Unverbrüchlich aus der Zeit gefallen - Norbert Seitz - E-Book

Unverbrüchlich aus der Zeit gefallen E-Book

Norbert Seitz

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Beschreibung

150 Jahre SPD - für viele ein Grund, die Korken knallen zu lassen. Doch selbst feiern dürfen sich die Genossen nicht. Denn Deutschlands älteste Partei befindet sich in einem desolaten Zustand: intellektuell orientierungslos und ohne begeisternde Persönlichkeiten. Dazu kommen das Trauma der Agenda 2010 und die Sorgen um den Nachwuchs. Eine lange Geschichte ist eben nicht genug, meint Norbert Seitz, der von der SPD mehr erwartet als die Verwaltung verblichenen Ruhmes. In seinem kritischen Geburtstagsgruß zeigt er, was sich ändern muss, um der deutschen Sozialdemokratie eine Zukunft zu geben.

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Seitenzahl: 29

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Norbert Seitz

UNVERBRÜCHLICH AUS DER ZEIT GEFALLEN

(K)eine Festschrift zum 150. Geburtstag der SPD

Campus VerlagFrankfurt/New York

Inhalt

Die Jubilarin

1918 ff.

1949 ff.

1968 ff.

1989 ff.

2013 ff.

Über den Autor

Impressum

Die Jubilarin

Es ist das immer dasselbe, wiederkehrende Ritual. Wenn Parteitage kurz vor Mitternacht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in knappen Viertelstundenberichten zusammengefasst werden, hört man – im Falle der SPD – eine müde Truppe nach zweitägigem Rede- und Geselligkeitsmarathon die Parteihymne singen: »Mit uns zieht die neue Zeit / Mit uns weht ein neuer Geist.« Ist es nur die gestresste Einfallslosigkeit von Journalisten, ihre Kurzberichte seit ewigen Zeiten damit beginnen oder enden zu lassen? Oder soll hier die älteste Partei Deutschlands mit ihrem Traditionalismus stets aufs Neue vorgeführt werden? Es gleicht schon deshalb einer Vorführung, weil die Sozialdemokratie schon lange keine »neue Zeit« und keinen »neuen Geist« mehr repräsentiert. Eher nimmt man sie in der defensiven Rolle wahr, wie sie die Auswüchse des Zeitgemäßen zu bekämpfen versucht.

Die Jubilarin wirkt ein wenig ermattet, ohne überschwängliche Hoffnung auf bessere Zeiten. Wer wehmütig die Nachrufe auf die vorübergehend insolvenzbedrohte, inzwischen vom einstigen Erzfeind »FAZ« übernommene, »Frankfurter Rundschau« gelesen hat, fühlte sich leider auch ein wenig an die Entwicklung der SPD erinnert: Wie der Zeitgeist an der Zeitung vorbeigerast sei; wie das Überleben zur Haltung stilisiert wurde, nachdem sich kaum jemand für eine wirkliche Erneuerung begeistern ließ; wie Beständigkeit und Starrsinn miteinander verwechselt wurden; wie das grün-alternative Gegenmilieu der frischer und frecher auftretenden »taz« der spannungslosen Langeweile des Traditionsblatts allmählich den Rang ablief; und wie die ehernen Alt-68er und Adorno-Freaks im Feuilleton die nachfolgende Generation nicht mehr verstanden, »die es mehr mit Niklas Luhmanns cooler Beobachtungskunst hatten« (Ina Hartwig). Bis es am Ende die typischen alten Leser nicht mehr gab und man an die untypischen neuen nicht herankam.

Um ein Fazit der kritischen Rekonstruktion bereits vorweg zu nehmen: Die SPD war in ihrer langen Geschichte immer nur erfolgreich, wenn sich ihre Politik auf der Höhe des Trends der Zeit bewegte. Dies war unter den Gründern Ferdinand Lassalle und August Bebel so, als die Arbeiterbewegung sich zur neuen gesellschaftlichen Kraft emporkämpfte und die Partei hernach die stärkste Fraktion im Reichstag stellte. Trotz massiver Behinderungen durch Bismarcks Sozialistengesetze (1878 – 1890) ging es voran, auch wenn die »Sozis« mit ihrer organisatorischen Strenge danach einer »bis zur Komik getreuen Volksausgabe des Wilhelminismus« glichen, wie der sanfte Revolutionär Kurt Eisner von der bayerischen USPD es einmal spöttisch formulierte. Die Arbeiterbewegung konnte in ihrem gerechten Kampf für eine demokratische und soziale Verfassung auch nicht von staatlicher Repression aufgehalten werden.

Die SPD ist im Rückblick auf ihre 150 Jahre weitgehend mit sich im Reinen. Sie schöpft aus den Erfahrungen kaum mehr etwas, an dem sie heute noch glaubt sich abarbeiten zu müssen, weil sie im Prinzip aus einer reichlich selbstgerechten Sicht heraus das Meiste richtig gemacht haben will. Besteht ihr Grund zu feiern nicht gerade darin, solange durchgehalten zu haben, obwohl sie inzwischen ein wenig aus der Zeit gefallen scheint.

Entgegen ihres protagonistischen Anspruchs tat sich die Partei an Zeitenwenden wie 1918, 1949, 1968 oder 1989 immer schwer – meist mit dramatischen Konsequenzen. An jenen magic dates gilt es, die Geschichte der Partei kritisch aufzuarbeiten.

1918 ff.