Unterschiedliche Wege, dasselbe Ideal - Silvia Irina Zimmermann - E-Book

Unterschiedliche Wege, dasselbe Ideal E-Book

Silvia Irina Zimmermann

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Beschreibung

Aus dem vielseitigen und sehr umfangreichen Werk Carmen Sylvas (Königin Elisabeth von Rumänien, geborene Prinzessin zu Wied, 1843-1916) haben vor allem ihre Märchen und Aphorismen sowie ihre Übersetzungen zeitgenössischer rumänischer Dichter Anerkennung gefunden. Sie sind bis heute lesenswert und kulturgeschichtlich bedeutsam. Die politische, prodynastische Tendenz ihrer Werke dagegen wurde bisher kaum untersucht, obwohl die literarische Öffentlichkeitsarbeit der Königin wesentlich zur Wahrnehmung des 1881 gegründeten Königreichs Rumänien in Westeuropa beige¬tragen hat. Aus heutiger Sicht ist die schriftstellerische Tätigkeit Carmen Sylvas ein erfolgreiches Beispiel von Public Relations durch Storytelling in einer Zeit, als diese Begriffe noch gar nicht erfunden waren. Dieser Band enthält eine erste ausführlichere Studie über das Bild des Königs Carol I. von Rumänien in den veröffentlichten Werken von Carmen Sylva, den Reisebericht der Königin "Rheintochters Donaufahrt" sowie ein Album mit zahlreichen Fotografien aus dem Fürstlich Wiedischen Archiv. Diese Fotografien sandte Elisabeth an ihre Familienmitglieder in Neuwied, um ihnen Einblick in ihr Leben in der neuen Heimat zu gewähren.

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Seitenzahl: 349

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Danksagung

S. D.Carl Fürst zu Wied

in Dankbarkeit gewidmet

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Vorwort: Die Hohenzollern und die Wieds

Vorwort der Autorin: Das deutsche Königspaar Rumäniens

Carmen Sylvas Hommage an König Carol I. von Rumänien

König Carol I. von Rumänien im literarischen Werk Carmen Sylvas

Der siegreiche Fürst

Der Bauherr und Förderer

König Carols Schloss Pelesch und Carmen Sylvas „Pelesch-Märchen“

Die Urkunde zur Einweihung von Schloss Pelesch

Der Beitrag des Königs zur Modernisierung Rumäniens

Der weise König und sein Lebenswerk

Exkurs: Königin Elisabeth über die Armut der Bauern in Rumänien

Die Donaufahrt der Königsfamilie im Mai 1904

Der Lebenspartner

Die gemeinsame Mission als Königspaar

Die Tragik des kinderlosen Königspaares

Ein weiser Partner

Ein wahrer Ritter

Ein weitsichtiger Lehrer

Der ideale Herrscher

Der Landesvater

Aphorismen über den Herrscher und das Volk, Politik und Geschichte

Der Herrscher

Der Herrscher und das Volk

Politik

Geschichte

Die Königin

Über den Herrscher in republikanischen Zeiten

Warum braucht man Könige?

Carmen Sylvas literarische Tätigkeit im Dienst der Krone Rumäniens

Das erste Königspaar Rumäniens: unterschiedliche Wege, dasselbe Ideal

Der Reisebericht Carmen Sylvas zur Donaufahrt der Königsfamilie vom 10. bis 16. Mai 1904

Rheintochters Donaufahrt

Das Königspaar Carol I. und Elisabeth in Fotografien

Das Fürstenpaar Carol I. und Elisabeth. Der Unabhängigkeitskrieg. Das Königreich Rumänien

Der König als Bauherr. Die Königin als Schriftstellerin und Künstlerin

König Carol I. als Begründer der rumänischen Dynastie. Die Königsfamilie in offiziellen und persönlichen Fotografien

Zeittafel

Bibliografie

Vorwort:Die Hohenzollern und die Wieds

Es mag hilfreich sein, in ein paar kurzen Zeilen zu umreißen, daß die Ehe Karls von Hohenzollern-Sigmaringen mit Elisabeth zu Wied, der Literatin Carmen Sylva, nicht die einzige Verbindung zwischen den Häusern Hohenzollern und Wied war. Der folgende knappeAbriß entstammt dem HeftDas Fürstenhaus Wied, Grafen zu Isenburg, Herren von Runkel und Neuerburg[1]:

„Im 19. Jahrhundert hatte das Haus Wied enge Verbindungen zu den Berliner Hohenzollern. Den jungen preußischen Prinzen (späteren Kronprinzen und Kaiser) Friedrich Wilhelm, damals Student in Bonn, sah die Familie Wied dort fast täglich als ihren Gast im ehemaligen kurfürstlichen Sommerschlößchen Vinea Domini, wo sie 1851-1853 jeweils für mehrere Monate wohnte. Der Vater des Prinzen, der spätere Kaiser Wilhelm I., hatte in jenen Jahren als Militärgouverneur in der preußischen Rheinprovinz und in Westfalen seinen Dienstsitz im Schloß zu Koblenz. Er und seine Familie, Prinzessin Augusta mit Töchterchen Luise (der späteren Großherzogin von Baden), und die Familie Wied, Fürst Hermann (1814-1864) und Fürstin Marie (1825-1902) mit Töchterchen Elisabeth (der späteren Carmen Sylva, 1843-1916), luden sich gegenseitig zum Tee ein, sei es in Koblenz, sei es in Neuwied und Monrepos. Kronprinz Friedrich Wilhelm gab seinen Jugendfreund Hauptmann Mischke dem jungen Prinzen Wilhelm zu Wied (1845-1907) auf dessen Studienreise 1865/66 durch Italien, Ägypten und den Vorderen Orient als Mentor mit. In den Kriegen 1866 und 1870/71 nahm er Wilhelm in seinen Armee-Stab auf. Man gewinnt den Eindruck, daß er den im liberalen Elternhaus Wied aufgewachsenen und in der Republik Schweiz aufs Baseler Gymnasium geschickten Prinzen in seinen engeren Kreis zog, um einen weiteren Helfer mit gleichen politischen Ansichten zu haben, wenn er die Nachfolge als König und Kaiser antrat. Ein Brief vom 20.2.1885 begann mit der Anrede ‚Mein lieber Wilhelm‘und endete:‚Dir diese meine Auffassungen angelegentlichst empfehlend, grüße ich Maria wie Deine Mutter aufs allerherzlichste als Dein treuer alter Freund Friedrich Wilhelm.‘Man rechnete damit, daß der Kronprinz nach der Inthronisation als Kaiser den Freiherrn Franz von Roggenbach zum Reichskanzler berufen und eine die Hoffnungen der Liberalen im Lande erfüllende andere Politik einleiten werde. Roggenbach, vormals Außenminister des Großherzogtums Baden, war nach dem Tod des Fürsten Hermann zu Wied mit der verwitweten Fürstin Marie zu Wied in morganatischer Ehe verbunden.Marie zu Wieds Großmutter mütterlicherseits, Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, verheiratet mit Herzog Friedrich von Sachsen-Altenburg, war eine Schwester der ‚Preußenmadonna‘Königin Luise. Maries Mutter Luise, verheiratete Herzogin von Nassau, war also eine Kusine der Preußenkinder König Friedrich Wilhelm IV. und Kaiser Wilhelm I. Die Fürstin Marie zu Wied war somit deren Großkusine. Ihre Großtante Friederike, die andere Schwester der Königin Luise, war in 3. Ehe Königin von Hannover. Maries Bruder Adolf regierte bis 1866 das Herzogtum Nassau und war ab 1890 Großherzog von Luxemburg. Maries Sohn Wilhelm heiratete 1871 Prinzessin Marie der Niederlande (1841-1907), Enkelin der Königin Luise von Preußen und des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. sowie des niederländischen Königspaares Wilhelm I. und Wilhelmine Prinzessin von Preußen. Sie war Tochter der Prinzessin Luise von Preußen und damit Nichte des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und des Kaisers Wilhelm I. Die zur Fürstin Wied gewordene Königliche Hoheit Prinzessin Marie der Niederlande war somit die Kusine des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, 1888 für 99 Tage Kaiser. Auch durch Patenschaften waren die Hohenzollern den Wieds verbunden. Carmen Sylva, 1843 geboren als Elisabeth zu Wied, war Patenkind der Königin Elisabeth von Preußen, der Gemahlin König Friedrich Wilhelms IV. Als der Sohn Hermann (1874-1877) des Ehepaares Wilhelm und Marie zu Wied getauft wurde, kam Kaiser Wilhelm I. nach Neuwied und übernahm die Taufpatenschaft. Erbprinz Hermann (1899-1941) hatte zum Taufpaten Kaiser Wilhelm II. und Königin Wilhelmine der Niederlande.[…]

Die Verbindungen zu anderen Höfen Europas waren nicht minder eng. Die jüngste Halbschwester Sophie der Fürstin Mutter Marie zu Wied aus Nassau war Königin von Schweden und Norwegen, verheiratet mit König Oskar II. Die ältere Schwester Luise der Fürstin Marie zu Wied aus den Niederlanden war ebenfalls Königin von Schweden und Norwegen, verheiratet mit Oskars älterem Bruder, König Karl XV. Deren Tochter Luise, also die Nichte der niederländischen Marie zu Wied, war Königin von Dänemark. Der Bruder von Marie zu Wieds Vater war König Wilhelm II. der Niederlande. Ihre Tante Charlotte, Schwester ihrer preußischen Mutter, war unter dem Namen Alexandra Feodorowna Zarin, verheiratet mit Zar Nikolaus I. Königin Emma der Niederlande, Gemahlin Wilhelms III., des Vetters der jüngeren Fürstin Marie zu Wied, war Nichte der Fürstinmutter Marie zu Wied (Nassau). – Das war Alteuropas Adelsherrschaft. Heute und mit Bezug auf andere gesellschaftliche Gruppen spricht die Soziologie von ‚Netzwerk‘ oder von ‚Kanalarbeitern‘.[…]

In den Jahren 1854 bis 1856 meldete sich im Schloss Neuwied häufiger ein junger Mann zu Besuch an, der auch nicht versäumte, den Geburtstag der ins Backfisch-Alter hineinwachsenden Prinzessin Elisabeth zu Wied mitzufeiern. Dieser Gratulant war Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser der 99 Tage im Jahr 1888. Des Prinzen Mutter, die spätere Königin-Kaiserin Augusta,hielt in ihrem Tagebuch fest: ‚An unserem Hofe erzählt man sich, daß ihre [der Fürstin Marie zu Wied] kleine Tochter [Elisabeth] zur künftigen Kronprinzessin von Preußen ausersehen sei.‘Auch in Berlin eine Kaiserin Elisabeth? Um ein Frauenhaar: ja. Der junge Prinz entschied sich dann doch anders und heiratete die Tochter Vicky der Queen Victoria. Aber er wies seinen Vetter und Freund Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, den die Rumänen 1866 als Fürsten ins Land gerufen hatten, auf die Prinzessin Wied hin. Karl machte ihr, nachdem beide sich zwei Stunden lang unterhalten hatten, einen Heiratsantrag. Elisabeth erbat sich eine Viertelstunde Bedenkzeit und sagte dann‚Ja‘. Also keine Liebesromanze, aber auch keine dynastische Heirat aus Staatsräson: denn die gegen frühere Werber abweisend gewesene und deshalb in die Vorbereitung von Karls Werbung nicht eingeweihte Braut entschied sich frei:für einen Mann von Charakter: ‚Mit dem kann man reden.‘Elisabeth trat in die Ehe wie die Neuwieder Herrnhuterinnen, die Missionare in Labradoroder in Südafrika heirateten. ‚Den Mann kennen sie weder in dem einen noch in dem anderen Fall und werden tüchtige Frauen, die ihrenBeruf mit aller Kraft erfüllen.‘So wurde aus der wiedischen Prinzessin Elisabeth 1869 die Fürstin und 1881 die Königin Elisabeta von Rumänien.

Die ‚Neuwieder Zeitung‘, indem sie weitsichtig an die Vermarktung des heimischen Edelgetränks dachte, sagte beim Abschied voraus:

Und fließen auch wohl heute stille Thränen,

daß uns verläßt ein lieblich Fürstenkind,

du, edler Fürst, du bringst sie den Rumänen

als theures Pfand, als bestes Angebind‘.

D’rum schenket ein

den Wein vomVater Rhein:

Die Braut wird nie vergessen sein!

Elisabeth aber hätte gern ewas mitgenommen:

Wir wohnten beisammen am grünen Rhein,

der Wald und ich und die Lieder mein,

wir waren gar traute Gesellen,

und was wir gesungen, geträumt und gedacht,

wir sagten es leis‘ in der Mondscheinnacht

ganz heimlich den silbernen Wellen.

Doch einst mußt‘ ich ziehn in die Welt hinaus,

ich sollte mir bauen mein eigenes Haus,

im Osten in schimmernder Weite.

Ihr Freunde, ich sag euch für immer Ade!

Wie tut mir das Scheiden, das Scheiden so weh!

Gibt keiner von euch mir’s Geleite?

Da schütteln das Haupt wohl der Rhein und der Wald:

Wir sind zum Wandern schon lange zu alt,

wie sehr wir dir auch gewogen!

Doch als ich trat in mein neues Heim,

erklang mir gar fröhlich dort Reim auf Reim –

die Lieder sind mit mir gezogen!“

Hans-Jürgen Krüger

Fürstlich Wiedisches Archiv

Vorwort der Autorin:Das deutsche Königspaar Rumäniens

Im Jahr 2014erinnerngleichdreiEreignisse an das deutschstämmige erste Königspaar Rumäniens,Karl von Hohenzollern-Sigmaringen(Carol I.) und Elisabeth zu Wied. Zweidieser Ereignisse, die sich jähren,habenin Deutschland stattgefunden:175 Jahre seit der GeburtvonKarl von Hohenzollern-Sigmaringenam 20. April 1839in Sigmaringenund145Jahreseit der Hochzeitam 15. November 1869 in Neuwieddesseit 1866in Rumänien herrschenden Fürsten Carolmit Prinzessin Elisabeth zu Wied.DerTod des KönigsCarol I. von Rumänienam 10. Oktober 1914inSchloss Pelesch (Sinaia, Rumänien), der sich 2014 zum 100. Mal jährt, markiert dasEnde derso genanntenCarol-Epoche in der Geschichte Rumäniens, einerbedeutendenZeit, in der das Land die staatliche Unabhängigkeit gewannund zum Königreich erhoben wurde.Während der 48-jährigen Regierungszeit Carols I. erlebtedas Landeine rasante Modernisierung undeinenneuen Wohlstand, derjedoch nicht alle sozialen Schichtenerreichte. Es war eine Zeit der Umbrüche und Kontraste,der Erfüllung einigerVisionenwie die staatliche Unabhängigkeit, aber auchwiederholterHungersnöte in der armenLandbevölkerungundderBauernrevolten von 1888 und 1907, denn die Bodenreformenin Rumäniensollten erst nach dem ersten Weltkrieg durchgesetzt werden.[2]Dennoch ist die Bedeutung der Carol-Epoche für die Anfänge des modernen Staatesund der modernen KulturinRumänien unbestreitbar.Zugleichist die Carol-Epoche auch aus deutscher Sicht interessant, denn es bestandensehr enge und vielfältigedeutsch-rumänische Beziehungenin Politik, Wirtschaft und Kultur, angeregt durch das erste Königspaar Rumäniens, das neueAnsichtenund Ansprüchemit nach Rumänien brachteund die Modernisierung und Annäherung des Landes an den Westen Europas entscheidendmitförderte.

Dieses Buchjedoch setzt sich nicht das Ziel, eine umfassende Kulturgeschichte oder eine Geschichte der Politik Carols I. in Rumänien wiederzugeben[3], sondernesuntersucht einen besonderen AspektderKulturpolitikdes ersten Königspaares von Rumänien, der bisher weitgehend unbekannt geblieben ist.Im Fokus der Betrachtung stehthierdieliterarischeunddiefotografischeErinnerunganKönig Carol I.aus der Sichtjener Person, die ihm im Leben und auf dem Thron am nächsten stand:Königin Elisabeth von Rumänien, geborene Prinzessin zu Wied(1843-1916) undSchriftstellerinunter dem PseudonymCarmen Sylva.

Aus dem vielseitigen und sehr umfangreichen Werk Carmen Sylvas haben vor allem ihre Märchen und Aphorismen sowieihreÜbersetzungen zeitgenössischer rumänischer Dichter Anerkennung gefunden und sind bis heute lesenswert und kulturgeschichtlich relevant. Die politische, prodynastische Tendenz ihrer Werke dagegen wurde bisher kaum untersucht, obwohl die literarische Öffentlichkeitsarbeit der Königin wesentlich zur Wahrnehmung des 1881 gegründeten Königreichs Rumänien in Westeuropa beigetragen hat. Aus heutiger Sicht istdieschriftstellerische Tätigkeit Carmen Sylvasein erfolgreiches Beispiel von Public Relations durch Storytelling in einer Zeit, als diese Begriffe noch gar nicht erfunden waren.

Dieser Band enthält eine erste ausführlichere Studie über das Bild des Königs Carol I. von Rumänien in den veröffentlichten Werken von Carmen Sylva,denReiseberichtder Königin„Rheintochters Donaufahrt“sowieein Album mitzahlreichenFotografien aus dem Fürstlich Wiedischen Archiv. Diese Fotografien sandteElisabeth an ihre Familienmitgliederin Neuwied undgewährteihnen Einblick in ihrLebenin der neuen Heimat.

Danksagung

Ich danke allen, die mich während der Arbeit an diesem Buchprojekt unterstützt und ermutigt haben.

Mein verbindlichster Dank an S. D.Carl Fürst zu Wied für die Unterstützung der Initiative „Forschungsstelle Carmen Sylva des Fürstlich Wiedischen Archivs“, die  2012 gegründet wurde, so dass dieses Buch als Band der Schriftenreihe der Forschungsstelle erscheinen kann.

Herrn Dr. Hans-Jürgen Krüger, Leiter des Fürstlich Wiedischen Archivs Neuwied, meinen herzlichen Dank für die zahlreichen Anregungen im Laufe des gesamten Buchprojekts sowie durch die Bereitstellung und Genehmigung zur Veröffentlichung des Bildmaterials aus dem Fürstlich Wiedischen Archiv Neuwied. Mein Dank gilt gleichermaßen Herrn WolfgangHorbert für die Unterstützung bei der Auswahl des fotografischen Archivmaterials.

Mein größter Dank dem wissenschaftlichen Beirat der Forschungsstelle für die vielen Anregungen, die teilweise auch in dieses Buchmit eingeflossen sind: Dr. Ruxanda Beldiman, Dr. Edda Binder-Iijima, Prof. Dr. Mihai Cosma, Dr. Sorin Cristescu, Prof. Dr. Ralf Georg Czapla, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Volkmar Hansen, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Heitmann, Prof. Dr. Maria Sass, Prof. Dr. Nicolae-Şerban Tanaşoca und Bernd Willscheid.

Für die freundliche Unterstützung durch Informationen zu verschiedenen Aspekten der Kunstgeschichte Rumäniens für die Zeit König Carols I. und zur Geschichte der rumänischen Königsfamilie danke ich auch: Dr. Ştefania Ciubotaru, Macrina Oproiu, Dr. Carmen TănăsoiuundDr. Mircea Hortopan.

Herrn Christian Schön, Leiter des ibidem-Verlags Stuttgart, und Frau Valerie Lange danke ich für die Aufnahme eines weiteren Buches über Carmen Sylva in das ibidem-Verlagsprogramm sowie für die stets freundliche und umsichtige Betreuung.

Kai-Otto und Robert danke ich für ihre Liebe, Geduld, Ermutigung und Unterstützung. Für wertvolle Anregungen, wiederholtes Korrekturlesen, die zahlreichen gemeinsamen Gespräche – und nicht zuletzt für die Idee zu diesem Buch – danke ich von ganzem Herzen meinem Ehemann Kai-Otto Zimmermann.

Silvia Irina Zimmermann

Carmen Sylvas Hommage an König Carol I. von Rumänien

„Und dieses Wort hat der König neulich zu mir gesagt: ‚Unser Leben ist doch sehr reich und sehr schön gewesen!‘ Ach, wie habe ich mich gefreut, das von seinen Lippen zu hören“[4]–erzählt Königin Elisabeth von Rumänien in ihrem BuchRheintochters Donaufahrtüber die vom 10. bis zum 16. Mai 1904 erfolgte Donaufahrt der rumänischen Königsfamilie von Turnu-Severin bis nach Sulina. Der Bericht dieser Reise, den sie unter ihrem damals europaweit bekannten Schriftstellernamen Carmen Sylva im folgenden Jahr gleichzeitig in Rumänien und in Deutschland veröffentlichte, ist als eine Hommage an ihren Gemahl König Carol I. von Rumänien (1839-1914) zu lesen. Der geborene Prinz von Hohenzollern Sigmaringen war 1866 von der politischenFührungsschicht der vereinigten rumänischen Fürstentümer zum Fürsten ernannt worden und wurde im Jahr 1881, nachdem er im russisch-türkischen Krieg(1877-1878)die Unabhängigkeit seines Landes gewonnen hatte, der erste König von Rumänien. Mit dem Schicksal des Königs Carol I. von Rumänien sieht sich Carmen Sylva, die erste Königin Rumäniens, geborene Prinzessin zu Wied (1843-1916) als Königin und Lebenspartnerin verbunden und sie zeigt dies, indem sie die Leistungen und das Wirken „des großen Mannes“ auch mit ihrer öffentlich wirksamen schriftstellerischen Tätigkeit unterstützt. Carmen Sylva berichtet inRheintochters Donaufahrtnicht nur über die Donaureise im Jahr 1904 sondern sie deutet sie auch als eine Rückschau und Bilanz der Regierungszeit des Königs Carol I. von Rumänien: Rückschau auf jene Orte, wo er als damaliger Fürst und Heerführer der rumänischen Armee 1878 die Unabhängigkeit Rumäniens erfochten hatte,und Bilanz über die Entwicklung des Landes, das seit 1881 ein selbständiges Königreich war. Von allen Stationen auf dem Weg entlang der Donau erhält insbesondere die Brücke bei Cernavodă (die am14./26. September1895[5]eingeweiht wurde)aus der Sicht der berichtenden Königin einen Symbolwert für die gesamte Regierungszeit des Königs. Denn, so erzählt sie, als 1866 dem Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen die Krone Rumäniens angeboten wurde, hatte dieser das wirtschaftliche Potenzial dieses Landes so eingeschätzt, dass es „ein Land mit Zukunft“ sei, denn es liege auf der Strecke zwischen London und Bombay. Somit, betont Carmen Sylva, bestätige die Vollendung der Brücke über die Donaudie Voraussicht des jungen Prinzen aus dem Jahr 1866. Denn durch die 1904 eingerichtete Schifffahrtslinie von Constanţa nach Ägypten erfüllte sich der langjährige Traum des Königs,und die Brücke könne man somit als die Krönung des Lebenswerks von König Carol I. von Rumänien sehen.[6]Bei der Eiweihung der Donaubrücke bei Cernavodă im Jahr 1895 galt diese auch als die längste in Europa.[7]

Carmen Sylva, die erste Königin Rumäniens, ist heute nur noch wenigen bekannt und wenn doch, dann vielmehr als Dichterin und Kunstförderin. Da die Forschung zur Geschichte der rumänischen Monarchie in Rumänien bis 1990 verboten war, gibt es noch vieles zu entdecken und aus heutiger Sicht neu zu hinterfragen und zu interpretieren. So verwundert es auch nicht, dass die politische, prodynastische Seite der veröffentlichten Literatur Carmen Sylvas bisher kaum untersucht worden ist. Denn allgemein wird in der Sekundärliteratur erwähnt, dass König Carol I. von Rumänien seiner Gemahlin die Einmischung in politische Fragen nicht gestattete, dass sie selbst der Realpolitik fern blieb und der Meinung war, dass ihre Rolle als Frau nurdiedes Echos ihres Mannes sei: „En politique la femme ne doit être que l’echo de son mari.“[8]

Ähnliches finden wir in einem Brief der Königin an ihre Mutter vom Juni 1884: „In Politik ist der König mein Orakel und ich hüte mich, je davon mitAndern zu sprechen, als mit ihm. Er hält mir Vorträge über Nationalökonomie und Finanzwesen, Eisenbahnen, Armee, kurz über alles, was sein Fach schlägt. Er hat ein ganz hervorragendes Genie für Verwaltung. Seine Talente liegen alle in entgegengesetzter Richtungwie meine. Neulich sagte Demeter Stourdza[9], er habe noch nie zwei Leute sich so ergänzen sehen, wie uns Beide. ‚Und doch könnte man nicht verschiedener sein‘, sagte ich. ‚Ja‘, antwortete er, ‚die Wege sind zwei, aber das Ideal ist immer nur Eines.‘“[10]Dieselbe Äußerung wird auch dem König zugewiesen, in ähnlicher Formulierung: „Die Königin und ich gehen unterschiedliche Wege, aber unserIdealist dasselbe.“[11]

Erstaunlicherweise findet man in den veröffentlichten literarischen Werken der Königin, die sie ab 1880 unter dem Pseudonym Carmen Sylva veröffentlichte (obwohl sehr bald bekannt wurde, wer sich unter diesem Dichternamen „verbarg“), immer wieder auch Erwähnungen des Königs und seiner Leistungen und Verdienste als Landesoberhaupt Rumäniens. Somit zeigt sich, dass die Königin ihre Behauptung, „nur ein Echo“ ihres Mannes zu sein, viel ernster und wörtlicherauffasste, als mandieszunächstverstehen mag. Die wiederholte Erwähnung des Königs Carol I. von Rumänien im literarischen Werk Carmen Sylvas ist gleichermaßen wie eine Huldigung und Idealisierung des Landesherrn und Gemahls zu lesen. Und selbst dann, wenn hauptsächlich die Königin ihre Ansichten über Land und Leute in Rumänien und über politische Geschehnisse (insbesondere über den Unabhängigkeitskrieg von 1877bis1878) zu vermitteln scheint, ist der Einfluss Carols auf die Königin nicht ganz wegzudenken. Indem die Königin stellenweise explizit erwähnt, dass sie die Worte ihres Gemahls wiedergibt, erhält ihre Rolle als Sprachrohr des Königs eine besondere Gewichtung und politische Tendenz. Die Literatur der Königin soll, so betrachtet, als eine im Sinne des Königs und im Dienst für das Königreich Rumänien verstanden werden. Somit wird man in den veröffentlichten Texten auch auf keine kritischen Töne stoßen, sondern man wird hier vor allem die Bewunderung der Königinfürdie Errungenschaften des Königs erfahren,fürseine Charaktereigenschaften, die diese Leistungenermöglicht haben, ihr Verständnis für seine Sorgen und sein Pflichtbewusstsein, ihre Freude über die Wertschätzung des Königs in der Bevölkerung undüberden Respekt, den sich der König im Ausland verdient hat. Auch in den allgemeineren Texten über den Herrscher, insbesondere in den Aphorismen, ist eine idealisierte Auffassung des „Königsberufes” vernehmbar und auch hier scheint König Carol I. von Rumänien Carmen Sylva als Beispiel zu dienen. 

Der König selbst profitierte vom dem schriftstellerischen Erfolg seiner Gemahlin im Ausland, denn die Aufmerksamkeit, die die dichtende Königin auf das neue Königreich Rumänien lenkte, machte auch seine Leistungen bekannt.In einem Brief an seinen Bruder Fürst Leopold von Hohenzollern-Sigmaringenschreibt König Carol im Jahr 1883:„Großen Anklang finden die von Elisabeth verfasstenPelesch Märchen, die in 14 Tagen bereits die zweite Auflage erleben; alle grossen Zeitungen haben dieselben einer lobenden Besprechung unterzogen. Demnächst lässt sie auch wieder eine neue Ausgabe der rumänischen Uebersetzungen erscheinen, die zahlreiche Kriegs-Oden von 1877 enthalten. Ihre Produktivität ist der Barometer ihrer Gesundheit, seit dem sie wieder fleissig arbeitet, fühlt sie sich wohler.“[12]

Auch die Nachfolgerin Elisabeths auf dem Thron, Königin Maria, bestätigt, dassCarol und Elisabethsich sehr gut ergänzten, obwohl sie sehr unterschiedlichePersönlichkeiten hatten, und dass der König die schriftstellerische Tätigkeit seiner Gemahlin wohlwollend betrachtete:„Her personality was as great as King Carol’s; they where direct opposites, ice and fire, but their manners were perfect and they were grandassociates forthe same cause.[…]  He admired his poet wife, was proud of her[…]“[13].

Betrachten wir nun die prodynastische Tendenz und die lobenden Passagen über den König in Carmen Sylvas Werk genauer: Welche positiven Aspekte betonte die Schriftstellerin undKönigin bei König Carol I. von Rumänien und was verstand sie konkret unter einem idealen Herrscher? Welche historischenGestalten und Mythen verband sie mit der Darstellung ihres Gemahls in ihrem literarischen Werk und welche Botschaft vermittelte sie hiermit nach Außen?

Die Darstellung des Königs in Carmen Sylvas Werk lässt sich in vier Themenbereiche unterteilen: 1. Der siegreiche Fürst;2. Der Bauherr und Förderer;3. Der weise König und sein Lebenswerkund4. Der Lebenspartner.

Carmen Sylvas Auffassung von einem idealen Herrscher entspricht der Vorstellung des Landesvaters, der gleichermaßen mildtätig und visionär istund der eine harmonische Beziehung zu seinem Volk zu erhalten sucht. Dass dieser ideale Zustand keine leichte Aufgabe ist, erfahren wir in Carmen Sylvas Aphorismen über den Herrscherundseiner Beziehung zum Volk, über Politik und Geschichte. Hier zeigt die Königin, welche Fähigkeiten, Erziehung und Charaktereigenschaften vom Herrscher verlangt werden, damit er ein idealer Landesvater sein kann, und welche Hindernisse sich ihm entgegenstellen.

Die hier ausgewählten Beispiele zur Darstellung des Königs Carol I. von Rumänien durch Carmen Sylva beziehen sich ausschließlich auf das literarische Werk der Königin, also jene ihrer Schriften, die sie bewusst für eine Veröffentlichung ausgewählt hatteund die als literarische Öffentlichkeitsarbeit betrachtet werden können.

Die von fremden Herausgebern veröffentlichten persönlichen Briefe Carmen Sylvas wurden hier nicht als Beispiel für die Darstellung des Königs durch die Königin berücksichtigt, da sie sich nicht an eine breite Öffentlichkeit richteten, sondern nur für den jeweiligen Briefempfänger bestimmt waren.Stellenweise werden dennoch einige Ausschnitte auch aus den Briefen wiedergegeben, wennsie fürdie komplexe Persönlichkeit der Königin,ihre literarischen Anliegen sowiezurBeziehung des Königspaareszueinanderweitere Deutungsmöglichkeitenbieten.

Es finden sich somit im Folgenden exemplarische Textstellen aus Carmen Sylvas literarischem Werk, die das Bild des ersten Königs oder des Königspaares Carol I. und Elisabeth von Rumänien betreffen, die aus sehr unterschiedlichen Werken und Textarten stammen (Lyrik, Märchen, Reisebericht, Erinnerung, Essay) und die auch an verschiedene Leser gerichtet sind (nach Altersgruppen: Erwachsene, Jugendliche, Kinder oder nach Sprachen: deutsche und rumänische Leser sowie, anhand zweier Textbeispiele, französisch- und englischsprachige Leser). So erscheint zuweilen manche Schilderung aus einem Märchentext sehr naiv und in der Lyrik sehr persönlich und gefühlsbetont.

Die Veröffentlichung der dichterischen und essayistischen TexteCarmen Sylvasin rumänischen Zeitungenund als Buchausgabenhatte das Ziel, die Literatur und die Ansichten der Königin im Inland publik zu machen.Dagegenermöglichten die Übersetzungen insbesondere in Englisch und Französisch eineVerbreitungihrer Schriftenüber die Landesgrenzen hinaus,nach Frankreich, Großbritannien und bis nach Amerikaund Australien.

Mit ihrem bereits erwähnten Bericht über die Donaufahrt der rumänischen Königsfamilie aus dem Jahr 1904spricht die Königinvor allem die deutschen Leser an. Und sie erklärt, wenn auch nur ansatzweise, Kultur, Geschichte sowie Landschaft Rumäniens entlang des Donauufers im Vergleich zu der deutschen und insbesondere zur rheinischen Landschaft. Mit dem Titel der deutschen BuchausgabeRheintochters Donaufahrthebt sie den Rhein als ihre eigentliche Heimat hervor, der sie sich persönlich weiterhin verbunden fühlt. Die Donau dagegen,so betont sie, sei landschaftlich „dieselbe” von Sigmaringen bis nach Rumänien, „so dass die Sigmaringer sich ganz in die Heimat versetzt fühlten“. Und damit ist vor allem der König gemeint, der bei seiner Ankunft in Bukarest am 10. Mai 1886 und beim Schwur auf die Verfassung des neuen Landes verkündete (damals in Französisch): „En mettant le pied sur cette terre sacrée, je suis devenu Roumain.”[14](„Indem ich den Fuß auf diesen geheiligten Boden setze, bin ich Rumäne geworden.“[15]).

In Carmen Sylvas Reisebericht werden geschickt die beidenLandschaftendeutsche Donau und rumänische Donau verbunden, symbolisch für dasFürstentum Hohenzollern-Sigmaringen(Geburtsort von König Carol I.) unddas Königreich Rumänienstehend. Die Donauwird so zumSchicksalsstrom des Königs Carol I. von Rumänien, Ursprung und Bestimmung verbindend.PrinzKarl von Hohenzollernwurde mit dem ersten Schritt auf rumänischem Boden ein Rumäne und er verpflichtete sich ab diesem Zeitpunktals Carol I. von Rumänienfür die Interessen seines neuen Landes zu kämpfen.

König Carol I. von Rumänien im literarischen Werk Carmen Sylvas

Der siegreiche Fürst

In den ersten Jahren der schriftstellerischen Tätigkeit der Königin (1880-1890) ist insbesondere die Freundschaft zu Vasile Alecsandri[16]als bedeutend für ihr Wissen über die rumänische Volkskultur und DichtungundfürihreliterarischeVermittlung zu nennen. Carmen Sylva dankte ihrerseits dem Dichter und Sammler rumänischer Volksdichtung mitihrer Übersetzungseiner Dichtungen ins Deutsche,mit der WidmungihresBandesDurch die Jahrhunderte(1885)an ihn(„Unserem geliebten und verehrten Dichter Vasili Alecsandri, dem unermüdlichen Sammler rumänischer Volkspoesie gewidmet von Carmen Sylva“)sowie mit derErzählungWie Alecsandri die Balladen fand[17].

Aus heutiger Sicht mag es verwundern, warum die Königin freundschaftlich mehr mit Vasile Alecsandri verbunden war und warum sie nicht Mihai Eminescu, dem für die rumänische Literatur bedeutenderen zeitgenössischen Dichter, besondere Aufmerksamkeit schenkte. DieKönigin schätzte Eminescu sehr wohl und ihr kommt der Verdienst zu, als Erste eine deutsche Gedichtübersetzung von Mihai Eminescu in Deutschland veröffentlicht zu haben, und zwar das GedichtMelancholie, das unter dem Pseudonym E. Wedi 1878 in der deutschen ZeitschriftDie Gegenwarterschien.[18]Im Gegensatz zu Eminescu stand Alecsandri jedoch dem Königshaus näher.VasileAlecsandriwar zu Lebzeiten als Dichter sehr populär und wurde als „poetul naţiunii“ (Dichter der Nation) und „rege al poeziei“ (König der Dichtung) verehrt. Ihm ist dieerste Veröffentlichung der bedeutendsten Volksballaden zu verdanken, die zur Entwicklung einer rumänischen Nationalidentität dienten (darunterMioriţa, Toma Alimoş, Mânăstirea Argeşului).Auch die Hymne der VereinigungsbewegungHora Unirii(1856) und die Hymne des Königreichs RumänienTrăiască Regele(Eslebe der König,1881) zur Gründung der rumänischenDynastiemitCarol I.alsersten Königvon Rumänienstammen vonAlecsandri.

Stilistisch ist in der ersten Schaffensphase der Königin(1880-1890)ein starker Einfluss Alecsandris zu vernehmen, insbesondere was die patriotischen Lieder Carmen Sylvas betrifft, so zum Beispiel die Gedichte auf den rumänischen Unabhängigkeitskrieg 1877-1878 und den militärischen Erfolg ihres Gemahls König Carol I. von Rumänien, infolge dessen das Land Rumänien zu einem Königreich erhoben wurde.

In dem KriegsgedichtCalafat,das in seinerbeschwingteWeisean patriotischeGedichtewieSergentuloderPeneş CurcanulvonVasile Alecsandrierinnert, zeigt Carmen Sylva den König als heldenhaften Heerführer:

„Die Donau strömet breit dahin,

So kraftbewußt, so ruhevoll;

Sie hält das Land im Arme fest

Und hat‘s an weiche Brust gepreßt,

Dess‘Marken sie beschützen soll.

Widin und Calafat die steh‘n

In Abendsonnenglut getaucht,

Die Ruhe atmet überall –

Da zuckt ein Blitz, da dröhnt ein Knall,

Die Erde bebt, das Wasser raucht.

Es zischen in die gold‘ne Flut,

Es sausen durch die Lüfte schwer,

Aus schwarzen Schlünden ausgesandt,

Als Brudergruß, von Land zu Land,

Die mächt‘gen Bomben hin und her.

Hoch oben, auf der Batterie

Steht König Karl so ruhig da;*

Ihr Mannen, schaut den Tod nur an,

Der Führer selber denkt nicht dran,

Was ihn umringet drohend nah.

Er schaut mit ernstem Angesicht

Hinaus, und denkt, ob‘s ihm wohl glückt,

Daß er Widin mir seiner Schar

Bestürmt, daßer die Donau gar

Für seine Helden überbrückt.

Da kracht es einen Schritt vor ihm

Und splitternd sprüht es um ihn her;

Sie schau‘n erschrocken auf und seh‘n,

Dort oben ihren Führer steh‘n,

Allein, im Feuermeer.

Der eine schlug entsetzt das Kreuz,

Der Andre stürzte in die Knie‘;

‚Der Fürst! ach unser Fürst verletzt,

Der Steuermann, den Nichts entsetzt,

Und niemand!‘jammern sie.*

Doch hoch die Mütze schwingend rief

Er hell und laut, aus starker Brust:

‚Hurra! Das ist Musik für mich,

Die hab‘ich gern, die kenne ich,

Nach dieser hatt‘ ich Lust!‘

Die Donau hat den Ruf gehört

Ihr lacht das Herz, sie kennt den Ton,

In ihren Wellen singt es jung,

In zärtlicher Erwiderung,

Dem Hohenzollernsohn!“[19]

ImautobiografischenMärchenPelesch im Dienst(1888) wird der Krieg 1877-1878 in Zusammenhang mit der Einstellung des Baus des Königsschlosses Pelesch gebracht. Zugleich lenkt die Königin die Aufmerksamkeit des Lesers auch auf ihr Wirken während der Kriegszeit, indem sie die eigenen Bemühungen um die Pflege der verwundeten Soldatenerwähnt. Ausführlicher sind aber auch hier die Kriegserlebnisse des Königs geschildert:    

„Aber noch lange, ehe ich gesund war, kam der Krieg. Und man musste mich in die Spitäler tragen, und den ganzen Tag hielt ich die Verwundeten in meinen Armen und kniete an ihren Betten und konnte beinahe nicht aufstehen. Und der König war fort in den Krieg und ich war ganz allein. Der Pelesch hatte aber gute Tage, denn für zwei Jahre hatte er seinen Willen: der Bau war eingestellt. Der König hatte all sein Geld den Soldaten gegeben und konnte keine Häuser bauen. Als er aber siegreich zurückkam, da waren wir alle so froh! Er musste von Plevnanach Nikopolis reiten bei 20 Grad Kälte über lauter Leichen.Das war sehr furchtbar. Und in Nicolopis lagen zehntausend gefangene Türken aus Plevna in den Gräben und schrien nach Brot, denn sie waren halb verhungert und erfroren. Und von Nikopolis über die Donau fuhr der König in einem winzigen eisernen Schiffchen zwischen den krachenden Eisschollen hindurch mit Lebensgefahr. Und von Turnu Magurelli bis Bukarest fuhr er im Schlitten in solchem Schneesturm, dass er beinahe umgekommen wäre. Aber das tat alles nichts. Er war doch ein Held und ein Sieger[…]“[20]

Ernster ist der Ton inCarmen Sylvas KriegsgeschichteHalt! Wer da?ausdem BandMärchen einer Königin(1901), in der die Entschlossenheit des Königs hervorgehoben wird, die den Soldaten neuen Mut und Kraft verleiht, und sie zum gemeinsamen Sieg führt:

„Es war in der kalten, regnerischen, dunklen Nacht nach der blutigen Schlacht von Grivitza. König Carol hatte mit seinem kleinen Heere Wunder der Tapferkeit vollbracht. Dreimal hatte das Höllenfeuer von Plevnas Wällen herunter die Jäger und Dorobantzen[21]zurückgetrieben. Der König hielt mit seinem ernsten, wie in Stein gemeißelten Gesicht und seinen Adleraugen mitten im Schlachtfelde, im Kugelregen, und als zum dritten Mal seine Leute umkehrten, weil die Hälfte von ihnen am Boden lag, bereitszweitausend Mann, da rannen ihm Tränen über die Wangen, aber mit donnernder Stimme rief er die Zurückweichenden an: ‚Wo geht ihr hin?‘

‚Ach Herr! Nicht einer von uns lebt mehr, keiner blieb übrig von uns allen!‘

‚Wie? Keiner?‘, herrschte der König sie an, ‚du bist ja noch am Leben, und der dort, das sind zwei, und da kommt einer, das sind drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, – kehrt zurück, ihr müsst die Redoute nehmen, ihr müsst, sage ich! Vorwärts, Marsch!‘

So sammelte er selbst sein wankendes Heer und führte es selbst wieder in den dichtesten Kugelregen zurück, und die Redoute wurde genommen![…]

[Er] wollte nicht besiegt heimkehren, für ihn gab es nur das alte: Auf dem Schilde oder mit dem Schilde, denn geschlagen hätte Rumänien aufgehört, zu sein.“[22]

Der Ritt Carols über den verschneiten und mit Leichen übersäten Weg vom Kampfplatz zurück an die Donau, „den grässlichsten Ritt seines Lebens“, erwähnt die Königin auch in dem späteren ReiseberichtRheintochters Donaufahrt(1905) genauso wie bereits zuvor in dem autobiografischen MärchenPelesch im Dienst(1888), und sie betont, dass sie sich dabei auf die Schilderungen des Königs beruft. In dem MärchenHalt! Wer da?erzählt Carmen Sylva die Kriegserlebnisse des Königs aus der Perspektive einesAugenzeugen, des Soldaten Stan, der die Vision hat, dass der mittelalterliche Fürst Stefan der Große[23]–ein Symbol des Kampfes der Rumänen für die Unabhängigkeit–dem König helfend und ihn beschützend zur Seite steht:

„Und am zehnten Dezember fiel Plevna, und der König Carol ritt dem verwundeten Osman entgegen und beglückwünschte ihn, dass er ein Held gewesen und die Feste länger verteidigt habe, als es irgendein Mensch hätte ahnen können. Wäre Stefan nicht schützend eingetreten für sein Volk und Heer, so wären alle elend zugrunde gegangen, weder Russen, noch Türken, noch Rumänen wären lebendig herausgekommen, denn es fing einSchneesturm an, wie er nur in unsern Ebenen herrschen kann, wo Mensch und Tier zugrunde geht, dazu zwanzig Grad Kälte, und die Donau mit solchem Eisgang, dass nicht ein Stückchen Brot mehr hinüber konnte. Der König verließ Plevna und trat den grässlichsten Ritt seines Lebens an. Aber wieder sah Stan, wie Stefan der Große neben ihm herritt, und es ward ihm nicht bang.

Der ganze Weg von Plevnabis Nikopolis an der Donau war mit Leichen besät von Freund und Feind, mehr aber von den Türken, die halb verhungert Plevna verlassen hatten. Da lagen, standen, saßen die Leichen, alle so fest gefroren, dass sie nicht einmal umfielen. Oder man sah sie die Arme gen Himmel strecken und sterben. An den Wagen standen Pferde und Führer erfroren. Man fand eine Gruppe um ein Rad sitzen, in dem sie ein kleines Feuer angemacht hatten, um sich ein wenig zu erwärmen. Alle waren tot. König Carols Pferd scheute und schnaubte, da es beständig auf überschneite Leichen trat und ausweichen wollte. Über dem allen kreisten in Scharen die Raben, die hier aufräumen, eswar schauerlich. Endlich war Nikopolis erreicht, da lagen die türkischen Gefangenen in den Festungsgräben und schrien nach Brot, aber da war kein Brot, der Eisgang war zu furchtbar, es wagte sich kein Kahn herüber.

Fast wären alle in jener Nacht verhungert und erfroren. Stan aber, der in der Begleitung des Königs mitgeritten war, sah in der Nacht Stefan den Großen selbst Wache stehen vor des Königs Wohnung, er sah ihn neben dem König die vereiste Schwindelbahn bis zur Festung hinaufreiten, und so einen Sturz verhüten, und in der Nacht sah er ihn umhergehen und Trost spenden und Hoffnung in die matten Herzen senken, und am Morgen waren doch noch sehr viele von den Zehntausend am Leben, die diese Schreckensnacht erduldet hatten. Man wagte es, den König in einer ganz kleinen Barkasse über die Donau fahren zu lassen, das Schiffchen wurde krachend von den Eisschollen in die Höhe gehoben und drohte, zugrunde zu gehen, aber wieder sah Stan vom Ufer her eine hohe Gestalt über die Eisschollen voranschreiten, und es war, als gehorchte das Schiffchen seinem Winke, so sicher flog es dahin. Es war, als geböte er den Eisschollen, als hätte er Macht über die Gewässer, bis er den König wieder auf rumänischem Boden hatte und vor jeder Gefahr bewahrt. Dann half ernoch, den Armen Brot herüber schaffen in solch kleinen Barkassen, so dass dasentsetzliche Geschrei aufhörte […].“[24]

Um die Vision Stefans des Großen als Beschützer des Königs Carol I. von Rumänien glaubwürdig darzustellen, lässt Carmen Sylva das wunderbare Geschehnis aus der Sicht des jungen rumänischen Wachsoldaten Stan erzählen: 

„Wie aber wurde es Stan, als er am Morgen beständig Stefan in seiner sonderbaren Uniform neben dem König halten sah, mit weitem Blick das Schlachtfeld bestreichend und, wenn Kugeln und Bomben angeflogen kamen, nur ruhig die Hand hebend, als könne er sie aus ihrer Bahn lenken, um den Fürsten zu beschützen, den zum Siege zu führen er gekommen war. Die Menschen sprachen immer davon, König Carol setze sich viel zu sehr dem Kugelregen aus für einen Heerführer, der nicht fallen dürfe, wenn sein Heer siegen solle, aber Stan wusste, dass keine Gefahr sei. Stan hatte gesehen, wie Stefan die Hand schützend über Carol hielt, und er wusste, es würde ihm kein Haar gekrümmt werden im dichtesten Schießen.[…]

Er wusste, sie würden nicht zugrunde gehen, so lange Stefan der Große seine starke Hand nach ihnen ausstreckte. Er wusste, dass der König sein Volk zu allem Glück zu führen bestimmt sei, da der Größte, den es besessen, ihm zur Seite stand mit seinem starken, frommen Sinn. Und König Carol machte es ebenso wie Stefan, er baute schöne Kirchen im ganzen Lande, darum hatte ihm auch Gott sichtbar zur Seite gestanden. Und als die Truppen nach Monaten ihren Siegeseinzug in Bukarest hielten, da sah Stan noch einmal Stefan den Großen wie einen leichten Schatten neben dem König reiten, und ein andrer kam ihm entgegen, das war Michael der Tapfere[25], der seinen Bruder im Kampfe von Weitem begrüßte.“[26]

Im Märchen erhält  die Vision Stefans des Großen aus der Perspektive des Königs Carol I. dagegen eine realistischere Erklärung, indem sie als Vorsehung gedeutet wird:

„Als man beim Hahnenkraht dem Könige melden kam, der Angriff auf die Redoute sei abgeschlagen, da fand man ihn mit dem Kopf in der Hand, eingeschlafen, und als er erwachte, sah er sich um und fragte, ob niemand in sein Zelt gekommen sei? Niemand, sagten die Diener, der meldende Offizier. ‚Aber ich sah doch…‘, sagte der König und hielt inne und dachte, er habe geträumt, Stefan sei bei ihm eingetreten, Stefan habe ihm den Sieg verheißen, Stefan habe lange mit ihm geredet, von der Art, wie er sein kleines Heer zum Siege führen könne. Der König hätte doch schwören können, dass er wirklich mit dem großen Helden gesprochen, aber er sagte nichts und meinte, der Traum sei ihm geschickt worden als Stärkung und Tröstung in der schweren bangen Stunde.“[27]

Die historischen Gestalten  Michael der Tapfere und Stephan der Große, die als Symbolpersönlichkeiten des Kampfes für die Unabhängigkeit Rumäniens gelten, erwähnt Carmen Sylva in diesem Märchen, um König Carol I. in die Tradition des jahrhundertelangen Kampfes der Rumänen um die nationale Selbständigkeit zu stellen. Auch im Königsschloss Pelesch, das der König erbaute,beinhaltetedas Bildprogramm in der Ehrenhalleam Anfangdiese beidenhistorischenPersönlichkeiten.[28]So wie Carmen Sylva es in ihrem Märchen über den Königbetont, vermittelte auchCarol I.als Bauherr seines neuenKönigsschlosses, dass sein Anliegen als Landesherrscher in derselben gemeinsamen historischen Tradition des rumänischen Volkes stand, Rumänien zu einem selbständigen Königreich zu machen. 

Der Bauherr und Förderer

Um die Glorifizierung des Königs nicht nur auf den Bereich des Kriegerischen zu reduzieren, versucht Carmen Sylva den König auch als „größten Bauherrn“ des Landes in Zusammenhang mit einem schöpferischen Akt zu bringen.Und so wird im MärchenHalt! Wer da?(Märchen einerKönigin, 1901)erwähnt,dass der König nicht nur als Kämpfer für die Unabhängigkeit seines Landes an die Tradition des rumänischen Volkes anknüpft, sondern auch als Bewahrer und FördererderLandeskultur:

„Und König Carol machte es ebenso wie Stefan [der Große], er baute schöne Kirchen im ganzen Lande, darum hatte ihm auch Gott sichtbar zur Seite gestanden.“[29]

König Carols Schloss Pelesch und Carmen Sylvas „Pelesch-Märchen“

Auf Anregung des rumänischen Kultusministers verfasste Carmen Sylva 1882 das MärchenbuchPelesch-Märchen, das in rumänischer Übersetzung(Poveştile Peleşului)als Prämienbuch für Schulkinder verteilt wurde. Der rumänischen Fassung derPelesch-Märchenliegt ein programmatischer Aspekt zugrunde: mit diesen Märchen beabsichtigte die Königin der rumänischen Schuljugend „in sinnig-poetischer Weise die gewaltigen Berggipfel bei Sinaia zur vaterländischen Sage und Geschichte in Beziehung“zubringen, mit dem Ziel, das Heimatgefühl der Jugend zu pflegen und zu vertiefen.[30]Mit demselben Märchenband, 1883 in Deutschland unter dem TitelAus Carmen Sylva’s Königreich. Pelesch-Märchenerschienen, vermittelte die Königin das Exotische und Rätselhafte der rumänischen Karpatenlandschaft und der rumänischen Landbevölkerung im Ausland. Die deutsche Ausgabe enthält – anders als die rumänische –auch ein WidmungsgedichtAn die Kinder, in dem die Autorinmitteilt, dass „ihr Königreich“ im Grunde die wunderbare Natur und das Märchenreich sind, und dass dies vor allem der größte Reichtum sei.

Angeregt durch die malerische Umgebung des Peleschtales, wo der Bau des königlichen Sommerschlosses bereits um 1875 begonnen hatte, entstanden hier Carmen Sylvas Märchen, den Namen des Waldbachs Pe