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Van Beeften ist ein Dackel mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die er beim Kampf um den Sieg von Gut oder Böse einsetzen muss. Seine Geschichte spielt auf der Insel Amrum.
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Seitenzahl: 55
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für Fritz Für Eddie Für Friedi
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHSZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
Sörensen juckte das Ohr. Es bedeutete nie etwas Gutes, wenn Sörensen das Ohr juckte. Mit steifen Fingern, die von der Kälte schon blau angelaufen waren, versuchte er sich zu kratzen. Wie so oft half es nichts. Das bedeutete tatsächlich nichts Gutes.
Sörensen war sich nicht ganz sicher, wie lange er jetzt schon mit seiner Kamera im Dünenversteck am Wriakhörnsee auf den perfekten Schuss gewartet hatte, aber ein paar Stunden waren es sicherlich. Mitten im November wohlgemerkt. Der erste Sturm schickte seine Vorboten bereits voraus und blies dem Hobbyornithologen und seinem Dackel, Van Beeften, den Sand um die Ohren. Und er hatte nicht ein einziges Foto. Die Möwen hatten sich genauso wie jeder vernünftige Mensch vor dem heraufziehenden Sturm irgendwo verkrochen.
„Schietwetter!“, murmelte Sörensen vor sich hin. Van Beeften hob den Kopf und schaute sein Herrchen erwartungsvoll an.
Der kleine Hund hatte sich so nah wie möglich an die Füße Sörensens herangedrückt, um ein wenig Wärme abzubekommen. Sörensen erhob sich aus seiner halb liegenden Position, drückte den Deckel auf das Objektiv und schlug die Plane zum Dünenversteck zurück. Sofort blies ihm eine eisige Windböe in´s Gesicht. Van Beeften folgte ihm auf den Fuß, als er aus dem kleinen Zelt auf den Bohlenweg trat. Mit einem prüfenden Blick in den grauen Himmel zog Sörensen sich die Mütze tiefer in das Gesicht, verpackte die Kamera sorgfältig in ihrer Tasche und schulterte sie.
„Na komm, dein Abendessen wartet“, raunte er in Richtung des Dackels und wollte gerade losstapfen, als ihm etwas auffiel. Der Hund rührte sich nicht. Van Beeften hatte die Nase hoch erhoben und witterte in Richtung des Leuchtturms, der nur schwach im Flugsand zu erkennen war. Sörensen hob die Hand vor die Augen und blickte in die Richtung, die der Hund anzeigte.
Doch er konnte im Zwielicht und bei dem ganzen umherfliegenden Sand so gut wie nichts erkennen.
„Komm schon!“, rief er nach Van Beeften und wandte sich ab.
Er hatte beim besten Willen keine Lust mehr, sich diesem Wetter weiter auszusetzen. Nachdem er einige Schritte gegangen war, drehte er sich noch einmal um. Und erstarrte. Ihm war, als erkenne er dort, zwischen Sandwolken und Nebel, einen schemenhaften Schatten. Van Beeften schien es nicht anders zu ergehen, denn mit einem kurzen Kläffen schoss der kleine Hund los und stürzte sich in eines der Dünentäler – direkt auf den Schatten zu. Sörensen wollte rufen, doch in diesem Moment schob sich eine dicke Nebelbank vor die Szenerie und verschluckte den Hund, den Schatten und auch den Rest der Dünenlandschaft dahinter.
Schon seit Stunden suchte Sörensen nun inmitten des heftigen Sturmes nach Van Beeften. Das Rufen hatte er aufgegeben, denn jedesmal, wenn er den Mund öffnete, sammelte sich innerhalb einer Sekunde eine Hand voll Sand darin. Zornig, unterkühlt und pitschnass stolperte er von Dünenkamm zu Dünenkamm, immer in Richtung des Leuchtturms, wie er hoffte. An die Kamera wollte er gar nicht denken, die war mit Sicherheit bereits abgesoffen in ihrer Tasche. Doch so sehr er auch suchte, der Hund blieb verschwunden. Ebenso wie der mysteriöse Schatten.
Wenn Sörensen an dessen unscharfe Silhouette dachte, schauderte ihm noch ein bißchen mehr, als es ohnehin schon der Fall war. Irgendetwas an der Form der Figur war seltsam gewesen.
Plötzlich fielen ihm die Geschichten seiner Großmutter Edda wieder ein, die von herumgeisternden Seelen toter Seeleute, von Oonerbäänken und Geistern aller Art zu berichten wusste – nicht zuletzt von Störtebeker auf seinem Schimmel, der in Sturmnächten über den Deich ritt. Sörensen weigerte sich, diesen Gedanken zu viel Raum zu geben. Schließlich war er fast 60 Jahre alt und seine Großmutter nun schon über 45 Jahre tot.
Zur Hölle mit all diesen Geschichten!
Langsam verlor Sörensen sein Zeitgefühl. Von der Orientierung ganz zu schweigen. Zu allem Übel wurde es jetzt auch noch dunkel. Sturmschwangere, schwarze Nacht zog heran. Das Einzige, was ihn beruhigte, war die Tatsache, dass er wohl immer noch im breiten Dünengürtel unterwegs war, denn es ging stetig auf und ab. Seine Schuhe quollen über vor nassem Sand, der ihm auch in jeder Ritze seiner Kleidung steckte, ihm die Nase verstopfte und die Tränen in die Augen trieb. Innerlich verfluchte er sich dafür, Van Beeften wie ein kleines Kind hinterhergerannt zu sein. Was hatte ihn da bloß geritten? Vom Dackel fand er nach wie vor keine Spur. Es reichte. Sörensen brauchte eine Pause. Wie durch ein Wunder stieß er beim nächsten Schritt plötzlich gegen die kniehohe Kante eines Bohlenweges. Ächzend ließ er sich auf die hölzerne Konstruktion nieder, den Rücken in die Windrichtung gedreht. Der Sturm bließ nun mit unvermittelter Kraft über die Insel hinweg. Die Luft roch nach Salz und Sörensen wusste, dass das heute mit Sicherheit eine heftige Sturmflut geben würde. Mit steifen Fingern umklammerte er den Gurt seiner Kameratasche, während der Wind um ihn pfiff. Das hier war kein Ort zum Verweilen.
Durchgefroren und steif quälte sich Sörensen in die Höhe und kletterte ungelenk auf den Bohlenweg. Als er sich aufrichtete, zuckte jäh ein Blitz über den Himmel und zerriss die Dunkelheit für den Bruchteil einer Sekunde. Doch das, was Sörensen da zu sehen bekam, reichte, um ihm neue Kräfte zu verleihen.
Unter den sturmzerklüfteten Wolken, die sich über ihm auftürmten, zwischen den dicken Regentropfen und den sandigen Böen stand keine zehn Meter entfernt vor ihm eine Gestalt auf dem Bohlenweg. Sie war nicht sehr groß. Ihre unbedeckten Arme hingen seitlich am Körper herab, der nur von einem zerfetzten Nachthemd bedeckt war, das der Sturm fast wegzureißen drohte. Die nackten Füße wippten auf den Ballen leicht nach vorne und hinten. Das Gesicht war von langen, pechschwarzen Haaren verdeckt, die nass und strähnig herunterhingen. Sörensen überlegte nicht. Tausend Geschichten seiner Großmutter schossen ihm durch den Kopf. Und im Nachhall dieser Geschichten übernahm der Instinkt seine Körperfunktionen. Voller Entsetzen stürmte Sörensen in die entgegengesetzte Richtung los. Unwillkürlich schien vor ihm in der Dunkelheit kein Sturm zu herrschen, sondern ein wildes, riesiges, brüllendes Tier zu lauern, das ihm Sandkörner scharf wie Glassplitter und Spuckebröckchen voller Hass entgegenschleuderte. Doch umzudrehen wagte er auf keinen Fall. Da war ihm der Sturm lieber als seine Vision – oder was auch immer das gewesen war.