkeln versehentlich ein Insekt berührt: Rosario, wie sie dickköpfig in ihrer weißen Baumwollunterhose im Bett saß, das Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zurückgebunden. Gaspar würde alles erben, die ganze Last, die er trug. Er spürte etwas Heißes in den Augen.

»Ich werde jetzt weiterschlafen, weil ich in einer Weile Auto fahren muss.«

»Ich möchte bei dir schlafen.«

»Hab keine Angst. Geh in dein Bett. Falls du nicht schlafen kannst, lies dein Buch. Das Licht stört mich nicht.«

Aber Gaspar wollte nicht lesen. Er legte sich auf den Rücken und wartete, dass der Schlaf kam, mit einer für sein Alter unpassenden Disziplin. Er hatte die Rollläden nicht heruntergelassen, sodass die wenigen Lichter von der Straße das Zimmer gerade so erleuchteten und die Zweige eines Baumes Schatten an die Wände warfen. Juan wartete, bis ihm Gaspars Atem zeigte, dass der Junge schlief, und ging dann zu ihm: die voneinander gelösten Lippen, die kleinen Milchzähne, das schweißverklebte Haar auf der Stirn.

Er konnte es auf seinem eigenen Bett machen, neben Gaspar. Aber er wollte nicht, dass der Junge aufwachte und ihn sah. Das Bad war so gut wie jeder andere Ort. Er brauchte nicht viel: nur Stille, Rosarios Haar, irgendein spitzes Instrument und die Asche.

Auf den kalten Fliesen sitzend wickelte er sich die Haarsträhne von Rosario, die er sicher in einem Döschen bei sich trug, um seine Finger. Du hast es mir versprochen, sagte er leise zu ihr. Und es war ein ernsthaftes Versprechen gewesen, kein bloß so dahingesagtes. Sie hatten es mit Blut besiegelt.

Er nahm eine Handvoll Asche aus dem Plastikbeutel und ließ sie auf den Boden rieseln, vor sich, um das Zeichen der Mitternacht zu ziehen. Seit Rosarios Tod tat er das jede Nacht mit demselben Ergebnis: Stille. Eine Wüste aus kaltem Sand und trüben Sternen. Er hatte sogar noch schlichtere Methoden versucht und die Antwort war immer dieselbe: Wind über der Leere.

Er wiederholte die Worte, streichelte die Haarsträhne, sprach die Anrufung in der infektiösen Sprache, die man für das Ascheritual verwenden musste. Und mit geschlossenen Augen sah er die Zimmer und die leeren Winkel, die erloschenen Feuer, die verlassene Kleidung, die trockenen Flüsse, aber er wanderte weiter umher, bis er in das Hotelbad zurückkehrte, in die Stille und zu dem fernen Atmen seines Sohnes, und wieder rief. Nicht eine einzige flüchtige Berührung, nicht ein Schaudern, nicht eine Täuschung, nicht ein trügerischer Schatten. Sie kam nicht und war auch nicht in seiner Reichweite, seit ihrem Tod hatte er nicht ein einziges Zeichen ihrer Gegenwart empfangen können.

In den ersten Tagen hatte er ungebührliche Opfer dargebracht. Wahre Magie wird nicht mit fremdem Blut gemacht, hatte ihm irgendwann einmal jemand gesagt. Sie erlangt man, wenn man sein eigenes opfert und jede Hoffnung loslässt, es zurückzubekommen. Juan nahm die Rasierklinge, die er neben sich gelegt hatte, und schnitt sich quer über die Handfläche, ungefähr der Linie folgend, die Kopf- oder Geistlinie genannt wird. Es war eine unerträgliche Wunde, die schlimmstmögliche, und eben deshalb die, die funktionierte. Als er im Dunkeln die Wärme des Bluts spürte, legte er die Hand auf das auf den Boden gezogene Aschenzeichen. Er sprach die erforderlichen Worte und wartete. Die Stille war schwindelerregend. Juan wusste, es war ein Symptom seines eigenen Machtverlusts. Ob es daran lag, dass er sehr krank war, oder weil er sich zu sehr verausgabt hatte, wusste er nicht, aber das Gefühl von Schwäche war eindeutig. Diese Anrufung stellte kaum eine Anstrengung für ihn dar: Die Welt der Toten war für ihn sehr nah und es war eine leichte Tür, eine Schwingtür. Bei einem anderen Ritual, bei fast jedem anderen, hätte er zweifeln können, ob er fähig war, es durchzuführen. Nicht bei diesem. Dieses war wie die Beine auszustrecken.

Er wusch sich resigniert die Hand und wischte das Blut mit einem der Handtücher vom Boden. Er wurde nicht mehr wütend. Nach den ersten gescheiterten Versuchen hatte er Rosario beschimpft, er hatte Möbel zerschlagen und sich fast die Finger gebrochen, so sehr hatte er auf den Boden eingedroschen. Jetzt sammelte er nur resigniert die Reste auf und legte die Haarsträhne wieder in die Dose. For the dead travel fast, dachte er wieder. Das stimmte, im Allgemeinen. Ihm wurde diese Schnelligkeit verweigert.

Gaspar schlief immer noch, obwohl ziemlich viel Zeit vergangen war: Das Ritual des Mitternachtszeichens wirkte kurz für den Ausführenden, dauerte aber mehrere, unmerklich verstreichende Stunden. Juan wickelte sich einen Verband um die Wunde. Es dämmerte, als er ein wenig Alkohol auf den Schnitt träufelte, der nie ganz heilte, weil er wieder und wieder in dieselbe Stelle schneiden musste, um der Asche Blut zu geben, die ihm nichts weiter brachte als diese so verdächtige Stille, die ihn an seine stumm gemachte Frau denken ließ, die Lippen zugenäht von jemandem, der sie beide für immer trennen wollte.

Das Hotelfrühstück wurde in einem Speisesaal mit weißen Wänden und karierten Tischdecken serviert. Dekoriert war mit Gemälden von Fischen und ausgestopften Fischen hinter Glas, dazu ein weiteres Aquarium, ein bisschen größer als das an der Rezeption. Esquina war eine Art Hauptstadt des Fischfangs. Juan hatte noch nie im Leben geangelt. Und er verstand nicht, warum das Hotel, wenn das wiederkehrende Thema der Einrichtung die Fischfauna war, Panambí hieß, was auf Guaraní »Schmetterling« bedeutete. Es gab hier nirgendwo Schmetterlinge, nicht einmal auf dem Logo. Er trank einen dünnen Tee und bestrich einige Scheiben Toast mit Dulce de Leche für Gaspar, der sehr still war.

»Was ist los?«

»Bist du böse auf mich?«

»Nein, ich habe schlechte Laune. Wenn du fertig gefrühstückt hast, gehen wir ans Wasser.«

Gaspar hatte den ganzen Morgen geweint, bis sie zum Frühstück heruntergegangen waren. Seit seine Mutter gestorben war, weinte er jeden Tag beim Aufwachen. Manchmal einfach nur so, manchmal ärgerte er sich über irgendeine Nichtigkeit, manchmal sagte er, ihm tue der Kopf weh oder er sei müde oder ihm sei heiß. Er träumte von ihr, das wusste Juan; meistens träumte er, dass ihr Tod ein Traum war. Manchmal ließ Juan ihn allein weinen, manchmal setzte er sich schweigend zu ihm, manchmal wusch er ihm das Gesicht mit kaltem Wasser, aber nie wusste er so richtig, was er tun sollte. An diesem Morgen, als Gaspar sich nach lautem Geheule beruhigt hatte, nachdem er sich an den Haaren gerissen und sogar mit den Fäusten auf das Kopfkissen eingeschlagen hatte, hatte Juan ihm vorgeschlagen, an den Strand zu gehen. Gaspar hatte eingewilligt und ihn gefragt, ob das Wasser kalt sei wie in Mar del Plata. Er erklärte ihm, warum das nicht so sei, es sei ein Fluss, und Flüsse seien anders, eher wie ein Schwimmbecken. Das war gelogen, aber es half. Juan hatte selbst das Bedürfnis zu schwimmen, und es war wirklich an der Zeit, dass sein Sohn die wenige Technik, die er ihm beigebracht hatte, verbesserte. Er selbst hatte es mit acht Jahren gelernt, aus reiner Unverantwortlichkeit seines Bruders, der nicht gewusst hatte, was er mit ihm anfangen sollte, wenn er ihn zum Rausgehen abholte, und ihn eines Tages in seinen Verein mitgenommen hatte. Juan wusste, dass es für ihn verboten war; sein Arzt, Jorge Bradford, hatte ihm gesagt, dass er keinen anstrengenden Sport machen durfte. Bradford hatte nie etwas von den Nachmittagen im Schwimmbad erfahren, oder er hatte sich dumm gestellt: Sein Arzt hatte sich immer ambivalent verhalten, extrem großzügige Gesten neben kleinlichen Positionen, oft im unvorhersehbaren Wechsel.

Bradford hatte ihm mit sechs Jahren beigebracht, sich zu verschließen, als er sich von einem Herzanfall erholte: Viele der wichtigsten Dinge in seinem Leben hatten sich in einem Krankenhausbett ereignet, inmitten von Schmerz, Betäubung und Angst. Er benutzte dieselbe Methode, die er am vorherigen Abend Gaspar beigebracht hatte. Doktor Bradford, der ihn operiert hatte, als er sterbenskrank gewesen war, der ihn jeden Tag besuchte und ihn unter dem Vorwand adoptieren würde, dass er so für ihn sorgen könne, wie Juan es brauchte. Eine elegante Entführung. Eigentlich ein Kauf: Er hatte Geld für ihn bezahlt. Es ist ein Wunder, hatte Bradford seinen Eltern gesagt, ein Wunder, dass er noch lebt, er braucht eine Versorgung mit Behandlungen, die Sie ihm aufgrund Ihrer wirtschaftlichen Lage leider nicht bieten können. Sie hatten eingewilligt.

Damals, nachts im Krankenhaus, konnte Juan die Lautstärke der Stimmen nicht drosseln, er spürte Hände, die ihn am ganzen Körper berührten – innen und außen –, er sah selbst mit geschlossenen Augen Leute rund um sein Bett stehen. Bradford setzte ihn auf, befeuchtete sein Haar mit kühlem Wasser und sagte ihm in etwa dasselbe, was er jetzt Gaspar gesagt hatte. Benutz die Stimme zwischen der Wirbelsäule und dem Bauch, sag ihnen, sie sollen gehen, dann gehen sie. Er erinnerte sich deutlich, dass er es mehrfach versucht hatte, geleitet von den dunklen, gierigen Augen dieses Mannes, bis die Stille eintrat und die Intensivstation wieder nichts als ein Raum voller Sterbender und Verletzter war. Bradford war bei ihm geblieben, bis er einschlafen konnte. Am Morgen, beim Aufwachen, kamen die Stimmen und die Bilder zurück, und Bradford war noch da. Wieder zeigte er ihm, was er machen sollte, und Juan schaffte es diesmal beim ersten Versuch. Danach bat Bradford ihn, zu erzählen, was er sah. Und Juan zählte auf: Er wachte auf und beim Frühstück saß mit ihm am Tisch, oder im Bett, eine Leiche; die Münder, die ihn auslachten; die Hand, die sich auf sein Gesicht legte und ihn nachts nicht atmen ließ; die Vögel und Insekten, die ihn angriffen, direkt auf seinen Kopf zuflogen, wenn er in den Hof ging; die beiden kleinen Gesichter, die unter dem Stein hervorlugten, den seine Mutter benutzte, um die Tür des Schuppens hinten im Hof offenzuhalten, und die ihn anblickten. Er hatte seinen Eltern davon erzählt, aber sie schienen es nicht zu verstehen. Bradford schon.

Seine Eltern hatten Angst vor ihm: Sie bemühten sich, ihn zu beruhigen, und wechselten dann lieber das Thema. Sein Bruder Luis war anders. Es machte ihm auch Angst, er versuchte aber, Juan zu helfen. Er sagte ihm, er solle an etwas anderes denken. Er hatte ihm das Schwimmen beigebracht.

Jetzt musste er es seinem Sohn beibringen, aber zuerst wollte er allein schwimmen, eine Weile, im Fluss. Er fuhr zur Badestelle des Städtchens, die hübsch und sauber und fast leer war, und platzierte Gaspar auf den Rasen unter einen Baum, die kleine Kühlbox neben ihm. Er goss ihm Wasser in einen Plastikbecher und sagte, Papa geht schwimmen, aber falls jemand kommt, wird er es merken, mach dir keine Sorgen. Geh nicht weg, ich finde dich eh und du weißt ja, was dann passiert.

Auf dem Weg zum Wasser traf er ein Pärchen, das aus dem Fluss kam. Sie war hübsch, trug einen blauen Badeanzug und grüßte ihn; der Mann sah ihn leicht aggressiv an und packte seine Frau fest um die Taille. Keiner der beiden konnte es vermeiden, die Narbe auf seiner Brust anzustarren. Juan war das egal. Er schwamm fünfzehn Minuten lang, genau richtig, um nicht außer Atem zu kommen. Er konnte sehr viel länger schwimmen, aber wenn er anschließend fahren musste, wollte er nicht müde sein. Der Fluss sah in der Sonne silbrig aus, doch das Wasser war etwas trüb. Er ließ sich eine Weile treiben, bevor er rausging: Von seinem Sohn spürte er nichts als Ruhe. Als das Wasser ihm noch bis zu den Knien reichte, machte er Gaspar Zeichen und schrie, komm rein, du bist dran, zieh das T-Shirt und die Schuhe aus. Er legte Gaspar auf das Wasser und bückte sich ein wenig. Ich halte dich, sagte er zu ihm, als er merkte, dass der Junge sich wand vor Angst unterzugehen. Du musst strampeln, sagte er, mach mich nass, mach Krach.

Etwas an diesem heißen Morgen und der glitschigen Haut des Jungen zwischen seinen Händen gab ihm das Gefühl, Rosario neben sich zu haben, und er erinnerte sich an sie, verfroren auf einem Feld in England, er erinnerte sich, wie sie ihm ein Lied vorsang, in dem es hieß: tonight will be fine, wie sie zu einem Bowie-Song tanzte und sich beklagte, weil im Radio nie gute Musik lief, er erinnerte sich an ihren Hals und ihre Brüste, die groß waren, trotzdem trug sie nie einen BH, nicht einmal nach Gaspars Geburt, und an die Morgen, wenn er sie weckte und sie maulte, lass mich schlafen, ihn aber nach einer Weile umarmte, und wie er dann ihre Beine hochhob und über seine Schultern legte und sie mit Zunge und Fingern liebkoste, bis sie feucht wurde.

Er konnte sie nicht finden. Er konnte diese arme Schwangere im Hotel sehen, er konnte jeden Tag Hunderte Ermordete sehen, aber Rosario konnte er nicht aufspüren. Er hatte sie einmal darum gebeten, als sie noch lebte, fast im Scherz, und dabei eine Figur aus einem Roman nachgeahmt, lass mich nicht allein, haunt me, es gab keine Übersetzung für dieses Verb, haunt, das war nicht heimsuchen, auch nicht erscheinen, es war haunt, aber sie hatte das nie ernst genommen. Wo er doch zuerst sterben würde, das war nur logisch, es war lächerlich, dass er noch am Leben war.

Manchmal dachte er, dass Rosario sich versteckte. Oder dass etwas sie am Kommen hinderte. Oder dass sie zu weit weg gegangen war.

»Und jetzt?«

»Jetzt steck den Kopf unter Wasser. Aber ohne dir die Nase zuzuhalten.«

»Dann ertrinke ich.«

»Du ertrinkst überhaupt nicht.«

Sie übten, über dem Wasser die Luft anzuhalten. Gaspar füllte die Backen mit Luft und Juan begann den unverwechselbaren Kopfschmerz an den Schläfen zu spüren. Zu lange Zeit in der Sonne. Aber er würde nicht gehen, bis der Junge nicht gelernt hatte, den Atem anzuhalten.

Wieder unter dem Baum, goss er sich kaltes Wasser ein und gab einige der Eisstücke hinzu, die schon in der Kühlbox trieben. Er schluckte zwei Tabletten und schloss an die Baumwurzeln gelehnt die Augen, damit der Schmerz ein wenig nachließ. Sein Kopf pochte, aber wenigstens pochte er regelmäßig, ziemlich langsam.

»Ich bin nicht ertrunken«, sagte Gaspar plötzlich.

»Siehst du. Schwimmen ist einfach, du wirst es bald lernen.«

»Wachst du wieder auf?«

»Ich schlafe nicht, ich ruhe mich aus.«

»Möchtest du ein Sandwich?«

»Nein, wir gehen gleich etwas essen. Und heute Abend sehen wir Tali.«

»Kann ich mir für mich ein Sandwich machen?«

Um die richtige Zufahrt zu Talis Haus zu finden, musste man an der Straße nach einer verrosteten alten Eisenbrücke Ausschau halten, die nicht mehr in Gebrauch war und von der unaufhaltsamen Vegetation des Litorals mit ihren Lianen und Blüten überwuchert wurde. Bei der Brücke angekommen, tauchte die alte Capilla del Diablo auf, die Teufelskapelle, und dann musste man nur immer weiter geradeaus über eine unbefestigte Straße, die, wenn es sehr matschig war, unbefahrbar wurde. Die Kapelle markierte die offizielle Zufahrt nach Colonia Camila. Tali liebte ihr Leben in diesem Dorf mit zweihundert Seelen und zwei Läden.

Tali war Juans Schwägerin, die Halbschwester seiner Frau. Die Tochter von Rosarios Vater mit seiner Geliebten aus Corrientes, einer Frau aus der Mittelschicht, die aufs Land gezogen war, einen Tempel für San La Muerte, den heiligen Tod, errichtet hatte und in der Gegend als Heilerin und große Schönheit berühmt geworden war. Sie war jung gestorben – Juan und Rosario wussten, dass ihr Tod, auch wenn sie erkrankt war, alles andere als natürlich gewesen war – und Adolfo Reyes, der sie wirklich liebte und Darstellungen des Heiligen sammelte (darüber hatten sie sich kennengelernt), hatte ihren Tempel erhalten. Tali führte nun die Tradition ihrer Mutter fort, die für sie eine »Hüterin« oder eine »Gesandte« war. Mit Rosario zusammen hatte sie im Regionalmuseum in Asunción einen San La Muerte gewidmeten Saal gestaltet, der zur Dauerausstellung gehörte; er galt als der beste seiner Art in Paraguay, in der Region und vermutlich weltweit.

Schon seit Jahren wurden in Talis Heiligtum im Verborgenen Feiern organisiert. Colonia Camila war fern jeder Stadt, nahe am Fluss, aber erstaunlich abgelegen von den Bade- und Anlegestellen; man konnte dort relativ ungestört einem Kult anhängen, der der Kirche missfiel und Angst und Misstrauen hervorrief. In letzter Zeit hatte Tali ihren Tempel diskret geheim gehalten. Sie wusste, dass das Militär schon Hausaltäre bei Razzien zerstört hatte, die Besitzer entführt und sie nächtelang auf einer Polizeiwache festgehalten hatte, nur um die eigene Macht zu demonstrieren. Sie war die Tochter eines reichen Mannes mit guten Beziehungen. Man würde sie nicht anrühren, aber es schadete nicht, sich vorzusehen.

Adolfo Reyes hatte mehrere Hektar Land rund um den Tempel und das Haus seiner Tochter gekauft, denn auf dem Gelände stand die Capilla del Diablo von Don Lorenzo Simonetti. Eine von einem italienischen Einwanderer gebaute Kirche, die mysteriöserweise nie geweiht worden war. Tali putzte sie nachts, im Schein einer Petroleumlampe. Viele Leute hatten das Schimmern hinter den Fenstern gesehen und erzählten sich Geschichten darüber, was sich wohl hinter diesen Wänden abspielte, auch wenn nichts davon zutraf. Juan hatte es ihnen, Tali und ihrem Vater, mehr als einmal bestätigt: Die Kirche war seltsam, aber sie war kein besuchter Ort. Adolfo Reyes, der gern seinen Spaß hatte, begnügte sich damit nicht: Er hatte Gerüchte erfunden, neue Geschichten, und zwar so viele, dass es schon fast unmöglich war, die Fiktion von dem einfachen historischen Tatbestand dieser Kapelle und des vergessenen Dorfs zu unterscheiden.

Lorenzo Simonetti war als Witwer mit seinen acht Kindern aus Italien nach Corrientes gekommen. 1904, ein Jahr nachdem er sich in Colonia Camila niedergelassen hatte, begann er mit dem Bau der Kapelle, ohne die kirchlichen Autoritäten um Erlaubnis zu bitten. Er war Kunsthandwerker: Er schnitzte die Jungfrau Maria aus Urundayholz und versuchte dabei, die Gesichtszüge seiner bei der Niederkunft gestorbenen Frau nachzustellen. Den ganzen Rest, die Maurerarbeiten, die Holzbänke, die Herstellung der zerbrechlichen Buntglasfenster, erledigte er mithilfe von Nachbarn. Die Glocken brachte ihm ein Landsmann aus Italien mit. Am Altar gab es Blüten aus Blech und Pflanzenornamente. Eine Urwald- und Grenzkirche, nicht weit von Brasilien und Paraguay.

Don Lorenzo hatte seine ganze Begeisterung in die Wand der Sakristei gelegt. Dort brachte er sein Meisterwerk an, das die Nachbarn verängstigte und möglicherweise der Grund war, warum die Kirche letztlich nicht von der Kurie anerkannt wurde. Die Holzschnitzerei war trotz ihres Alters und der abblätternden Farbe gut erhalten. Es war eine Vision der Hölle, ein mahnendes Bildnis: Kinder mit unverhältnismäßig großen Köpfen und verdrehten Beinen tanzten um Lagerfeuer herum rituelle Tänze und spielten mit Drachen und Vipern. Nackte Frauen mit von Schlangen umgürteten Taillen. Dazwischen entrückte Gesichter, runde, stets offene Augen und noch mehr Reptilien und vor allem Kröten, eine wahre Überfülle von Kröten, als Hinweis auf die biblische Plage. Die Szene des Jüngsten Gerichts wurde durch die Figur eines sitzenden Mannes mit Buch in der Hand vervollständigt, der die schrecklichen Schmerzensszenen mit ungerührter Miene betrachtete.

Als er damit fertig war, versuchte Simonetti die Kirche der Kurie zu stiften, doch nachdem zwei Priester sie besucht hatten, wurde sein Geschenk abgelehnt. Es folgten weitere Verhandlungen und erneute Zurückweisungen. Die Gründe waren offiziell bürokratischer Natur, aber keiner wollte diese Erklärung so recht glauben. Man munkelte, das Bildnis stelle die Salamanca dar, das Treffen der Hexen mit dem Teufel, den kreolischen Hexensabbat. Man munkelte, Don Lorenzo habe an den Zeremonien teilgenommen. Simonetti starb, während er noch versuchte, die Priester von der Heiligkeit seiner Arbeit zu überzeugen. Vielleicht in Erfüllung eines Gelübdes nahm er es auf sich – er war nicht alt, aber krank –, von Colonia Camila bis nach Goya zu wandern, um ein Gespräch mit einem Würdenträger der Kirche zu führen. Als er zurückkam, legte er sich schlafen und am nächsten Morgen war er tot.

Im größten Laden von Colonia Camila, in dem es auch eine kleine Bar gab, erzählte man sich, der schwarz gekleidete Geist von Simonetti sei auf seinem Weg nach Goya gesehen worden. Auch waren Geschichten im Umlauf über eine dunkle Glaubensgemeinschaft, die dem Altar den Rücken kehrte und vor der Darstellung des Jüngsten Gerichts niederkniete.

Sie hörte ihn, bevor sie ihn sah, um sechs Uhr abends, als die Sonne den Himmel mit einer gelben Flamme in Brand setzte und die Palmen in der Ferne wie Schatten wirkten. Tali rannte aus dem Haus, das weiße Kleid roch nach einer Jasminseife aus Paraguay, und in der Eile vergaß sie, ihre Schuhe anzuziehen. Sie zweifelte noch, solange sie ihn bloß hörte, doch als sie ihn von der kleinen Anhöhe aus sah, wo ihr Haus und ihr Tempel standen, war sie sich sicher. In der Abendsonne schimmerte das blonde Haar orange und das schwarze T-Shirt färbte sich blau wie die Dämmerung. Selbst wenn er so lachte, mit geöffnetem Mund und deutlich sichtbaren Grübchen, etwas Zartes in der Art, wie auf dem Matsch ausrutschend seine endlos langen Beine einknickten, selbst als er die Arme ausbreitete und »Na los« zu seinem Sohn sagte und der Junge kleine Trippelschritte neben ihm machte, selbst angesichts dieser familiären, einfachen Szene konnte man verstehen, warum er als der Goldene Gott bekannt war, mit seinen aderreichen Armen, die aussahen, als verliefen Kabel unter seiner Haut, und den übermäßig großen Händen, den schlanken Fingern, den langen, breiten Handflächen.

Sie hatte nie zuvor und auch danach nie wieder einen solchen Mann gesehen, und jetzt, als sie ihn wieder sah, erschien er ihr so außerordentlich schön, dass ihre Augen sich trübten und sein Anblick wie eine überraschende Dämmerung war, wenn die Natur ihre Gefährlichkeit und ihre Schönheit zeigt.

»Jetzt magst du also Schlamm, Chamigo«, schrie sie. Sie hoffte, dass ihre Stimme fest herauskam, und so war es, ironisch und warm zugleich. Juan erkannte sie sofort.

»Tali, was ist denn hier los? Wir sind völlig verschlammt!«

Juan und sein Sohn – Gaspar, schon richtig groß, und dünn – lachten sich kaputt. Tali konnte es nicht glauben. Sie hatte erwartet, ihn so wütend und traurig anzutreffen wie bei ihrer letzten Begegnung einige Monate zuvor. Und jetzt stand er dort in der Zufahrt zu ihrem Haus, lachte sich krumm und schief mit im Matsch versunkenen Füßen und sagte zu seinem Sohn: »Das ist der Treibsand von Corrientes!«

»Hey, strengt euch an; wenn ihr hinfallt, kommt ihr direkt in die Wanne.«

Tali stützte sich auf das Gatter und entspannte sich, um ein ungewöhnliches Schauspiel zu genießen: Der Goldene Gott amüsierte sich über seine Tollpatschigkeit, spielte, dass er im Schlamm versank, täuschte ängstliche Schreie vor. Der Junge, der leichter war, befreite sich zuerst aus dem Matsch und Tali öffnete das Tor, um ihn hereinzulassen. Er sah ihr neugierig und aufmerksam in die Augen. Hallo Tali, sagte er. Dann drehte er sich um und bejubelte lauthals einen Ausrutscher, der seinen Vater fast lang hingestreckt hätte.

»Weißt du eigentlich, Juancito, dass der Weg hintenrum asphaltiert ist?«

»Nicht dein Ernst!«

»Na ja. Sie haben halt Schotter draufgeworfen.«

»Warum bitte ist dieser Weg geschottert? Führt er zu irgendeinem großen Feld?«

»Nein, aber das hier ist Corrientes. Da kannst du keine Logik erwarten.«

»Dann parke ich später das Auto um. Ich hoffe, es ist nicht stecken geblieben.«

»Sonst schieben wir.«

Juan kam mit einem Sprung zu einer Stelle mit trockenem Gras und erreichte von dort in zwei Schritten das Gatter. Tali konnte ihn endlich von Nahem sehen und merkte, dass der Anschein im Licht des Sonnenuntergangs zu hoffnungsvoll gewesen war: Juan hatte abgenommen und seine Augen waren geschwollen; seine so merkwürdigen Augen mit der verschiedenfarbigen Iris, blau und grün und etwas Gelb darin, sahen müde und verschlafen aus. Und doch war es seine Blässe, die Tali verriet, dass der Spaß mit dem Schlamm nichts weiter als das gewesen war, ein Spaß.

»Hey, wenn ich nicht wüsste, dass du lebendig bist, würde ich sagen, du bist ein Geist, so bleich, wie du bist.«

Er tat so, als würde er sie nicht hören, und umarmte sie mit solcher Kraft, dass er sie vom Boden hochhob. Er machte ihr Kleid schmutzig, aber das war Tali egal. Endlich spürte sie wieder Juans Körper, fest und zerbrechlich; es war beruhigend, an eine so breite Brust zu sinken und an seinem T-Shirt die Hitze und das Benzin und das Insektenschutzmittel zu riechen. Sie spürte ihn tief und erleichtert aufatmen. Tali hielt die Augen geschlossen und hörte seinem Atem und den Insekten der Nacht zu, die erwachten und brummten. Er nahm ihre Hand und sie konnte die Traurigkeit in seinen Fingerspitzen fühlen, als würde sie von dort ausstrahlen. Sie bemerkte auch, dass er einen schmutzigen Verband um eine Wunde in der Handfläche gewickelt hatte. Den Lappen da musst du mal wechseln, sagte sie, und Juan gab keine Antwort. Gaspar saß auf dem Boden und versuchte, seine weißen Turnschuhe sauber zu machen.

»Lass gut sein, mitaí, ich wasche sie für dich«, sagte Tali und klärte anschließend gleich mehrere Dinge auf einmal. Sie gab Gaspar die Hand, rief mit winkenden Bewegungen einen der jungen Männer herbei, die auf dem kleinen Feld hinter ihrem Haus arbeiteten, trug ihm auf, das Auto über die Schotterpiste zum Haus zu fahren, und servierte schön kalten Tereré an dem Tisch auf der Veranda. »Ich habe nur bitteren Mate mit Cedrón. Jetzt hole ich etwas für dich, mitaí, magst du Coca-Cola?«

Als sie mit der Cola zurückkam, hatte Juan sich so gut es ging auf dem Schaukelstuhl ausgestreckt und sich das Gesicht mit etwas kaltem Wasser erfrischt.

»Du hättest mir Bescheid sagen können, dass du kommst, ich hätte etwas für euch gekocht, das Haus aufgeräumt.«

»Ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde, allein zu kommen, deshalb habe ich mich ein bisschen beeilt. Und als ich gemerkt habe, dass wir früh dran sind, wollte ich dich besuchen, bevor ich nach Puerto Reyes fahre.«

»Bist du in Ordnung?«

Er sah sie nicht an. Lieber betrachtete er das Abendrot zwischen den Bäumen.

»Und wie kommt der Junge zurecht?«

»Redet nicht so, als wenn ich gar nicht da wäre«, protestierte Gaspar und stellte das Colaglas mit gerunzelter Stirn auf den Tisch. Dann verschränkte er die Arme.

»Da siehst du’s. Frag ihn selbst.«

»Was für ein Charakter, Kind. Bist du in Ordnung?«

»Mal so, mal so. Ich vermisse meine Mama und ich habe Angst, wenn er krank wird.« Wütend, fast anklagend, zeigte er mit dem Finger auf seinen Vater.

Tali umarmte den Jungen und setzte ihn auf ihre Knie, obwohl Gaspar schon ziemlich groß war, um auf den Schoß genommen zu werden. Da sie nicht wusste, was sie tun sollte, weil sie noch nie einen sechsjährigen Jungen so klar und offen hatte sprechen hören, sagte sie, na komm, wir ziehen dir andere Schuhe an, und fragte Juan, ob er ein anderes Paar für ihn dabeihabe. Klar, antwortete er, auch Sandalen, obwohl er hier eigentlich barfuß laufen kann. Nein, barfuß nicht, sagte Tali, es gibt zu viel Ungeziefer.

Im Bad wusch sie Gaspar die Beine, half ihm, andere Schuhe und ein frisches T-Shirt anzuziehen, und hörte ihn von den Tieren erzählen, die er auf dem Weg gesehen hatte, sogar einen Hirsch mit Geweih. Ihr kam es höchst merkwürdig vor, dass er Wild so weit weg von den Sümpfen gesehen hatte, aber was konnte schon merkwürdig sein, wenn Juan in der Nähe war.

Tali hatte Juan in Buenos Aires kennengelernt. Ihr Vater hatte sie in die Stadt geholt, damit sie dort etwas lernte, aber Tali lief aus der Schule weg, warf sich auf den Boden, weinte. Rosario hatte versucht, ihr gut zuzureden, hatte ihr gesagt, dass die Schule so schlimm nicht sei, dass sie eine gute Zeit zusammen haben könnten, und sie hatte ihr erwidert, dass sie nicht die Schule hasste: Es war die Stadt. Also sah Adolfo Reyes davon ab, seiner jüngeren Tochter wie schon Rosario die Ausbildung am besten Gymnasium von Buenos Aires angedeihen zu lassen, und ließ sie in den Norden zurückkehren, zu ihrem Tempel, ihren Kräutern und ihrer Dorfschule.

Rosario und sie waren nicht nur Halbschwestern, sie waren enge Freundinnen gewesen. Tali hatte geweint, als Rosario mit achtzehn zum Studieren nach England gegangen war. Sie würde, hatte sie Tali gesagt, auf die beste Universität gehen, und sie sei glücklich. Juan war damals fünfzehn und hatte den ganzen Sommer in Puerto Reyes verbracht. Er war auch sehr traurig. Tali war sprachlos gewesen, als sie Juan bei einem Besuch in Puerto Reyes wiedergesehen hatte, auf der kühlen Terrasse mit Blick auf den Fluss. Sie war von klein auf den Anblick von Einwandererkindern gewohnt gewesen; die Schweden aus Oberá, die Deutschen aus Eldorado und die Ukrainer aus Aristóbulo del Valle waren ebenso groß und blond wie dieser Junge. Auf den Touren mit ihrem Vater aß sie mittags manchmal Würstchen und bewunderte die Orchideen auf den Feiern der Einwanderer; sie hatte sich wie verrückt in viele dieser jungen Männer mit ihren hellen Augen und von der Sonne gebräunter Haut verliebt. Aber als Juan von dem Rattanstuhl aufstand und sie auf beide Wangen küsste, kamen ihr all diese Männer und Frauen wie die Versuche eines ungeschickten Malers vor, unentschlossene Skizzen einer Hand, die übte, bis sie schließlich Juan zeichnete, ihm Leben einhauchte und sagte, das ist es, wonach ich gesucht habe, das ist die Vollendung. Juan war fünfzehn Jahre alt, sie selbst siebzehn, und trotzdem brannten ihre Ohren, als er sie schweigend ansah. Möchtest du spazieren gehen?, fragte Tali ihn. Es ist nicht zu heiß. Klar, sagte der Junge. Sie liefen durch den wilden Garten des Hauses. Sie erzählte ihm von den Skandinaviern aus Oberá und fragte ihn, ob seine Familie auch von dort komme. Juan sagte Ja, seine Familie sei jedoch nach Buenos Aires gegangen, als er zur Welt kam, weil er sehr krank war. Vielleicht hast du hier noch Familie. Ich weiß nicht, sagte Juan.