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Heute in Winterträumen bin ich ein Schiff / in einem dunstigen Kanal mit Gegenverkehr. Ist da ein Streifen, wo am Horizont,/ bitte lippenrot, nicht wundenrosa? "Nichts behält seine Gestalt / und nichts geht verloren", heißt es im Auftaktgedicht "An eine Dreizehnjährige" in Dirk von Petersdorffs neuem Lyrikband. Das liebevoll beobachtende, detailreiche, ebenso fein ironische wie unerschrockene Gedicht über die Tochter mit seinem melancholischen Unterton gibt die Stimmung vor für die ganze Sammlung: "Aus deinem Zimmer trage ich / einen Joghurtbecher mit Schimmelkultur / und ein Müsli, hart geworden / wie Mörtel: Man könnte ein Haus damit bauen./ Du aber willst kein Haus, sondern auswandern." Schwellen zum Leben, zum Tode, Abschiede und Ankünfte, alte und neue Liebe, die Gegenstände des Alltags und die der Pop- wie der Hochkultur, August Macke und das Skateboard: Dirk von Petersdorff ist der Lyriker einer unabgeschlossenen Gegenwart, die sich dem Ältesten verwandt fühlt, in ihm aber trotzdem keine rückhaltlose Geborgenheit finden kann. Nachdenklich und im souveränen Umgang mit dem Formenreichtum der lyrischen Überlieferung ein Genuss, feine Fangnetze, die die Transformationen der Gegenwart zu fassen vermögen: Die Gedichte dieses Bandes sind kleine poetische Studien der Verwandlung.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Dirk von Petersdorff
Unsere Spiele enden nicht
Gedichte
C.H.Beck
«Nichts behält seine Gestalt/und nichts geht verloren», heißt es im Auftaktgedicht «An eine Dreizehnjährige» in Dirk von Petersdorffs neuem Lyrikband. Das liebevoll beobachtende, detailreiche, ebenso fein ironische wie unerschrockene Gedicht über die Tochter mit seinem melancholischen Unterton gibt die Stimmung vor für die ganze Sammlung: «Aus deinem Zimmer trage ich/einen Joghurtbecher mit Schimmelkultur/und ein Müsli, hart geworden/wie Mörtel: Man könnte ein Haus damit bauen./Du aber willst kein Haus, sondern auswandern.»
Schwellen zum Leben, zum Tode, Abschiede und Ankünfte, alte und neue Liebe, die Gegenstände des Alltags und die der Pop- wie der Hochkultur, August Macke und das Skateboard: Dirk von Petersdorff ist der Lyriker einer unabgeschlossenen Gegenwart, die sich dem Ältesten verwandt fühlt, in ihm aber trotzdem keine rückhaltlose Geborgenheit finden kann. Nachdenklich und im souveränen Umgang mit dem Formenreichtum der lyrischen Überlieferung ein Genuss, feine Fangnetze, die die Transformationen der Gegenwart zu fassen vermögen: Die Gedichte dieses Bandes sind kleine poetische Studien der Verwandlung.
lebt in Jena, wo er an der Friedrich-Schiller-Universität lehrt. Er veröffentlichte u.a. Essays, die Erzählung «Lebensanfang» (2007), den Roman «Wie bin ich denn hierhergekommen» (2018) und mehrere Gedichtbände, zuletzt «Sirenenpop» (2014). Er erhielt u.a. den Kleist-Preis und den Preis der LiteraTour Nord. Er ist auch der neue Herausgeber des «C.H.Beck Gedichtekalenders».
Familien
An eine Dreizehnjährige
Brücken
Die durchgeschnittene Saite
Über der Bucht von La Spezia
Volleyballdreieck
Abwehrschirme
Franziska in Omas leerem Bungalow
August Macke: «Nach dem Essen» (1913)
Väter und Söhne beim Fußball
Schwestern
Fang auf
Wir würfeln
Juni-Schwermut
Liebesmorgen
Im Museo Chiaramonti in Rom
Kühlendes Laken
Ford-Transit-Song
Weniger ist mehr, ganz wenig ist alles
Fragen zu einer Augustnacht
Metamorphosen im Bad
Fahrt nach Norden
An der Wasserkante
Feuerquallen
Liebesmorgen
An der Schleuse
Verlorenheit, du bist ein Jahrmarkt
Fruchtgummi
Schwimmkurs
Höhlenbau am Bahndamm
Fastfrühling
Vorm Einschlafen
Kurzbiografie
Ergänzung
Wie heißt dieses Blau?
An der Schleuse
Mohairpullover
Abstrakte Party
Schlafsack am Strand
Beim Wiedersehen von «Zurück in die Zukunft»
Meditationen
Aufwachen mit Vogelstimmen
Der Olympiahügel in München
Anschub
Pinien
Beim Olivenbaum
Tagesform
Eiche mit Efeu
Seine Karriere
Beim Holzhacken
Schnick-Schnack-Schnuck
Deutsch lernen
Grenzen (Abendmeditation)
Weißes Papier
Das alte Gehirn
Akupunktur
Schiff aus Steinen
Mein Lieblingsritter
Fahrrad im Winter
Wenn du morgens in die Küche kommst,
schaust du wie eine Eule,
in den helllichten Tag versetzt.
Diese Arme, die an dir hängen,
mit denen du schlenkerst, sind deine Arme.
Ein Tag widerspricht dem anderen:
Deine Haare bürstest du nie –
ununterbrochen bürstest du deine Haare.
Als Rätsel mit Locken
hockst du stundenlang
in unseren Sessel gefaltet, die Beine verknotet,
und aus diesem Sesselnest lächelst du
oder finsterst herab, wie der Himmel,
endlos grau – tiefstes Blau –
Warum? «Einsilbig» heißt,
alle Fragen mit einer Silbe
oder einem Knurren zu beantworten.
Denn du hast anderes zu tun,
du schnaufst, prustest, du heulst und lachst,
alles zugleich, und so sagst du die Wahrheit
über uns, denn so unfertig
sind wir auch, im Übergang, auch wir
verpuppen uns, werfen ständig etwas ab –
wie du deine Schaffelljacke,
die ich überall im Haus finde, aufsammle
und in dein Zimmer trage.
Im Sommer schlurfst du als November herum,
aber mitten im Winter