Unsere Natur stirbt - Michael Schrödl - E-Book

Unsere Natur stirbt E-Book

Michael Schrödl

0,0

Beschreibung

Brennende Tropenwälder, bleichende Riffe, sterbende Insekten: Keine Frage, wir befinden uns im sechsten großen Artensterben der Erdgeschichte, diesmal menschengemacht. Überall auf der Welt zerstört der Mensch die natürliche Vielfalt des Lebens und damit auch seine eigene Lebensgrundlage. Die meisten Menschen sind sich der verheerenden Auswirkungen nicht einmal bewusst - und das, obwohl die Biokrise rasant voranschreitet und die Zerstörung von Leben irreversibel ist.Es gibt noch Millionen von unbekannten Tierarten zu entdecken, zu beschreiben - und zu schützen! Dieses Buch bietet neuartige Lösungsansätze, gespickt mit Informationen, Ideen und Geschichten zu einem besseren Umweltverhalten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 243

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prof. Dr. Michael Schrödl

UNSERE NATUR STIRBT

Prof. Dr. Michael Schrödl

UNSERENATURSTIRBT

Warum jährlich bis zu 60.000 Tierarten verschwindenund das verheerende Auswirkungen hat

Originalausgabe

1. Auflage 2018

Verlag Komplett-Media GmbH

2018, München/Grünwald

www.komplett-media.de

E-Book ISBN: 978-3-8312-6984-6

Hinweis: Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Lektorat: Redaktionsbüro Julia Feldbaum, Augsburg

Korrektorat: Redaktionsbüro Diana Napolitano, Augsburg

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

Satz und Layout: Daniel Förster, Belgern

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrecht zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

INHALT

Vorwort

Einleitung

Die Natur stirbt!

Globale Gefahren

Gefahr Klimawandel

Gekippte Welt

Ski und Biologie gut, bei 2 °C plus?

Erst stirbt die Natur, dann der Mensch

Das übelste Problem unserer Zeit

Einfache technische Lösungen für komplexe biologische Probleme?

Wir zünden den Tötungsturbo

Artenschwund als Chance?

Der biologische Imperativ

Die biologische Krise

Biomasse macht’s

Artenvielfalt macht’s erst recht

Auf zum globalen Ökozid!

Biokalypse noch vor 2050!

Exkurs: Eine kurze Geschichte der Natur

Das Sterben in Deutschland

Essbare Solarzellen

Tierisch unbekannte Vielfalt

Wundersame Welt der Mikroben

Wenn der Lebensraum stirbt

Artensterben global

Wie viele Arten kennen wir?

Wie viele Arten gibt es wirklich?

Wo gibt es am meisten Vielfalt?

Dead as a Dodo: Was stirbt wann?

20.000 bis 60.000 ausgestorbene Tierarten – pro Jahr?

Konsequenzen des Artensterbens?Prädikat: grauenhaft!

Wechselwirkung mit dem Klimawandel

Ursachen des Sterbens

Wer ist schuld?

Artenkiller Nummer eins: konventionelle Landwirtschaft

Sargnagel der Artenvielfalt: die gemeinsame Agrarpolitik der EU

WIR ALLE sind schuld!

Highway to hell: Zeitplan des Untergangs

Technik als Weißer Ritter?

Bedeutung der Artenvielfalt

Finanzieller Schaden

Rettungsversuche

Fazit

Was tun?

Retten wir die Artenvielfalt, retten wir die Welt!

Die Macht der Emotionen

Die globale Bioinventur

Chroniken des 21. Jahrhunderts

Der Worst Case

Geht’s auch anders? Hier das “2 °C plus Szenario”

Und bei einem “1,5 °C plus Ziel” für 2100?

Jetzt oder nie?

2020 bis 2030 - das Jahrzehnt der Entscheidung

Können Schweine fliegen lernen?

Happy End?

Nachwort

Danksagung

Über den Autor

Quellen- und Literaturhinweise

VORWORT

Haben Sie Kinder? Selbst wenn nicht, sollten Sie die biologische Krise ernst nehmen. Sie ist weit mehr als die Klimakrise, sie kommt schneller und heftiger.

Die Natur stirbt gerade, daran besteht kein Zweifel. Bestimmt bemerken Sie es schon, Schmetterlinge, Vögel, Wildtiere, Groß und Klein werden immer weniger, verschwinden. Pech für ein paar Tierchen? Launen der Evolution? Unser gutes Recht als Menschen, die Welt nach unseren Vorstellungen zu gestalten?

Das gesamte Ausmaß der Tragödie erkennen bisher nur wenige: Die biologische Vielfalt, unsere Lebensgrundlage, sie stirbt überall, an Land und im Wasser. Und sie stirbt immer schneller. Mit üblen Konsequenzen für uns alle, für die gesamte Menschheit. Auch daran besteht kein Zweifel: Wir ganz normalen Menschen mit unserem »normalen Leben« sind Ursache des bisher schlimmsten Sterbens der Erdgeschichte. Und, das ist die gute Nachricht: Mit entschlossenen Änderungen unserer Vorlieben und Gewohnheiten könnten wir die biologische Krise auch abmildern. Doch das Zeitfenster schließt sich rasch. Wenn es bei einem »Weiter so« bleibt, ist es mit unserem guten Leben wohl schon in ein bis zwei Jahrzehnten für immer vorbei. Und das träfe nicht nur Ihre Kinder, sondern wohl auch noch Sie – mit voller Wucht!

Dieses Buch ist nichts für allzu sensible Gemüter! Wir steuern in voller Fahrt auf eine »Biokalypse« zu. Und stirbt unsere Natur, überleben wir das nicht. Sie nicht und ich auch nicht. Wie reagieren, was also tun? Angst, Verzweiflung und ohnmächtige Wut wären verständlich, bringen aber weder Ihnen noch der Vielfalt des Lebens etwas. Gemeinsamer, lautstarker Protest und entschlossene, mutige Maßnahmen zum Schutz der Natur schon!

Retten wir die Natur, retten wir die Welt, retten wir die Zukunft unserer Kinder!

Michael SchrödlMünchen, im Sommer 2018

EINLEITUNG

Mein grundsätzlich lebensfroher Opa hat mir oft von der schlechten Zeit nach den Kriegen erzählt. Natürlich wollte ich das nicht wirklich hören. Aber ein paar Geschichten habe ich mir trotzdem gemerkt: Er wuchs als jüngstes von zehn Kindern auf einem kleinen Bauernhof nördlich von München auf. Da, wo die Schotterebene der Eiszeiten in die hügelige Tertiärlandschaft übergeht und sich heute auf der A9 täglich Zehntausende Fahrzeuge stauen. Sein Vater war ausgezehrt und krank und tat, was er konnte, doch es reichte nicht. Essen war immer knapp, aber eines Tages verhungerte sogar der klapperdürre Hofhund.

Damals, mit 14 Jahren, beschloss mein Opa, hinaus in die Welt zu ziehen, etwas zu lernen und der bitteren Not zu entkommen. Er ging zu Fuß bis ins Rheinland, lernte, was es als Zimmerer und Maurer zu lernen gab und verdingte sich als Wirtschaftsmigrant auf Baustellen. Als er von seiner Walz zurückkam, sprach er ein paar Brocken Französisch, konnte von seiner Arbeit als Baupolier leben und gründete eine Familie. Damals die normalste Sache der Welt. Und auch heute, nur dass niemand mehr in Europa verhungern muss, Bildung und Wissen allgemein verfügbar sind, Fernreisen bezahlbar sind, karrierebewusste Auszubildende gern bei internationalen Großkonzernen anfangen und Studierende in den USA oder Australien ihre Erfahrungen sammeln. Wir haben uns an Wohlstand, Freiheit und vielerlei Wahlmöglichkeiten gewöhnt.

Diese Normalität ändert sich gerade. Die Weltordnung gerät zusehends aus den Fugen. Zwar gibt es Fortschritte im Kampf gegen den Welthunger, doch die Weltbevölkerung, vielerlei Umweltprobleme und auch die Unruhen nehmen zu. Extremismus, Fanatismus und auch Fatalismus sind scheinbare Auswege aus echten und gefühlten Missständen nicht nur in den armen Ländern. Autokraten, Nationalisten, Ultraegoisten in vielerlei skurrilen Erscheinungsformen sollen es richten und setzen sich und ihr Gedankengut fest. Das Recht des Stärkeren wurde wieder salonfähig. Wer kann, der kann, und er wäre ja dumm, wenn er es nicht ausnützen würde, nicht wahr? Kleine Nebenwirkung allzu großer Egos: Rücksichtsloses Durchsetzen kurzfristiger Eigeninteressen samt Plünderung des Planeten führt unweigerlich in ein ökologisches und humanitäres Desaster. Wieso sehen das so viele nicht, sind wir blind? Oder doof?

Wir Wissenschaftler wissen es längst, die einst wunderbare Vielfalt des Lebens stirbt, nur interessierte das weder Medien noch sonst wen. Aber ja, seit 2017 ist die Katze auch medial aus dem Sack: Bienen sterben, Insekten sterben, Arten sterben. Wir verbrauchen und vergiften die Natur. Damit gehen Bestäuber, Bodenfruchtbarkeit und natürliche Medikamente verloren sowie Nahrung für Nutztiere, saubere Luft und Trinkwasser und sämtliche lebenswichtige Ökosystemfunktionen. Wer denkt, dass das gut sein oder auf Dauer gut gehen kann? Wenn bald nichts mehr wächst, habe ich nichts mehr zu essen. Logisch, oder?

Lerneffekt? Gleich null!

Dieselskandal? Was ist das? VW verbuchte 2017 Rekordgewinne. FIFA-Korruptionen? Fußball ist einfach zu schön. Olympia auch: Wen scheren da schon über hunderttausend im Naturschutzgebiet für Pisten gefällte Bäume in Südkorea?

Aber Flüchtlinge, das sind doch alles Kriminelle! Nein, die Kriminalität sinkt laufend, seit 1992 war Deutschland nicht mehr so sicher wie heute. Trumps fiese Twitterei von zehn Prozent steigender Kriminalität in Deutschland waren Fake News, und doch erreichen sie die, die genau so etwas glauben wollen. Sogar für junge Männer gilt: kein Unterschied in der Kriminalitätsrate zwischen Flüchtlingen und Deutschen. Flüchtlinge überschwemmen uns? In Wahrheit geht die Zahl der Flüchtlinge stark zurück und erreicht die »Obergrenze« nicht mehr. Egal, wen interessiert das alles? Macht endlich die Grenzen dicht!

Der Zweck dieses ganzen Theaters: Unsere allerwichtigsten Bedürfnisse werden scheinbar befriedigt: Unterhaltung, Intrigen, Drama sowie das Gefühl (!) von Schutz und Sicherheit, Geld und Macht.

Was also tun in unsicher erlebten Zeiten?

Schneller Konsum! Wer hat, zeigt es zunehmend, wer kann, auch, und wer nicht, muss halt so tun, als ob. Wie sonst sind ständig steigende PS-Zahlen der Neuwagen zu erklären? Fast 30 Prozent SUV-Anteil bei den Neuzulassungen: Niemand kann mehr ernsthaft glauben, dass die Boliden sparsam sind, Grenzwerte einhalten, der Umwelt guttun. Niemand kann glauben, dass immer mehr Verschmutzung, immer mehr Umweltzerstörung, immer mehr materielles Wachstum auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen gute Ideen für uns und unsere Zukunft sind. Oder etwa doch?

Ob reich oder arm, gebildet oder nicht. Zu viele von uns lassen sich leiten von Gier oder von vagen Ängsten, von zündelnder Politik und Massenmedien oder von blankem Egoismus zulasten anderer. Falls Unmut entsteht, wird er flugs gewinnbringend umgeleitet: Weg von echten Missständen wie der himmelschreienden globalen Ungerechtigkeit, weg von echten Gefahren wie dem heranrasenden ökologischen und humanitären Super-GAU, weg von echten Übeltätern wie Autobahndränglern, Giftspritzern und allzu gierigen und rücksichtslosen Ausbeutern. Hin zu Asyl, Terrorismus und all den anderen gefühlten Bedrohungen. Argumente, Vernunft und Fakten bleiben außen vor.

Im Kleinen ist es die verhärtende Einstellung gegen Andersdenkende oder die viel zitierte »Google-Blase«, die wir kaum je bemerken. Im Großen ist es die politisch zelebrierte Renaissance der Heimat, der eigenen Sprache, der Religion. Auch des Nationalismus, der militärischen Macht und der starken Männer, die das schon richten werden. Was genau? Die hemmungslose Durchsetzung eigener Interessen. Eigene Stärke wird auf Kosten anderer demonstriert, Schwache werden noch schwächer gemacht, Menschenrechte mit Füßen getreten. Unsere kollektive Angst wird ausgenutzt. Wir, die wir so viel besitzen, mehr Geld, Sicherheit und Freiheit als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte, fürchten Verluste, sozialen Abstieg, den Anspruch einer immer schnelleren, erschöpfenderen, globalisierten Zeit. Wir wollen beschützt werden. Dafür sind uns viele Mittel recht. Abgrenzung, Mauern und Zäune sollen es richten – werden es aber nicht.

Dieses Buch handelt von der einen Umwelt, in der wir alle leben, egal wo. Es handelt von der einen Natur, von der wir alle leben, egal ob arm oder reich. Es handelt davon, wie alles mit allem zusammenhängt in Ökologie und Ökonomie, und von der Art und Weise, wie wir gerade durch unsere Lebensweise einen Großteil allen höheren Lebens auf unserem Planeten vernichten. Einschließlich unserem eigenen.

Ich bin viel gereist, bin wie mein Opa grundsätzlich optimistisch, und ich sehe schon noch Möglichkeiten, die Welt, wie wir sie kennen, zumindest in ihren Grundzügen zu retten. Gute Informationen ermöglichen richtige Entscheidungen und zukunftstaugliche Prioritäten in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Aber was tun, wenn weiterhin Egoismus, Werbung und Kommerz die Meinung dominieren, schlichte Wahrheiten gebeugt, ignoriert oder frech nach Belieben umgedeutet werden? Was, wenn sich weiterhin viel zu wenig tut? Wenn sich die, die etwas bewegen könnten, nicht bewegen wollen?

Der Wandel fängt in und bei uns selbst an. Die Umweltprobleme, insbesondere die biologische Krise, erfordern ein rasches Umdenken, ein entschlossenes »Umhandeln« von uns allen.

Zusammen mit Dr. Vreni Häussermann habe ich im Vorgängerbuch »Biodiversitot« (www.biodiversitot.de) ausführlich geschildert, was wo und wie schiefläuft, was man auch als Einzelner konkret und sofort tun kann und woran es liegt, wenn noch viel zu wenig getan wird. Es gab viele positive Reaktionen, und etliche LeserInnen verhalten sich nun bewusster. Darüber freuen wir uns sehr! Mögen wir mit Büchern und Vorträgen Hunderte, vielleicht sogar Tausende angeregt haben, sich zu verändern. Wie aber Millionen oder gar Milliarden von Menschen erreichen, überzeugen und verändern? Darunter natürlich auch viele, die Umweltschutz als mäßig sinnvoll, eigene Beiträge als sekundär bedeutsam und das Heer der noch vorhandenen Tierarten bestenfalls als nicht lästig empfinden?

Ich musste erkennen, dass sich die meisten Menschen wohl nur ändern, wenn es an ihre eigene Existenz geht. Dass sie nur Neues wagen, nur Missstände bekämpfen, wenn zumindest der Hofhund verhungert – direkt vor der eigenen Nase.

Bitte sehr, mit existenziellen Problemen kann die biologische Krise, das große Sterben leider wirklich dienen. Einiges findet bereits direkt vor unserer Nase statt, anderes ist nicht so offensichtlich – noch nicht! Dieses Buch ist eine eindringliche Warnung vor der »Biokalypse«, die uns und alles, was uns lieb ist, auslöscht, und zwar recht bald, wenn wir nicht alle schleunigst und entschlossen etwas dagegen tun!

Naturschutz ist Menschenschutz!

DIE NATUR STIRBT!

Bienensterben, Insektensterben, Artensterben! Die wunderbare Vielfalt des Lebens ist bedroht, überall. Artenreiche Lebensräume wie tropische Wälder und Korallenriffe schwinden dahin.

Das ist nicht nur schlecht für das üppige irdische Leben, das sich über die letzten 3,5 Milliarden Jahre entwickeln konnte, sondern insbesondere für große, übermäßig häufige Säugetiere mit riesigem Bedarf an Wasser, Nahrung und Naturstoffen – uns!

Wir Menschen verbrauchen bereits viel mehr Ressourcen, als zur Verfügung stehen, überfischen und vergiften die Ozeane, verbauen und veröden riesige Landflächen, verpesten und zerstören ehemals fruchtbare Böden durch intensive Landwirtschaft. All das unter ungeheurem Energieeinsatz und enormem Schadstoffausstoß. Mit immer weiter steigender Tendenz: Der Nahrungsmittelverbrauch steigt weiter. Der Bedarf an Kunstdünger und Spritzmitteln steigt weiter. Der globale Fleischkonsum steigt weiter. Der Landverbrauch steigt weiter. Der Wasserverbrauch steigt weiter. Die Produktion von Plastik steigt weiter. Die Industrieproduktion steigt weiter. Der Energieverbrauch steigt weiter. Die Emissionen von Kohlendioxid (CO2) und anderen Klimagasen steigen kräftig weiter. 280 Teile CO2 pro Million (ppm) Luftteilchen waren früher in der Atmosphäre, nun sind wir schon bei über 400 ppm! Und es ist kein Ende des CO2-Anstiegs in Sicht. Auch andere Klimagase wie Methan und Lachgas steigen ungebremst weiter! Natürlich steigen der Treibhauseffekt und damit die globale Temperatur weiter. Eisschilde und Gletscher schmelzen, die Meere steigen weiter. Die Versauerung der Ozeane, eine noch wenig bekannte, aber äußerst bösartige Gefahr für Korallenriffe und sämtliche Lebensgemeinschaften im Meer, steigt weiter. Die Zahl und Ausdehnung sauerstofffreier »Todeszonen« in den Meeren steigen weiter. Der Aufwand für die globale Fischerei, für Rohstoffe und für die Landwirtschaft steigt weiter.

Wir wollen und brauchen immer mehr, verbrauchen immer mehr. Doch die Natur geht zurück: Unbelebte und belebte Ressourcen, Süßwasserreserven, fruchtbare Böden, Wälder schwinden. Fische im Ozean, die Erträge der Meeresfischerei, die Biomasse von Großtieren und Insekten an Land schwinden. Die Biomasse schwindet. Arten schwinden. So lange, bis nichts mehr da ist und ökologische Systeme kollabieren. Dann zieht der Ressourcenhunger weiter, beutet andere Systeme aus, bis auch sie erschöpft sind. Bis schließlich auch mit immer höherem Aufwand und moderner Technik nichts mehr geht. Wann mag das Ende der Planetenplünderung erreicht sein?

Genau das testen wir gerade aus. Wir Menschen testen gerade die Grenzen des Wachstums. Die Grenzen des irdischen Ressourcen- und Energieverbrauchs. Die Grenzen der globalen Verschmutzung und Vergiftung. Wir testen, wie viel Nahrungsmittel und Fleisch wir unter immer höherem Aufwand und auf Kosten immer höherer Umweltverschmutzung produzieren können. Wir spritzen die Äcker, zehren die Böden aus und produzieren Hochleistungspflanzen, nicht mehr direkt für unsere eigene Ernährung, sondern hauptsächlich schon für sogenannten »Biosprit« und als Futtermittel für unzählige Schweine-, Hühner- und Fischfarmen. Wir mästen damit Hochleistungskühe, arme Geschöpfe reduziert zu Milchmaschinen, und erhöhen stetig die Zahl der wiederkäuenden und Methan produzierenden Nutztiere – auf momentan bereits über drei Milliarden Fleisch- und Milchtiere. Wir klagen über 800 Millionen unterernährte Menschen und nutzen doch nur die Hälfte der für Menschen produzierten Lebensmittel; der Rest vergammelt schon bei der Produktion, beim Transport, in den Supermärkten oder Restaurants – oder in unseren Kühlschränken, und dann werfen wir das verfaulte Zeug halt weg.

Überfluss und Profite für die einen, Hunger und bitterste Armut für die anderen. Beides auf Kosten der Wälder, der Wildnis und der Vielfalt des Lebens. Und wir vermehren uns rasant, reizen Technik, fossile Energien und natürliche Ressourcen aus, sind unwissend oder überheblich genug, um die Grenzen der kurzfristigen Belastbarkeit der Natur zu ignorieren. Viele Wissenschaftler, Abertausende Wissenschaftler aus aller Welt haben uns eindringlich gewarnt, vor 25 Jahren schon und nun erneut (Abbildung 1). Die Diagnose: Wir haben diese Belastbarkeitsgrenzen längst überschritten. Leben jetzt schon auf Pump. Sind als Menschheit im Minus, als Zivilisation bankrott, als Lebensentwurf pleite. Sind als Experiment mit Ausnahme der Bekämpfung des Ozonlochs gescheitert und landen wohl sehr bald auf der blutigen Nase.

Schaut jetzt schon alles andere als gut aus? Stimmt. Doch die menschliche Bevölkerung steigt munter weiter. Auf zehn oder wohl eher elf Milliarden Menschen bis zum Jahr 2100. Falls sich die Zunahmerate des Bevölkerungswachstums weiter verringert und nichts ganz Übles dazwischenkommt.

Abbildung 1: Kein Fake, kein Scherz, kein Irrtum. Wir Menschen plündern, vergiften, töten, heizen auf und vermehren uns – bis uns unser Planet um die Ohren fliegt. Abgesehen vom Ozonloch (a) verschlechtern sich alle der bereits 1992 in der »Warnung der Wissenschaftler der Welt an die Menschheit« als bedenklich erachteten Faktoren. 2017 veröffentlichte Bill Ripple zusammen mit über 15.000 (!) Wissenschaftlern aus 184 Ländern die »Zweite Warnung« (Ripple et al. 2017). Im Text wird auch eindringlich vor der biologischen Krise gewarnt. Deutsche Version mit Erklärung der Abbildungen siehe http://scientists.forestry.oregonstate.edu/sites/sw/files/Warnung_der_Wissenschaftler_der_Welt_an_die_Menschheit_final.pdf.

Globale Gefahren

Was ganz Übles? Bei globalen Katastrophen denken viele spontan an Killerasteroiden auf Kollisionskurs, den Ausbruch von Supervulkanen oder verheerende Virenepidemien à la Ebola. Aber, bitte schön, bloß keine Panik: Kosmische Einschläge sind nicht in Sicht, Supervulkane brechen nur alle paar Millionen Jahre aus, und mit schnell voranschreitender Gentechnik in Zehntausenden von ordentlich ausgestatteten Forschungslabors dürften die Möglichkeiten zur raschen Herstellung von Impfstoffen gegen alte und neue Erreger zunehmend besser werden.

Leider standen die Chancen auf nukleare Katastrophen wohl auch selten besser als heute – es gibt immer mehr zivile Reaktoren, und die bekannte Atomkriegs-Uhr steht auf zwei vor zwölf! Ja, Raketen-Kim, Rüpel-Donald und Rambo-Vlad wollen sich auf einmal nicht mehr gegenseitig auf den Mond bomben, sondern sind jetzt ziemlich beste Kumpel. Fragt man sich, wie lange: Zunehmende Konflikte von immer mehr Menschen bei begrenzten Ressourcen und immer schlechteren Umwelt- und Lebensbedingungen erhöhen die globalen Risiken von Konflikten und Kriegen weiter.

Und danach sieht es nun mal aus: Steigende Temperaturen und Meeresspiegel, schlechtere Böden und immer heftigere Wetterkapriolen werden die Lebensqualität für Milliarden von Menschen dramatisch verschlechtern und damit zum Risiko für die sowie schon strapazierte Weltordnung. Lebensraum und Wasser werden knapp, Wüsten dehnen sich aus, Hunger wird mittelfristig wohl wieder zunehmen – und dann wird es Not, Elend und Migrationsströme in nie gekanntem Ausmaß geben. Kriege wohl auch. Die gibt es im Kampf um Ressourcen ja schon längst. Ein globaler Atomkrieg wäre schlecht für alle, und riesige Atombomben vernichten, was man gern erobern möchte. Also werden derzeit kleine taktische Atomwaffen entwickelt; natürlich nur aus Freude an der Technik und keinesfalls, um sie später auch gezielt offensiv einzusetzen. Hoffen wir mal, dass die neuen Freundschaften der ach so starken Männer anhalten und der nervöse Abschussfinger nicht doch mal zuckt.

Gefahr Klimawandel

Und, ja klar, nach über 20-jährigem Kampf Tausender Klimaforscher wird endlich auch der Klimawandel als eigenständige globale Bedrohung gesehen. Jedenfalls von allen halbwegs vernünftigen und nicht durch eigene Interessen verblendeten Entscheidern. Endlich, nach langem, zähem Gerangel hatte sich die Welt in den Pariser Klimaverträgen im Herbst 2015 geeinigt. Auf ein gerade noch beherrschbares Szenario von einer Temperaturerhöhung von unter 2 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Etwa zwei Drittel aller schon bekannten fossilen Brennstoffe sollten dafür erst einmal im Boden bleiben, und stattdessen sollte massiv umgerüstet werden auf regenerative Energiequellen. Gott sei Dank, erstmals ein Plan! Doch der allein wird der Menschheit wenig nützen:

Erstens ist das »2 °C plus Szenario« alles andere als harmlos: Mit dieser Obergrenze hofft man, globale Katastrophen zu verhindern. Sicher ist das nicht. Zudem beziehen sich die 2 °C auf die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit; in höheren geografischen Breiten und Gebirgen wird die Temperaturerhöhung deutlich höher ausfallen, wie man jetzt schon messen kann. Mit steigenden Meerestemperaturen, schmelzenden Gletschern und Polkappen und veränderten Verdunstungsraten und Niederschlagsmengen werden sich auch bei »nur 2 °C plus« ganze Meeresströmungen und damit das Klima, die Land- und Forstwirtschaft und die Lebensbedingungen riesiger Regionen ändern. Sie tun es ja jetzt schon, bei erst etwa 1 °C plus. Die Dürre im deutschen Jahrhundertsommer 2018 ist nur ein zartes Vorspiel der immer häufiger zu erwartenden Wetterkatastrophen, bei uns und anderswo. Hurrikane werden in Zukunft viel extremer ausfallen und in bisher nicht betroffene Gebiete vordringen. Eine für das Jahr 2100 vorhergesagte Meeresspiegelerhöhung von etwa einem Meter wird ganze Inselreiche wie Kiribati oder die Malediven sowie sämtliche andere Atolle in den Fluten versinken lassen. Die Niederländer und die Norddeutschen werden ihre Küsten durch Deiche, Bollwerke und Pumpen zu schützen wissen. Andere Tiefländer wie Bangladesch, die ihre Küsten wohl nicht befestigen können, werden gnadenlos versinken. Weltweite Sandstrände, Mangrovenzonen und Flussmündungen mit Tausenden von Küstenstädten werden massiv betroffen und entweder kostspielig verbaut oder zerstört und unbewohnbar werden. Hunderte Millionen Menschen werden allein von der Erhöhung des Meeresspiegels betroffen sein, was wohl meist Verlust von Haus, Heimat und Existenz bedeuten dürfte; und das bei »nur 2 °C plus« bis zum Jahr 2100.

Zweitens erfordert schon das globale »2 °C plus Ziel« rasche, globale und massive Maßnahmen gegen den Verbrauch fossiler Energien. Deutschland etwa, der selbst ernannte Klimakönig, erreichte seine eigenen CO2-Reduktionsziele für 2016 nicht, für 2017 erst recht nicht und verfehlt sie jedes weitere Jahr immer deutlicher. Unter dem Druck der Kohleverstromer, der Diesellobby und der Industrieschutzminister knickte die einstige Klimakanzlerin Merkel ein und kassierte die eigenen CO2-Ziele für 2020. Ob andere Länder schaffen, was dem reichen Deutschland nicht gelingt? Ob sich das ehrgeizige »2 °C plus Ziel« denn erreichen ließe, wenn man es ernsthaft versuchte? Danach schaut es derzeit nicht aus. Eher nach 4 °C plus, oder sogar 6 °C plus, global. Das wäre fatal, denn dann würden sogenannte Kipppunkte erreicht werden: Die Eisschilde der Westantarktis und Grönlands würden recht flott und quasi komplett abschmelzen und die Ozeane jeweils um sechs Meter zusätzlich ansteigen lassen. Ein Horrorszenario für Milliarden Menschen! Etwa 80 Prozent der Menschheit lebt in Küstennähe, damit wäre es dann vorbei!

Gekippte Welt

Glauben Sie nicht, dass es so weit kommen könnte? Nun ja, Grönland und die Antarktische Halbinsel sind ja jetzt schon bei den Spitzenreitern in Sachen Klimaerwärmung. Riesige Gletscher und Schelfeisfelder lösen sich zu Wasserlachen auf, werden im Nu zu einer fiebrigen Pfützenlandschaft, die aussieht, als wäre sie von Hitzeviren infiziert. Haben Sie schon einmal in der Sommerhitze ein Eis am Stiel bestellt, das urplötzlich überall gleichzeitig unkontrollierbar zu schmelzen begann? Erst war noch alles schön festgefroren, doch dann gab es kein Halten mehr?

Vielleicht schon bei 2 °C plus, ziemlich sicher aber bei 4 °C plus und darüber würden die Permafrostböden Sibiriens auftauen. Gewaltige Mengen an organischen Stoffen wurden hier über Jahrtausende von Pflanzen gebildet, gigantische Mengen an CO2 als Humus und Torf gespeichert und im sauren gefrorenen Boden nicht durch Bakterien abgebaut. Taut der Boden, werden Bakterien aktiv und immer mehr Methan und andere Klimagase würden rasch freigesetzt. Sie würden den globalen Temperaturanstieg nicht nur weiter befeuern, sondern wohl auch unumkehrbar machen. Schreckensbilder einer fernen ungewissen Zukunft? Von wegen. Sibirien taut jetzt schon auf.

Haben Sie schon einmal von Methanhydrat gehört? Das ist mit Wasser unter hohem Druck zu eisähnlichen Klumpen gefrorenes Methan, es säumt die Tiefseehänge der Kontinente. Werden die Meere wärmer, tauen riesigen Mengen der im Meeresboden eingebundenen Methanhydrate. Das Methan, ein viel stärkeres Treibhausgas als CO2, blubbert zur Oberfläche und wird in der Atmosphäre zum endgültigen Kippen des Weltklimas führen. Haltlose Horrorvisionen? In flachen arktischen Gewässern taut das Methanhydrat bereits heute. Wehe, wenn das Tauwetter am Meeresboden zunimmt!

Stürme, Dürren, Fluten, ständige und immer üblere Naturkatastrophen drohen nicht nur, sie sind Realität. Das will zwar von den politisch Verantwortlichen niemand hören, aber leider zeigen das die Statistiken der großen Rückversicherer bereits klar und deutlich. Ein Klima-Anpass-Experte empfahl kürzlich Olivenhaine für das ausgedorrte Brandenburg. Was er wohl anstatt brennender Moore in England, anstatt brennender Wälder von Alaska über Kanada, Skandinavien bis ins hinterste Sibirien empfiehlt? Eisdielen für Eskimos, Miniröckchen für Schotten und mehr Freibäder in der Tundra und Taiga? Und was pflanzen wir anstatt der brennenden Wälder um das Mittelmeer? Lustige Sanddünen zum Skifahren? Und sicherlich käme es nicht nur in einer noch viel wärmeren Welt als heute sehr bald auch zu Verteilungskämpfen und Konflikten ums nackte Überleben. Noch nicht bei uns, in Europa oder gar im stabil brummenden Wachstumsmotor Deutschland, aber bereits in vielen immer trockeneren und heißeren Gebieten der Erde.

Wenn Sie bitte irgendetwas aus der Lektüre dieses Buches mitnehmen, dann das: Das mit dem Anpassen an eine durchschnittlich 4 bis 6 °C heißere Welt wird nichts! In so einem Backofen möchten und könnten ich oder Sie nicht leben. Die Klimaanlagen hochdrehen hilft nichts, denn Infrastruktur und Komfort gibt es dann nicht mehr. Jedenfalls nicht für mich oder Sie – falls Sie nicht mit ein paar Multimillionären in exklusiven und militarisierten Bunkern auf das Ende des Albtraums harren, das aber nicht so schnell kommen wird. In einer solch apokalyptisch heißen, rapide und völlig veränderten Welt mit Milliarden von Notleidenden, Besitzlosen und ihrer Heimat Entwurzelten können sich vielleicht ein paar Menschen unter höchstem Aufwand für eine Weile retten. Aber es könnten keine sieben oder zehn Milliarden Menschen überleben, keine zivilisierte Menschheit überdauern. Uns allen muss klar sein oder endlich klar werden, dass die Klimaoption »weiter so« keine Option ist!

Drittens beeinflusst der Klimawandel auch biologische Systeme – und an die hatte bisher kaum jemand gedacht. Mehr als 4 °C plus in kurzer Zeit, und die Wälder und Riffe sterben überall großflächig ab. Was das bedeutet? Aus die Maus, Schluss mit lustig, Endstation für die Zivilisation! Da brauchen wir gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Aber wie sieht es bei »nur« 2 °C plus mit den Lebewesen und ihren Lebensgemeinschaften aus?

Ski und Biologie gut bei 2 °C plus?

Weniger Schneeschippen im Winter, angenehmes Badewetter im Sommer, eine noch etwas frühere Apfelblüte, also alles bestens? Von wegen! Das von Klimaforschern gerade noch tolerierbare »2 °C plus Szenario« für 2100 hat es biologisch in sich. Die Welt ändert sich, die Lebensbedingungen für Organismen ändern sich an Land und in den Ozeanen. Alle Lebewesen sind evolutiv an bestimmte Umweltbedingungen angepasst, bewohnen einen für sie passenden Lebensraum. Ändert sich dieser, etwa weil es wärmer wird, wird das ertragen, es wird ausgewandert in kältere Gebiete oder gestorben.

Wenn die arktische Eiskappe schmilzt, sie hat sich eh schon auf etwa die Hälfte reduziert, war’s das wohl mit den süßen Eisbärchen. Schlimm? Ja, definitiv. Und was passiert derweil mit artenreichen Korallenriffen, dem Meeresplankton, den Bewohnern der Tiefsee, der Regenwälder, der Blumenwiesen, Äcker und Böden? Kaum jemand weiß bisher Bescheid. Was ändert sich in der Flora und Fauna Deutschlands, Europas und der Welt? Und was sind die Konsequenzen für uns Menschen? Genau davon handelt dieses Buch.

Womöglich kann die Zivilisation mit einer gerösteten Erde gemäß des »2 °C plus Ziels« noch irgendwie umgehen? Womöglich werden aber die Kipppunkte auch mit einem »2 °C plus Ziel« schon erreicht? Das kann niemand ausschließen. Wenn wir es zweifelsfrei feststellen, wird es zu spät für die Menschheit sein. Womöglich ergeben sich selbst beim »2 °C plus Ziel«, an das kaum jemand mehr glauben mag, schon ganz andere Komplikationen, mit denen die chemisch-physikalischen Modelle nicht gerechnet haben?

Ja, die wird es geben. Diese anderen Komplikationen sind biologischer Natur. Die Biologie, die Lebensformen samt ihrer Ökosysteme, drohen zu kippen, die belebte Natur stirbt. Der Mensch dann auch.

Erst stirbt die Natur, dann der Mensch

Und zwar sehenden Auges, durch unsere eigene Dummheit! Kennen Sie die Krimis, in denen arme, planlose Opfer trotz vielerlei Zeichen und Warnungen scheinbar wie ferngesteuert in immer düstere Winkel vordringen und ihre Chance auf Rettung mit jedem Schritt und jeder Entscheidung immer weiter verschlechtern – bis zum bitteren Ende? Angst, Panik, irgendwie erscheint uns die fatale Verkettung schlechter Entscheidungen verständlich, wir fühlen mit.

»Ein moderner Diesel reinigt sozusagen die Luft.«

nach VW-Entwicklungschef Ulrich Eichhorn

Was wir Menschen derzeit mit unserem Planeten anstellen, ist aber kein Krimi, nicht einmal tragisch oder komisch, sondern eher eine geschmacklose Soap aus dem Nachmittagsprogramm der Privatsender. Wenn uns Außerirdische beobachten könnten, sie unseren schlechten Film »Menschheit im 21. Jahrhundert« ansehen müssten, ihnen würden die Chips nicht mehr schmecken. So billig und doof erschiene ihnen das, was sie anschauen müssten. Sie würden ungläubig ihre Köpfe schütteln, falls sie welche haben, und sich fassungslos fragen: »Nicht mal die Menschen können so viel über so lange Zeit immer wieder noch falscher machen, oder?«

Die »gute« Nachricht: Diesen Film wird es in der ursprünglich geplanten Länge nicht geben. Egal ob »2 °C plus Ziel« oder »4 °C plus Ziel«, das Jahr 2100 ist für unsere Zivilisation nicht relevant. Es wird ein Kurzfilm werden.

Die schlechte Nachricht: Es ist kein Film, keine Realitysoap, alles ist echt. Die belebte Natur, die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln, mit Lebensraum und menschenwürdigen Lebensbedingungen, ja, auch die Weltwirtschaft und die politischen Systeme fliegen uns schon viel früher um die Ohren: etwa im Jahr 2050 bei einem »2 °C plus Ziel« nach Pariser Abkommen und planmäßigem Umstieg auf nachhaltiges Wirtschaften. Und wohl schon um 2030 herum, wenn wir weitermachen, wie bisher. Das war’s dann mit uns, unseren Kindern, unseren Freunden und unseren Träumen.

Glauben Sie nicht? Dann »viel Spaß« bei der weiteren Lektüre. Wollen Sie nicht glauben? Ich auch nicht, aber lesen und urteilen Sie selbst.

Noch eine schlechte Nachricht: Es gibt kein Zurück. Biologische Systeme regenerieren sich gar nicht oder nur sehr langsam. Tot ist tot. Ausgestorben bleibt ausgestorben. Und verlorene Ökosystemleistungen bleiben verloren.

Das übelste Problem unserer Zeit

Ökosystemleistungen? Das bedeutet, dass die Gemeinschaften aus Tieren, Pflanzen und Mikroben funktionieren, also etwa gesunde Meere, Wälder oder Wiesen Sauerstoff, Wasser und Nahrung liefern. Unsere Lebensgrundlage. Wir zerstören sie gerade – schnell, gründlich und endgültig.

Warum bemerken wir das noch nicht? Natürliche Systeme sind oft sehr komplex und funktionieren weiter, auch wenn ein paar Bienchen und Blümchen ausfallen. Fehlt etwa ein Element des Nahrungsnetzes, eine Meeresalge, ein spezielles Gras oder eine bunte Heuschrecke, fällt es vielleicht den Biologen oder Naturliebhabern auf, aber es gibt noch genug Ersatz, andere Arten übernehmen die Aufgabe, wenn auch meist nicht ganz. Fehlt ein Mosaiksteinchen, stört es den geübten Betrachter bereits, aber man erkennt das Bild trotzdem noch. Fehlen