Vegane Athleten - Sebastian Finis - E-Book

Vegane Athleten E-Book

Sebastian Finis

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Beschreibung

Entdecke die Kraft der veganen Athleten! Tauche ein in fesselnde Biografien von deutschen Spitzensportlern, die mit rein pflanzlicher Ernährung beeindruckende Erfolge erzielen. In "Vegane Athleten" erfährst du, wie die richtige Ernährung im Spitzensport revolutionäre Leistungen ermöglicht. Mit inspirierenden Geschichten und exklusiven Einblicken öffnet dieses Buch neue Perspektiven. Erlebe ein Gesamterlebnis mit ergänzenden Inhalten auf veganeathleten.com. Bist du bereit für außergewöhnliche sportliche Leistungen? Entdecke die Welt der veganen Athleten!

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Über den Autor

Sebastian Finis ist mit Leib und Seele veganer Athlet. Er wurde im Jahre 1980 in Berlin geboren und sieht es als seine Lebensaufgabe an, anderen Menschen dabei zu helfen, ein gesünderes, fitteres und leistungsfähigeres Leben zu führen.

In der täglichen Praxis setzt der Fitness- und Gesundheitsexperte seine „Mission“ in privaten Trainingsstunden (Personal Training), Gruppenkursen und Workshops um.

Expertise und Inspiration verbreitet der Berliner als Speaker, Buchautor, Podcaster, YouTuber und Blogger.

Ein elementarer Bestandteil seines Lebens ist und bleibt Sport, wobei seine besondere Leidenschaft dem Basketball gilt. Schon als kleiner Junge zockte er auf Berlins harten Freiplätzen und auf Streetballturnieren, tapezierte sein Zimmer mit NBA-Spielern und sammelte mit Begeisterung NBA-Trading-Cards.

Im Jahre 2015 entschloss er sich, der eigenen Vision zu folgen und sich an das erste Buch zu wagen. Inzwischen stammen mehrere Basketball- und Fitnessbücher aus seiner Feder. Mit seinen Büchern möchte er zu einem nachhaltig gesunden und fitten Leben animieren und den Lesern seine Lieblingssportart ein Stück näherbringen.

In seiner Freizeit folgt er seiner Passion Basketball, geht wandern oder schreibt an seinem nächsten Buch.

Inhalt

Einleitung

Der Edelhelfer

Simon Geschke ist Sohn eines DDR-Nationalhelden und Radprofi mit jeder Faser seines Körpers. Seinen Kindheitstraum, eine Etappe der Tour de France zu gewinnen, erfüllt er sich auf dem Zenit seiner Schaffenskraft mit 29. Sieben Jahre später fährt er neun Tage im Bergtrikot bei der Tour de France – ein deutscher Rekord!

Von Aubenhausen ins La La Land

Jessica von Bredow-Werndl ist Doppel-Olympiasiegerin sowie Welt- und Europameisterin im Dressurreiten. Ihr Weg an die Spitze war steinig und hart: Vor ihrer Erfolgswelle hängt sie ihre Reitstiefel fast an den Nagel und um ein Haar überlebt sie einen Badeunfall. Aus Liebe zu den Tieren wurde sie Veganerin.

Der etwas andere Fußballprofi

Andreas Luthe gilt als der etwas andere Fußballprofi. Er hat Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspsychologie studiert, engagiert sich für Hilfsprojekte und diskutiert in der Taskforce „Zukunft Profifußball“ über das Jahr 2030. Seit 2014 ist er Veganer.

Message on a Body

Luisa Schulze ist 130-malige Handball-Nationalspielerin, vierfache Deutsche Meisterin und vierfache Pokalsiegerin. Zahlreiche Tattoos zieren ihren schlanken 1,90-Meter-Körper, die ihr Leben erzählen. Luisa ist seit 2016 vegan, liebt eine Frau, zwei Jungs und zwei Katzen.

Der Preis ist heiß

Constantin Preis ist veganer Profi-Leichtathlet. Seine Spezialdisziplin sind die 400 Meter Hürden, die er bei den Olympischen Spielen gelaufen ist und über die er drei Mal in Folge Deutscher Meister wurde. Seine Kindheit verbringt er in Moldawien, seine erste Tartanbahn sieht er mit zwölf Jahren in Deutschland.

Das Lied von Eis und Feuer

Julia Zorn und Anna-Maria Reich l(i)eben Eishockey. Die Veganerinnen sind langjährige Teamkolleginnen und sie verbindet ein Leben auf dem Eis: die feurige Leidenschaft für Schlittschuh, Puck und Schläger – pure Passion, ohne die sie es nicht an die Weltspitze und zu Aushängeschildern in ihrer Sportart geschafft hätten.

Der Volleyball-Nomade

Jan Zimmermann ist ein Nomade im Volleyballsport, ständig den nächsten Schritt im Blick. Mit Ende 20 zeigt seine Vita neun Stationen in den ersten zehn Profijahren. Als Zuspieler ist er der Regisseur seiner Mannschaft und der verlängerte Arm seines Trainers. Abseits des Spielfelds ernährt er sich pflanzenbasiert und fastet im Alltag.

Vegan Taekwondo Family

Jasmin Richter ist eine der angesehensten Vollkontakt-Taekwondo-Kämpferinnen Deutschlands und folglich im Kader der Nationalmannschaft. Sie ist mehrfache Deutsche Meisterin, EM-Medaillengewinnerin und die anerkannteste Athletin in der Geschichte des Thüringer Landesverbandes. Ihre Familie hat sie mit dem veganen Virus angesteckt.

Mojo der Globetrotter

Johannes Motschmann ist ständig unterwegs. Magdeburg, New York, Berlin und Bochum gehören zu seiner „Home Base“. Dazu tingelt der Profi-Langstreckenläufer durch die Welt von Trainingslager zu Wettkampf und zurück. Seine Rennhärte holt er sich in den Alpen oder in der kenianischen Hochebene - den nächsten Marathon fest im Visier.

Geboren für die Bühne

Matthias Milkereit stand früher „on stage“ als Heavy-Metal-Sänger. Heute posiert er auf der Bühne von Bodybuilding-Wettkämpfen. Vom übergewichtigen Moppel transformiert er seinen Körper zum Europameister im Natural-Bodybuilding, als Veganer – mit eisenharter Disziplin und starkem Willen.

Danksagung

Einleitung

Im Spitzensport ist die Ernährung ein entscheidender Faktor für die Leistungsfähigkeit und den Erfolg eines Athleten. Traditionell wurden Fleisch und tierische Produkte als essenziell für die optimale sportliche Performance angesehen. Doch in den letzten Jahren hat sich ein neuer Trend entwickelt, der die Sportwelt revolutioniert: Die vegane Ernährung.

Im Buch „Vegane Athleten – Deutsche Spitzensportler im Porträt“ wird dieses faszinierende Thema aufgegriffen und in den Mittelpunkt gerückt. Es ist das erste Buch seiner Art auf dem deutschsprachigen Buchmarkt und bietet eine einzigartige Perspektive auf die Welt des Spitzensports.

Anders als herkömmliche Ratgeber oder Kochbücher ist „Vegane Athleten“ in erster Linie Unterhaltungslektüre mit intellektuellem Anspruch. Es präsentiert die fesselnden Biografien von elf vegan lebenden deutschen Spitzensportlern – inspirierende Lebensgeschichten, die dich als Leser in den Bann ziehen werden. Diese Athleten, deren Namen dir vielleicht noch nicht geläufig sind, haben eines gemeinsam: Sie haben sich bewusst für eine rein pflanzliche Ernährung entschieden und damit beachtliche Erfolge erzielt.

Die Porträts in diesem Buch zeugen von der Vielfalt des veganen, deutschen Spitzensports. Von Fußball über Handball, Volleyball, Eishockey, Radsport, Taekwondo, Leichtathletik, Dressur-Reiten, Bodybuilding bis hin zum Langstreckenlauf – jede Sportart findet ihren Platz. Die Athleten erzählen ihre persönlichen Geschichten und teilen private Details, die nirgendwo im Internet zu finden sind. Du als Leser erhältst einen exklusiven Einblick in das Leben und die Motivation dieser beeindruckenden Persönlichkeiten.

Das Buch zeigt auf unterhaltsame und informative Weise, dass eine rein pflanzliche Ernährung nicht nur gesund ist, sondern auch im Spitzensport Höchstleistungen ermöglichen kann. Eine wachsende Anzahl von Studien belegen die gesundheitlichen Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung. Doch die Erkenntnis, dass sie auch die sportliche Performance steigern kann, ist vielen noch unbekannt. „Vegane Athleten“ schließt diese Wissenslücke und öffnet die Augen für neue Möglichkeiten und Perspektiven.

„Vegane Athleten“ ist nicht nur ein Buch, sondern ein Gesamterlebnis. Auf der Webseite veganeathleten.com findest du ergänzende Inhalte zu jedem im Buch porträtierten Sportler. Dort kannst du Steckbriefe, Lieblingsrezepte und private Fotos entdecken, die das Buch perfekt abrunden.

Mit meiner umfassenden Recherche und exklusiven Tiefeninterviews mit jedem porträtierten Sportler biete ich eine fundierte Grundlage für die Geschichten und Erfahrungen, die in diesem Buch präsentiert werden. Dabei liegt mein Fokus bewusst auf deutschen Athleten, um eine Verbindung zu dir herzustellen und dich zu inspirieren, deine eigene pflanzenbasierte Reise anzutreten.

„Vegane Athleten – Deutsche Spitzensportler im Porträt“ richtet sich an Sportler, die sich bereits vegan ernähren und nach Bestätigung suchen. Es spricht aber auch diejenigen an, die mit dem Gedanken spielen, ihre Ernährung umzustellen und noch auf der Suche nach Antworten sind. Gleichzeitig ist es für Menschen geeignet, die sich für Sport und eine gesunde, pflanzenbasierte Ernährung interessieren. Und nicht zuletzt sind es Lesefreunde, die von den fesselnden Biografien der Sportler begeistert sein werden. Gehörst du dazu?

Tauche ein in die Welt der deutschen veganen Spitzensportler und lass dich von ihren Geschichten inspirieren. „Vegane Athleten“ zeigt dir, dass die Wahl einer rein pflanzlichen Ernährung nicht nur ein gesundes und ethisches Statement ist, sondern auch den Weg zu außergewöhnlichen sportlichen Leistungen eröffnen kann. Mach dich bereit für eine fesselnde Reise durch die Welt des Sports und entdecke die Kraft der veganen Athleten.

In Liebe für Mensch, Tier und Umwelt,

Dein Sebastian Finis.

Der Edelhelfer

Simon Geschke

Simon Geschke ist der Sohn eines DDR-Nationalhelden und Radprofi mit jeder Faser seines Körpers. Seinen Kindheitstraum, eine Etappe der Tour de France zu gewinnen, erfüllt er sich auf dem Zenit seiner Schaffenskraft mit 29. Sieben Jahre später fährt er neun Tage im Bergtrikot bei der Tour de France – ein deutscher Rekord! Im Radsport geht es um Hingabe, Leidensfähigkeit, Zähigkeit, Schmerz und Mühsal. All das verkörpert der gebürtige Berliner. Schwere Stürze und ein „Gefängnisaufenthalt“ gehörten ebenso zu seiner Karriere wie Triumphe auf dem Treppchen. Seit 2017 ernährt sich der Ausdauersportler rein pflanzlich.

Frankreich, 22. Juli 2015, 17. Etappe der Tour de France. Als Simon Geschke mit rund eineinhalb Minuten Vorsprung in den letzten Berg fährt, trennen ihn 6,2 Kilometer vom größten Sieg seiner Karriere. Die Schmerzen im gesamten Leib werden immer größer, doch Simon beißt die Zähne zusammen. Sein Körper wehrt sich gegen jeden Tritt. Seine Beine machen zu. Nachdem er aus dem Feld ausgerissen ist, ist er über eine Stunde Vollgas gefahren. Der Oberkörper wippt längst vor Anstrengung hin und her. Immer wieder wechselt er in den Wiegetritt im Stehen, um seiner verkrampften Muskulatur zwischendurch ein Minimum an Abwechslung zu bieten und wieder etwas mehr Tempo aufzunehmen. Noch immer gibt Simon so viel Druck aufs Pedal wie möglich. Der Tacho zeigt 300 Watt, dann wieder 350 Watt – sein Verfolger, der Amerikaner Andrew Talansky, ist nicht weit hinter ihm. Simons Mund ist weit aufgerissen, um viel Luft in den Körper strömen zu lassen.

Die letzten Meter nimmt er wahr, als ob er betrunken ist. Er fährt wie durch einen Tunnel. 200 Meter vor dem Ziel weicht die vor Anstrengung verzerrte Miene einem ersten Lächeln. In der letzten Linkskurve schaut er sich noch einmal ungläubig um. Doch hinter den fünf Motorrädern und zwei Autos, die ihm folgen, ist weit und breit kein anderer Fahrer zu sehen. Das Lächeln verwandelt sich in ein breites Lachen. Simon ballt die Faust. Er schaut sich ein letztes Mal um, streckt die Brust heraus, breitet die Arme zu Flügeln aus und lässt einen lauten, tiefen Siegesschrei folgen, der vielleicht sogar bis ins Tal zu hören ist.

Nach 50 Kilometern allein an der Spitze und einer halben Minute Vorsprung passiert er die Ziellinie bei Pra-Loup vor dem Zweitplatzierten Talansky. Die Stoppuhr bleibt bei vier Stunden, zwölf Minuten und 17 Sekunden stehen.

Simon Geschke gewinnt nach einer mutigen Attacke und einer langen Solofahrt die 161 Kilometer lange Alpenetappe der Tour de France. Der 29-Jährige ist in dem Moment auf dem Zenit seiner Laufbahn angekommen; hat seinen höchsten Berg erklommen. Kein anderer Sieg wird an diesem mehr herankommen. Es ist auch eine persönliche Verwirklichung, weil die Tour de France das erste Rennen war, bei dem er als Kind mit elf Jahren mitgefiebert hatte. Als Jan Ullrich 1997 die Tour gewann, war das ein Schlüsselmoment für den damals Elfjährigen.

Wie der Vater so der Sohn

Vater Jürgen infiziert Simon Geschke mit dem Radsport-Virus. Der 1943 geborene Geschke Senior war Weltklasse-Bahnradfahrer und Nationalheld in der DDR. Zwischen 1964 und 1975 war „Tutti“, sein Spitzname aufgrund seiner italienischen Abstammung väterlicherseits, insgesamt zehn Mal nationaler DDR-Meister im Sprint. Jürgen Geschke gehörte zu den Publikumslieblingen auf der Bahn der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle (heute Velodrom). Dort gewann er fünfmal die internationale Meisterschaft von Berlin im Sprint. 1969 und 1971 wurde er Sprint-Weltmeister sowie zusammen mit Werner Otto zweimaliger Amateur-Weltmeister im Tandemfahren. Zudem zieren drei Olympiateilnahmen seine Vita: Mexiko 1968, München 1972 und Montreal 1976. Nach seiner aktiven Laufbahn begann „Tutti“ eine Trainertätigkeit beim Berliner TSC, dem erfolgreichsten Radsportverein der DDR.

Kein Wunder, dass Geschke Junior auf zwei Rädern aufwächst. Zwar hat sein Papa schon lange vor seiner Geburt seine aktive Karriere beendet, aber er radelt noch immer leidenschaftlich gern, vor allem mit dem Mountainbike. Seit Simon elf Jahre alt ist, wird er gelegentlich auf Ausflüge durch den Wald mitgenommen. Mit zwölf macht er bei seinem ersten Mountainbike-Rennen mit und trainiert zwei, drei Mal pro Woche.

Das Gelände befindet sich direkt vor der Haustür. Denn zwei Jahre nach Simons Geburt in Berlin-Mitte zieht die Familie aus der Hauptstadt der DDR ins grüne Umland. In Wandlitz, 10 Kilometer vor der nördlichen Stadtgrenze, hat sein Vater 1982 ein Grundstück gekauft. Das Haus darauf ist 1988 bezugsfertig, kurz vor der Wende. Dort wächst Simon an der Seite seiner älteren Schwester auf. Mit zwölf, 13, 14 Jahren fährt er fünf, sechs Mountainbike-Rennen pro Jahr und gewinnt fast alle in seiner Altersklasse. Sein wettbewerbsfähiges Naturell ist schon in frühen Jahren sichtbar.

„Für mich war immer der Wettkampf das Motivierende, mich mit anderen zu messen“, spricht Simon Geschke mit seiner typisch sonoren Stimme über seine Faszination für den Radsport. „Der Tour-de-France-Hype um Jan Ullrich war das Erste, was ich mitgekriegt habe. 1997 habe ich die Tour de France das erste Mal richtig mitverfolgt. Das hat mich in den Bann gezogen. Da war ich elf Jahre alt. Der Boom in Deutschland war ziemlich groß. Es war ein Traum von mir, auch mal die Tour de France zu fahren. Da bin ich bei der Stange geblieben. Das Training hat natürlich nicht immer Spaß gemacht. Wenn man jung ist, hat man auch andere Sachen im Kopf. Aber irgendwie bin ich dann doch dabeigeblieben.“

Simon Geschke wirkt authentisch, wenn man mit ihm ins Gespräch kommt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund; er spricht aus, was er denkt – und das auf eine ruhige, bedächtige, bescheidene Art und Weise. Seine optischen Merkmale: Vollbart, spitze Nase und ein „Rock ‚n‘ Roll“-Tattoo innen am Oberarm. Auch noch mit Mitte dreißig ist er ein Modell-Athlet. Sein Körperfettanteil schwankt zwischen vier und acht Prozent. Die Waage misst 62 bis 63 Kilogramm bei 1,71 Meter. Oberschenkel wie die eines Löwen ...

In seiner Freizeit, wenn er Lust hat zu jammen, schnappt er sich seine E-Gitarre. Ukulele spielt er ebenfalls. Er liebt Rockmusik, ist Fan von Guns ‚n‘ Roses und geht gerne mit Freunden feiern. Wie sein Vater hat Simon einen italienischen Spitznamen aufgrund seiner Ahnen aus dem Stiefel-Land. Sein Vorname wird mit einem „i“ gepimpt. Passend zum italienisierten Namen bezeichnet Simoni die „Strade Bianche“ als sein Lieblingsrennen – auf einer weißen Schotterstraße durch die Toskana. Vom Tour-de-France-Fieber gepackt, will Simon Geschke unbedingt Straßenfahrer werden. Er tauscht das Mountainbike mit dem Rennrad. Mit 15 wechselt er zum Berliner TSC, dem alten Verein seines Vaters als Aktiver und Trainer. Simon fährt zum ersten Mal Rennrad, rollt über die ersten Asphaltstraßen und auf der Bahn im Velodrom im Prenzlauer Berg.

Seit Simoni mit 15 Mitglied seines ersten Vereins, dem Berliner TSC, ist, trainiert er fast täglich – und das bis zum heutigen Tag über 20 Jahre später. „Das Training war damals noch recht unstrukturiert“, gibt er zu. „Mit heute eigentlich gar nicht zu vergleichen. Früher war alles sehr viel simpler. Wir sind im Training einfach nur die Standardrunden in Brandenburg gefahren, eigentlich immer dieselben. In Brandenburg gibt es ja auch nicht so viel Auswahl. Mal 60 Kilometer, mal 80 Kilometer bei Wind und Wetter. Im Winter vor allem. Es war schon ziemlich hart, wenn ich jetzt daran zurückdenke. Nicht, dass es jetzt weniger hart ist. Aber ich trainiere jetzt sehr viel spezieller, mit mehr Intervallen. Früher waren wir einfach nur ein paar Jugendliche, die zusammen Rad gefahren sind. Das war natürlich auch eine coole Zeit. Es war schon sehr witzig, was wir da gemacht haben. Für die Rennen auf der Bahn haben wir im Velodrom trainiert. Aber das war eigentlich relativ wenig. Meistens waren wir auf der Straße unterwegs.“

Beim TSC fordert Simons Trainingsplan erstmals Krafttraining. Beinpresse für kräftige Oberschenkel sowie Oberkörpertraining für Rücken und Bauch. Aber der Spaß steht neben all der Plackerei immer im Vordergrund. „Deshalb haben wir oft Fußball gespielt“, schmunzelt er. „Radsport ist ja auch ein Teamsport.“

Früh steht für Simon fest, dass er wie sein Vater, sein Hobby zum Beruf machen will. „Ja, das war mein großes Ziel!“, sagt er. „Das Training war nicht immer schön. Vor allem in den Umfängen, die wir gefahren sind, war es schon immer mein Ziel, Profi zu werden. Ich wollte das Training nicht für nichts machen. Das Training war die Investition, um Profi zu werden. Nur aus Spaß Rad fahren, macht man in dem Umfang nicht. So viel Spaß macht Radfahren dann auch nicht, dass man sechs Tage die Woche, auch wenn’s regnet, auf dem Rad sitzt.“

Für den jugendlichen Simon Geschke ist es eine tägliche Herausforderung, sein Trainingspensum zu schaffen. Denn er macht sein Abitur an einer „normalen“ Schule, statt auf einer Sportschule, in der das Training und der Unterricht optimal aufeinander abgestimmt sind. „Wäre ja im Nachhinein auch nicht schlecht gewesen, auf eine Sportschule zu gehen, einfach, weil man da ein bisschen mehr Freiheiten zum Trainieren hat“, macht Simon kein Hehl aus der Situation. „Es war für mich schon ziemlich zäh am Ende, weil ich mit dem Schulstoff nicht so richtig hinterhergekommen bin. Wenn ich mal zwei Wochen im Trainingslager war, für das ich zwar freigestellt worden bin, habe ich zum Teil den Anschluss verloren, gerade in Fächern wie Mathe.“

Auf seinem Gymnasium in Wandlitz hat er zudem manchmal erst um vier Uhr Schulschluss und steigt dann noch aufs Rad. „Im Winter war’s dann schon dunkel“, erinnert er sich. „Es waren nicht die schönsten Zeiten. Für mich war es auf jeden Fall immer der Traum, Profi zu werden. Hätte es nicht geklappt, wäre ich studieren gegangen und hätte die Zeit auch nicht bereut. Aber es wäre schon schade gewesen, wenn sich die Arbeit, die man reingesteckt hat, nicht ausgezahlt hätte.“

Die ersten Rennen auf der Straße lassen Wünsche offen. „Es lief erstmal nicht so gut“, gibt Simon zu. „Ich musste erstmal lernen im Feld zu fahren. Es ist anders als beim Mountainbiken, was wie Zeitfahren ist.“

Transition ins Profigeschäft

Beinahe hätte es zum Profi nicht gereicht. „Es war so ein bisschen Last-Minute bei mir“, sagt er. Nachdem er vier Jahre in Berlin die U23, die Nachwuchsaltersklasse, fährt, bewirbt er sich bei den Profiteams. 2008, sein letztes Jahr in der U23, beschreibt er als „sehr solide“. Er feiert ein paar internationale Erfolge und Siege und ist einer der besten Fahrer in der Nationalmannschaft. Doch zu seinem Pech ist bei seinem Übergang zum Radprofi der Markt mit deutschen Fahrern überschwemmt, weil just das große Team Gerolsteiner zugemacht hat. Es scheint aussichtslos für Simon, als junger deutscher Fahrer, in diesem Jahr 2009 einen Platz in einem Profiteam zu ergattern. Zwar bekunden einige Profiteams Interesse, aber es gibt immer ein paar Deutsche, die besser sind als er. Für Simon gibt es erstmal keinen Platz in einem großen Team.

Doch nimmt ein kleines Profiteam Simon unter seine Fittiche: das niederländische Team Skil-Shimano, ein „Zweitligist“. Das Team zahlt zwar wenig, hat aber ein gutes Rennprogramm und bekommt sogar eine Wildcard für die Tour de France. Schon in seinem ersten Profijahr erfüllt sich Simoni einen Traum – als Fahrer bei der Tour de France auf den Spuren seiner Kindheitsidole.

Mit seinem ersten Arbeitsvertrag bei Skil-Shimano kassiert der 23-jährige Neoprofi, wie man die Profidebütanten im Radsport nennt, das Minimumjahresgehalt von 27.500 Euro, was monatlich ausgezahlt wird. Ausreichend für Simon Geschke: „Ich bin kein Mönch, aber ich bin ein relativ bescheidener Mensch. Ich hatte damals eine Wohnung in Berlin-Mitte mit meiner damaligen Freundin. Die hatte 60 Quadratmeter und dafür haben wir nur 450 Euro bezahlt. Findet man jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr“, lacht er. „Dann wurde mein Vertrag aber gleich verbessert. Im nächsten Jahr, also das Jahr nachdem ich die Tour gefahren bin, hat das Team meinen Vertrag auf 36.000 Euro erhöht. Von da an ging es mit dem Gehalt aufwärts. Dann konnte ich auch immer etwas zur Seite legen, was ja auch wichtig ist, weil es ein Beruf ist, den man nicht bis zur Rente machen kann.“

Mittlerweile liegt das Minimumgehalt für Neoprofis, die frisch aus der U23 kommen und bei einem großen Team in der World Tour, der „1. Bundesliga“ im Radsport, an den Start gehen, bei fast 50.000 Euro pro Jahr. Die World Tour ist eine vom Weltradsportverband UCI veranstaltete Serie bedeutender Eintages- und Etappenrennen. „Je nachdem wie gut man ist oder wie man sich beweisen kann, wird das Gehalt nach und nach angehoben“, berichtet Simon. „Nach oben sind schon auch Grenzen, aber man kann im Radsport gutes Geld verdienen.“

Dieses Privileg hat Simon Geschke längst. Spätestens seit sein Team 2013 in die UCI World Tour aufgestiegen ist – sozusagen von der 2. in die 1. Bundesliga. Somit ist das Team automatisch bei allen großen Radsportwettbewerben gesetzt, statt auf eine Wildcard hoffen zu müssen. Die sogenannten „Grand Tours“ gehören zu den Höhepunkten jeder Radsportsaison: der Giro d’Italia im Mai, die Tour de France im Juli und die Vuelta a España im August. Die Saison beginnt im Januar mit der australischen „Tour Down Under“ und dauert bis Oktober. Zehn Monate Wettkampfbetrieb, zwei Monate Saisonpause.

Von allen großen Etappenrennen sticht die Tour de France heraus. Simon Geschke hatte die Ehre, bereits neun Mal dabei zu sein – sieben Mal in Folge seit seinem Etappensieg 2015. Dabei ist eine Teilnahme für ihn kein Selbstläufer. Er muss sich mit guten Leistungen beweisen. Denn sein Teamchef steht jedes Jahr vor der schwierigen Aufgabe, aus einem Pool von 23 bis 30 Fahrern, die auf der Gehaltsliste stehen, acht Fahrer für die Tour auszuwählen. Jene Teams, die unter die besten fünf der Gesamtwertung kommen wollen, treffen ihre Auswahl im Hinblick auf die bestmögliche Unterstützung ihres Kapitäns. Eine übliche Wahl sind zwei, drei Bergspezialisten („Bergziegen“) als Taktgeber des Kapitäns, zwei, drei Allrounder als Unterstützung auf den hügeligen Etappen sowie ein oder zwei Kraftpakete für die flacheren Etappen. Die Fahrer, die eine unterstützende Rolle spielen und keine eigenen Ambitionen hegen (dürfen), werden im Französischen „Domestique“ genannt (dt. „Diener“), im Deutschen besser bekannt als „Wasserträger“.

Simon Geschke erarbeitet sich über die Jahre den Ruf als „Edelhelfer“ seiner Kapitäne und wird auch zu einer kleinen Bergziege. Er gehört nie zu den absoluten Spitzenfahrern, die um den Gesamtsieg der Tour de France mitradeln. Er ordnet sich der Teamtaktik unter. Wenn er auf eigene Faust einen Ausreißversuch aus der Gruppe starten möchte, wie bei seinem Erfolg 2015, muss er um Erlaubnis fragen. Er spielt seine Rolle perfekt: Er ist Helfer, holt den Kapitänen in seinem Team im Rennen Wasserflaschen, fährt Löcher zu und zieht das Tempo an, wenn es erforderlich ist. Zuverlässigkeit, Unterordnung, Anti-Exzentrik sind die Tugenden, auf die es für ihn ankommt.

Individuelle Erfolge sind gut fürs Ego eines Rennfahrers, aber stehen als Puzzleteil der Mannschaft nicht im Vordergrund. Schon gar nicht für den bescheidenen Simon Geschke. Wenige Einzelerfolge sind Ausnahmen von der Regel: 2011 gewinnt er eine Etappe eines kleinen französischen Etappenrennens namens „Critérium International“. 2014 siegt er beim „Großen Preis des Kantons Aargau“, ein Rennen in der Schweiz. Seine bis dahin größten Errungenschaften nach fünf Profijahren ...

Das Jahr 2015

2015 sollte das Selbstwertgefühl von Simon Geschke exponentiell ansteigen, obwohl dieses Jahr mit Schmerzen und Bangen beginnt. Auf einer Etappe beim Tirreno-Adriatico kollidiert er Mitte März mit seinem Teamfahrzeug. Grund: Nach einer Pinkelpause ist Simons Kette auf die Pedale gesprungen und hat sich verknotet. Daraufhin prallt er mit 25 km/h ungebremst aufs Auto, was vor ihm gebremst hat, um ihm zu helfen. Simon stürzt, bricht sich das Schlüsselbein und wird operiert.

Erst Ende April darf Simoni bei seinem Lieblingsrennen Lüttich-Bastogne-Lüttich wieder in den Sattel. Zwei Wochen später tritt er beim Giro d’Italia an. Er liefert in der zweiten Woche wider Erwarten ab und wird Dritter auf der schweren neunten Etappe über 224 Kilometer und 3700 Höhenmeter von Benevento nach San Giorgio del Sannio. Ebenso übernimmt er als Erster an den beiden Bergwertungen des Tages für zwei Tage das Blaue Trikot des besten Kletterers – und dass nur zwei Monate nach seiner Schlüsselbein-OP! Trotz der soliden Leistungen nach seiner Verletzung muss Simon im Anschluss an den Giro bangen, ob er für die Tour de France nominiert wird – wieder bangen, denn bis zu dem Zeitpunkt war er nur 2009 und 2013 bei der „Grande Boucle“ (dt. „Große Schleife“, Spitzname der Tour) mitgefahren. Erst zwei Wochen vor dem Tour-Start bekommt Simon von seinem Team den Anruf, dass er dabei sein wird. „Anfang des Jahres stand es nicht fest, ob ich zur Tour fahren werde – das Team wollte eher auf mich verzichten“, blickt Simon im Buch „Flamme Rouge“ zurück. „Dann war Marcel Kittel das ganze Jahr über nicht richtig fit und es ging hin und her, ob er fahren kann oder nicht. Das Team hat dann entschieden, ihn nicht mitzunehmen. Stattdessen sollte Warren Barguil fürs Gesamtklassement unterstützt werden. Und dadurch bin ich reingerutscht.“

Die Tour de France 2015 läuft zu Beginn schleppend für Simons Team „Giant-Alpecin“, für das er seit diesem Jahr unter Vertrag steht. Ohne Sprintspezialist Marcel Kittel im Kader, der im Vorjahr vier Etappen der Tour gewinnen konnte, ist John Degenkolb der alleinige Sprintkapitän und Aspirant auf Etappensiege. In dem Jahr hat Degenkolb zwar ein Wahnsinnsfrühjahr, mit Siegen bei den Eintagesrennen Mailand-San Remo und Paris-Roubaix. Aber bei der Tour ist er nicht bei hundert Prozent. Die ersten zwei Wochen fährt das Team „Giant-Alpecin“ einem Etappensieg hinterher.

Vom Timing her läuft es für Simon Geschke nach dem ersten Ruhetag indes perfekt. Er ist mehrfach in Fluchtgruppen unterwegs, auf der Etappe vor dem Sieg von Bourg-de-Péage nach Gap wird er am Ende Vierter. „Da habe ich gemerkt, dass es gut läuft und dass ich am Berg immer mitfahren kann“, erinnert er sich.

Am Morgen der 17. Etappe nach Pra-Loup folgt dann aber zunächst die Ernüchterung für Simon. Trotz des Ruhetags zuvor fühlen sich seine Beine müde an und müssen den häufigen Beteiligungen an Ausreißergruppen Tribut zollen. Und doch will er erneut bei den Ausreißern mitmischen, die sich 60 Kilometer nach dem Start formiert.

Bevor sich Simon der Ausreißergruppe anschließt, fragt er Warren Barguil und John Degenkolb um Erlaubnis, die mit Simon allein unterwegs sind, weil die Hälfte des Feldes bei den ersten beiden Bergen abgehängt worden war. Nach ihrem Okay springt Simon bei den Ausreißern, die aus 28 Fahrern besteht, mit.

Simon weiß: Wenn er heute etwas reißen will, muss er eine Einzelattacke planen. Er kommt gut über die ersten Berge. Seine Beine fühlen sich wieder besser an. Aber der Vorsprung seiner Gruppe ist mit drei, vier Minuten nicht ausreichend. Die Anstiege, die noch kommen würden, sind zu lang, um den Vorsprung ins Ziel retten zu können. Simons aus 28 Fahrern bestehende Ausreißergruppe läuft insgesamt nicht rund, obwohl oder gerade weil sie mit starken, prominenten Fahrern besetzt ist. Der Vorsprung schmilzt. Simon legt sich eine Taktik zurecht: „Probier doch mal etwas Spektakuläres, womit keiner rechnet!“, sagt er sich. Er weiß, dass er mit Leuten wie Talansky, Pinot, Úran, Porte und Majka auf keinen Fall bis zum letzten Berg fahren darf, „weil die mich dann gnadenlos abhängen würden.“

Simon fährt zum Teamauto, um sein Vorhaben abzusprechen – und zu seiner Überraschung hat Teamchef Iwan Spekenbrink dieselbe Idee. Simon wartet noch den Zwischensprint 60 Kilometer vor dem Ziel ab, den Benoît Vaugrenard vor Degenkolb und Peter Sagan für sich entscheidet. Und als die Sprinter ausrollen lassen, attackiert er, bei Kilometer 110, in der Anfahrt zum Col d’Allos.

„Meine Überlegung war, dass ich mit drei, vier anderen wegfahre, aber keiner ist mitgefahren, weil es noch zu weit bis ins Ziel war“, sagt er in der Rückschau. „Ich war also allein vorne, aber das hatte auch Vorteile: Wenn man zu zweit oder dritt ist, gibt es oft einen, der nicht so viel arbeitet, wie die anderen und das bringt den Rhythmus durcheinander.“

Bei seiner Solofahrt hat Simon ständig seine Wattzahlen vor Augen, „damit nicht nach einer halben Stunde der Ofen aus ist.“ 350 Watt will er treten. Das ist viel. Zum Vergleich: Auf einer Flachetappe im Windschatten des Hauptfeldes treten Radsportler nicht mehr als 150 Watt. Motivation zieht Simon aus der Vorstellung, wie die Fernsehzuschauer zuhause am Bildschirm mitfiebern. „Ich war ziemlich euphorisch, weil ich merkte, dass mein Plan aufgeht.“ Es dauert nicht lange, bis er einen Vorsprung von einer Minute herausfährt. Seine Verfolger können ihn nicht mehr sehen.

Dennoch geht Simon nicht von einem Etappensieg aus. Er rechnet damit, dass zwei, drei Fahrer aufschließen, mit denen er über die Kuppe zum letzten Berg fahren kann, um am Ende eine Top-5-Platzierung zu schaffen. Doch seinen Verfolgern, die nur noch aus 16 Fahrern bestehen, gelingt es nicht, ihn einzuholen. Im Gegenteil: Simon vergrößert den Vorsprung auf zwei Minuten. Das Hauptfeld mit den Favoriten auf den Gesamtsieg liegt sogar über neun Minuten zurück – ohne Chance auf den Tagessieg.

Als erster Fahrer erreicht Simon den höchsten Punkt der ganzen Tour-Strecke, den 2.250 Meter hohen Col d’Allos, und sichert sich so das „Souvenir Henri Desgrange“, die 5.000 Euro schwere Sonderprämie zu Ehren des ersten Tour-Direktors. Von oben schaut Simon auf die Serpentinen und sieht den Franzosen Pinot, der eine Minute später zweiter der Bergwertung wird. Als Dritter passiert der Amerikaner Talansky die Passhöhe.

Auf der folgenden 17-Kilometer-Abfahrt, einer der gefährlichsten in den französischen Alpen, rast Simon mit bis zu 90 km/h furchtlos den Berg hinunter, trifft fast immer die Ideallinie. Er bremst nur wenn nötig. Er will so schnell wie möglich runterkommen und so wenig wie möglich treten, um sich bei der Abfahrt etwas zu erholen. Dabei erlebt Simon einen Schreckmoment, als er fast mit seinem Begleitwagen kollidiert und gerade noch so einen Sturz verhindern kann. Im Nachhinein scherzt der sportliche Leiter, dass er bei Simon nur für den entscheidenden Adrenalinschub sorgen wollte, der ihn schließlich zum Sieg führt.

Als Simon mit rund eineinhalb Minuten Vorsprung in den letzten Berg fährt, trennen ihn noch 6,2 Kilometer vom größten Sieg seiner Karriere. Mit gut 400 Höhenmetern ist die Auffahrt nach Pra-Loup zwar nur ein Berg der zweiten Kategorie, auch die durchschnittliche Steigung von 6,5 Prozent ist moderat. Doch der Anstieg setzt Simon schon unten zu: Als er nach der Abfahrt mit 500 Watt in den letzten Berg sprintet, krampft sofort die kalt gewordene Beinmuskulatur. Simon quetscht sich ein Gel in die Mundhöhle und nimmt eine Minute lang das Tempo zurück. 200 oder 250 Watt, das ist noch weniger als seine typische Trainingsintensität.

Auf dem ersten Kilometer des Anstiegs verliert Simon wieder eine halbe Minute auf seinen direkten Verfolger Talansky, der als besserer Bergfahrer gilt. Doch dann zieht der Deutsche das Tempo an und stabilisiert den Abstand. Er weiß, dass er es sich nicht erlauben kann, Geschwindigkeit rauszunehmen, dafür ist Talansky zu dicht hinter ihm. Die Schmerzen im gesamten Körper werden immer größer, doch Simon beißt die Zähne zusammen. Erst einen Kilometer vor dem Ziel glaubt er an den Sieg. Mit 32 Sekunden Vorsprung auf Talansky rollt er über die Ziellinie.

Nachdem er das Siegerpodest verlässt, spricht er dem ARD-Reporter unter Freudentränen ins Mikro. „Ich habe hier eigentlich nichts zu suchen“, stammelt er mit feuchten Augen. „Seit ich mit dem Radfahren angefangen habe, habe ich vom Tour-Etappensieg geträumt. Irgendwie ist es ein unwirklicher Moment. Man hat es so oft im Kopf, wenn man zur Tour fährt. ‚Na ja, vielleicht kommt irgendwann der große Tag, vielleicht klappt es irgendwann einmal.‘ Ich habe noch nicht so viel gewonnen in meiner Laufbahn. Das waren vor dem heutigen Tag nur zwei Siege in sechs Jahren. Ich gewinne nicht am laufenden Band. Ich habe es heute mit der Brechstange probiert, einfach weil ich keine Lust hatte, nochmal vierter oder fünfter zu werden. Alles oder nichts. Ich habe attackiert und auf einmal war niemand vor mir auf dem Zielstrich.“

Wenn Simon Geschke Jahre später über seinen größten Erfolg spricht, muss er bei seinen Worten zwar nicht mehr weinen, aber man merkt an seiner Klangfarbe, wie gerne er auf die Tour 2015 zurückblickt. „Allgemein habe ich mich während der Tour sehr gut gefühlt“, resümiert er im Rückblick. „Die Tour ist natürlich immer lang. Aber gerade Ende zweiter, Anfang dritter Woche hatte ich mich sehr gut gefühlt. Die erste Woche war ich noch nicht so ganz im Rennen. Da haben mir noch ein bisschen die Beine gefehlt. Dann lief es aber irgendwann immer besser. Der Tag meines Erfolgs war eigentlich gar nicht anders als alle anderen, außer dass ich da taktisch alles richtig gemacht habe. Ich war zwei Tage zuvor Vierter auf einer Etappe, wo ich mich auch super stark gefühlt habe. Aber da hat’s einfach nicht gepasst. Ich habe taktisch einen Fehler gemacht. Ein anderer ist weggefahren, hat direkt eine Minute Vorsprung gekriegt und dann die Etappe gewonnen. Das hat mich gewurmt. Aber für mich war der vierte Platz auch ein gutes Ergebnis. Das hat mir auch ein bisschen geholfen. Zwei Tage später war ich wieder in der Ausreißergruppe. Und da habe ich mir gesagt: ‚Als Vierter hast du schon ein gutes Ergebnis, das ist schon mal nicht schlecht, und jetzt kannst du mal alles auf eine Karte setzen.‘ Dann habe ich probiert, das Rennen ein bisschen zu deuten, wie es laufen könnte und habe halt darauf gepokert, dass ich, wenn ich wegfahre, mich alle angucken. Ich bin deswegen auch schon sehr früh losgefahren – knapp 50 Kilometer vor dem Ziel – umso möglichst viel Vorsprung herauszufahren vor den letzten zwei Bergen. Der Plan ist einfach komplett aufgegangen, genauso wie ich es mir vorgestellt habe. Dann haben sie mich nicht mehr wiedergesehen. Das war ziemlich cool.“

Eine clevere Renntaktik spielt bei einer Tour-Etappe eine große Rolle. Hinzu kommt der Faktor Glück, dass sich die anderen Fahrer verkalkulieren. „Man muss einfach jede Rennsituation zu seinem Besten nutzen“, hat Simon erkannt. „Es hätte bei mir auch nach hinten losgehen können und es wäre gar nichts geworden.“ Es passiert oft, dass ein Plan nicht aufgeht. „Aber an dem Tag kam dann wirklich auch ein bisschen meine Erfahrung zum Tragen und ich habe alles richtig gemacht. Ich bin davor schon ein paar Tour-Etappen gefahren.“

Auch wenn der Erfolg mittlerweile lange her ist, „wird es für mich immer der größte Moment in meiner Karriere bleiben“, ist sich Simon Geschke sicher. „Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch etwas Größeres erreichen werde. Ich bin jetzt auch schon in einem fortgeschritteneren Alter für Profis. Von daher denke ich wird das immer das Highlight bleiben. Das ist ein Augenblick, den man nie vergisst. Der Moment hat sich ins Gedächtnis eingebrannt oder viele Momente an dem Tag. Das ist eines der schönen Dinge im Sport, dass man gewisse Momente nie vergisst.“

Es ist ein Moment, den er sich jeden Tag auf YouTube angucken kann. Noch heute bekomme er eine Gänsehaut, wenn er die emotionalen Bilder sehe. Jedoch brauche er diese nicht, um sich für eine neue Tour de France zu motivieren. Auch nach seiner achten Tour steigt er im Spätherbst seiner Karriere mit vollem Elan aufs Rad in die Berge. Denn „jede Tour ist anders“, sagt er. „Man hat andere Aufgaben und andere Zielstellungen vom Team.“ Für Abwechslung ist gesorgt.

Das Leben danach

Nach der 17. Tour-de-France-Etappe des Jahres 2015 denken viele Radsportfans, dass dies der Mega-Durchbruch von Simon Geschke sei. Der gebürtige Berliner bleibt Realist: „Klar war das ein super Tag. Aber es hat mich nicht zu einem anderen Fahrer gemacht.“ Er habe seitdem nicht damit gerechnet, jedes Jahr eine Etappe zu gewinnen. Sportlich läuft es für ihn von da an trotzdem tadellos. „Ich bin ein sehr solider Fahrer nach wie vor“, sagt er. „Es war immer eine meiner Qualitäten, dass ich sehr stabil bin übers Jahr; dass ich keine großen Berg-und Talfahrten habe, was die Form angeht.“ 2016 und 2017 werden etwas schwieriger für Simon Geschke. Krankheiten und Knieprobleme plagen ihn. Seine Stabilität gerät ins Wanken. Trotzdem wird er als einer von vier Fahrern ins deutsche Team bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro berufen, wo er sich in erstklassiger Form zeigt – ein Lichtblick für ihn in einem sonst dunklen Jahr. Nach einer Attacke fährt Simon 150 Kilometer lang an der Spitze des olympischen Radrennens, dann verlassen ihn die Kräfte. „Ich habe alles gegeben und jede Sekunde davon geliebt“, twittert er anschließend. „Das Glück war nicht auf meiner Seite, aber einen Versuch war es wert.“ Wenige Tage später wird Simon 13. beim Einzelzeitfahren. Schon als Kind, sagt Simon Geschke, habe er davon geträumt, beim größten Fest des Sports einmal dabei sein zu können. Fasziniert von den Fernsehbildern und den Erzählungen des Vaters, wuchs in ihm die Sehnsucht, eine Familientradition fortführen zu können. Sein Vater Jürgen hatte zwei olympische Medaillen mit nach Hause gebracht.

Abgesehen von den Olympischen Spielen ist 2016 ein unstabiles Jahr für Simon. 2017 ist es ähnlich. Zwar erzielt er hin und wieder solide Rennergebnisse, aber ein richtiges Ausrufezeichen kann er nicht setzen. Zumindest kann Simon in dem Jahr stolz auf sich sein, seinem Kollegen beim Team Sunweb, dem Niederländer Tom Dumoulin, als einer der wichtigsten Helfer den Gesamtsieg beim Giro d’Italia ermöglicht zu haben.

2018 steigert Simon seine Leistung, trotz eines erneuten Schlüsselbeinbruchs. Im Folgejahr bricht er sich zum dritten Mal das Schlüsselbein und nach fünf Wochen Rennpause den Ellenbogen und vier Rippen – wieder eine schwierige Saison. Nach dem Peak 2015 scheint die Karriere von Simon Geschke langsam, aber stetig bergab zu gehen.

2020 bäumt er sich nochmal auf. „In dem Jahr hatte ich eine meiner besten Saisons von den Ergebnissen her, auch wenn es ohne Sieg war“, ist sich Simon sicher. „Ich hatte gute Ergebnisse ohne Ende. Auch bei großen Rennen, wie WorldTour-Rundfahrten, war ich vorne mit dabei gewesen. 2020 würde ich fast noch als meine beste Saison bezeichnen. Es hat eigentlich nur ein Sieg gefehlt.“ Auch wenn Verletzungen ihn immer wieder zurückwarfen, sportlich sei Simon in den vergangenen Jahren nie wirklich unzufrieden mit sich gewesen.

Zuckerwürfel und Nutella

Seit Simon als Profi in den Sattel steigt, steht neben dem täglichen Training, der Regeneration und dem Schlaf, eine ausgewogene, gesunde Ernährung oben auf seiner Prioritätenliste. Um ein dreiwöchiges Etappenrennen wie die Tour de France durchzustehen, dürfe man kein Kilogramm zu viel mit sich herumschleppen und man brauche viel Energie. Denn eine Tour besteht aus 3.500 Kilometern, aufgeteilt in 21 Teilstücken (Etappen), mit einer Distanz von bis zu 240 Kilometern je Etappe und nur zwei Ruhetagen. Um eine Idee für diese Anforderung zu bekommen, stelle man sich vor, man müsse zwei Mal pro Woche von Berlin nach München radeln – im Wettkampftempo, drei Wochen lang!

Bevor Simon mit Anfang 20 seine erste Tour fährt, isst er alles, was er in die Finger kriegt, ohne dass er zunimmt – ein Hardgainer. Sein robuster Körper verzeiht jeden Keks und Kuchen. „Während meiner Wachstumszeit konnte ich wirklich essen was und wie ich wollte“, sagt er. „Als Kind habe ich wahnsinnig gern Süßes gegessen. Schon früh habe ich manchmal auch nur Zuckerwürfel gegessen.“ Zudem löffelt er Nutella aus dem Glas. Und trotzdem ist er als Kind immer dünn und voller Energie. „Ich kann mich daran erinnern, dass ich einfach nur gerannt bin zu Freunden, die ein, zwei Kilometer weiter weg gewohnt haben“, sagt er. „Dafür habe ich gar nicht erst mein Fahrrad aus dem Keller geholt, sondern bin einfach losgerannt. Irgendwie habe ich schon immer Antrieb in mir.“ Von daher ist Sport keine schlechte Idee.

Sein Papa als ehemaliger Spitzensportler bremst seinen Sohnemann, wenn er ihn mal wieder in die Zuckerdose langen sieht: „Das geht so nicht!“ Die Mama kocht und achtet darauf, dass immer Gemüse mit auf dem Teller landet.

Simon wird von seinen Eltern so geprägt, das zu essen, was auf den Tisch kommt, das Beste aus allem zu machen und kein Essen wegzuschmeißen. „Mit der Mentalität sind meine Schwester und ich großgeworden“, sagt er. Kein Vergleich mit der heutigen Wegwerfgesellschaft, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. Vater Jürgen, Jahrgang 1943, hat in den Trümmern von Berlin seine Kindheit verbracht. „Der weiß wirklich noch, wie sich Hunger anfühlt“, kennt Simon die Vergangenheit seines Vaters. „Er ist ohne Vater aufgewachsen und ein normaler Alltag mit drei Mahlzeiten am Tag war in dieser Zeit quasi unmöglich. Das hat er mir alles mal erzählt.“ Simons Mutter, Jahrgang 1951, ist ebenfalls in der Nachkriegszeit herangewachsen.

Den Kindern sollte es besser gehen. „Es war in deren Augen sehr gesund, was wir abends gegessen haben“, sagt Simon. „Wir hatten auch Käse, Milch und Butter, was nachweislich auch nicht gesund ist. Aber es war halt damals so.“ Gelegentlich muss es schnell gehen, weil beide Eltern voll gearbeitet haben, sodass nach der Wende oft ein Döner oder ein Brathähnchen vom Stand das Abendbrot ist. „Zurückblickend war das nicht immer gesund“, ist sich Simon bewusst. „Ich habe mir manchmal auch in der Schule einfach so ein Bulettenbrötchen geholt. Also wenn ick daran zurückdenke, wird mir eher schlecht.“ Simon Geschke berlinert nach wie vor oft, obwohl er seit über einer Dekade in Freiburg lebt. Den badischen Dialekt nimmt er nicht in den Mund.

In seiner Jugend isst Simon gerne Fleisch. Anfang 20 fängt er aufgrund des Leistungssports an, umzudenken. Denn dann ist es auf einmal doch so, dass er feststellt: „Ok, wenn ich nicht aufpasse, habe ich ein, zwei Kilo zu viel. Wenn man viel Rad fährt, wird man logischerweise nie fett. Aber es ist im Radsport definitiv nicht hilfreich, wenn man zwei Kilo mehr wiegt.“ Simon fängt an, auf seine Ernährung zu achten. Er isst häufiger frisches Gemüse und achtet auf bessere Qualität. Bio kann er sich aber sich anfangs noch nicht leisten. Er versucht, den Konsum von Milchprodukten zu minimieren, trinkt Sojamilch. Schritt für Schritt fuchst er sich in die unüberschaubare Welt der Ernährung hinein. Statt alles in sich reinzustopfen, lässt er hier und da mal was weg. „Es war die erste Zeit, was ich bis dahin noch nicht kannte, dass ich nicht mehr essen konnte wie, was und wann ich wollte. Sondern dass ich gemerkt habe, wenn ich nicht darauf aufpasse, auch zunehme.“

Bevor er zur veganen Ernährung kommt, beschäftigt er sich mit Blutgruppendiät. Diese basiert auf der These, dass Menschen aufgrund ihrer Blutgruppe gewisse Nahrungsmittel besser vertragen als andere. Indem man Lebensmittel meidet, die sich mit der jeweiligen Blutgruppe nicht vertragen, soll man Kilos verlieren sowie Krankheiten vermeiden oder mildern können.

Im Jahr 2016 nähert sich Simon der pflanzenbasierten Kost an. Bis er sich zu 100 Prozent vegan ernährt, vergeht ein Prozess, in dem er ab und zu noch Fleisch und Milchprodukte isst, wenn es nicht anders geht. Je mehr Alternativen auf den Markt kommen, desto leichter fällt ihm, davon Abstand zu gewinnen. „Ich habe von diesem veganen Hype profitiert, der zu der Zeit aufkam“, berichtet er. „Ich bin dann immer mehr auf Studien gestoßen, die wirklich interessant klangen. Dann wollte ich das auf jeden Fall mal probieren.“ Er denkt sich: Zurückgehen zu nicht-veganer Ernährung könne er jederzeit. Sich fleischlos zu ernähren, sagt ihm zu: „Ich habe es mir schwerer vorgestellt, als es dann wirklich war.“ Er entdeckt im Supermarkt immer mehr Produkte, die tierische Lebensmittel ersetzen. Nach einem Jahr der Annäherung ist er seit 2017 komplett vegan.

Mit zunehmendem Interesse schaut sich Simon alle möglichen Dokus zum Thema an und kommt darauf, was man mit herkömmlicher Ernährung für die Umwelt und die Tiere anrichtet.

„Klar schmeckt ein Stück Fleisch gut“, ist Simon ehrlich zu sich selbst. „Das würde ich jetzt, wo ich Veganer bin, auch nie anders sagen. Ich könnte jetzt ein Steak essen und sagen: ‚Ja, schmeckt echt gut.‘ Aber was da alles für ein Rattenschwanz dranhängt! Was die Massentierhaltung für ein perverses System ist! Wie viele Ressourcen dafür regelrecht verschwendet werden! Das wusste ich damals alles gar nicht. Dass für ein Steak 15.000 Liter Wasser verbraucht werden, wo in Afrika und jetzt auch wahrscheinlich bald in der westlichen Welt Wasserknappheit herrscht. Ich bin auf Fakten gestoßen, die einem niemand sagt. Man muss sich selbst damit befassen. Es gibt 80 Milliarden Nutztiere auf der Welt. Die können komischerweise alle ernährt werden, aber keine 8 Milliarden Menschen. Was da eigentlich für eine Ungerechtigkeit herrscht, wie viel Profit da dranhängt und dass einfach Informationen dem Verbraucher vorenthalten werden! Ich glaube, wenn die Leute wüssten, wie schlecht diese Fleisch-und Milchprodukte sind, nicht nur aus gesundheitlicher Sicht, sondern auch für die Tiere und für die Umwelt, dann gäbe es sehr viel mehr Veganer. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass Menschen so egoistisch wären und dann weiterhin alles so machen würden wie gehabt. Aber die meisten Menschen wissen es einfach nicht besser. Da kann man denen auch keinen Vorwurf machen. Ich war wie gesagt selbst so für den Großteil meines Lebens. Von daher hat es mich auch sehr schockiert, was da noch dranhängt, abgesehen von den gesundheitlichen Aspekten.“

Aus seiner Sicht sind die gesundheitlichen Aspekte umstritten. Er ist davon überzeugt, dass man auch ein exzellenter Leistungssportler sein kann, mit gesunder Ernährung, die Fleisch beinhaltet. Die meisten Leistungssportler seien schließlich nicht vegan und bringen ihre Leistung. „Von daher ist beides möglich“, sagt Simon. „Aber aus ethischen und Umweltgründen gibt’s für mich keine Alternative mehr.“

Während Simons Anfangsmotivation, sich vegan zu ernähren, aus gesundheitlicher Sicht geprägt war, kommt das andere hinzu. „Je mehr man sich mit dem Thema befasst, desto mehr stößt man auch auf die ekeligen Szenen in den Dokumentationen, die aber einfach die Realität sind“, weiß er. „Da wird man natürlich immer noch mehr befeuert, gerade wenn man merkt, dass ich körperlich keinen Nachteil spüre.“ Im Gegenteil: In den ersten Rennen läuft es für Simon ausgezeichnet, als er für zwei Wochen eine rein pflanzliche Ernährungsweise ausprobiert. Er fühlt sich hervorragend und auch das Team Sunweb unterstützt es. „Von daher wollte ich unbedingt dabeibleiben.“

Anfangs hätten die Ärzte des Teams mit etwas Skepsis reagiert. „Auf den Blutbildern, die laufend von uns angefertigt werden, hat man dann aber schnell gesehen, dass ich keinerlei Mängel habe“, sagt Simon. „Es gibt nichts, was man durch vegane Ernährung nicht ersetzen kann.“

Wie zuvor erwähnt, gestalten sich 2016 und 2017 aus sportlicher Sicht, insgesamt betrachtet, schwierig für Simon Geschke. Jedoch glaubt er nicht, dass dies mit seiner Ernährungsumstellung zusammenhängt. Es habe andere Gründe gegeben. 2016 plagen ihn Knieprobleme. Wie Simon feststellt, sind diese muskulär bedingt. Weil Simons Oberschenkelmuskel so fest ist, zieht er an den Sehnen der Kniescheibe und verdreht diese. Er kann für ein paar Tage kaum Radfahren, muss ganz vorsichtig wieder anfangen.

Zu allem Überfluss ist Simon im Frühjahr mit einer Grippe außer Gefecht gesetzt. Seine Leistungen schwanken, weil er im Winter nicht richtig trainieren kann. „Die Umstellung auf vegan habe ich wegen der Knieprobleme gemacht, denn es heißt die Entzündungswerte verbessern sich dann“, stellt er klar. „Nachdem ich die Ernährung umgestellt habe, gingen die Knieprobleme weg und kamen nie wieder.“ Die vegane Ernährung hilft ihm 2016, da die Knieprobleme über den Winter zwei Mal wiederkamen. „Es war einmal wieder gut, dann bin ich wieder Rennen gefahren und habe trainiert und dann ging es wieder los“, berichtet er. „Dann habe ich die Ernährung umgestellt und hatte meine Ruhe.“ Was er nach der Ernährungsumstellung gleichermaßen feststellt: „Ich hatte nie wieder einen Krampf, was einem im Rennen auch den kompletten Tag versauen kann.“

Im Jahr 2017, in dem Simons Leistung ebenfalls schwankt, hat er einen neuen Trainer. Dieser ist motiviert, das Maximum aus Simon herauszuholen. Doch er übertreibt es mit seinem Trainingsplan. Es führt dazu, dass Simon übertrainiert ist, was seine Leistung schwächt. „Das war ein Fehler auf beiden Seiten“, hat er erkannt. „Aber mit der Ernährung hat das glaube ich nichts zu tun.“

In der Dokumentation „Game Changers“ werden Beispiele von Athleten gezeigt, die ihre Leistung nicht nur halten, sondern sogar verbessern konnten. Glaubt Simon Geschke das? „Jein“, sagt er. „Ich habe meine Ernährung umgestellt, wo ich gerade am Zenit meiner Karriere war.“ Von daher konnte es gar nicht mehr weiter bergauf gehen. „Die Leistungsfähigkeit hat so viele Einflüsse, dass ich die Ernährung nicht als Nonplusultra sehe.“ Neben der Ernährung spielten das Training, der Schlaf und ein gesundes Leben zu gleichen Teilen eine Rolle. „Game Changers hat sich für die Doku natürlich die besten Beispiele herausgepickt“, vermutet Simon. „Ich war 30 und schon sieben Jahre Profi als ich die Ernährung umgestellt habe. Ich will nicht sagen, dass ich auf dem absteigenden Ast war. Aber es war klar, dass ich mit 30 keine riesigen Leistungssprünge mehr machen werde. Dafür ist das Level im Radsport zu hoch.“ Zumindest kann Simon sein Level halten.

2018 fährt er seine stärkste Tour de France: Er belegt am Ende Rang 25 von insgesamt 176 Fahrern – und das obwohl oder gerade weil er sich nur noch rein pflanzlich ernährt.

2020 haut er noch mal einen raus: Er fährt eine seiner stärksten Saisons – und das mit 34 Jahren. Mit Rang drei der Tour Down Under in Australien gelingt ihm seine bis dahin beste Platzierung in der Gesamtwertung eines WorldTour-Etappenrennens. „Deshalb würde ich nach wie vor sagen, dass eine vegane Ernährung sehr gut für den Körper ist“, ist Simon überzeugt. „Eine der gesündesten Ernährungsweisen denke ich. Aber dass jeder seine Leistung mit einer veganen Ernährung steigern könnte, das mag ich bezweifeln.“

Von Wildkräutern bis Oreo-Krümel

Seine Liebe für Süßes hat Simon Geschke nicht verloren. Ein typischer Ernährungstag startet „sweet“ bei ihm mit Mandelmus oder Zuckerrübensirup auf dem Brötchen. Als zweites Frühstück macht er sich ein Müsli oder Porridge mit Hafermilch und frischen Früchten, wie einer Banane und Blaubeeren, sowie Leinsamen, gekeimtem Buchweizen und etwas Wildkräuterpulver. Nach dem Vormittagstraining isst Simon meist ein Sandwich, ein Brot mit Avocado oder Hummus.

Nachmittags gibt’s ein paar Snacks. Zu seinen Favoriten gehören vegane Oreo-Kekse und Wanner-Waffeln. "Es gibt ja auch schon veganes Magnum-Eis", lacht Simon mit einem Stirnrunzeln. „Man muss aufpassen, dass man als Veganer nicht ungesund lebt. Ich probiere mich da auch schon ein bissen zu bremsen.“

Das vegane Ernährung mit gesunder Ernährung gleichzusetzen ist, das ist ein Trugschluss! Diesem war Simon erlegen: „Anfangs dachte ich auch: ‚Ach, das ist vegan, dann ist es gesund‘. Aber auch die ganzen leckeren Sachen, die man kaufen kann, wie zum Beispiel das Beyond-Meat-Fleisch hat zum Teil einen hohen Fettgehalt.“ Bei den veganen Bratwürsten, die er zum ersten Mal aß, musste er, weil er sich nicht sicher war, zweimal auf die Verpackung gucken, um zu glauben, dass es sich um Pflanzen handelt.

Abends isst Simon, wie für Ausdauersportler üblich, kohlenhydratreich: Spaghetti Bolognese mit veganem Hackfleisch, Lasagne, Reis oder Süßkartoffeln – am liebsten mit Tofu und Fleischersatzprodukten. Rohes Gemüse, wie Paprika oder Karotten, sind ebenfalls Bestandteil. Meistens kocht seine Frau Sophie.

Als professioneller Radsportler scheint es unabdingbar, auf Nahrungsergänzungsmittel zurückzugreifen. Vitamin B12 und Eisen gehören bei Simon Geschke schon immer dazu. „Wenn man solche Umfänge wie ich auf dem Rad leistet, hat man einen erhöhten Bedarf“, sagt er. „Das kann man über die Ernährung fast nicht decken.“ Ebenso schwört Simon auf vegane Proteinshakes. Er hat verschiedene ausprobiert, bis er auf einen gestoßen ist, der ihn von den Inhaltsstoffen und vom Geschmack überzeugt (von der Firma „PURYA!“), was gar nicht so leicht war im Dschungel der Nahrungsergänzungsmittelindustrie.

Herausforderungen im Sportalltag

In seiner Wahlheimat Freiburg, in der Simon Geschke aufgrund der Nähe zu den Bergen des Schwarzwaldes seit Ende 2012 lebt, weiß er genau, wo er hingehen muss, wenn er auswärts essen gehen will. „Freiburg ist eine coole Stadt“, findet er. „Die haben wirklich alles. Gerade was veganes Essen angeht, ist das ziemlich einfach.“

Problematisch wird es für ihn erst, wenn er unterwegs ist. „Flughäfen, Autobahnraststätten und Bahnhöfe sind meine roten Tücher, was Essen angeht“, ärgert sich Simon. "Da ist es immer noch eine Katastrophe. Irgendwie ist immer was mit Käse drin oder ein Schuss Milch. Die Sandwiches sind mit Fleisch, Käse oder Ei belegt. Mir fehlt das Verständnis, warum es nicht einfach Pasta mit Tomatensoße geben kann, warum das immer mit Fleisch oder Käse sein muss." Wie löst Simon das Problem für sich? „Man muss dann einfach auch fragen, ob sie die Pizza ohne Käse zubereiten können“, sagt er. „Die schauen dann zwar erstmal seltsam, machen es dann aber. Gerade wenn Pizza frisch zubereitet wird, geht das.“

Wenn Simon mit seinem Team unterwegs ist, gestaltet sich die Reiserei deutlich einfacher. Denn meistens ist ein Privatkoch mit an Bord. Ist er mal nicht dabei, ruft der Teammanager vorher im Hotel an und sagt Bescheid, dass ein Veganer mitkommt. So können die Hotelangestellten vorher einkaufen gehen und Simon ein veganes Gericht ermöglichen.

Der Koch des Teams ist bei den Etappenrennen, die über mehrere Tage bis Wochen gehen, immer mit am Start. Da Simon der einzige Fahrer im Team ist, der sich ausschließlich pflanzlich ernährt, kocht der Küchenchef für Simon ein Extragericht beziehungsweise bereitet er noch etwas dazu. „Oder die Soße wird nicht direkt über die Pasta geklatscht, sondern dann gesondert gemacht“, ergänzt Simon. „Es ist für unseren Koch eigentlich easy. Der macht dann ein bisschen Tofu dazu.“ Statt Steak gibt es Hülsenfrüchte.

Simons Mannschaftskollegen haben kein Problem, dass er sich „anders“ als sie ernährt. „Sprüche kommen eigentlich ganz selten“, lacht Simon, „weil ich auch einer der besseren Fahrer bin, ohne überheblich klingen zu wollen. Also die haben schon eher Respekt oder mal eine Frage.“

Olympia 2021 in Tokio: „Selbst als Nicht-Veganer war das kein Schlaraffenland“

Jeden Tag Reis mit Sojasauce und TK-Gemüse. Dazu einen kleinen gemischten Salat. Das ist alles, was Simon Geschke im Olympia-Knast von Tokio essen kann – 10 Tage lang. „Selbst als Nicht-Veganer war das kein Schlaraffenland“, sagt er über die Kost im Quarantäne-Hotel, in dem er sich nach einem positiven Corona-Test bei den Olympischen Spielen in Tokio befindet. Simon verzichtet, anstatt irgendetwas anderes zu essen. „Das andere hätte ich, selbst wenn ich noch Fleisch gegessen hätte, ekelig gefunden. Das war echt nicht lecker und keine gute Qualität.“ Morgens steht in Plastik verpacktes Rührei mit Bacon vor der Tür. Es gibt so gut wie nichts Frisches, wie Obst. Der Grund für Simons Lage: Einen Tag vor dem olympischen Straßenrennen wird er positiv auf Covid-19 getestet. Er war doppelt geimpft und doch fing er sich das Virus ein – vermutlich auf dem Weg nach Tokio auf dem Pariser Flughafen. Es ist der Corona-Schock am Mount Fuji! Simon muss in Quarantäne und darf nicht am Straßenradrennen rund um den heiligen Berg Japans teilnehmen. Der Olympia-Plan war, dass er als Edelhelfer Kapitän Maximilian Schachmann zur Medaille führt. Das deutsche Team hatte sich bei Olympia einiges ausgerechnet.

Am Tag vor dem Start wird Simon von Corona ausgebremst. Besonders bitter: Simon hat keine Symptome und auch die Viruslast ist bei ihm so gering, dass er beispielsweise nach dem Regelwerk der Tour de France hätte weiterfahren können. Denn man sehe keine Ansteckungsgefahr, die von Simon ausgeht. In Europa hätte er auch reisen können. Doch das sieht in Tokio anders aus. Die Japaner sind streng, was den Umgang mit dem Virus angeht.

Seit der Hiobsbotschaft lebt Simon Geschke allein im eigens für solche Fälle eingerichteten Quarantäne-Hotel rund 100 Kilometer westlich von Tokio in der Nähe des olympischen Dorfes. Er stellt sein Zimmer vor: zwei Betten, auf einem seine Sachen verteilt. Eine kleine Kaffeepresse. Der Kaffee ist aber fast alle und er darf sich keinen neuen bestellen. „Ich probiere es zu akzeptieren und hoffe, dass es schneller vorbeigeht als ich denke“, berichtet er aus seinem Zimmer.

Er lebt 10 Tage auf 10 Quadratmetern – ohne Frischluft. „Das Fenster geht nicht auf. Sie meinen es sei eine Sicherheitsvorkehrung.“

Statt Straßenrennen erlebt Simon olympische Tristesse – isoliert im Quarantäne-Hotel. „Nach vier Wochen Tour de France, einer Woche Tokio nochmal zehn Tage dranhängen für nichts und wieder nichts, steht nicht so ganz oben auf meiner Wunschliste“, flucht er. „Meine Freundin weiß schon gar nicht mehr wie, ich aussehe.“

Von oben kommen ab sofort die Ansagen. „Hier oben ist ein Lautsprecher“, zeigt er an die Decke. „Der ertönt morgens das erste Mal mit einem lauten Gong um sieben und erinnert einen daran, seine Temperatur und seine Sauerstoffsättigung zu messen.“ Anschließend kommen Anrufe und Simon muss Fragen zu seinem Zustand beantworten – übertriebene Maßnahmen für den symptomfreien Radprofi. „Das ist mir alles ein bisschen früh, wenn man den ganzen Tag nichts zu tun hat.“

Und der Lautsprecher ertönt auch beim Essen: „Breakfast Time will end in 10 minutes!“ Seine Stube verlassen darf Simon nur zum Essen. Von 8 bis 9 Uhr kann er sich Frühstück aus der Lobby holen, von 12 bis 13 Uhr Mittag und von 18 bis 19 Uhr Abendessen. Das sind die einzigen Zeiten des Tages, an denen er sein Zimmer verlassen und ein paar Schritte gehen darf. Ein Graus für den Ausdauersportler, der es gewohnt ist, den ganzen Tag in Bewegung zu sein. Die Essensauswahl ist übersichtlich und problematisch für den Veganer. Die Zubereitung ist kniffelig. Simon schneidet sein Brötchen mit einer Nagelfeile auf, „weil wir nicht mal Plastikmesser kriegen aus Angst vor was weiß ich.“

Essen bestellen darf man nicht. Vor dem Hotel stehen Wachleute und lassen niemanden rein und raus. Auch Amazon-Bestellung wie Bücher sind verboten. Genauso wie Pizza, Kaffee oder Ukulele, die Simon spielt. Die strengen Regeln kann Simon Geschke nicht verstehen. „Wenn die wollten, würden die das coronagerecht hinkriegen“, glaubt er.

Die japanische Regierung legte in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Olympischen Committee die Regeln im Corona-Quarantäne-Hotel fest. Nachdem die Spiele 2020 abgesagt und um ein Jahr verschoben wurden, hatten die Organisatoren ein Jahr mehr Zeit zu planen. „Es war klar, dass die Spiele in einer Pandemie stattfinden“, ärgert sich Simon in der Rückschau. „Dass das jetzt die Endlösung war, hat mich schon ein bisschen enttäuscht. Die Bedingungen im Hotel haben an den Nerven gezerrt. Ich war nicht der einzige Sportler, der sich hier nicht wohlgefühlt hat.“

Mehrere betroffene Athleten berichten über die Zustände in den Quarantäne-Hotels. Dazu gehören Mangelversorgung in grundlegenden Bereichen wie spezifische Ernährung, unzureichende Frischluftzufuhr und mangelnde Kommunikation. „Es mutet grotesk an, dass sie in gefängnisartigen Zuständen ihre Quarantäne absitzen müssen, während IOC-Mitglieder im teuren Luxushotel absteigen und mit hohen Tagespauschalen versorgt werden“, äußert sich dazu die Interessenvereinigung Athleten Deutschland.

Sechs niederländische Olympia-Teilnehmer treten während ihrer Quarantäne in einen Sitzstreik in der Hotellobby und erkämpfen sich dadurch das Recht, einmal täglich unter Aufsicht eine Viertelstunde lang an einem offenen Fenster stehen zu dürfen. „Dieser erste Atemzug Frischluft war der traurigste und gleichzeitig beste Augenblick in meinem Leben“, sagt die Skateboarderin Candy Jacobs.

Weder mental noch körperlich geht es Simon nach den ersten vier Tagen gut. Ihm fehlt Bewegung, Sonnenlicht und frische Luft. Der Rücken schmerzt vom vielen Liegen im Bett. Als halb Psychiatrie, halb Gefängnis bezeichnet er seine Situation.

Nachdenklich stimmt ihn, dass es tatsächlich keinen Ausweg aus der japanischen Quarantäne gibt. Als Fußball-Profi Thomas Müller von Bayern München bei der Club-WM in Katar im Februar positiv getestet worden war, saß er wenig später in einem Privatflieger Richtung Heimat. „Der Fußball ist eben eine andere Welt. Auch in Deutschland fühlt man sich immer als Sportler zweiter Klasse, wenn man nicht Fußball spielt“, sagt Simon. „2020 haben so viele Sportler unter dem Lockdown gelitten, aber die Fußballer durften trainieren.“

Die deutsche Botschaft schaltet sich ein und versucht zu erwirken, dass sich die Bedingungen für Simon Geschke im Hotel verbessern. Am Tag 5 ist Quarantäne-Halbzeit. Endlich rollen die Hilfspakete vom Deutschen Olympischen Sportbund ein. Simon bekommt eine Fahrrad-Rolle und kann wieder treten. Auch Lebensmittel bekommt er geliefert. „Ich habe endlich wieder Mandelmilch, frisches Obst, wie Avocados, Bananen und Äpfel, Vollkornbrot, Cornflakes und Oreo-Kekse. Das lässt mein Herz gerade höherschlagen.“

Simons Herz hüpft, seine Beine kurbeln. Endlich kommt die Quarantäne in Bewegung und gefühlt so schneller zum Schluss. Zudem vertreibt sich Simon die Zeit mit Yoga-Übungen, lernt Französisch mit einer Sprach-App, da sein neues Team Cofidis ein französisches ist. Und er lässt sich von einem Computer Schach beibringen. Das wollte er schon immer mal lernen.

Zudem ist er in den sozialen Medien sehr aktiv und gibt Interviews. „Ich war überrascht, was das für eine Welle ausgelöst hat“, sagt er. Er gibt selbst australischen und japanischen TV-Sendern Interviews, bekommt über Social Media viel Mut zugesprochen. „Auf Instagram habe ich immer ein wenig über meinen Alltag berichtet. Das fanden die Leute offenbar interessant.“

Bittersüß: Seit den Olympischen Spielen in Tokio ist Simon Geschke so berühmt wie nie zuvor in seinem Leben aufgrund der umfangreichen Berichterstattung aus dem Quarantäne-Hotel. In Zusammenarbeit mit der ARD führt Simon ein Olympia-Tagebuch. In regelmäßigen Abständen berichtet die ARD über Simons Zustände. So lernen Fernsehzuschauer, die nicht primär den Radsport verfolgen, Simon Geschke kennen – auch wenn nicht auf der Rennstrecke. Dem breiten Fernsehpublikum zuvor bekannt, war Simon Geschke maximal durch den Werbespot „Nur 2 Minuten“, in dem er 2016 zusammen mit John Degenkolb, seinem Kollegen beim Team Giant-Alpecin, für die Shampoo-Marke Alpecin warb.

Vor Interviewanfragen kann sich Simon kaum retten, während er im Olympia-Knast ausharrt. „Gerade in der ersten Zeit war das extrem“, schildert er. „Da dachte ich noch, machste das alles schnell. Dann hast du wenigstens was zu tun. Hinten raus wurde es mir ehrlich gesagt ein bisschen zu viel.“ Sein Ziel sei es nicht gewesen, mit seiner Lage Aufmerksamkeit zu erhaschen. Auch ausländische Medien, wie zum Beispiel aus Australien stürzen sich auf ihn. Am Ende lehnt er Interviewanfragen ab, nachdem er immer wieder die gleichen Fragen beantworten muss. „Am Anfang fand ich den Medien-Hype noch ganz witzig, weil ich mich tagsüber damit beschäftigen konnte“, sagt er. „Aber eigentlich hat es mich ab Hälfte der Quarantäne dann eher gestört.“ Zumal er es als schade empfindet, dass über das Sportliche kaum geredet oder berichtet wurde, während jeder ein Interview über seine Quarantäne-Lage wollte. „Das fand ich dann auch schon etwas seltsam am Ende.“