© Dieter Klein, Köln
Unter der Orgel von San Sebastiano fand Paolo Veronese, dem die Kirche ihre prachtvollen Deckenmalereien von 1556 verdankt, seine letzte Ruhestätte
Der Vormittag gehört dem sestiere (Bezirk) Dorsoduro und den dazugehörigen Inseln La Giudecca und San Giorgio Maggiore. Von der stazione »San Basilio« der Linie 82 gelangt man zu der äußerlich unscheinbaren Kirche San SebastianoF2 vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Dank der malerischen Ausstattung Paolo Veroneses (1528–88) besitzt die Kirche einen der schönsten Innenräume der Stadt. Besonders prachtvoll sind die Kassettendeckenmalereien, auf denen alttestamentarische Szenen dargestellt sind. Der Künstler liegt übrigens in dieser Kirche, mit der er seinen Ruhm begründete, begraben: Unter der Orgel hat er seine letzte Ruhestätte gefunden.
Einem Glanzpunkt venezianischer Malerei des 18. Jahrhunderts begegnet man in der Scuola Grande di Santa Maria dei CarminiF2 mit dem Deckengemälde Giambattista Tiepolos (1696–1770). Diescuola gehört zu den sechs »großen« der 35 venezianischen Bruderschaften. In ihnen organisierten sich die Bürger Venedigs, immer im Windschatten einer Kirche, meist nach Berufsgruppen, um mildtätige Arbeiten wie die Pflege von Kranken und die Hilfe für Mütter unehelicher Kinder zu koordinieren. Es war der einzige Bereich, in dem das Bürgertum uneingeschränkt schalten und walten konnte. Die scuolas übertrafen in ihrer Pracht oft noch die nebenstehende Kirche.
Nun geht es zum weitläufigen A Campodi Santa Margherita F3, auf dem vormittags reges Markttreiben herrscht. Das isolierte Gebäude in der Mitte des Platzes beherbergte früher die Bruderschaft der Gerberzunft. Entlang des Rio di San Barnaba kommt man zur Ca’ Rezzonico F3. Der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaute Palazzo zählt zu den am üppigsten ausgestatteten am Canal Grande, da er zuletzt einer neureichen, aus Genua zugewanderten Bankiersfamilie gehörte. Diese hatte sich für teures Geld den Eintrag ins Goldene Buch der Stadt erkauft – und außerdem gesellschaftlichen Einfluss durch großzügige Spenden erlangt. Heute birgt der Palazzo das Kunstgewerbemuseum Museo del Settecento Veneziano und zeichnet mit seinen Ausstellungsstücken (Möbel, Seidentapeten, Chinoiserien, Keramiken, Porzellan, Kostüme, Marionetten) ein plastisches Bild vom patrizischen Leben im Venedig des 18. Jahrhunderts.
Mit der Ponte dei Pugni, der »Brücke der Fausthiebe«, über den Rio di San Barnaba passieren wir einen der Schauplätze jener einst beliebten Kämpfe zwischen den Bewohnern der verschiedenen Bezirke. Die vier im Pflaster eingelassenen Marmorsohlen markierten den Startpunkt der Kämpfe.
© VISTA POINT Verlag (Archiv), Rheinbreitbach
Giovanni Bellinis »Madonna degli Alberetti« (1487) in der Gallerie dell’Accademia
Wer an Malerei interessiert ist, geht nun in die B Gallerie dell’Accademia G3. In der ehemaligen Kirche und der Scuola della Carità ist heute Venedigs Bildergalerie von Weltruf untergebracht. Schätze aus aufgelassenen venezianischen Kirchen, Stiftungen aus Privatsammlungen und die zurückerstatteten, ehemals von Napoleon geraubten Gemälde bilden einen chronologisch geordneten Überblick über die venezianische Malerei vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Hier hängt auch das furiose Gemälde, mit dem Tintoretto 1548 der Durchbruch gelang: Der hl. Markus befreit einen Sklaven aus den Händen der Häscher, die sich gerade anschicken ihn zu blenden.
Die nächste Station ist die Kirche San TrovasoG3 auf dem gleichnamigen Campo. Sie ist den Heiligen Gervasio und Protasio geweiht. Auffällig sind die beiden vollkommen gleichwertigen Fassaden. Man sagt, auf diese Weise hätte man aus verfeindeten Stadtteilen stammenden Paaren die Ehe ermöglicht, denn ihre Familien konnten so die Kirche durch getrennte Eingänge betreten.
Verlässt man den Campo rechts über die Fondamenta Nani, hat man einen reizvollen Blick auf eine der letzten squeri, der Gondelwerften von Venedig. Hier werden die fast elf Meter langen, eineinhalb Meter breiten, etwa 600 Kilogramm schweren und rund 35000 Euro teuren Boote aus sieben verschiedenen Holzarten gebaut und gewartet. Jede Gondel ist auf der rechten Seite 24 Zentimeter schmaler, um das Gewicht des Gondoliere auszugleichen. Demselben Zweck dienen die 20 Kilogramm schweren Bugeisen, deren sechs nach vorn weisende Zacken für Venedigs sechs Stadtteile stehen. Für die Zunft der Bootsbauer und Gondolieri sieht die Zukunft leider eher düster aus: Allein von den Aufträgen reicher Texaner und Chinesen können sie nicht leben und der Bedarf an Booten sinkt.
An den Fondamenta Zattere am Canale della Giudecca, der ehemaligen Anlegestelle der Flößer, liegt die Kirche Santa Maria del Rosario G3, genannt Chiesa dei Gesuati. Der von Andrea Palladio (1508–80) inspirierte Bau besitzt im Inneren eine herrliche Tiepolo-Decke (1737–39).
Von der stazione »Zattere« geht es weiter per Boot. Zuvor kann man sich an der ~Zattere genannten Promenade, die das Südufer Dorsoduros bildet, in einer der schönen Eisdielen mit einem Eis stärken und dabei den Blick auf Giudecca genießen. An Bord kommen dann zwei strahlend weiße Kirchen von Andrea Palladio in den Blick: zunächst Il Redentore H4, die auch zum Dank für das Ende einer Pestepidemie erbaut wurde, dann San Giorgio Maggiore G7. Sie ist heute ein nicht mehr wegzudenkender Akzent in der Silhouette der Stadt, gilt aber vielen Venezianern nach wie vor als ein Fremdkörper, der aus antikem Geist und humanistischer Schulung des kühl und rational bauenden Renaissance-Architekten erwuchs. Auf der Insel San Giorgio Maggiore, die ursprünglich eine Saline, dann ein großer Weingarten war, bauten die Benediktiner zwei Klöster und betrieben von hier aus die Missionierung Ungarns. Heute beherbergen die Klostermauern verschiedene Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen. Vom Campanile hat man den wohl eindrucksvollsten Blick über die Lagunenstadt, besonders auf das Ensemble von Salute-Kirche, Einfahrt zum Canal Grande und den Bauten am Molo. Im Sommer lädt das Freilichttheater Teatro Verde H7 zu Ballett, Theater und Jazz. Den »Gefilden der Macht« nähern wir uns nun ganz stilgerecht zu Wasser.
Ein Halt an der ehemaligen Klosterkirche San Zaccaria F7 lohnt sich allein schon deshalb, um eines der vollendetsten Bilder aus dem Spätwerk Giovanni Bellinis (um 1430–1516) zu sehen: eine farbenglühende Madonna mit Engeln und Heiligen aus dem Jahre 1505. In der Cappella di San Tarasio (links vom Hochaltar) sieht man Fresken eines der führenden Maler der italienischen Frührenaissance, Andrea del Castagno. Von hier aus gelangt man auch in eine dreischiffige Krypta des 9. Jahrhunderts hinab, die allerdings meist unter Wasser steht.
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»Bella Venezia«: die Piazzetta San Marco im Morgenlicht
Der »Prachtsalon« der Serenissima, die auf trapezförmigen Grundriss angelegte C Piazza San Marco F6, ist 175 Meter lang, bei einer Breite von 82 bis 56 Meter, und wird auf den Langseiten von den ehemaligen Verwaltungsbauten der Republik, der Procuratie Vecchie und Nuove, begrenzt.
Die dem Markusdom gegenüberliegenden Gebäude beherbergen heute das äußerst lohnenswerte Museo Correr