Unternehmensbewertung case by case - Michael Hommel - E-Book

Unternehmensbewertung case by case E-Book

Michael Hommel

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Beschreibung

Um den Studierenden die theoretischen Grundlagen der Unternehmensbewertung näher zu bringen, wird die komplexe Materie anhand von praxisorientierten Fällen (eben case by case) veranschaulicht. Ausgehend von den notwendigen Grundlagen der Investitions- und Finanzierungsrechnung erfolgt die ausführliche Darstellung der anzuwendenden Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung zur Ermittlung individueller Entscheidungswerte. Gängige substanz- und vergleichsorientierte Bewertungsmethoden sowie die Discounted-Cashflow-Verfahren werden anhand einzelner Fälle detailliert beschrieben und gewürdigt.

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Seitenzahl: 516

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Unternehmensbewertung case by case

von

Dr. Michael Hommel

o. Professor an der Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Dr. Inga Dehmel

Professorin an der Hochschule Harz, Hochschule für angewandte Wissenschaften,Wernigerode/Halberstadt

8., aktualisierte Auflage 2021 mit 14 Abbildungen und 91 Tabellen

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

1. Aufl. 2005 · ISBN        3-8252-2634-4 (Hommel/Braun)

2. Aufl. 2006 · ISBN 978-3-8252-2634-3 (Hommel/Dehmel, geb. Braun)

3. Aufl. 2008 · ISBN 978-3-8252-2634-3 (Hommel/Dehmel, geb. Braun)

4. Aufl. 2009 · ISBN 978-3-8005-5014-2 (Hommel/Dehmel, geb. Braun)

5. Aufl. 2010 · ISBN 978-3-8005-5021-0 (Hommel/Dehmel, geb. Braun)

6. Aufl. 2011 · ISBN 978-3-8005-5023-4 (Hommel/Dehmel, geb. Braun)

7. Aufl. 2013 · ISBN 978-3-8005-5030-2 (Hommel/Dehmel, geb. Braun))

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1771-8

© 2021 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druckvorstufe: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, 69502 Hemsbach

Druck und Verarbeitung: WIRmachenDRUCK GmbH, Mühlbachstraße 7, 71522 Backnang

Vorwort zur 8. Auflage

„Es gibt nichts Beständigeres als die Unbeständigkeit.“ Diese Erkenntnis von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen gilt auch für die Methoden der Unternehmensbewertung. Obwohl hier die Grundzüge der dominierenden Bewertungsmethoden (Ertragswert- und Discounted Cashflow-Verfahren) gefestigt erscheinen, werden sie im Detail von der Wissenschaft, der Praxis und der Rechtsprechung permanent in Frage gestellt, weiterentwickelt und umformuliert. So haben das Debt Beta und die Wertfindung mittels Roll-Back in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und das Bundesverfassungsgericht schwächte in der Zwischenzeit die Bedeutung der vereinfachenden, substanzwertorientierten Bewertungstechniken, indem es dem Stuttgarter Verfahren die Legitimation für das Steuerecht entzog.

Neben den konzeptionellen Änderungen führen uns allen die letzten, turbulenten Börsenjahre und die lang anhaltende Niedrigzinsphase mit Negativzinsen deutlich vor Augen, wie schnell gut gemeinte und durchdachte Bewertungstools, wie das Capital Asset Pricing Model, an ihre praktischen Grenzen stoßen, so dass ihre unreflektierte Anwendung zwar zu modelltheoretisch eleganten, aber häufig auch zu falschen Bewertungsergebnissen führt. Und die Corona-Pandemie verdeutlich einmal mehr, wie überraschend unkalkulierbar die Zukunft ist.

Auch in der aktualisierten 8. Auflage sind wir unserem Lehrkonzept treu geblieben. Natürlich haben wir in ihr die Entwicklungen in der Literatur aufgenommen. Inhaltlich stehen dort – wie auch in unserem Buch – nach wie vor die Ertragswertverfahren und die DCF-Methoden im Fokus. Dabei ist es uns wichtiger, den Lesern und Leserinnen (und angehenden Unternehmensbewerter:innen) aufzuzeigen, was sie tun, wenn sie bestimmte Verfahren anwenden und an welche Grenzen sie dabei stoßen, als die im Umlauf befindlichen Bewertungsmodelle mit allen ihren Spielarten umfassend darzustellen. Die ökonomische Auseinandersetzung mit den einzelnen Bausteinen der Standardmodelle nimmt deshalb einen breiten Raum ein. Wie in der Vorauflage veranschaulichen wir, soweit möglich, die einzelnen Bewertungsverfahren mit ihren zentralen Abwandlungen an durchgängigen Beispielen und räumen dabei der kritischen Auseinandersetzung mit den jeweils getroffenen zentralen Bewertungsannahmen einen hohen Stellenwert ein. Wir hoffen, dass auch diese Auflage den Zugang zur Unternehmensbewertung und den gängigen Bewertungstechniken mit all ihren Vor- und Nachteilen erleichtert.

Unser besonderer Dank gebührt Frau Noellè-Alicia Stein, M.Sc. für ihren akribischen und unermüdlichen Einsatz beim Erstellen der Neuauflage. Sie wurde dabei tatkräftig unterstützt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Frankfurter Lehrstuhls und der Hochschule Harz: Herr Carsten Conrad, Frau Uta Halwas-Bruckner, Frau Dr. Theresa Ummenhofer, Herr Dr. Nicholas Zeitler und Frau Sabrina Schmidt. Auch ihnen gebührt unser Dank. Auf Seiten des Verlags Recht und Wirtschaft danken wir besonders Frau Dipl.-Ök. Gabriele Bourgon. Sie hat bereits die Erstauflage aus der Taufe gehoben, mit uns über die Jahre hinweg aufkommende „Kinderkrankheiten“ bekämpft. Ebenfalls danken wir Frau Nadine Grüttner – sie hat uns bei dieser Auflage mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Frankfurt am Main, im März 2021

Inga Dehmel

Michael Hommel

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Kapitel: Grundkonzeption der Unternehmensbewertung

Fall 1: Barwert, Ertragswert und Rentenbarwertfaktor

Fall 2: Zweckabhängige Unternehmensbewertung: Ermittlung von Entscheidungs- und Schiedswerten

Fall 3: (Ir-)Relevanz der Substanz

Fall 4: Objektivierter Unternehmenswert gemäß IDW S 1

Fall 5: Multiplikatorverfahren

2. Kapitel: Ertragswertverfahren – Zwei-Phasen-Modell und Inflation

Fall 6: Ertragswertverfahren im Zwei-Phasen-Modell

Fall 7: Unternehmensbewertung bei Inflation: Kaufkraftäquivalenzprinzip

3. Kapitel: Ertragswertverfahren – Unternehmensbewertung und Steuern

Fall 8: Relevanz von Steuern: Verfügbarkeitsäquivalenzprinzip und Steuerparadoxon

Fall 9: Unternehmensbewertung im vereinfachten deutschen Steuersystem

Fall 10: Besonderheiten der Kursgewinnbesteuerung im deutschen Steuersystem

4. Kapitel: Ertragswertverfahren – Cashflow-Ermittlung

Fall 11: Vergangenheitsanalyse

Fall 12: Prognoserechnung

5. Kapitel: Ertragswertverfahren – Berücksichtigung des Risikos

Fall 13: Problematik der Risikoäquivalenz

Fall 14: Sicherheitsäquivalenzmethode

Fall 15: Individuelle Risikozuschlagsmethode

I. Erläuterung: Grundkonzeption der individuellen Risikozuschlagsmethode

Fall 16: Vergleich von Sicherheitsäquivalenz- und individueller Risikozuschlagsmethode

Fall 17: Marktorientierte Risikozuschlagsmethode

Fall 18: Ermittlung des Beta-Faktors

6. Kapitel: Einfluss von Verschuldung und Unternehmensbesteuerung auf die marktorientierte Unternehmensbewertung

Fall 19: Einfluss der Verschuldung auf den Marktwert des Eigenkapitals

Fall 20: Einfluss der Unternehmensbesteuerung auf den Marktwert des Eigenkapitals

7. Kapitel: Discounted-Cashflow-Verfahren

Fall 21: Free Cashflow, Total Cashflow und Flow to Equity

Fall 22: DCF-Verfahren im Überblick

Fall 23: Autonome und wertorientierte Finanzierungspolitik

Fall 24: Equity-Verfahren bei autonomer Finanzierungspolitik (Roll-Back-Verfahren)

Fall 25: Einkommensteuer im DCF-Modell*

Fall 26: Vergleich von DCF- und EVA-Verfahren

Sachregister

Autorenprofile

Hinweise zum Download der Vertiefungsaufgaben

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

anderer Auffassung

Abs.

Absatz

abzgl.

abzüglich

AER

The American Economic Review (Zeitschrift)

AG

Aktiengesellschaft

AK

Anschaffungskosten

AktG

Aktiengesetz

a.M.

am Main

APV

Adjusted Present Value

Aufl.

Auflage

Aufw.

Aufwand, Aufwendungen

AV

Anlagevermögen

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BilRuG

Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz

Bio.

Billion(en)

BStBl.

Bundessteuerblatt

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

c.p.

ceteris paribus

CAPM

Capital Asset Pricing Model

CDAX

Composite DAX

CNN

Cable News Network

CoStHG

Corona-Steuerhilfegesetz

DAX

Deutscher Aktienindex

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

DCF

Discounted Cashflow

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

dies.

dieselben

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

EBIT

Earnings Before Interest and Taxes

EBITDA

Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization

EBT

Earnings Before Taxes

ESt

Einkommensteuer

EStG

Einkommensteuergesetz

et al.

et alteri, et alii

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EVATM

Economic Value Added (eingetragenes Warenzeichen der Stern Stewart Company)

EZB

Europäische Zentralbank

FAUB

Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft

FB

Finanz Betrieb (nunmehr: Corporate Finance) (Zeitschrift)

FCF

Free Cashflow

ff.

fortfolgende

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

FTE

Flow to Equity

FTSE MIB

Financial Times Stock Exchange Milano Italia Borsa

GAAP

Generally Accepted Accounting Principles

GewSt

Gewerbesteuer

GewStG

Gewerbesteuergesetz

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GoB

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

HARA

hyperbolische absolute Risikoaversion

HBR

Harvard Business Review (Zeitschrift)

HGB

Handelsgesetzbuch

HK

Herstellungskosten

Hrsg.

Herausgeber

i.d.F.

in der Fassung

i.d.R.

in der Regel

i.H.v.

in Höhe von

IAS

International Accounting Standard(s)

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

IDW ES 1

Entwurf des IDW Standards 1

IDW-FN

IDW Fachnachrichten

IDW S 1

IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (i.d.F. 2008)

IFRS

International Financial Reporting Standard(s)

inkl.

inklusive

insb.

insbesondere

int. ed.

international edition

JACF

Journal of Applied Corporate Finance (Zeitschrift)

JBF

Journal of Banking & Finance (Zeitschrift)

JFE

Journal of Financial Economics (Zeitschrift)

JFQA

Journal of Financial and Quantitative Analysis (Zeitschrift)

Jg.

Jahrgang

JoB

Journal of Business (Zeitschrift)

JoF

Journal of Finance (Zeitschrift)

KG

Kommanditgesellschaft

KSt

Körperschaftsteuer

KStG

Körperschaftsteuergesetz

LG

Landgericht

LiFo

Last in – First out

Ltd.

Limited

LuL

Lieferungen und Leistungen

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MSc

Management Science (Zeitschrift)

Mio.

Million(en)

Mrd.

Milliarde(n)

N/A

not applicable

NBER

National Bureau of Economic Research

NOPAT

Net Operating Profit after Taxes

NOPLAT

Net Operating Profit Less Adjusted Taxes

Nr.

Nummer

NTJ

National Tax Journal (Zeitschrift)

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

p.a.

pro anno, per annum

rd.

rund

REconStat

Review of Economics and Statistics (Zeitschrift)

REXP

Deutscher Rentenindex

rkr.

rechtskräftig

Rn.

Randnummer

RWZ

Zeitschrift für Recht und Rechnungswesen

S.

Seite

S&P

Standard & Poor’s

sog.

so genannt, -e, -er, -es

Soli

Solidaritätszuschlag

SolzG

Solidaritätszuschlaggesetz

Sp.

Spalte

ST

Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift)

stpfl.

steuerpflichtig

SWOT

Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats

TAR

The Accounting Review (Zeitschrift)

TCF

Total Cashflow

u.a.

unter anderem

UntSt

Unternehmensteuer

US

United States

USA

United States of America

US-GAAP

United States Generally Accepted Accounting Principles

v.H.

vom Hundert

vgl.

vergleiche

VW

Volkswagen Aktiengesellschaft

WACC

Weighted Average Cost of Capital

WC

Working Capital

WiSt

Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)

WISU

Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift)

WP

Wirtschaftsprüfer

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

z.B.

zum Beispiel

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

zfbf

Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

ZfhF

Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung

zzgl.

zuzüglich

Symbolverzeichnis

1. Kapitel: Grundkonzeption der Unternehmensbewertung

Fall 1: Barwert, Ertragswert und Rentenbarwertfaktor

Sachverhalt:

Herr Glück kauft im Dezember 2019 von seinem Weihnachtsgeld (5 000 Euro) Lose der Klassenlotterie. Er macht seinem Namen alle Ehre, zieht den Hauptgewinn und erhält von der Lotterie fünf Jahre lang, jeweils am Jahresende und beginnend am 31.12.2020, einen Betrag von 40 000 Euro. Mit dem Losgewinn erfüllt sich Herr Glück einen lang gehegten Traum. Er bucht im Reisebüro unverzüglich eine Weltreise im Wert von 200 000 Euro. Leider kann er die Reise nicht in bar bezahlen. Deshalb finanziert er die Reise bei seiner Hausbank durch die Aufnahme eines Kredits, den er aus dem Lottogewinn zurückzahlen will. Die Hausbank verlangt 10 % Zinsen p.a.

Aufgabenstellung:

– Definieren Sie den Barwert, den Ertragswert und den Kapitalwert eines Zahlungsstroms, und berechnen Sie den Ertragswert und den Kapitalwert für den Sachverhalt! Wieso übersteigen die Kosten für die Reise den Wert des Lottogewinns?

– Gehen Sie nun davon aus, dass die Lottogesellschaft Herrn Glück (jeweils am Jahresende) in den ersten zehn Jahren eine Rente von 8 000 Euro überweist, dann 15 Jahre lang einen Betrag von 7 000 Euro und schließlich fünf Jahre lang einen Betrag von 3 000 Euro. Nach diesen 30 Jahren enden die Zahlungen. Berechnen Sie den Ertragswert unter Einsatz des Rentenbarwertfaktors!

– Unterstellen Sie nun, dass Herr Glück den Lottogewinn nicht für eine einzige Weltreise verwenden will, sondern fünf Jahre lang (jeweils am Jahresende) der europäischen Kälte entfliehen und einen Kurzurlaub auf den Malediven verbringen möchte. Wie teuer darf der Urlaub pro Jahr ausfallen, damit ihn Herr Glück aus dem Lottogewinn der Fallabwandlung (Auszahlung über 30 Jahre) gerade noch finanzieren kann? Berechnen Sie den Betrag unter Einsatz der Annuitätenmethode!

II.Rentenbarwertfaktor

1.Erläuterung

Der Rentenbarwertfaktor erleichtert das Berechnen des Ertragswerts. Er erlaubt es dem Bewerter, bestimmte Zahlungen zusammenzufassen und ihren Barwert in einem einzigen Rechenschritt zu ermitteln. Die Verwendung des Rentenbarwertfaktors (Rbf) setzt aber voraus, dass konstante Zahlungsströme (Cashflows in Form einer Rente) über eine bestimmte Anzahl von zusammenhängenden Perioden vorliegen und ein gleichbleibender Diskontierungszinssatz anzuwenden ist. In diesem Fall berechnet sich der Ertragswert der Rente zu Beginn des Rentenzeitpunkts mit:11

Der Rentenbarwertfaktor kann – bei Vorliegen eines in der Höhe konstanten Zahlungsstroms CF (Rente) über T Perioden und einem gleichbleibenden Diskontierungszinssatz – direkt aus der Gleichung (1) – Ertragswertformel – abgeleitet werden:12

Der Zeitindex (t) im Zähler kann dann entfallen, so dass gilt:

Werden nun beide Seiten der Gleichung mit (1 + i) multipliziert, so resultiert daraus:

Wird nun von dieser Gleichung die vorige subtrahiert, so folgt:

Und die Gleichung vereinfacht sich zu:

Wird nun der erste Term auf der rechten Seite (CF) mit erweitert, so ergibt sich:

Die Multiplikation der beiden Seiten der Gleichung mit führt zu:

Das Ausklammern von CF liefert die Formel zur Berechnung des Ertragswerts mithilfe des Rentenbarwertfaktors (Gleichung (5)):

2.Anwendung auf den Fall: Ertragswert und Rentenbarwertfaktor des Glücksspielgewinns von Herrn Glück

Herr Glück erhält aus dem Lottogewinn drei Zahlungsreihen: Zehn Jahre lang 8 000 Euro (beginnend am 31.12.2020), 15 Jahre lang 7 000 Euro (beginnend am 31.12.2030) und fünf Jahre lang 3 000 Euro (beginnend am 31.12.2045).

Der Bewerter kann den Barwert dieser Zahlungen im Einzelnen – Schritt für Schritt – ermitteln:

Er muss dann aber dreißig Zwischenwerte errechnen. Einfacher löst sich die Aufgabe unter Einsatz des Rentenbarwertfaktors. Der Rentenbarwertfaktor beträgt bei einem konstanten Alternativzins von 10 % und

– bei einer Periode von zehn Jahren:

– bei einer Periode von 15 Jahren:

– bei einer Periode von fünf Jahren:

Dabei ist noch zu beachten, dass der Bewerter unter Einsatz des Rentenbarwertfaktors einen Wert erhält, der dem Barwert der nachschüssig gezahlten gleichbleibenden Zahlungen zu Beginn des jeweiligen Zahlungszeitraums entspricht, ab dem die bewerteten konstanten Zahlungen fließen. Während also unter Verwendung des Rentenbarwertfaktors der Bewerter für die Zahlungen der ersten zehn Jahre den Barwert dieser Cashflows zum Bewertungsstichtag (1.1.2020) erhält, bezieht sich der Barwert des zweiten kontinuierlichen Zahlungszeitraums auf den 1.1.2030 und der Barwert der letzten Zahlungsperiode auf den 1.1.2045. Diese Barwerte sind ihrerseits noch einmal abzuzinsen, um zum Ertragswert des Lottogewinns zu gelangen. (Bei exakter Berechnung – ohne Rundung – ergibt sich der zuvor ermittelte Betrag.)

1

Vgl.

Kruschwitz/Lorenz

, Investitionsrechnung (2019), S. 74–76.

2

Vgl.

Hachmeister

, Der Discounted Cash Flow als Maß der Unternehmenswertsteigerung (2000), S. 92–93.

3

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 128.

4

Vgl.

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 130.

5

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 134.

6

Vgl.

Brealey/Myers/Allen

, Principles of Corporate Finance (2020), S. 20–28;

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 128.

7

Vgl.

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 129.

8

Vgl.

Kruschwitz/Lorenz

, Investitionsrechnung (2019), S. 74–75.

9

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 133–134.

10

Vgl.

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 137.

11

Vgl.

Kruschwitz/Lorenz

, Investitionsrechnung (2019), S. 59–62.

12

Vgl. zum Folgenden auch

Kruschwitz/Lorenz

, Investitionsrechnung (2019), S. 59–60.

13

Schmidt/Terberger

, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie (2006), S. 138.

14

Vgl.

Kruschwitz/Lorenz

, Investitionsrechnung (2019), S. 70–72.

Fall 2: Zweckabhängige Unternehmensbewertung: Ermittlung von Entscheidungs- und Schiedswerten

Sachverhalt:

Steuerberater Heinrich Tippe hat kürzlich seinen 92. Geburtstag gefeiert und sich auf Drängen seiner Enkel entschlossen, etwas kürzer zu treten. Deshalb plant er den Verkauf seiner Steuerberatungskanzlei zum 31.12.2019. Die Bilanz seiner Kanzlei hat folgendes Aussehen:

Tabelle 4: Bilanz der Kanzlei „Tippe“

Bilanz (in €) zum 31.12.2019

Software, Lizenzen

40 000

Eigenkapital

187 000

Grundstück Neudorf

100 000

Jahresüberschuss

25 000

Betriebsausstattung

158 000

Rückstellungen

3 000

Forderungen aus LuL

7 000

Verbindlichkeiten aus LuL

5 000

Bank und Kasse

15 000

Bankdarlehen

100 000

Bilanzsumme

320 000

Bilanzsumme

320 000

Die zugehörige Kapitalflussrechnung (Cashflow-Rechnung) weist das nachstehende Bild auf:

Tabelle 5: Cashflow-Rechnung der Kanzlei „Tippe“

Cashflow-Rechnung (in €)

2019

Honorareinzahlungen

360 000

Honorare Vereine

0

Miete Neudorf

8 000

Summe Einzahlungen

368 000

Löhne

224 000

Büromieten

42 000

Fachliteratur

15 000

Telefon, Porto

4 000

Grundstücksauszahlungen Neudorf

3 000

Ersatzinvestitionen in das AV

10 000

Sonstige laufende Auszahlungen

39 000

Zinsauszahlungen

6 000

Summe Auszahlungen

343 000

Nettocashflow

25 000

I.Grenzpreisberechnung

1.Erläuterung

a)Zweckadäquanzprinzip

„Bewertung [ist] nur als Vergleich möglich“, indem der potenzielle „Preis des Bewertungsobjekts anhand des Preises eines (geeigneten) Vergleichsobjekts“ bestimmt wird. Dabei wird rasch offensichtlich, dass es den einen, richtigen Unternehmenswert nicht geben kann. Ein „Bewertungsobjekt kann grundsätzlich [schon] so viele unterschiedliche Werte haben, wie sich unterschiedliche Vergleichsobjekte denken lassen“15. Zudem ist die Unternehmensbewertung subjektiv und unsicher. Jeder (potenzielle) Investor hat unterschiedliche Möglichkeiten, die Nettocashflows eines Unternehmens positiv (oder auch negativ) zu beeinflussen. Jeder hat unterschiedliche Erwartungen über die Entwicklung der Umweltfaktoren (z.B. Euroentwicklung), der Branche, in der sich das Unternehmen bewegt, und der Konkurrenten und Produkte, mit denen es zu tun hat. Daraus ergeben sich ganz verschiedene Schätzungen der zukünftigen Ein- und Auszahlungen. Jeder (potenzielle) Investor hat ganz eigene Vorstellungen über die Höhe der Wahrscheinlichkeit, mit der mögliche Szenarien eintreten werden, und gewichtet sie aufgrund seiner individuellen Risikoneigung. Auch stehen jedem Investor unterschiedliche differenzierte Anlageportfolios offen. Bei dem einen Investor fügt sich z.B. das (neue) Unternehmen ideal in das vorhandene Investitionsportfolio ein und schafft allein dadurch einen Mehrwert. Ein anderer Investor betreibt vielleicht schon ein anderes Unternehmen (z.B. Ökogeschäft) und muss bei dem Kauf des neuen Unternehmens (z.B. Sportwagenhersteller) mit negativen Synergien rechnen, weil sich seine Stammkunden an dem hinzuerworbenen Geschäftsmodell stören und abwandern. Schließlich verfügt jeder (potenzielle) Investor über eine für ihn beste alternative Mittelanlage, die den Wert der Unternehmenscashflows berührt. Nicht zuletzt werden Unternehmensbewertungen aus den unterschiedlichsten Gründen vorgenommen. Die Bewertung kann u.a. erforderlich werden

– wegen eines geplanten (Ver-)Kaufs des Unternehmens,

– aufgrund gesetzlicher Vorschriften (z.B. bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags zur Abfindung der Minderheitsaktionäre16 oder bei Squeeze-Out-Verfahren17),

– aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (z.B. routinemäßige Berichte über den Unternehmenswert gegenüber der finanzierenden Großbank oder dem unternehmensfremden Shareholder),

– aus Gründen der externen oder internen Kontrolle (z.B. die Ermittlung von Unternehmens(teil)werten im Rahmen des Impairmenttest des Goodwill nach IAS 36) oder

– aus anderen Anlässen, wie z.B. steuerlichen Bewertungen anlässlich einer Schenkung oder eines Erbfalls.18

Welche Fakten und Annahmen bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden, hängt entscheidend von dem Zweck der Bewertung ab.19 So ist es für die Höhe des Unternehmenswerts elementar, ob sich die Unternehmensbewertung an den sachkundigen Gesellschafter zur Selbstinformation richtet oder ob die Unternehmensbewertung aus steuerlichen Gründen erfolgt, um dem Finanzamt eine justiziable Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Erbschaftsteuer zu geben, die wegen des Erbes eines GmbH-Anteils anfällt. Während der Adressat im ersten Fall auf ein hoch individuelles Bewertungsgutachten Wert legen wird, das sämtliche von ihm für möglich gehaltenen Eventualitäten berücksichtigt, wird im zweiten (Erbschaftsteuer-)Fall eine objektivierte Wertermittlung dominieren müssen, denn subjektive Einschätzungen bergen ein enormes Streitrisiko zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem, und ihr Wahrheitsgehalt lässt sich vor Gericht kaum beweisen.

Entscheidend ist daher, dass sich der Bewerter zunächst Klarheit über den Bewertungszweck verschafft, bevor er – an ihm orientiert – das geeignete Bewertungsverfahren wählt (Zweckadäquanzprinzip): „Der Bewertungszweck bestimmt [...] die Wahl der Verfahrenstechnik; denn der Bewertungszweck entscheidet darüber, welches Gewicht Vereinfachungen und Objektivierungen haben.“20

b)Kölner Funktionenlehre
aa)Hauptfunktionen

Die Vertreter der Kölner Schule hoben diese Relativität der Unternehmenswerte als erste hervor und thematisierten sie. Die Kölner Schule entstand in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, basiert auf der Investitions- und Finanzierungssowie der Entscheidungstheorie und wurde in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts maßgeblich von Adolf Moxter prinzipienorientiert ausgebaut.21 Der Name der Schule leitet sich davon ab, dass ihre wesentlichen Begründer, insbesondere Münstermann, Sieben und Busse von Colbe, an der Universität zu Köln forschten und unterrichteten. Die Kölner Funktionenlehre sieht als Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung die Beratungsfunktion, die Vermittlungsfunktion sowie die Argumentationsfunktion.22 Der Unternehmensbewerter tritt „als Berater einer Partei, als Vermittler zwischen Parteien oder als Argumentationshelfer gegenüber einer Partei“23 auf. Als Nebenfunktionen seien exemplarisch die Kommunikations- bzw. die Bilanzfunktion und die Steuerbemessungsfunktion genannt.24

bb)Beratende Funktion: Ermittlung von individuellen Entscheidungswerten (Grenzpreisen)

Den Käufer interessiert, was er maximal für das Unternehmen bezahlen darf, damit sich seine finanzielle Situation nicht verschlechtert, und den Verkäufer interessiert, was er mindestens von dem Käufer verlangen muss, damit er nach dem Verkauf nicht schlechter dasteht als zuvor. Die maximale Zahlungsbereitschaft des Käufers sowie die minimale Forderung des Verkäufers werden als Grenzpreise bezeichnet.25

Grenzpreise sind Entscheidungswerte – und ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Sie werden von den Beteiligten nicht öffentlich bekannt gegeben, damit in der Verhandlung keine Verschlechterung der Ausgangsposition eintritt;26 denn der Verkäufer ist bestrebt, einen Preis zu erzielen, der über seiner Preisuntergrenze liegt, und der Käufer wird versuchen, einen Preis unterhalb seiner Preisobergrenze auszuhandeln.

Besteht die Aufgabe des Bewerters in einer beratenden Funktion, so bestimmt er den subjektiven Entscheidungswert seines Mandanten. Bei seiner Unternehmensbewertung berücksichtigt er vor allen Dingen die individuellen Erwartungen, Planungen und alternativen Anlagemöglichkeiten des Investors und ermittelt auf diese Art und Weise für den Käufer den maximal zu zahlenden Kaufpreis bzw. für den Verkäufer den minimal zu fordernden Verkaufspreis.

Der Käufergrenzpreis ist der Preis, den ein potenzieller Käufer maximal zu bezahlen bereit ist.27 Diese maximale Zahlungsbereitschaft wird bestimmt „nach dem Ertrag, den [...] sich [der Käufer] aus dem betreffenden Unternehmen versprechen darf, und nach dem Preis, den er mindestens zu entrichten hätte, wenn der gleiche Ertrag alternativ zu beschaffen wäre“28. „[D]er Ertragswert (Grenzpreis) ergibt sich dann ohne weitere Berechnungen als Preis dieser alternativen Mittelanlage.“29 Würde der Käufer mehr bezahlen, als er zukünftig aus dem gekauften Unternehmen erwirtschaften kann, entspräche dies nicht dem Verhalten eines rational entscheidenden Wirtschaftssubjekts.

Im Gegensatz zum Käufergrenzpreis ist der Verkäufergrenzpreis der Preis, den der Verkäufer verlangen wird, um nach dem Verkauf finanziell nicht schlechter gestellt zu sein, bzw. der Preis, bei dem der Verkäufer zwischen dem Behalten des Unternehmens oder dessen Verkauf indifferent ist.30

cc)Vermittelnde Funktion: Ermittlung von Schiedspreisen

Können sich zwei Parteien nicht auf einen Preis einigen oder wollen sie Kosten für die Gutachtenerstellung sparen, bitten sie womöglich einen Dritten, zu vermitteln und/oder für beide Parteien einen akzeptablen Preis zu ermitteln.31 Der Unternehmensbewerter wird dann in der Vermittlungsfunktion tätig und errechnet einen fairen Einigungspreis, der auch als Schiedspreis (Arbitriumwert) bezeichnet wird.32 Schiedspreise können jedoch nicht nur bei der Bewertung von zum Verkauf stehenden Unternehmen erforderlich werden. Sie sind ggf. auch im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zu ermitteln, wenn ein Unternehmen zur Aufteilungsmasse gehört, und finden häufig bei Erbstreitigkeiten Anwendung, wenn es darum geht, den Wert eines vererbten Unternehmens als Ausgangsbasis für die Ermittlung des Pflichtteils zu bestimmen.33 Schiedsgutachten spielen nicht zuletzt auch bei Squeeze-Out-Vorgängen gemäß § 327a AktG eine zentrale Rolle. Hier zwingt der Hauptgesellschafter aufgrund seiner erdrückenden Stimmrechtsmehrheit die Minderheitsgesellschafter aus dem Unternehmen. Er muss ihnen aber für diese Zwangsenteignung eine angemessene, faire Entschädigung zahlen. Bei ihrer Ermittlung sind die Interessen von Minderheits- und Mehrheitsgesellschaftern gleichermaßen zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.34 Da die Minderheitsaktionäre häufig nur wenige Aktien besitzen, können (und wollen) sie sich keinen eigenen Gutachter leisten. Der von dem Mehrheitsaktionär beauftragte Gutachter muss dann bei seiner Wertfindung zugleich die Interessen von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern beachten.

Die Ermittlung von Schiedspreisen ist ebenfalls durch die Subjektivität der Grenzpreisermittlung geprägt, denn der Schiedspreis vermittelt zwischen dem subjektiven Käufer- und dem ebenso individuellen (subjektiven) Verkäufergrenzpreis.

Der Schiedspreisfindung sind enge Grenzen gesetzt. Eine erste große Hürde bildet die asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Bewerter (bzw. dem Gutachter) und dem Mandanten. Der Gutachter kennt nicht alle Unterlagen oder Personen, die ihm kompetent Auskunft erteilen könnten, und ist damit in vielen Belangen auf umfassende und wahrheitsgetreue Informationen seitens seines Mandanten angewiesen.35 Um zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen, könnte Letzterer die Unwahrheit sagen, die Unternehmenssituation beschönigen oder für ihn nachteilige wertbeeinflussende Tatsachen zurückhalten.

Doch selbst wenn der Bewerter hinreichende Klarheit über die jeweiligen Grenzpreise gewonnen hat und ihnen berechtigtes Vertrauen schenkt, besteht das Problem in einer fairen Wertfindung, die beiden Parteien gleichermaßen gerecht wird. Letzten Endes ist der Bewerter in seiner Funktion nichts anderes als ein Schiedsrichter, der einen Spielverlauf objektiv beobachtet und nur bei Regelverletzungen einschreiten darf und muss. Im Rahmen des Schiedsgutachtens simuliert er aber zusätzlich den (fairen) Ausgang der Verhandlungen, die erst gar nicht aufgenommen wurden oder aber ins Stocken geraten sind und nicht fortgesetzt werden.

Häufig wird der Schiedsgutachter ein ausgewogenes Kräfteverhältnis von Verkäufer und Käufer im Rahmen der simulierten Verhandlungen unterstellen und die Grenzpreise von Käufer und Verkäufer mitteln.

dd)Weitere Funktionen

Die Argumentationsfunktion soll in der Unternehmensbewertung ergänzend eingesetzt werden, um bei Verkaufs- oder Gerichtsverhandlungen geeignete Argumente zum Erreichen eines Verhandlungsergebnisses zu finden.36 Der Entscheidungswert stellt dabei die letzte Rückzugslinie der Argumentation dar, denn der Argumentationswert darf weder geringer als der Verkäufergrenzpreis noch höher als der Käufergrenzpreis sein.37

Bei der Bilanz- oder auch Kommunikationsfunktion genannten Bewertungsaufgabe steht die Ermittlung von Bilanzwerten im Vordergrund, wie z.B. zur Ermittlung von Unternehmens(teil)werten im Rahmen des Impairmenttest des Goodwill nach IAS 36.38

Im Rahmen von Bewertungen für Besteuerungszwecke zielt die Unternehmensbewertung auf die Ermittlung einer Steuerbemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung, z.B. für die Schenkung- oder die Erbschaftsteuer.39

c)Ermittlung von Grenzpreisen

Der Grenzpreis eines Unternehmens (GPU) wird mithilfe des Gesamtbewertungsverfahrens berechnet, da es gilt, monetäre Vorteile anhand von diskontierten Zahlungsüberschüssen einzuschätzen:40

Die zu diskontierenden periodenspezifischen Erträge (CFt) bezeichnen die künftigen Nettoausschüttungen aus dem Unternehmen, die ein Bewerter unter Beachtung der individuellen Besonderheiten seines Mandanten prognostiziert. Der Kapitalisierungszinssatz (i) stellt sich als beste alternative Mittelanlage dar. Für uniforme, unendlich lang fließende Zahlungsüberschüsse kann die ewige Rentenformel angewandt werden, und die Berechnungsformel vereinfacht sich zu:41

Grenzpreise werden sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer ermittelt. Der Verkäufergrenzpreis zeichnet sich dabei durch zwei wesentliche Merkmale aus:

1. Der Verkäufergrenzpreis ist ein subjektiver Wert, weil er auf den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Verkäufers basiert. Der Begriff „subjektiv“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch einen negativen Beigeschmack. Er wird häufig mit Willkür und gefühlvollen Wertungen gleichgesetzt. Dies gilt im Kontext der Unternehmensbewertung nicht. Hier kennzeichnet der Begriff „subjektiv“ die Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelnen. Aus diesen individuellen Faktoren ergeben sich handfeste materielle Auswirkungen auf den Nettocashflow des Unternehmens und der Alternativanlage. Sie sind bewertungsrelevant.

2. Der Verkäufergrenzpreis ist ein Minimumpreis.

Auch der Käufergrenzpreis weist zwei wesentliche Merkmale auf:

1. Der Käufergrenzpreis ist – wie der Verkäufergrenzpreis – ein subjektiver Wert, weil auch er auf den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten desjenigen basiert, für den die Bewertung erstellt wird. Wiederum werden individuelle Besonderheiten, wie z.B. die Möglichkeit zur Mietersparnis, die in dieser Form keinem anderen Marktteilnehmer offen steht, berücksichtigt, weil sie für den Käufer – und nur für ihn – einen Konsummehrwert schaffen.

2. Der Käufergrenzpreis ist – anders als der Verkäufergrenzpreis – ein Maximumpreis.

2.Anwendung auf den Fall: Ermittlung der Grenzpreise von Tippe und Neumeier

a)Ermittlung des Grenzpreises von Tippe

Steuerberater Tippe rechnet zukünftig (wie bisher) mit Bruttoeinzahlungen i.H.v. 368 000 Euro und Bruttoauszahlungen i.H.v. 343 000 Euro.

Die Bewertung dieses Nettocashflow erfolgt unter Anwendung des Ertragswertverfahrens gemäß Formel (8). Da seine beste alternative Mittelanlage in der Investition des Verkaufserlöses bei seiner Hausbank zu 5 % Zinsen besteht, ergibt sich für Tippe ein Verkäufergrenzpreis von 500 000 Euro:

Der Verkäufergrenzpreis stellt sich als Minimumpreis dar, denn Tippe muss für den Verkauf des Unternehmens mindestens 500 000 Euro verlangen, um danach nicht schlechter zu stehen als zuvor. Erhält Tippe exakt diesen Betrag, so erzielt er nach dem Verkauf die gleichen Zahlungsströme wie zuvor, wie nachfolgende Überlegung zeigt: Vor dem Verkauf erwirtschaftete er mit seinem Unternehmen 25 000 Euro jährlich. Dieser Betrag stand ihm für Konsumzwecke zur Verfügung. Verkauft er das Unternehmen für 500 000 Euro, so fehlen ihm diese Konsummöglichkeiten. Dafür kann er aber den Kaufpreis (= 500 000 Euro) zu 5 % bei seiner Hausbank anlegen. Er erzielt daraus 25 000 Euro (= 5 % · 500 000 Euro), also exakt den Betrag, den er durch den Verkauf des Unternehmens aufgegeben hat.

b)Ermittlung des Grenzpreises von Neumeier

Der potenzielle Käufer, Carlo Neumeier, berechnet den Unternehmenswert nach den gleichen mathematischen Grundsätzen wie Tippe. Allerdings muss er sich über die Bewertungsparameter eigenständige Vorstellungen machen und die Daten des Verkäufers durch seine subjektiven, d.h. individuellen, Planungen und Möglichkeiten ersetzen.

Aufgrund der individuellen Planungen und Erwartungen von Neumeier sind die Mehrerlöse aus der Entlohnung durch die Sportvereine i.H.v. 5 000 Euro einzubeziehen (1) und zum anderen die Mehrerlöse i.H.v. 30 000 Euro einzupreisen, die er zukünftig aus der Neuausrichtung des Unternehmens erwartet (2). Hinsichtlich der jährlichen Ausgaben wird er berücksichtigen, dass er aufgrund seiner spezifischen Situation mit Minderausgaben in Höhe der ersparten Miete von 10 000 Euro rechnen kann (3). Unter Einbeziehung dieser drei Besonderheiten ergibt sich für Neumeier ein Nettocashflow von 70 000 Euro:

Tabelle 6: Plan-Cashflow-Rechnung der Kanzlei „Tippe“

Plan-Cashflow-Rechnung (in €)

Anm.

Ist

Plan

Honorareinzahlungen

360 000

360 000

Honorare Vereine

1

0

5 000

Strategiemehrzahlungen

2

0

30 000

Miete Neudorf

8 000

8 000

Summe Einzahlungen

368 000

403 000

Löhne

224 000

224 000

Büromieten

3

42 000

32 000

Fachliteratur

15 000

15 000

Telefon, Porto

4 000

4 000

Grundstücksauszahlungen Neudorf

3 000

3 000

Ersatzinvestitionen in das AV

10 000

10 000

Sonstige laufende Auszahlungen

39 000

39 000

Zinsauszahlungen

6 000

6 000

Summe Auszahlungen

343 000

333 000

Nettocashflow

25 000

70 000

Hinsichtlich der besten alternativen Mittelanlage ist es für Neumeier völlig irrelevant, dass Tippe eine Sparrendite von 5 % erzielen kann und dass sich bei einer risikoreicheren Anlagestrategie sogar 8,5 % erwirtschaften lassen, denn Neumeier hat kein Erspartes. Er muss den Kaufpreis durch ein Darlehen refinanzieren und im Falle des Erwerbs zukünftig an seine Hausbank 10 % Schuldzinsen zahlen. Dies ist der für ihn relevante Alternativzinssatz.

Da der Nettocashflow prognosefähig und dauerhaft gleichbleibend zu erwarten ist, resultiert daraus unter Anwendung von Formel (8) der Unternehmenswert i.H.v. 700 000 Euro:

Für Carlo Neumeier stellt sich sein Käufergrenzpreis als Maximalpreis dar, denn er darf für den Erwerb der Kanzlei „Tippe“ höchstens 700 000 Euro ausgeben, um nach dem Kauf nicht schlechter dazustehen als zuvor. Erwirbt er das Unternehmen tatsächlich zu diesem Betrag, so realisiert er danach Ausschüttungsströme aus dem Unternehmen, die er zuvor nicht hatte. Seine Konsummöglichkeiten verbessern sich um 70 000 Euro. Allerdings muss Neumeier zur Finanzierung des Kaufpreises ein Darlehen i.H.v. 700 000 Euro aufnehmen und an die Bank jährlich 70 000 Euro Zinsen (= 700 000 Euro · 10 %) zahlen. Dadurch ändert der Kauf der Kanzlei zu 700 000 Euro per Saldo nichts an den Konsummöglichkeiten, die Carlo Neumeier offen stehen. Sie bleiben der Größenordnung nach unverändert.

II.Gesamtertragsprinzip: Fehlerhafte Vernachlässigung nicht finanzieller Vorteile

1.Erläuterung

Zu beachten ist, dass der Unternehmensbewerter lediglich einen Bruchteil der Konsummöglichkeiten erfasst, die der Käufer aus dem Unternehmen erwartet, nämlich die finanziellen. Er übersieht in seiner selbst gewählten Betriebsblindheit die nicht finanziellen Faktoren wie Prestige, den Wunsch nach Selbstverwirklichung etc. Der Ertragswert eines Unternehmens ist aber stets die Summe aus finanziellem und nicht finanziellem Nutzen.42 Auch wenn nicht finanzielle Ertragselemente stark von den individuellen Gegebenheiten des Bewerters abhängen, müssen sie von den Vertragsparteien bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt werden, um den Konsumwert des Unternehmens nicht unvollständig und damit fehlerhaft zu erfassen.43 Deshalb schließt das Gesamtertragsprinzip bei der Bewertung eines Unternehmens die Berücksichtigung finanzieller zukünftiger Erträge ebenso mit ein wie die Erfassung nicht finanzieller Ertragselemente.

Zwar mag der Leser einwenden, dass nicht finanzielle Vorteile eher eine intellektuelle Spielwiese und in der harten Finanzwelt fehl am Platze sind, doch diese Annahme ist falsch. Nicht finanzielle Vorteile beherrschen das tägliche Leben der Menschen, und fast jede Kaufentscheidung, die sie treffen, ist auch nicht finanziell motiviert: Manche Menschen leisten sich einen teuren Sportwagen, obwohl sie auch mit einem Kleinwagen von A nach B kämen, und fast alle scheuen – wenn sie es sich leisten können – den Erwerb eines Billigfabrikats aus einem technischen Entwicklungsland, obwohl es doch viel preiswerter ist als ein heimisches Fabrikat. Aber es klappert mehr und bleibt vielleicht häufiger liegen als ein einheimisches Produkt. Fast alle Menschen sind bereit, sich die nicht finanziellen Vorteile des Fahrvergnügens, der sicheren Beförderung und des Nichtliegenbleibens auf der Autobahn etwas kosten zu lassen. Das Gleiche gilt für den Kauf von Kleidung und Nahrung. Hier ist der Preis nur eine von vielen Entscheidungsdeterminanten. In zahlreichen Fällen wird er von nicht finanziellen Aspekten wie Geschmack, Gesundheit, Aussehen und Prestigedenken überlagert, so dass die Kunden regelmäßig nicht zur billigsten Alternative greifen.

Wenn aber fast alle Entscheidungen der Menschen, so sie es sich finanziell leisten können, auch maßgeblich von nicht finanziellen Erwägungen getragen werden, dann stellt sich die Frage, wieso dies bei dem Kauf eines Unternehmens, der oft eine Lebensentscheidung erfordert, gerade nicht auch der Fall sein sollte (und darf).

Das Dilemma, in dem sich der Unternehmensbewerter befindet, beschreibt Albert Einstein ebenso zutreffend wie prägnant: „Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt!“44 Die Berücksichtigung nicht finanzieller Vorteile im Rahmen der Unternehmensbewertung ist notwendig, die Quantifizierung dieser Vorteile aber leider reine Willkür.

Der Ausweg aus dem Dilemma besteht darin, dass sich der Unternehmensbewerter der systematischen Unzulänglichkeit seiner Berechnung bewusst ist und den Adressaten des Bewertungsgutachtens darauf hinweist, dass nicht finanzielle Vorteile und Nachteile den Grenzpreis deutlich verändern können. Er muss dann allerdings die Quantifizierung dem Käufer bzw. Verkäufer selbst überlassen.

2.Anwendung auf den Fall: Gesamtertragsprinzip im Fall Neumeier

Die vorstehenden Berechnungen haben gezeigt, dass Neumeier maximal 700 000 Euro für das Unternehmen ausgeben darf, um nach dem Kauf nicht schlechter zu stehen als davor. So kann der Bewerter Neumeier darüber informieren, dass die finanziellen Vorteile aus dem Unternehmen nur einen Kaufpreis von 700 000 Euro rechtfertigen. Das bedeutet aber nicht, dass Carlo Neumeier nicht auch einen deutlich höheren Kaufpreis bezahlen dürfte, ohne irrational zu handeln. Der Unternehmensbewerter kann den (potenziellen) Käufer auf die Möglichkeit nicht finanzieller Einflussfaktoren explizit hinweisen und es diesem überlassen, wie viel ihm die nicht finanziellen Vorteile wert sind. Daher kann es durchaus sein, dass Neumeier – obwohl der Käufergrenzpreis von 700 000 Euro richtig berechnet wurde – bei einem Kaufpreis von 800 000 Euro ein wahres Schnäppchen macht und zu Recht die Sektkorken knallen lässt.

Tippe ist in unserem Beispiel 92 Jahre alt. Vielleicht ist Neumeier selbst schon 72 und träumt seit seiner Kindheit davon, einmal, wenn er erwachsen ist, die Kanzlei „Tippe“ zu übernehmen. Nun ist es endlich so weit. Wieso sollte Neumeier die Erfüllung seines lang gehegten Traums nicht 100 000 Euro (800 000 Euro – 700 000 Euro) wert sein? Glück ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Vielleicht wäre Neumeier sogar dazu bereit gewesen, 2 Mio. Euro für die Kanzlei des Tippe zu bezahlen, ohne es je zu bereuen. Unter diesem Aspekt wäre für Neumeier der Erwerb der Kanzlei für 800 000 Euro das „Geschäft seines Lebens“.

III.Schiedspreisberechnung

1.Erläuterung

Als einfachste Lösung zur Ermittlung eines Schiedspreises bietet es sich an, den Verhandlungsspielraum zu mitteln:

Beträgt der Verkäufergrenzpreis 100 000 Euro und errechnet der Käufer für sich einen Grenzpreis von 200 000 Euro, weil er ein besseres Unternehmenskonzept hat, das zu höheren Nettocashflows führen wird, so beträgt der Schiedspreis 150 000 Euro. Die dabei vorgenommene Mittelung erscheint auf den ersten Blick ungerecht, weil der Verkäufer durch sie auch an einer Wertentwicklung des Unternehmens partizipiert, die erst nach dem Verkauf möglich wird. Andererseits kann der Käufer seine Innovationen nur verwirklichen, wenn der Verkäufer mitwirkt und zum Verkauf bereit ist. Ohne sein Zutun verpuffen die erhofften Wertsteigerungen auf Seiten des Käufers vollständig. Bei einem Kauf zum Schiedspreis kann er zumindest die Hälfte davon realisieren. Es kommt damit zu einer „Win-Win-Situation“. Der Verkäufer erhält 50 000 Euro mehr, als er mindestens aus dem Verkauf benötigte, und der Käufer zahlt 50 000 Euro weniger, als er hätte zahlen können, um seine finanzielle Situation nicht zu verschlechtern.

Dennoch muss bezweifelt werden, dass eine Mittelung des zur Disposition stehenden Verhandlungsspielraums zu einem fairen Schiedspreis führt. Trifft z.B. in einem Fußballturnier (z.B. Weltmeisterschaft) der amtierende Weltmeister in der Gruppenphase des Turniers auf eine deutlich spielschwächere Mannschaft, die sich in der Weltrangliste auf den hinteren Plätzen wiederfindet, so ist unter normalen Umständen zu erwarten, dass der amtierende Meister gewinnt. Ein Schiedsrichter, der immer dann in das Spiel eingreift, wenn die spielstärkere Meistermannschaft ein Tor erzielt, und den Spielverlauf solange manipuliert, bis auch die formal unterlegene Mannschaft zum Ausgleich gelangt, würde als unfair bezeichnet – obwohl er doch nur möchte, dass die zu verteilenden Punkte, die es zu gewinnen gilt, fair und gleichmäßig auf die beiden Turniermannschaften verteilt werden. Ein fairer Schiedsrichter wird stattdessen das Spielgeschehen überparteilich begleiten, die Kräfteverhältnisse akzeptieren und nur bei groben Regelverstößen eingreifen.

Überträgt man aber diese Fairness-Grundsätze auf das zu erstellende Schiedsgutachten, so entspräche jede wie auch immer geartete Mittelung der beiden Grenzpreise dem Drängen auf ein Unentschieden seitens des Schiedsrichters. Fair wäre es daher, wenn sich der Schiedsgutachter einen Überblick über das Verhandlungsgeschick und die Verhandlungsstärke von Käufer und Verkäufer machte und danach den versierteren Investor bevorzugt, der kenntnisreicher und mächtiger ist – auch wenn dies unserem Empfinden von Fairness scheinbar widerspricht. In der Praxis wird der Unternehmensbewerter dennoch (zu Recht) zur Mittelung der Grenzpreise tendieren, denn eine davon abweichende Aufteilung lässt sich kaum auf justiziable Art und Weise45 begründen.

2.Anwendung auf den Fall: Schiedspreis im Fall „Tippe-Neumeier“

Käufer- und Verkäufergrenzpreis von Neumeier und Tippe sind subjektiv und tragen dadurch den individuellen Verhältnissen des jeweiligen Marktteilnehmers Rechnung. Zu welchem Preis das Unternehmen letztlich seinen Eigentümer wechselt, ist eine Frage der Verhandlung. Der Kaufpreis wird bei rationalem Verhalten der Vertragspartner zwischen dem Verkäufergrenzpreis (= 500 000 Euro) und dem Käufergrenzpreis (= 700 000 Euro) liegen.

Wird der Unternehmensbewerter als Schiedsgutachter bestellt, so muss er einen fairen Einigungspreis bestimmen, der beiden (subjektiven) Grenzpreisen gerecht wird. Dabei bietet es sich regelmäßig an, die subjektiven Grenzpreise auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen und sie anschließend zu mitteln. Gemäß Gleichung (9):

beträgt der Schiedspreis im Fall Tippe-Neumeier 600 000 Euro:

Beide Vertragsparteien stellen sich dadurch grundsätzlich besser: Tippe erhält bei einem Einigungspreis von 600 000 Euro tatsächlich 100 000 Euro mehr, als er mindestens verlangen musste, und Neumeier zahlt 100 000 Euro weniger, als er maximal zu zahlen bereit war.

IV.Äquivalenzgrundsätze

1.Anforderungen des Vergleichsprinzips

Das dem Gesamtbewertungsverfahren zuzuordnende Ertragswertverfahren basiert auf dem Vergleichsprinzip. Der Bewerter vergleicht den aus dem Unternehmen erwarteten Nettocashflow mit einem vergleichbaren Zahlungsstrom, für den es einen Marktpreis gibt, und überträgt diese Cashflow-Preis-Relation auf das zu bewertende Unternehmen. Diese vergleichende Überlegung ist aber nur zulässig, wenn Bewertungs- und Vergleichsobjekt, also Zähler und Nenner der Ertragswertformel, gleichwertig sind und auf (zumindest im Wesentlichen) identischen Annahmen beruhen. Die nachfolgende Tabelle enthält die wesentlichsten Äquivalenzgrundsätze,46 auf die im Nachfolgenden eingegangen wird.

Tabelle 7: Äquivalenzgrundsätze und ihre Bedeutung

Äquivalenzgrundsätze

Gleichwertigkeit der Zahlungsströme von Bewertungs- und Vergleichsobjekt hinsichtlich

Darstellung im Buch

Arbeitseinsatzäquivalenz

des Einsatzes eigener Arbeitskraft (Unternehmerlohn)

Fall 2 – im Folgenden

Laufzeitäquivalenz

der Laufzeit und des zeitlichen Anfalls der Nettocashflows

Fall 17

Verfügbarkeitsäquivalenz

der Verfügbarkeit der Nettocashflows als Konsummehrwert (Berücksichtigung der Besteuerung)

Fälle 8–9

Kaufkraftäquivalenz

der Kaufkraft (Real- oder Nominalrechnung)

Fall 7

Risikoäquivalenz

der Unsicherheit der Zahlungsströme (Sicherheitsäquivalent- oder Risikozuschlagsmethode)

Fälle 13–17

Unternehmensbewertungen basieren i.d.R. auf einem Vergleich mit einer reinen Finanzanlage am Kapitalmarkt, deren Erträge dem Eigner ohne eigenen Arbeitseinsatz zufließen (Passivanlage). Die Ausschüttungen aus dem Unternehmen erwirtschaftet der Käufer, der zugleich persönlich geschäftsführend tätig ist, indessen aus seinem Kapital- und Arbeitseinsatz (Aktivanlage).47Arbeitseinsatzäquivalenz fordert daher, dass die erwarteten Zahlungsströme aus dem zu bewertenden Unternehmen und der Alternativanlage „mit demselben Arbeitseinsatz erwirtschaftet werden“48. Da sich die Alternativrendite auf eine Passivanlage bei der Bank bezieht, muss auch der Nettocashflow im Zähler aus einer Passivanlage stammen. Er ist um einen angemessenen Unternehmerlohn zu verringern. Im Falle der ewigen Rente kommt dann die folgende modifizierte Formel zum Einsatz:

2.Anwendung auf den Fall: Arbeitseinsatzäquivalenzprinzip (Unternehmerlohnprinzip)

Die vorstehenden (finanziellen) Berechnungen für den Käufergrenzpreis des Neumeier (700 000 Euro) stimmen nur, wenn der Investor in dem Steuerbüro nicht mitarbeitet. Muss Neumeier aber seine aktuelle Anstellung kündigen, um seine Arbeitskraft in die neu erworbene Steuerkanzlei einzubringen, ist diese für ihn keine 700 000 Euro wert. Dies zeigt die etwas ausführlichere Bewertungsformel deutlich:

Neumeier teilt dem Bankangestellten mit, dass er 70 000 Euro aus dem Unternehmen erhält, wenn er 360 Tage im Jahr intensiv mitarbeitet. Der Bankangestellte antwortet ihm, dass er 700 000 Euro bei der Bank anlegen muss, um ebenfalls einen Betrag von 70 000 Euro zu erhalten – allerdings ohne mitzuarbeiten. Dies ist zwar eine interessante Aussage, sie beantwortet jedoch nicht die anstehende Bewertungsfrage, weil sie von falschen Prämissen ausgeht.

Das Dilemma zeigt sich in einem Vorher-Nachher-Vergleich. Vor dem Kauf hatte Neumeier einen Nettocashflow aus seiner Arbeitstätigkeit von 65 000 Euro und keinen Nettocashflow aus der Kanzlei „Tippe“, weil er diese noch gar nicht erworben hatte. Dafür fallen aber auch (noch) keine Schuldzinsen an. Per Summe verbleiben Neumeier 65 000 Euro jährlich für seinen Lebensunterhalt. Erwirbt er die Kanzlei für 700 000 Euro, so muss er sein Angestelltenverhältnis kündigen. Er hat dann keine Lohneinnahmen mehr. Dafür bezieht er nun Nettocashflows aus der Kanzlei „Tippe“ i.H.v. 70 000 Euro pro Jahr, die er in voller Höhe benötigt, um die Schuldzinsen für das Darlehen aufzubringen (= 700 000 Euro · 10 %). Insgesamt hat Neumeier nach dem Kauf kein Geld mehr zum Leben: Er hat seinen Job gekündigt und braucht die gesamten Nettocashflows des Unternehmens, um seinen Zinslasten nachzukommen.

Aus diesem Grund muss Neumeier die Bewertungsformel anpassen, indem er den Nettocashflow um den Betrag vermindert, den er einem Geschäftsführer zahlen müsste, damit dieser für ihn die Kanzlei „Tippe“ leitet, so dass er nach wie vor seiner Arbeit außerhalb des Unternehmens nachgehen und daraus Nettocashflows erzielen kann. Alternativ kann er auch selbst im Unternehmen mitarbeiten, muss sich dann aber ein angemessenes Gehalt (Unternehmerlohn) zahlen, das den verfügbaren Nettocashflow mindert. Die (modifizierte) Formel lautet dann: