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Die Jugendlichen Mona und Leon, Kinder frisch geschiedener Eltern und nicht gut aufeinander zu sprechen, verbringen zwei Wochen Ferien bei Monas Großmutter auf dem Land, um sich nach dem Wunsch von Monas Vater und Leons Mutter miteinander anzufreunden. Oma Vera stellt bald fest, dass dieses Projekt der Unterstützung bedarf, und außerdem ist es ihr als ehemalige Lehrerin ein Anliegen den beiden Dickköpfen etwas nahezubringen, das ihr persönlich sehr am Herzen liegt: Literatur. Um Mona Alternativen zu ihren vorrangig auf Unterhaltung ausgerichteten Fantasy-Geschichten und Leon eine andere Beschäftigung als Videospiele anzubieten, richtet Oma Vera Erzählabende ein, an denen sie den Jugendlichen ihre selbst verfassten Erzählungen vorstellt und sie anschließend auch mit ihnen bespricht. Mona und Leon lernen auf diese Weise nicht nur Grundbegriffe und -techniken des analytischen Interpretierens kennen, sondern erhalten von Oma Vera darüber hinaus zahlreiche Informationen z.B. über Evolutionsbiologie, Geschichte, Philosophie, usw. Es ist Oma Veras erklärtes Ziel, den Blick der Jugendlichen auf literarische Texte zu verändern oder überhaupt erst zu wecken, denn: Literatur enthält versteckte Botschaften über das menschliche Leben, die erst entschlüsselt werden müssen. Im Anschluss an jede dieser Erzählungen wird die Rahmenhandlung wieder aufgegriffen und Oma Veras Texte werden von Mona und Leon lebendig diskutiert und interpretiert, wobei die Leserinnen und Leser einen unterhaltsamen Einstieg in die Literaturwissenschaft erleben.
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Seitenzahl: 359
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Philipp Priska
Veras Geschenk
Eine Reise zur Literatur
Roman
Impressum:
Philipp Priska
c/o AutorenServices.de
Birkenallee 24
36037 Fulda
www.philipp-priska.de
Texte: © Copyright by Philipp Priska
Umschlag: © Copyright by Philipp Priska
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte
ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig.
Für meine Kinder
Groß ist das Schrifttum! Aber größer noch ist es freilich,
wenn das Leben selbst, das man lebt, eine Geschichte ist.
Thomas Mann
Gäbe es die Literatur nicht, liefe die Welt vielleicht nicht anders, aber sie würde anders gesehen, nämlich so wie die jeweiligen Nutznießer sie gesehen haben möchten: nicht in Frage gestellt.
Max Frisch
Inhalt
Prolog
Eine Mutter zweier Töchter
Erstes Gespräch
Der Aufbruch
Zweites Gespräch
Im Gefängnis
Drittes Gespräch
Der Tag der Wahrheit (Ein Dialog)
Viertes Gespräch
Zwei Soldaten
Fünftes Gespräch
Kein Schiff
Sechstes Gespräch
Der Waldsee (Eine Ballade)
Siebtes Gespräch
Der Tod und das Mädchen (Eine Novelle)
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
Erster Vortrag
Der Feuerberg
Zweiter Vortrag
Am Abend saß Mona auf der kleinen Bank in der Nähe des Gartenzauns, hinter dem nach wenigen Metern der Hang zum See abfiel. Vor einer Stunde hatte es noch geregnet, aber nun war das Wasser dort unten völlig still und spiegelte sanft das orangerote Licht des Horizonts, wo die Sonne bald untergehen würde.
Sie seufzte, als sie merkte, dass sich jemand vom Haus näherte. Eigentlich hatte sie allein sein wollen.
Oma Vera stützte sich schwer auf ihren Gehstock und ächzte leise bei jedem Schritt. Der Weg quer durch den Garten war beschwerlich für sie und ihr Stock sank immer wieder ins Gras und die feuchte Erde ein, aber als sie ihre Enkelin allein auf der Bank entdeckt hatte, war sie ohne zu zögern losgehumpelt.
Oma Vera war eine rundliche Dame mit zahllosen Fältchen und einem grauen Haarknoten. Nun ließ sie sich neben Mona fallen und atmete auf. Der Reitfelder See im Abendlicht war ein herrlicher Anblick.
"Ich war schon lange nicht mehr hier", sagte sie. "Schon gar nicht bei Sonnenuntergang. Dabei ist es so schön hier, man hat die Idylle sozusagen vor der Nase."
Mona warf einen kurzen Blick auf ihre Großmutter, sagte aber nichts und richtete den Blick wieder auf den See. Ihr war nicht nach Plaudern zumute. Da wusste Vera Bescheid.
"Schlechte Laune?", fragte sie. "Am Geburtstag?"
Mona zuckte mit den schmächtigen Schultern. Alles war schmächtig an ihr, die dünnen Arme, die Beine mit den spitzen Knien. Sie war klein für eine Vierzehnjährige, und blass. Sie aß auch nicht besonders viel.
"Deine Torte hast du gar nicht probiert", sagte Vera.
Mona schnaubte kurz, blieb aber weiterhin stumm. Ihre Oma lächelte. "Erst stört mich die Alte hier und dann macht sie mir auch noch Vorwürfe", sprach sie Monas Gedanken unumwunden aus.
Diesmal kein Schnauben, aber auch kein versöhnlicher Blick. Mona wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Sie mochte ihre Großmutter und wollte ihr nicht wehtun, aber es war eine Tatsache, dass ihr im Moment alle auf die Nerven gingen.
Eine Weile schwiegen sie beide. Über dem Wald jenseits des Sees kreisten in der kühlen Abendluft ein paar Vögel. Oder Fledermäuse?
"Und deine Geschenke?", fragte Vera. "Hauptsächlich Bücher, oder?"
Mona nickte. Immer noch kein Laut.
"Darüber könnte man sich ja freuen", meinte Vera. "Immerhin liest du gern."
"Ja, ich lese gern!", brach es plötzlich aus Mona heraus. "Aber in letzter Zeit finde ich das Lesen nur noch langweilig! Jetzt habe ich ‚Die geheime Zauberakademie‘ in drei Bänden, außerdem noch ‚Die verwunschene Drachenhöhle‘ und ‚Das Turnier der Zwerge‘. Irgendwie sind die Geschichten alle gleich. Wenn mir jetzt noch einer ‚Das Drachenturnier der Zauberakademie in der Zwergenhöhle‘ schenkt, fange ich an zu schreien."
Vera lachte laut auf.
Sie blickten wieder auf den See hinaus. Der Bann schien gebrochen, sie grinsten nun beide.
"Und was hast du von Leon bekommen?", wollte Vera wissen. Leon war der Sohn von Elena, der neuen Freundin ihres Sohnes und ebenfalls vierzehn. Helmut und Elena waren für einige Tage zu Besuch bei Vera, damit sich Mona und Leon anfreunden konnten. Bisher mit eher mäßigem Erfolg.
"Ein Videospiel", antwortete Mona. "Autorennen und so‘n Zeug."
Vera legte den Kopf schief. "Na ja, die gute Absicht zählt", meinte sie trocken.
Monas Grinsen wurde breiter.
Vera legte ihre große Hand auf das knochige Knie des Mädchens und drückte es sanft. Mona erwiderte die Geste, indem sie mit ihrem Händchen den faltigen Handrücken streichelte.
"Bleiben wir bei den Büchern", sagte Oma Vera. "Welche Geschichten magst du denn?"
"Spannende", sagte Mona wie aus der Pistole geschossen. "Und witzige."
"So, so." Vera nickte. "Mit anderen Worten: Unterhaltsam müssen sie sein."
"Genau", meinte Mona. "Langweilen kann ich mich auch ohne Bücher."
"Aha". Wieder das sanfte Drücken am Knie. "Unterhaltsame Geschichten haben sicherlich ihre Daseinsberechtigung. Aber dir ist schon klar, dass es auch Geschichten gibt, die noch mehr können als nur unterhalten?"
Nun wandte Mona den Kopf und sah ihre Großmutter direkt an. Die Iris ihres linken Auges war braun, die des rechten grün. Eine Heterochromie, die ihrem Blick eine besondere Intensität verlieh, noch dazu, wenn sie wie jetzt die Stirn runzelte. "Was meinst du?"
Am Horizont war nur noch ein rötlicher Sonnenstreifen zu sehen. Der See lag jetzt völlig dunkel da, lediglich eine schmale Spur spiegelte noch das Sonnenlicht. Oma Vera schien es zu genießen und sagte eine Weile nichts. Dann überlegte sie: "Ob Leon auch gerne liest? Oder spielt er immer nur Videospiele?"
Mona wandte sich wieder ab. Vera hörte das typische Schnauben. "Keine Ahnung. Der Typ ist einfach komisch. Und einen komischen Namen hat er auch." Und sie sagte gedehnt und verächtlich: "Leeeon…"
"Das ist das altgriechische Wort für ‚Löwe‘ und gefällt mir", sagte Vera. „Es könnte auch die Kurzform von ‚Leonhard‘ sein, was aus dem Althochdeutschen kommt und ‚stark und mutig wie ein Löwe‘ bedeutet. Ist doch ein schöner Name. “ Sie zwinkerte ihrer Enkelin zu und dehnte ihrerseits: "Mooona…."
"Was soll das?" Mona war nicht in der Stimmung sich veralbern zu lassen. "Findest du seinen Namen etwa interessant und meinen komisch?"
"Nein, gar nicht", sagte Oma Vera. "Ich habe ihn deinem Vater damals vorgeschlagen. Deinen Namen gibt’s in vielen Sprachen und er kann ‚die Edle‘ und auch ‚das Geschenk‘ bedeuten. Besonders gut gefällt mir auch die arabische Bedeutung ‚die Hoffnung'".
"Oh." Monas Empörung verpuffte. Sie war tatsächlich geschmeichelt. "Das wusste ich nicht. Und auch nicht, dass Namen etwas bedeuten."
"Manche schon." Oma Vera sah ein letztes Glimmen, dann war die Sonne verschwunden. Sie griff nach ihrem Stock. "So wie manche Geschichten etwas bedeuten. Geschichten, die nicht nur unterhalten wollen. Ich werde dir mal ein paar erzählen."
Mona rümpfte zweifelnd die Nase, sagte aber nichts.
Ihre Großmutter erhob sich ächzend, auf ihren Stock gestützt, und wandte ihre füllige Gestalt dem Haus zu. Sie hinkte aus der Hüfte.
"Ich war immerhin mal Lehrerin, also werde ich dir und Leon in diesen Ferien etwas beibringen. Etwas Wichtiges. Und jetzt zurück ins Haus, es wird kalt."
Mona folgte ihr. "Oma?", fragte sie plötzlich. "Was bedeutet Vera?"
Oma Vera hinkte voran und sah sich nicht um. "Das findest du mit deinem technischen Schnickschnack mal besser selbst raus."
* * * *
Vera Weber war nie verheiratet gewesen und hatte ihren Sohn Helmut allein großgezogen. Das Haus am Reitfelder See war ihr bereits in jungen Jahren von einer Tante vererbt worden und Helmut hatte hier auf dem Land eine recht unbeschwerte Kindheit verlebt. Seine Ehe mit einer Kollegin hatte allerdings unter keinem günstigen Stern gestanden und war kurz nach Monas dreizehntem Geburtstag geschieden worden.
Schon bald darauf hatte er über eine Partnerbörse im Internet Elena Hoffmann kennengelernt. Sie war ein wenig jünger, ebenfalls frisch geschieden, Mutter eines Sohnes. Allerdings lagen ihre Wohnungen eine gute Stunde Fahrtzeit voneinander entfernt, was irgendwann die Idee für diesen Urlaub ausgelöst hatte. Gemeinsame Ferien mit den Kindern bei der Großmutter sollten es werden– Oma Vera freute sich stets über Besuch, Mona und Leon konnten sich ein wenig beschnuppern und Helmut und Elena würden in diesen Ferien wohl auch etwas Zeit für Zweisamkeit finden können. Das jedenfalls war der Plan.
Ein Plan, der ohne Mona und Leon zustande gekommen war und den beide ordentlich zu durchkreuzen gedachten.
Leon hatte nicht die geringste Lust gehabt die vertraute Wohnung und vor allem die Geborgenheit seines höhlenartigen Zimmers gegen eine Ferienunterkunft in einem unbekannten Haus mit fremden Leuten einzutauschen. Man konnte Leon keine größere Freude machen als ihn in Ruhe zu lassen, und sein Freundeskreis war auch sehr überschaubar. Eigentlich wusste Elena nur von einem einzigen Jungen, mit dem er sich manchmal traf, und wenn sie ehrlich war, dann kam es zu diesen Treffen auch nur auf ihre Veranlassung hin. Wenn sie ihn nicht ab und zu anschubste, hätte er sein Zimmer samt Computer und Videokonsole wahrscheinlich nie verlassen.
Elena und sein Vater hatten ihm so gut wie alle Wünsche der letzten Monate erfüllt, und waren Geräte und Spiele auch noch so teuer gewesen. Das schlechte Gewissen geschiedener Eltern war für all den Kram verantwortlich, der ihn nun in seinem Zimmer festhielt.
Und natürlich war auch Mona nicht in Jubelschreie ausgebrochen, als Helmut ihr die Ferien am Reitfelder See angekündigt hatte, wenn ihr Widerwille auch geringer ausgefallen war. Mona liebte ihre Oma über alles und mochte auch das alte Haus und den Garten mit dem Hang, der zum See abfiel - aber sie wollte all das eben für sich allein haben. Vor einigen Wochen hatte sie Elena kennengelernt und sie ganz nett gefunden, aber auf gemeinsame Ferien mit dieser Frau hatte sie keine Lust, und auf das Geknutsche ihres Vaters mit seiner neuen Freundin erst recht nicht. Und auf Elenas seltsamen Sohn konnte sie schon zweimal verzichten.
Beste Voraussetzungen für harmonische Ferien also. Schon bei der Anreise hatten sich Sticheleien und eisiges Schweigen abgewechselt. Und dann war der erste Ferientag auch noch auf Monas Geburtstag gefallen.
Zum Glück gab es in Oma Veras Haus jede Menge Rückzugsmöglichkeiten und sowohl Mona als auch Leon hatten jeweils ein Zimmer für sich. Leon hatte sich schon bald in seines verkrochen, und Helmut und Elena hatten das Vernünftigste getan, das man in so einem Fall tun konnte: den Dingen ihren Lauf gelassen. Die beiden planten für den zweiten Ferientag eine Radtour ohne Kinder und vertrauten darauf, dass sich Mona und Leon auf dem Grundstück ja nicht ewig aus dem Weg gehen konnten.
Und dass Oma Vera schon einen Einfall haben würde, was zu tun war.
* * * *
Neben dem alten Wohnhaus standen im schrägen Winkel eine Garage und ein Schuppen. Auf der Wiese, die die drei Gebäude dabei begrenzten, ragte eine ausladende Linde empor und spendete Schatten für eine alte Grillstelle, einen Holztisch und zwei Bänke, wo Oma Vera gerne die heißen Nachmittage verbrachte. Mona zog jedoch die Bank am Ende des Gartens vor, wo man den See besser im Blick hatte, und vergrub sich halb widerwillig, halb aus Gewohnheit in ihre neuen Bücher voll magischer Schulen und Zauberwesen. Leon ließ sich nur zu den Mahlzeiten blicken und tat dabei so, als sei niemand sonst anwesend. Beim Frühstück hatte ihn seine Mutter noch zu einsilbigen Antworten verleiten können, aber dann war Elena mit Helmut zur Radtour aufgebrochen, sodass Oma Vera das Mittagessen mit den beiden Dickköpfen in völligem Schweigen ertragen hatte.
Die alte Frau machte sich nicht viel daraus. Sie war selbst oft mürrisch und konnte den Starrsinn dieser pubertierenden Teenager recht gut ertragen, und als sie Leon am Nachmittag ein Stück der gestrigen Geburtstagstorte aufs Zimmer brachte, sagte sie kein Wort über die herabgelassenen Jalousien oder das piepsende Gerät auf seinem Schoß.
Sie wartete gelassen auf den Abend.
Am späten Nachmittag humpelte sie mit ihrem Stock über die Wiese zu Mona auf ihrer Gartenbank und berichtete ihr von einem Anruf ihres Vaters. Elena und er wollten die Nacht irgendwo auf einem Campingplatz verbringen, da sie vorsorglich ein Zelt mit auf die Radtour genommen hatten, und erst am nächsten oder übernächsten Tag zurückkehren. Die Antwort war ein kurzes Kopfnicken samt unterdrücktem Schnauben, und dann war Mona wieder bei ihren Zauberern und Zwergen. Oma Vera humpelte wortlos zum Haus zurück.
Das Abendessen war keinen Deut unterhaltsamer als das Mittagessen. Als Leon seinen Teller von sich schob und wortlos aufstehen wollte, brach Veras knapper Hinweis die Stille: „Um acht in meinem Zimmer.“
Mona sah sie an und verdrehte ihre unterschiedlich gefärbten Augen, als wollte sie sagen, ob das denn wirklich sein müsse. Leon verstand nur Bahnhof. „Was?“
„Versuch’s mal mit ‚Wie bitte?‘, junger Mann“, ermahnte ihn Vera und fügte hinzu: „Wir drei haben eine Verabredung um acht Uhr.“
„Was? Wie bitte?“ Leon reagierte, als habe er einen Kinnhaken erhalten. „Ich kann nicht, ich hab‘ keine…“
„Um acht“, wiederholte Vera ungerührt. „Pünktlich. In meinem Zimmer.“
Der Mund des Jungen öffnete und schloss sich noch ein paar Mal, und auch Mona hob den Blick zur Decke und rang mit den Händen. „Oooma“, dehnte sie. „Echt jetzt…?“
Nun schien aber eine Grenze erreicht worden zu sein, denn plötzlich passte sich Veras Ton ihrem mürrischen Gesichtsausdruck an. „Tisch abräumen. Spülmaschine einschalten. Und um acht bei mir.“
Damit erhob sie sich von ihrem Stuhl und humpelte davon.
„Wo … wo ist überhaupt dein Zimmer?“, rief Leon ihr nach.
„Dachboden.“ Das musste als Antwort genügen.
Da trafen sich die Blicke von Leon und Mona, und beide taten etwas, das sie zuvor nicht für möglich gehalten hatten. Sie rollten gemeinsam mit den Augen.
* * * *
Um acht trafen sie sich an der Treppe, die zum Dachboden führte.
Mona zeigte mit dem Finger auf die Tür am Ende der Treppe und ließ Leon den Vortritt, was bedeutete, dass er derjenige war, der anklopfen musste. Vielleicht war sein Klopfen zu zaghaft, vielleicht war Oma Vera immer noch sauer, jedenfalls musste Leon noch ein zweites Mal klopfen. Diesmal kräftiger.
„Kommt rein!“, rief die Großmutter.
Sie betraten den ausgebauten Dachboden, einen großen Raum unter der Dachschräge, der sich nahezu über die gesamte Grundfläche des Hauses erstreckte. Durch ein Fenster im Erker fiel Abendlicht herein, ansonsten war es schon ziemlich dämmerig hier oben. Leon sah sich erstaunt um. Niedrige Regale voller Bücher, ein Schreibtisch samt Computer und Drucker, die Tischplatte voller Bücher, zwei Sofas mit kleinen Tischchen, natürlich ebenfalls voller Bücher, Bücher auch auf dem Nachttisch neben dem Bett – man kam sich vor wie in einer Bibliothek. Mitten im Zimmer drehte sich Leon einmal um die eigene Achse.
Auch Mona sah sich um. Sie war natürlich früher schon oft hier gewesen, aber plötzlich wurde ihr klar, dass man als Kind manches übersah, was später Bedeutung gewann. Viele der zahlreichen Plakate an den schrägen Wänden, auf denen ihr immer nur die seltsamen Bilder und Grafiken aufgefallen waren, stammten von Ausstellungen, Galerien oder Museen. Neben der Tür hing eine überfrachtete Pinnwand mit Fotos und Postkarten. Sie trat näher, um sich alles genau anzusehen.
„Cool“, sagte Leon, um irgendetwas zu sagen und das Eis zu brechen. „Cooles Zimmer.“
„Ja“, stimmte Mona zu, der das unschöne Ende des Abendessens noch im Magen lag. „Total … gemütlich.“
„Schönen Dank.“ Oma Vera humpelte mit ihrem Stock zu einer kleinen Küchenzeile in der Nähe des Erkers. „Tee?“
„Äh … klar“, sagte Leon. „Danke.“
„Gern“, fügte Mona hinzu.
Während Oma Vera mit Tassen und Wasserkocher hantierte, trat Mona zu Leon und wurde sich bewusst, dass er und sie plötzlich zusammengehörten. Sie beide waren Gäste in Omas Reich, sie sahen sich beide neugierig um und sie waren beide etwas befangen. Nachdem sie zwei Tage lang so gut wie kein Wort gewechselt hatten, waren sie nun auf einmal so etwas wie ein Team.
Und völlig unerwartet war da ein Lächeln auf Großmutters Gesicht. Mona wurde den Verdacht nicht los, dass Oma Vera das alles genau so geplant hatte.
Die alte Dame zeigte auf das Sofa in der Mitte des Dachzimmers. „Setzt euch“, forderte sie die Kinder auf. „Und macht etwas Platz auf dem Tischchen für die Teetassen.“
Leon setzte sich als erster und ergriff einen Stapel Bücher von der Tischplatte, den er der Einfachheit halber an Mona weiterreichte. Sie sah sich unschlüssig um, dann legte sie die Bücher neben dem Sofa auf den Boden.
Sollte sie sich zu Leon setzen oder Oma Vera mit dem Tee helfen? Die Antwort war einfach.
„Lass mich das machen“, sagte sie zu ihrer Großmutter, trat zu ihr und nahm ihr die dampfenden Tassen ab, denn immerhin war Vera mit ihrem Stock in ihren Bewegungen eingeschränkt. Aber als sie den Tee auf das Tischchen gestellt hatte, blieb ihr doch nichts anderes übrig als neben Leon Platz zu nehmen.
Oma Vera humpelte zu dem gemütlichen Sessel neben dem Sofa. Mona erkannte das gehäkelte Deckchen auf der Rückenlehne – sie selbst hatte es in der Grundschule für ihre Oma im Handarbeitsunterricht gemacht. Plötzlich wurde ihr ganz warm.
Vera ließ sich schwer in den Sessel fallen und atmete aus. „Puh“, machte sie. „Ein langer Tag mit schwierigen Kindern geht zur Neige. Hoffentlich wird der Abend besser.“
Leon kriegte rote Ohren und Mona betrachtete ihre Schuhspitzen. Das war wieder mal typisch. Oma Vera sprach Dinge gern unumwunden aus, ganz gleich, wie peinlich sie für andere sein mochten.
„Also“, fuhr Vera fort, „kein Mensch verlangt, dass ihr beide sofort die besten Freunde werdet. Aber diese Abneigung der letzten zwei Tage, als ob der eine Pest und die andere Cholera hätte, ist auch keine Lösung. Zwischen diesen beiden Extremen liegen noch ein paar sehr interessante Abstufungen.“
Mona traute sich den Blick zu heben. Sie bemerkte, dass Leon sie aus dem Augenwinkel ansah. In seiner Haut wollte sie tatsächlich nicht stecken – fremdes Haus, fremde Großmutter, fremde Mona. Na gut, sie konnte genügend Anstand zusammenkratzen, um den ersten Schritt zu machen.
„Das waren nur Anfangsschwierigkeiten“, sagte sie beschwichtigend. „War nicht so gemeint. Jetzt sind wir ja hier.“
Vera schwieg. Ihre Augen ruhten auf Leon. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Ball aufzufangen. „Genau,“ sagte er ein wenig heiser. „Ich bin so etwas eben nicht gewöhnt. Tut mir leid.“
Vera nickte. „Hervorragend“, meinte sie. „Ein sehr guter Anfang. Ab sofort gehen wir anders miteinander um. Und weil ich das ernst meinte, als ich sagte, dass wildfremde Menschen nicht von heute auf morgen die besten Freunde werden können, könnt ihr in diesen Ferien weiterhin euren jeweiligen Lieblingsbeschäftigungen nachgehen.“
Mona machte große Augen. „Das war’s?“
Vera lächelte sie an. „Bis auf die Abende“, ergänzte sie. „Die Abende werden wir gemeinsam verbringen. Ob Helmut und Elena nun hier sind oder nicht, ob sie nun eine Radtour machen oder zelten, das soll uns nicht kümmern. Wir drei werden in den nächsten Tagen jeden Abend hier in meinem Zimmer sitzen und … “
„Uns unterhalten?“ fragte Leon. „Worüber denn? Du hast doch gerade selbst zugegeben, dass wir uns fremd sind. Außerdem bin ich in einem Online-Wettkampf mit…“
„Wir drei werden in den nächsten Tagen jeden Abend hier in meinem Zimmer sitzen“, wiederholte Vera unbeirrt, „und ihr werdet mir zuhören. Ich lese euch etwas vor und ihr sperrt die Ohren auf.“
„Du liest uns vor?“ Mona fühlte sich komischerweise schon wieder mit Leon im selben Boot. „Meinst du das ernst? Jeden Abend? Was willst du uns denn vorlesen?“
„Meine Sache.“ Oma Vera streckte die Beine aus und machte es sich bequem. „Ich bin die Großmutter, du bist die Enkelin, also geschieht, was ich sage. Und du, mein Freund“, sagte sie zu Leon, „bist dummerweise in diese Familie gestolpert. Also tust du ebenfalls, was ich sage. Fall erledigt.“
Da nahm Leon den Mut seiner vierzehn Jahre zusammen. „So etwas sorgt ja wohl nicht gerade für freundschaftliche Beziehungen“, sagte er gewählt. „Und wahnsinnig demokratisch ist es auch nicht.“
Oma Vera legte den Kopf zurück und stieß ein lautes Lachen aus. „Sehr gut!“ rief sie. „Wir machen Fortschritte!“
„Jetzt mal im Ernst.“ Mona beugte sich vor und versuchte so erwachsen wie möglich zu klingen. „Was willst du uns denn an all diesen Abenden vorlesen?
Oma Vera hob einige Bögen Papier in die Höhe, die auf der Tischplatte gelegen hatten. „Es sind Erzählungen“, sagte sie. „Ich habe sie am Computer getippt, und die erste Geschichte habe ich bereits für euch ausgedruckt. Jeder bekommt ein Exemplar.“ Sie reichte den beiden die Ausdrucke. „Vielleicht sind meine Erzählungen ja spannend. Jedenfalls hoffe ich, dass ihr sie unterhaltsam findet, auch wenn witzige Geschichten nicht so sehr meine Stärke sind. Aber ganz abgesehen davon, ob ihr meine Erzählungen spannend oder in irgendeiner Form unterhaltsam findet, solltet ihr auf jeden Fall auf Spurensuche gehen, was die Texte bedeuten könnten. Darum sind hier Stifte, mit denen ihr Textstellen unterstreichen oder euch Notizen machen könnt.“
„Was meinst du mit ‚Spurensuche‘?“ wollte Leon wissen und griff nach Papier und Stift. „Wie ein Detektiv?“
„Genau.“
Da riss Mona ihre unterschiedlich gefärbten Augen auf, als sie plötzlich verstand. „Ach, Omi…“
Afrika, 7 Millionen Jahre v.u.Z.
Die Kreatur ist stehend etwa eineinhalb Meter groß. Das Fell ist am ganzen Körper schwarz. Im Moment sitzt die Kreatur auf dem Waldboden und zieht immer wieder einen Zweig durch die wulstigen Lippen, um die Blätter abzustreifen und dann zu kauen. Es ist ein Weibchen, und sie hat zwei Junge.
Die Kleinen sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Sie spielen auf der Lichtung. Es sind Spiele ohne Regeln, ohne Ziel, übermütiges Tollen mit viel Körperkontakt. Durch Lücken im Laub der Bäume entstehen goldene Flecken auf dem Boden, und wenn der Wind das Laub bewegt, tanzen die Flecken. Dann greifen die Zwillinge danach, ziellos, sinnlos.
Manchmal geraten die Jungen beim Herumtollen zu nahe an das Dickicht am Rand der Lichtung. Dann steht die Mutter auf. Sie geht auf zwei Beinen auf die Kinder zu, die langen Arme ausgestreckt, was schon genügt. Ein Knurren oder Bellen ist nicht nötig. Die Jungen ändern sofort ihre Spielrichtung und kommen zurück. Es sind zwei kleine Weibchen und sie fordern die Mutter selten heraus. Die beiden sind nicht ihr erster Wurf und sie hat schon Erfahrungen mit Söhnen gesammelt, aber sie erinnert sich nicht. Sie weiß nur, dass das Dickicht Gefahr bedeutet.
Sie erinnert sich auch nicht, wer der Vater der Töchter ist. Selbst wenn sie sich erinnern könnte, bliebe es ein Rätsel, da es viele Männchen gab, mit denen sie sich paaren musste. Manchmal wehrte sie sich. Nicht gegen den Anführer der Horde, da sie seine Schläge und Bisse fürchtete, aber gegen einige der jüngeren Männchen. Doch auch daran ist in ihrem Gehirn kein Gedanke zurückgeblieben.
Dabei ist dieses Gehirn leistungsfähiger als das vieler anderer Tiere. Sie kann mit einem Stein Nüsse knacken und mit einem Stock Ameisen auflesen, die sie dann ableckt. Und sie findet sich in der Umgebung Tag und Nacht zurecht. Sie weiß genau, wo ihre liebsten Fruchtbäume stehen und wie weit sie von den anderen und vom Baumnest entfernt ist. Sie vermag erstaunlich viel, ohne zu wissen, dass sie es vermag.
Eine Tochter kommt zurück. Sie ist müde. Die andere hüpft immer noch über den Waldboden, sieht kurz über die Schulter, erblickt die Schwester bei der Mutter und hüpft dann weiter. Sie ist ausdauernd und neugierig.
Die Augen der drei Kreaturen sind dunkel, ohne Weißanteile. So ist ihre Blickrichtung schwieriger zu bestimmen, was gegenüber Feinden ein Vorteil ist, die nicht einschätzen können, ob sie bereits entdeckt wurden oder nicht. Der Blick der neugierigen Schwester allerdings wirkt sonderbar, auch auf die Mutter, da ein Auge heller gefärbt ist als das andere. Aber die Alte hat sich daran gewöhnt und reagiert nur noch auf Verhaltensweisen und Merkmale, die sie als wichtig einstuft.
Die Mutter unterscheidet nicht zwischen den beiden Töchtern, hat keine Vorliebe und keine Abneigung. Die erschöpfte Schwester klammert sich jetzt an sie, also lässt sie sie auf ihren Rücken klettern und ausruhen. Später wird die Schwester mit dem hellen Auge kommen um gesäugt zu werden, aber eine Enttäuschung wartet auf sie. Die Mutter hat keine Milch mehr, denn beide Töchter sind seit Kurzem entwöhnt und haben bereits gelernt selbst nach Nahrung zu suchen. Dennoch kommt es immer noch zu kläglichem Betteln und Geschrei.
In der Nähe werden heisere Rufe laut. Eine andere Mutter, deren Kinder näher am Fluss spielen, mahnt zum Aufbruch. Die goldenen Flecken auf dem Waldboden werden intensiver, die Schatten jenseits des Dickichts dunkler. Es ist Zeit zur Rückkehr zur Horde.
Nun stößt auch die Mutter der Zwillinge einen Ruf aus. Die neugierige Tochter hört ihn wohl, reagiert aber nicht. Ein Käfer fordert ihre ganze Aufmerksamkeit. Ein zweiter Ruf, diesmal schärfer, lässt ihr allerdings keine Wahl. Sie richtet sich auf, läuft auf zwei Beinen schnell zur Mutter, und gemeinsam kehrt man zu den Baumnestern zurück.
Über den Fluss führen Felsen, angeschwemmte Baumstämme und kleineres Treibholz. Diese Brücke gibt es schon lange. In den Ästen der Stämme haben sich Erdklumpen verfangen, und aus Flugsamen wuchsen Schilfgräser und Blumen. Die Mutter vertraut der Brücke über den Fluss. Sie sieht fast aus wie jeder andere Weg.
Am großen Wasserfall, einen halben Tagesmarsch flussaufwärts, war sie noch nie. Er ist auf ihrer mentalen Landkarte nicht verzeichnet.
Sobald sie in die Nähe der Baumnester kommen, werden die Rufe vielstimmiger. Der Lärm verrät die große Horde und wirkt trotz der Lautstärke beruhigend. Über vierzig Artgenossen tummeln sich hier im Dschungel, in den Büschen und auf den Bäumen. Manche stützen sich beim Gehen auf die zweiten und dritten Knöchel ihrer großen Hände, andere spazieren aufrecht und blecken dabei die Zähne. Ihre Eckzähne sind nicht besonders groß. Wieder andere schwingen an ihren langen Armen von Ast zu Ast, die kurzen Beine angezogen, und landen zielsicher irgendwo, wo es saftige Blätter und kleine rote Früchte gibt. Allerdings sind nicht mehr viele vorhanden, die Horde hat sich schon vor mehreren Tagen hier angesiedelt. Bald wird sie weiterziehen müssen.
Die Mutter begibt sich mit ihren beiden Töchtern zu ihrem Schlafplatz. Sie nimmt einen Umweg, da ein junges Männchen mit lautem Geschrei den direkten Weg versperrt und einer Gruppe Weibchen imponieren möchte, von denen aber kaum eines Interesse zeigt. Die Mutter mit den beiden Töchtern kann Zukünftiges erahnen und Optionen abschätzen. Sie hält es für möglich, dass der alte Anführer auftaucht und dem Angeber seinen Platz zuweist, und weil sie nicht zwischen die kraftstrotzenden Männchen geraten möchte, entscheidet sie sich für den Umweg.
Ihre Nachbarin, ein Weibchen mit nur einem Sohn, ist bereits im Baumnest nebenan. Normalerweise bringen die Weibchen nur ein Junges zur Welt, aber sie wurde mit ihren Zwillingen schon immer akzeptiert. Da sie seit der Geburt jeden Tag alle Hände voll zu tun hat, überließ man ihr ab und zu sogar eine Extraportion Früchte oder beaufsichtigte die Jungen gemeinsam, was ihr Ruhepausen verschaffte. Das Sozialverhalten, vor allem unter den Weibchen und dem Nachwuchs, ist sehr ausgeprägt.
Die Alte mit den Zwillingen klettert mühelos am Stamm zum Baumnest empor, da ihre großen Zehen weit von den übrigen abstehen und einen sicheren Griff mit dem Fuß ermöglichen. Die Nachbarin begrüßt sie mit einem beiläufigen Grunzen und laust ihrem kleinen Sohn das Fell. Die Alte macht es sich in einer Astgabel bequem und greift nach einem Zweig, der noch nicht völlig abgenagt ist. Die Schwestern hängen an ihr. Die Kleine mit dem hellen Auge möchte noch einmal auf Erkundungsspaziergang im Baumwipfel gehen, doch ein Klaps verbietet es ihr. Widerstrebend legt sie sich auf den Bauch der Mutter.
Die Nacht kommt.
Still wird es nie im Dschungel, aber das Geschrei der Horde hört auf. Die meisten Artgenossen schlafen. In der Ferne brüllt ein Leopard, aber niemand beunruhigt sich. Sie alle können Entfernungen sehr gut einschätzen.
Die Mutter schläft bis zum Morgengrauen.
Millionen von Jahren früher waren die Vorfahren dieser Kreaturen nachtaktiv, aber im Lauf der Zeit haben sich ihre Augen dazu entwickelt die Farben von Früchten zuverlässig zu erkennen und die Grüntöne von Blättern zu unterscheiden. Der Vorteil dieser Spezialisierung hatte einen Preis, da die Sehfähigkeit im Dunkeln dadurch immer mehr abnahm, und so ist schon längst die Nacht zur Ruhezeit geworden.
Am Morgen steigt der Lärmpegel in den Bäumen, und im Halbschlaf nimmt die Mutter wahr, dass die Geschäftigkeit ringsum zunimmt. Dann folgt ein Tag wie der letzte, und dann wieder einer. Die Tage fließen ineinander, Zeit hat keine Bedeutung.
Es liegt etwas in der Luft, als die Mutter mit ihren Zwillingen auf der anderen Seite des Flusses Beeren sucht. Ihre Sinne sind auf ihre Umgebung fein abgestimmt und empfindlich für Veränderungen. Sie weiß, dass der Himmel über dem Dschungel wolkenverhangen ist, die Luft drückend und die Insekten in Bodennähe zahlreich. Regen ist etwas Alltägliches und sie kann abschätzen, wann es Zeit ist zur Horde und zum Nest zurückzukehren.
Allerdings ist ihre Wahrnehmung auf die unmittelbare Nähe beschränkt. Sie hat keine Vorstellung von Vorgängen, die weiter entfernt ablaufen, und kann keine Zusammenhänge herstellen. Die schweren Wolken haben sich weiter flussaufwärts bereits entleert, heftige Regenfälle ließen den Fluss anschwellen, Wassermassen ungeheuren Ausmaßes wälzen sich durch den Dschungel und verbreitern das Flussbett nach beiden Seiten, wobei sie Schlamm und Geröll mit sich reißen.
Am großen Wasserfall sind die Auswirkungen verheerend. Das braune Wasser schießt in die Tiefe, nimmt noch mehr an Geschwindigkeit und Durchschlagskraft zu und verwandelt den sanften und klaren Fluss im Tal in eine breite, schäumende Walze.
Die Walze schiebt Bäume, Sträucher und Erdklumpen vor sich her und reißt alles mit sich fort.
Die Mutter auf der Lichtung hört, wie der Lärm näherkommt. Dieses Geräusch ist fremd, überraschend und löst sofort eine Panikreaktion aus. Die Alte richtet sich auf und schreit.
Eine Tochter spielt in ihrer Nähe und ist mit wenigen Sprüngen zur Stelle. Aber nicht die Tochter mit dem hellen Auge. Sie ist nirgends zu sehen.
Die Alte schreit wieder.
Ein dünnes Stimmchen antwortet. Von irgendwo aus dem Dickicht.
Der Lärm wird ohrenbetäubend. Ein Brausen, das die Mutter nicht zuordnen kann, das ihr fremd ist, das unbekannte Gefahr bedeutet und damit allerhöchste Alarmbereitschaft. Zuvor hat sie noch in der Nähe aufgeregte Rufe ihrer Artgenossen vernehmen können, jetzt nur noch das Brausen.
Die zweite Tochter ist nirgends zu sehen.
Da packt die Alte die einzelne Schwester, wirft sie auf ihren Rücken und läuft auf allen Vieren über die Lichtung, durchbricht das Gebüsch und sieht den Fluss vor sich mit der Brücke aus Baumstämmen und Treibholz. Auf der anderen Seite hüpfen und schreien zwei Männchen und empfangen ein Weibchen, das gerade mit einem Jungen über die Brücke kommt.
Und plötzlich schlägt der Alten Wind ins Gesicht.
Die braune Wand aus Wasser und Schaum, die sich rasend den Fluss herunterbewegt, genau auf sie zu, löst eine Fluchtreaktion aus, die alles andere in ihrem Gehirn überlagert. Sie stürzt sich auf die Brücke, so schnell sie kann, und rennt schreiend über den Fluss. Ihre Tochter muss sich mit aller Kraft festklammern. Schon spritzt das Wasser in Fontänen empor, schon schießen Äste und Geröll durch die Luft.
Durchnässt erreichen Mutter und Tochter das andere Flussufer, hasten weiter unter die rettenden Bäume, und hinter ihnen zerstören die Wassermassen die Brücke und das Ufer zu beiden Seiten des Flusses. Sie schlagen eine Schneise der Verwüstung quer durch das Land und die Heimat der Horde.
Der Fluss wird künftig breiter sein als jemals zuvor. Die Regenfälle flussaufwärts und die daraus entstandene Flut haben das Land verändert, die Umgebung neu gestaltet und das Gebiet jenseits des Flusses unerreichbar gemacht. Künftig wird nichts mehr so sein, wie es vorher einmal war.
Das gilt vor allem auch für die Schwester mit dem hellen Auge, die allein in einem Baumwipfel sitzt und auf die braune, schäumende Wasserfläche hinabblickt.
Die Kleine ruft. Es gibt keine Antwort. Sie sieht sich um.
Sie muss sich von Ast zu Ast und von Baum zu Baum hangeln, um aus dem Bereich der Flut herauszukommen. Und das ist nur in einer Richtung möglich – weg von der Stelle, wo einst die Brücke war, und damit weg von den Nestern der Horde.
Weg von der Mutter.
Sie ruft noch einmal, kläglich und schwach, den Blick ihrer unterschiedlich gefärbten Augen auf die Wasserwüste gerichtet. Dann wendet sie sich ab und verschwindet im grünen Laub der Baumwipfel.
Ihr Weg wird sie in eine andere Gegend führen. Sie kann es nicht erahnen, aber sie wird in der Fremde auf andere Artgenossen stoßen, auf Männchen einer anderen Sippe, und sie wird sich paaren, immer wieder, und sie wird selbst Mutter werden, eine Mutter vieler Söhne und Töchter, und sie wird vielfache Großmutter werden und immer so weiter. Und sie wird sterben und ihre Gene werden in ihren Nachkommen weiterleben, es wird zu Mutationen kommen und ungezählte Generationen werden immer neue Individuen hervorbringen.
Auch ihre Schwester, die von der Mutter über den Fluss gerettet wurde, steht an der Quelle einer unüberschaubar langen Ahnenreihe. Auch ihre Kinder und Kindeskinder werden die künftigen Jahrmillionen bevölkern. Und natürlich werden sie den Nachkommen der Schwester mit dem hellen Auge begegnen.
Sie werden verwandt sein. Aber sie werden sich auch in gewissen Merkmalen deutlich unterscheiden.
Oma Vera schwieg. Mona und Leon blickten ins Leere. Der Tee war kalt.
Mona blinzelte und legte ihre Papierbögen beiseite. Sie hatte während Veras Vortrag mitgelesen. „Das war die ganze Geschichte?“, fragte sie.
„Für heute, ja.“ Oma Vera legte ihren Ausdruck ebenfalls weg und stand ächzend auf. Sie hinkte zur Küchenzeile, um sich frischen Tee zu holen.
„Total … interessant“, meinte Leon und musste sich räuspern, weil seine Stimme mittendrin abbrach. „Es war irgendwie spannend. Und auch traurig, als das kleine Äffchen plötzlich allein war.“
„Spannend?“ Oma Vera hantierte mit dem Wasserkocher. „Das freut mich. Damit wäre eine Vorgabe von Mona an Literatur erfüllt.“
„Aber kannst du mir mal sagen, was das sollte?“, fragte Mona ein wenig gereizt und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihr eigenes Gesicht. „Musste das sein?“
Vera tat, als verstände sie nicht. „Hm?“
Mona sah Leon an und breitete die Arme mit einer Geste aus, als wollte sie sagen, dass er doch bitte einspringen sollte. Wenn sie hier schon als Team gegen Oma Vera angetreten waren, dann sollte er auch etwas leisten.
„Mona meint die Augenfarbe des Äffchens.“ Leon spielte bereitwillig mit. „Das Äffchen hat zwei unterschiedliche Augen, genau wie Mona.“
„Ach so, das.“ Vera kam mit einer frischen Tasse Tee zurück, deren Inhalt beim Hinken gefährlich schwappte. „Das meiste, das ich erzählt habe, beruht mehr oder weniger auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bei der Heterochromie habe ich mir etwas dichterische Freiheit erlaubt.“
„Hetero…?“ Leon runzelte die Stirn, aber Mona zeigte einfach nur wortlos auf ihre Augen und er verstand.
„Und was sollte das nun, bitte schön?“, wollte Mona noch immer gereizt wissen. „Bin ich ein Affe, oder was?“
Mit einem leisen Stöhnen sank Oma Vera wieder in ihren Sessel. „Diese Geschichte stammt von mir“, sagte sie. „Also bin ich die Autorin. Es ist für Autoren nicht üblich, ihre eigenen Geschichten zu interpretieren – das überlassen sie besser ihren Lesern oder Zuhörern.“
Mona legte die Stirn in Falten. „War das jetzt eine Antwort auf meine Frage?“
„Moment bitte.“ Oma Vera nahm einen Schluck. „Da wir uns hier aber in einer besonderen Situation befinden, da ich mal Lehrerin war und Mona offensichtlich eine biestige Schülerin ist, werde ich eine Ausnahme machen. Ich werde jeden Abend mit euch über meine Geschichten sprechen und euch beim Interpretieren helfen.“
„Beim Interpretieren?“, fragte Leon. „Das ist nochmal was genau…?“
„Erinnerst du dich daran, was ich vorhin über Spurensuche gesagt habe?“
„Hm.“ Leon war unsicher. „Die Sache mit dem Detektiv?“
„Genau. Gute Kurzgeschichten, Balladen, Romane und dergleichen sind wie Rätsel. Wie Kriminalfälle. Sie bergen ein Geheimnis, und jeder Leser ist aufgefordert das Rätsel zu lösen. Wie ein Detektiv, der den Tatort auf Spuren untersucht, um den Mörder zu finden.“
„Hallo!“ Aus irgendeinem Grund nahm Mona sich heraus heute stacheliger als üblich zu sein. „Das Äffchen mit dem hellen Auge! Kann ich eine Antwort bekommen?“
„Der Detektiv bekommt auch keine Antwort“, entgegnete Oma Vera trocken. „Er muss die Lösung selbst finden.“
Wieder eine dieser Gesten – Mona klappte den Mund auf, breitete die Arme aus, deutete ein Haareraufen an. Offenbar war sie mit ihrer Geduld am Ende.
„Also“, ging Leon rasch dazwischen, „dieses Äffchen. Wenn Mona das Äffchen mit dem hellen Auge ist, dann bist du die Mutter und ich bin die Schwester. Aber das passt ja nicht. Du bist eine Großmutter, und ich bin kein Mädchen.“
Oma Vera deutete mit einer Handbewegung an, er solle weitermachen.
„Also ist Mona nicht das Äffchen.“
Oma Vera lächelte. „Ist sie nicht.“
Plötzlich spielte Mona mit. Sie sah Leon an und fragte: „Hat sie überhaupt ‚Äffchen‘ gesagt?“
Leon war überfragt. Beide blickten auf ihre Ausdrucke. „Hab‘ ich nicht“, half ihnen Vera.
„Natürlich ist es ein Äffchen“, protestierte Leon da und blätterte hin und her. „Ein Schimpanse oder so. Schwarzes Fell, lange Arme, Ruheplätze in Bäumen…“
Oma Vera blickte starr vor sich hin.
„Nein?“ Leon kehrte zur ersten Seite zurück. „Der Titel lautet ‚Eine Mutter zweier Töchter‘, da sind drei Schimpansen im Dschungel und es geht um…“
Mona widersprach. „Sie hat auch nicht ‚Schimpanse‘ gesagt. Sie hat gesagt, die Geschichte spielt sieben Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung.“ Sie hatte ebenfalls die erste Seite aufgeschlagen, zeigte mit dem Finger auf den Anfang des Textes und fragte. „Was war vor sieben Millionen Jahren?“
Leon zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht, ich war nicht dabei.“
„Gab es damals schon Schimpansen?“ Monas Blick wanderte zu Vera. „Und gab es damals schon … Menschen?“
Oma Vera schmunzelte.
„Wer ist die Schwester mit dem hellen Auge?“ Monas Stimme war nun so drängend, dass Vera nachgab.
„Deine Urgroßmutter“, sagte sie. „Und meine.“
Leon machte große Augen. „Eure Urgroßmutter?“
„Deine auch.“ Vera nahm noch einen Schluck Tee.
Leon kam nicht mehr mit. „Wie bitte? Woher willst du wissen, dass meine Urgroßmutter in Bäumen schlief und ein helles Auge hatte?“
Nun gab sich Vera einen Ruck. Die Tür stand offen, also beschloss sie den Kindern hindurch zu helfen. „Ihr dürft die Augenfarbe nicht zu wörtlich nehmen“, sagte sie. „Das war nur ein kleiner literarischer Kniff, um in euren Köpfen eine Beziehung zwischen Mona und der kleinen Schwester herzustellen. Vieles andere beruht aber, wie ich schon gesagt habe, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Und wenn wir Wissenschaft und Literatur verknüpfen, ergibt sich zwingend, dass die Schwester mit dem hellen Auge unsere Urgroßmutter ist.“
Mona machte einen Schritt durch die geöffnete Tür. „Unsere Ur-Ur-Urgroßmutter?“
Vera nickte. „Ur-Ur-Ur-Ur…“
„Hä?“ Leon war jetzt raus. „Wovon redet ihr bitte?“
Oma Vera lehnte sich zurück und sah ihn fest an. „Mona hat das Rätsel geknackt“, sagte sie. „Das schaffst du auch. Du wirst doch in Biologie schon etwas über Evolution gelernt haben.“
„Evolution?“ Leon überlegte. „Dass der Mensch vom Affen abstammt und so?“
Oma Vera legte den Kopf schief. „Das ist so nicht ganz richtig.“
„Ich hab’s auch nie wirklich kapiert“, sagte Leon. „Wenn der Mensch vom Affen abstammt, wie kann es dann sein, dass es heute noch Schimpansen und Gorillas und so weiter gibt?“
„Ich sagte ja, deine Formulierung ist nicht ganz richtig.“ Vera blickte Mona an. „Wie steht’s denn mit deinen Biologie-Kenntnissen?“
Mona schien in sich hineinzuhorchen und sagte langsam: „Der Mensch stammt nicht vom Affen ab, sondern Affen und Menschen haben dieselben Vorfahren.“ Sie schielte zu Leon hinüber. „Menschen und Affen sind verwandt, weil sie dieselbe Urgroßmutter haben.“
„Das Äffchen mit dem hellen Auge ist die Urgroßmutter von Menschen und Affen?“, rief Leon. „Soll das ein Witz sein?“
Beide, Vera und Mona, schüttelten den Kopf.
„Aber ihr habt doch gerade selbst gesagt, dass das Äffchen mit dem hellen Auge unsere Ur-Ur-Urgroßmutter ist.“
„Unsere schon“, sagte Vera geduldig. „Aber nicht die der…?“
Das gab Mona die Gelegenheit zu punkten. „Aber nicht die der Schimpansen!“
Jetzt ging Leon ein Licht auf. „Die alte Affenmutter, sie ist die Urgroßmutter von Menschen und Schimpansen.“ Er bewegte die Hände, um die Zweiteilung zu verdeutlichen. „Sie hat zwei Töchter! Die Kinder der Tochter mit dem hellen Auge werden zu Menschen, die Kinder der anderen Tochter zu Schimpansen.“ Er sah Vera an. „Stimmt’s?“
„Stimmt“, sagte Vera, und Mona konnte ein selbstzufriedenes Grinsen nicht verbergen.
Vera schien angenehm berührt. „Wie gesagt, für manches an meiner Geschichte lassen sich evolutionsbiologische Belege finden, anderes gebietet die Logik. Aber natürlich sind noch zahlreiche Fragen unbeantwortet. So hab‘ ich den Protagonisten meiner Geschichte keine Bezeichnungen oder Namen gegeben, weil man bis heute keine Fossilien dieser Kreaturen gefunden hat und man daher fast nichts über sie weiß. Aber es muss sie gegeben haben.“
„Warum?“ Leon schien wirklich interessiert.
„Es ist noch nicht lange her, da ist es der genetischen Forschung gelungen, das Erbgut in den Zellen von Menschen und Schimpansen zu entschlüsseln. Es ist zu fast 99 Prozent identisch. Wir sind sehr eng miteinander verwandt, was bedeutet, dass irgendwann ein letzter gemeinsamer Vorfahre von Menschen und Schimpansen existiert haben muss. Anhand des genetischen Codes kann man nun berechnen, dass diese Kreatur vor etwa sieben Millionen Jahren lebte. Und in meiner Geschichte ist das die Primatenmutter, die zwei weibliche Nachkommen hatte – aus der einen Linie entwickelten sich die Menschen, aus der anderen eben die Schimpansen.“
„Aber…“ Leon suchte nach Worten. „Das ist doch reine Erfindung.“
„Meine kleine Geschichte schon“, gab Vera zu. „Das zugrundeliegende Prinzip nicht.“
„Das kapier’ ich nicht.“ Leon schien frustriert.
„Ich kapiere auch etwas nicht.“ Mona schaltete sich ein. „Die Tochter mit dem hellen Auge ist meine Urgroßmutter, sagst du, und damit natürlich auch deine. Aber warum seine? Leon ist doch nicht mit uns verwandt!“
„Wir müssen zwischen meiner Geschichte - einer literarischen Erfindung – und den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Evolutionsbiologie unterscheiden“, erklärte Vera. „Ich erklär’s euch, und am Ende passt dann beides zusammen.“
Sie blickte an die Decke und sammelte sich. „Wir machen jetzt eine Gedankenreise, und Mona ist der Anfangspunkt. Wir reisen in die Vergangenheit, und wir bleiben nur auf der mütterlichen Schiene. Da begegnen wir nach Mona zunächst ihrer Mutter, und dann ihrer Großmutter mütterlicherseits. Also nicht mir, aber das spielt vorerst keine Rolle. Die Mutter ihrer Mutter hatte wieder eine Mutter, und diese natürlich auch. Klar, worauf ich hinauswill?“
Mona nickte langsam. „Ich glaub‘ schon…“
„Wir sprechen von Generationen, und in der Biologie geht man meistens von einem Durchschnittswert von 20 Jahren pro Generation aus. Das heißt, all diese Frauen, die wir hier erwähnen, haben ungefähr mit 20 Jahren eine Tochter bekommen. Vielleicht stimmt das nicht immer ganz genau, aber so rechnet es sich deutlich leichter. Wenn wir nun auf einen Schlag deine Vorfahren um 100 Generationen zurückverfolgen, landen wir bei einer Frau, die vor 2000 Jahren gelebt hat.“
„Vor 2000 Jahren?“ Monas Stimme war ganz leise. „Wie können wir das wissen?“
„Sonst wärst du nicht hier.“ Leon holte allmählich auf und schien an der Rechenübung Gefallen zu finden. „Wenn diese Frau vor 2000 Jahren nicht gelebt oder keine Tochter bekommen hätte, gäbe es dich heute nicht.“
„Genau.“ Oma Vera war zufrieden. „Und nun reisen wir in der Zeit weiter zurück. Aber nicht um 100 Generationen, sondern um 100.000 Generationen. Dann landen wir…?
Leon blies die Backen auf. „100.000 mal 20 Jahre, das gibt … zwei Millionen Jahre.“
„Moment.“ Mona hob beide Hände. „Vor zwei Millionen Jahren gab’s noch gar keine Menschen.“
Oma Vera wiegte den Kopf hin und her. „Es gab noch keinen Homo sapiens, da hast du recht. Aber unsere Vorfahren gab es schon, sonst wärst du nicht am Leben. Wir sind jetzt auf unserer Reise irgendwo in der afrikanischen Savanne angekommen und begegnen dort einem Australopithecus. Einer jungen Frau, die vielleicht gerade ein Baby bekommt. Diese Frau muss es gegeben haben.“
Mona machte nur große Augen, sagte aber nichts.