Verborgene Sehnsucht - Elena Grey - E-Book

Verborgene Sehnsucht E-Book

Elena Grey

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Beschreibung

die fesselnde Geschichte von Lena, einer Frau, die sich in den Ex-Partner ihrer Mutter verliebt – einem Mann, den auch sie nie ganz vergessen konnte. Zwischen der alten Liebe, der Verwirrung neuer Gefühle und der geheimen Sehnsucht nach mehr, steht Lena vor einer Herausforderung, die sie an ihre Grenzen führt. In einer Geschichte über Verlust, Vergebung und die Suche nach sich selbst, navigieren Lena und Daniel durch die Untiefen ihrer Vergangenheit, während sie versuchen, eine Zukunft miteinander aufzubauen. Doch die Schatten der Vergangenheit sind hartnäckig, und der Weg zu einem neuen Leben ist alles andere als einfach. Was passiert, wenn zwei Menschen sich in einem Dilemma zwischen Liebe und Familie verlieren? Und was bedeutet es, wenn die wahre Freiheit darin liegt, loszulassen und sich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien? "Verborgene Sehnsüchte" ist eine tiefgründige Reise, die nicht nur von verbotenen Gefühlen erzählt, sondern auch von der Kraft der Akzeptanz, dem Mut zur Veränderung und dem schwer fassbaren Moment der Wahrheit. Bereit, in die Geschichte von Lena und Daniel einzutauchen? Ein Abenteuer beginnt – und es wird alles verändern.

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Seitenzahl: 203

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Titel:Verborgene Sehnsucht

Kapitelübersicht

1. Der erste Blick

2. Alte Gesichter, alte Gefühle

3. Ein zufälliges Treffen

4. Geheimnisse aus der Vergangenheit

5. Der erste Kuss

6. Tägliche Begegnungen

7. Konfrontation mit der Vergangenheit

8. Verborgene Gefühle

9. Der Schatten der Mutter

10. Der Blick hinter die Fassade

11. Verbotene Momente

12. Die Wahrheit kommt ans Licht

13. Zerrissene Herzen

14. Ein Schritt zurück

15. Verborgene Sehnsüchte

16. Der Einfluss der Vergangenheit

17. Die Entscheidung

18. Die Begegnung mit der Wahrheit

19. Der innere Konflikt

20. Die zweite Chance

21. Das vergebene Versprechen

22. Der Schritt ins Ungewisse

23. Die Konfrontation

24. Der Preis der Liebe

25. Der Neuanfang

26. Alte Wunden heilen

27. Die Akzeptanz

28. Ein neuer Anfang

29. Loslassen

30. Der Weg nach vorne

Kapitel 1: Der erste Blick

Lena hatte nie wirklich gewusst, was sie von ihrer Mutter erwartete, als sie nach Jahren wieder in die Heimatstadt zurückkehrte. Es war eine Entscheidung, die sie lange hinausgezögert hatte. Ihr Leben in der großen Stadt war aufregend, und der Gedanke, zurück in das kleine, enge Nest zu kommen, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, war beängstigend. Doch als sie erfuhr, dass ihre Mutter gesundheitliche Probleme hatte, gab es keine Ausrede mehr. Sie musste nach Hause.

Der warme Sommerabend, der den Beginn ihres Heimaturlaubs markierte, ließ sie beinahe vergessen, warum sie überhaupt hier war. Die alte, vertraute Landschaft draußen, das Rauschen des Flusses und der Duft von Heu in der Luft versetzten sie in eine andere Zeit. Doch als sie vor dem alten Familienhaus stand, hatte sich ihre Magengegend nicht so angenehm angefühlt wie in ihrer Kindheit. Es war eine Mischung aus Aufregung und etwas, das sie nicht benennen konnte.

„Mama, ich bin da“, rief sie durch das offene Fenster, als sie vor der Tür stand und den Schlüssel drehte.

Es war der Moment, in dem sie wusste, dass alles anders war. Ihre Mutter, Clara, die sich in den letzten Jahren zunehmend distanziert hatte, öffnete die Tür mit einem warmen Lächeln. Sie umarmten sich, ein Moment der Zärtlichkeit, der durch die Jahre der Trennung hindurch schwang. Doch es war auch etwas anderes in diesem Moment – ein unausgesprochenes Gefühl, das sich zwischen ihnen ausbreitete, als ob der Raum selbst die Lücken füllte, die sie nie zu benennen gewagt hatten.

„Wie war die Fahrt?“, fragte Clara mit ihrer gewohnt ruhigen Stimme, die immer etwas geheimnisvolles hatte.

„Gut, danke“, antwortete Lena und trat ins Haus. Sie schaute sich um – das Wohnzimmer war noch genauso wie damals. Die alten Möbel, der schwere Teppich, die Bilder an der Wand. Und dann fiel ihr Blick auf die Tür zum Garten, die weit geöffnet war. Der Sommerabend strömte herein, und im Garten standen alte Bekannte – Freunde, die ihre Mutter oft in den letzten Jahren besucht hatten.

Und dann sah sie ihn.

Daniel.

Er stand ein paar Meter entfernt, ein Glas in der Hand, das Sonnenlicht spielte in seinen dunklen Haaren. Der Moment schien sich zu dehnen, als Lena ihn sah. Sie hätte ihn beinahe nicht erkannt, so viel hatte sich verändert. Die Jahre waren an ihm nicht spurlos vorübergegangen – er war älter, reifer, aber irgendetwas in seiner Präsenz war genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Es war, als würde die Zeit für einen kurzen Moment stillstehen. Ein kurzes Zucken in ihrer Brust, ein Stich in ihrem Herz, der sie unerwartet überkam.

Er blickte auf, als ob er den Moment gespürt hätte, und für einen Augenblick begegneten sich ihre Blicke. Erschrocken, als hätte er sie überrascht, blinzelte er und trat einen Schritt auf sie zu.

„Lena?“, fragte er und seine Stimme war tief, aber auch voller Erstaunen. „Es ist… lange her.“

„Ja, sehr lange“, antwortete sie und versuchte, das Kribbeln in ihrem Magen zu unterdrücken. Sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen, aber sie kannte ihn immer noch. Die Erinnerungen an die Zeit, in der er und ihre Mutter ein Paar gewesen waren, tauchten in ihr auf, klarer als sie es je erwartet hätte. Der Gedanke daran, dass er einmal Teil ihrer Familie gewesen war, schmerzte – und trotzdem spürte sie eine unerklärliche Neugier.

„Du bist… gewachsen“, sagte er mit einem kleinen Lächeln, das sie sofort als charmant erkannte. „Und hast dich verändert.“

„Ich glaube, das tut jeder“, erwiderte sie, mehr nervös als selbstsicher.

Daniel nickte und stellte sein Glas auf den Gartentisch. Es war klar, dass er sich in diesem Moment unwohl fühlte, als ob er nicht ganz wusste, wie er sich Lena gegenüber verhalten sollte. Doch er versuchte, seine Unsicherheit mit einem offenen Lächeln zu überspielen. Lena bemerkte, dass es das gleiche Lächeln war, das er immer aufgesetzt hatte, wenn er versuchte, die Dinge leichter erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit waren.

„Wie geht’s deiner Mutter?“, fragte er schließlich, und seine Augen verfinsterten sich für einen Moment, als er an die Vergangenheit dachte. „Ich nehme an, sie ist noch immer die gleiche?“

Lena nickte, aber es war eine unbehagliche Bewegung. Die Beziehung zwischen ihrer Mutter und Daniel war nach der Trennung nicht mehr das, was sie einst gewesen war. Es gab eine Art Stille, die sich wie ein Schatten über jedes Treffen legte. Eine Stille, die nie ganz ausgesprochen wurde, aber trotzdem immer präsent war.

„Ja, sie ist… wie immer“, sagte Lena und versuchte, das Thema zu wechseln. „Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu treffen.“

Daniel schien diese Bemerkung nicht wirklich zu verstehen. Vielleicht war es ein Zufall, vielleicht aber auch kein Zufall, dass er an diesem Abend hier war. Die Freunde, die ihre Mutter besucht hatten, waren inzwischen auch verschwunden, und es war nur noch er, der zurückgeblieben war. War er wirklich nur ein zufälliger Gast, oder gab es mehr hinter diesem Treffen?

„Es ist gut, dich zu sehen“, sagte Daniel nach einer Pause. Seine Worte waren sanft, fast so, als wollte er nichts falsch machen. „Ich… ich habe oft an dich gedacht.“

Lena fühlte einen merkwürdigen Stich in ihrer Brust. Es war nicht nur ein „Ich habe an dich gedacht“, wie es bei alten Bekannten üblich war. Es war etwas anderes, etwas tief Empfundenes. Sie wusste nicht, was es bedeutete, aber es ließ sie innehalten.

„Und ich an dich“, murmelte sie, und ihre Stimme klang leiser, als sie beabsichtigt hatte.

Daniel sah sie mit einem Blick an, der ihre Worte ungesagt verstand. Der Blick, der von etwas mehr sprach als nur ein einfaches Wiedersehen. Es war ein Blick, der Dinge in ihr weckte, die sie längst vergessen hatte. Es war der Blick eines Mannes, der sich in der Vergangenheit verirrt hatte – und der von der Zukunft genauso wenig wusste wie sie.

„Ich sollte…“, begann er, doch seine Worte stockten. „Vielleicht sollten wir uns mal wieder unterhalten, Lena. Über alles, was damals passiert ist. Über alles, was seitdem passiert ist.“

Lena nickte, doch ihre Gedanken waren wirr. Sie war sich nicht sicher, was sie von dieser Begegnung halten sollte. Ihre Mutter hatte nie wirklich über Daniel gesprochen. Es gab immer noch die unausgesprochenen Fragen, die in der Luft hingen, wenn er in der Nähe war. Aber was bedeutete das für sie? Was sollte sie von diesem ersten Blick, diesem ersten Moment, der wie ein Vorbote von etwas Unausweichlichem wirkte, halten?

„Vielleicht“, sagte sie schließlich, „vielleicht irgendwann.“

Aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass dieser Augenblick mehr war als nur ein zufälliges Wiedersehen. Es war der Anfang von etwas, das sich nicht so leicht erklären ließ. Etwas, das zwischen ihnen stand und doch immer näher kam.

Kapitel 2: Alte Gesichter, alte Gefühle

Der nächste Morgen brach mit einer seltsamen Ruhe an. Lena hatte nicht besonders gut geschlafen. Die Nacht war von unruhigen Gedanken durchzogen, von Bildern und Erinnerungen an die Dinge, die nie ausgesprochen worden waren. Sie hatte sich in ihr altes Zimmer zurückgezogen, die vertraute Umgebung hatte sie ein wenig beruhigt, doch der ständige Blick auf den alten Spiegel, die weichen Kissen, die von Jahren der Nutzung gezeichnet waren, ließ sie nicht ganz zur Ruhe kommen.

Die Sonne schien durch das Fenster und warf ein warmes, gelbes Licht auf das Zimmer. Der Garten draußen schien im Frieden der morgendlichen Stille zu versinken, aber in Lena brodelte etwas, das sich nur schwer in Worte fassen ließ. Etwas, das mit der Begegnung von gestern Abend zu tun hatte. Daniel.

Es war merkwürdig, wie das Leben einem immer wieder diese Figuren aufdrängte – alte Gesichter, alte Beziehungen. Als sie in die Stadt zurückgekehrt war, hatte sie nicht damit gerechnet, ihm zu begegnen. Klar, er gehörte zur Vergangenheit ihrer Mutter, doch diese Vergangenheit war immer irgendwie verschwommen gewesen, wie eine unvollständige Erinnerung, die man im Laufe der Jahre immer weiter verblassen ließ. Und doch war da dieser Moment, als ihre Blicke sich trafen. Sie spürte eine alte Verbindung, als ob diese Jahre des Entfernens und Vergessens in einem einzigen Augenblick wieder zusammenflossen.

Lena schüttelte den Kopf und rieb sich die Schläfen. Sie musste sich jetzt auf das konzentrieren, was wirklich wichtig war: ihre Mutter.

Clara, die nicht nur ihre Mutter war, sondern auch eine der komplexesten Personen, die sie kannte. Die Frau, die sie stets als selbstsicher und stark wahrgenommen hatte, war in Wirklichkeit von tiefen, unausgesprochenen Ängsten und Zweifeln geprägt. Lena wusste das, und trotzdem war es nie einfach, mit ihr zu sprechen, besonders über Themen, die ihr selbst so viel bedeuteten.

Sie zog sich an und ging die Treppe hinunter, wo sie Clara in der Küche fand. Ihre Mutter stand am Fenster und starrte nach draußen, der Blick in die Ferne gerichtet. Als Lena eintrat, drehte sie sich langsam um und schenkte ihrer Tochter ein sanftes Lächeln.

„Guten Morgen“, sagte Clara und legte eine Tasse Kaffee vor Lena auf den Tisch.

„Morgen, Mama.“ Lena setzte sich und blickte auf die dampfende Tasse. Sie wollte nicht sofort auf Daniel ansprechen. Nicht jetzt. Aber die Gedanken an ihn kreisten weiter in ihrem Kopf.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte Clara und nahm ebenfalls Platz. Es war eine der Fragen, die sie immer stellte, wenn sie versuchte, das Gespräch in den gewohnten Bahnen zu halten. Ein Versuch, die Routine aufrechtzuerhalten, obwohl sich so vieles verändert hatte.

„Ja, mehr oder weniger“, antwortete Lena und sah ihrer Mutter in die Augen. „Und du?“

„Ach, weißt du, die üblichen Sorgen.“ Clara zuckte mit den Schultern und zog eine Hand durch ihr graues Haar. „Es wird schon wieder.“

Lena wusste, dass ihre Mutter es nicht ernst meinte. Clara war nicht diejenige, die ihre Gefühle nach außen trug. Sie hatte es immer vorgezogen, stark zu wirken, selbst wenn es nicht so war. Und das war es, was Lena an ihr faszinierte und gleichzeitig abstoßend fand. Sie hatte nie das Gefühl gehabt, dass ihre Mutter ihr wirklich von sich selbst erzählte. Es gab immer diese unsichtbare Mauer zwischen ihnen, die Lena nicht zu überwinden wusste.

„Ich dachte, du hättest gestern ein paar Freunde eingeladen?“, fragte Lena vorsichtig, während sie einen Schluck Kaffee nahm.

Clara blickte kurz zur Seite, als wäre sie einen Moment lang abwesend. „Ja… alte Bekannte. Menschen, die ich lange nicht mehr gesehen habe.“ Ihre Stimme klang ruhig, fast zu ruhig. „Es ist schön, sie mal wieder zu treffen.“

Lena hatte bemerkt, wie ihre Mutter das Wort „alt“ betont hatte. Es war, als hätte es mehr Bedeutung als nötig. Doch sie sagte nichts. Sie wusste, dass es nichts brachte, nachzufragen. Clara war nicht jemand, der ihre Vergangenheit so einfach preisgab.

„Und… Daniel?“ Lena wusste, dass es der falsche Moment war, aber sie konnte nicht anders. Ihre Frage kam schneller als erwartet.

Claras Augen verengten sich leicht, aber sie sagte nichts. Stattdessen stand sie auf und ging zum Fenster. „Er ist ein alter Freund“, sagte sie dann, ohne sich umzudrehen. „Ein sehr alter Freund.“

Lena spürte, wie die Luft zwischen ihnen schwerer wurde. Die Worte, die ihre Mutter wählte, waren immer sorgfältig. Sie sprach nie direkt über Daniel. Es war, als wäre er ein Kapitel in ihrem Leben, das sie nie ganz geschlossen hatte.

„Mama, du weißt, dass du mir nichts vormachen musst“, sagte Lena leise. „Ich weiß, dass es damals mehr war als nur Freundschaft.“

Clara atmete tief durch und drehte sich zu ihr um. Ihre Augen wirkten für einen Moment verletzlich, doch sie versteckte es schnell hinter einer Maske der Kontrolle. „Ich habe ihn geliebt“, sagte sie schließlich. „Aber es ist vorbei, Lena. Du weißt, dass es vorbei ist.“

„Aber es war nicht einfach vorbei, oder?“ Lena konnte es nicht lassen, die Frage zu stellen, die ihr schon immer auf der Zunge lag. „Es war… kompliziert. Und du hast nie wirklich darüber gesprochen.“

„Weil es keine Worte dafür gab.“ Clara trat näher und setzte sich ihr gegenüber. „Weil es nie einfach war. Und du weißt, dass ich immer das Beste für dich wollte. Manchmal ist es besser, die Dinge nicht zu viel zu hinterfragen.“

Lena sah ihrer Mutter in die Augen und erkannte zum ersten Mal, wie tief die Wunden saßen, die sie immer versucht hatte zu verstecken. Vielleicht war es gar nicht so sehr die Trennung von Daniel, die Clara verletzte, sondern die Tatsache, dass sie nie wirklich über diese Zeit nachgedacht hatte. Die ungelösten Gefühle, die sie nie ganz hatte loslassen können.

„Mama“, sagte Lena leise, „was, wenn du ihn noch immer liebst?“

Clara schüttelte den Kopf, als wolle sie die Frage abwehren. „Das ist nicht wichtig, Lena. Es ist Vergangenheit.“

Lena konnte nicht anders, als sich an die Worte zu klammern. Es ist Vergangenheit. War es das wirklich? Oder war es etwas, das immer noch zwischen ihnen stand?

„Und was ist mit ihm?“, fragte Lena schließlich, wobei sie sich bemühte, ruhig zu bleiben. „Hatte er nie das Bedürfnis,… zu erklären, was passiert ist?“

Clara schwieg für einen Moment und starrte wieder aus dem Fenster. Dann, fast flüsternd, sagte sie: „Er hat nie wirklich versucht, zu erklären. Vielleicht wollte er es nicht. Vielleicht wusste er, dass er nichts erklären konnte.“

Lena fühlte sich plötzlich wie ein Eindringling. Diese Gespräche über ihre Mutter und ihre Vergangenheit waren so anders als alles, was sie je zuvor besprochen hatten. Aber sie konnte sich nicht helfen. Irgendetwas an diesem Geheimnis, an der mysteriösen Verbindung zwischen Daniel und ihrer Mutter, hatte sie immer fasziniert – und auch verwirrt.

„Was, wenn du ihn noch immer sehen willst?“, fragte Lena leise.

Clara drehte sich zu ihr und sah sie mit einem Blick an, der fast weich wirkte. „Das ist nicht mehr möglich, Lena. Das gehört der Vergangenheit an. Und die Vergangenheit soll man ruhen lassen.“

Lena konnte die Enttäuschung in der Stimme ihrer Mutter hören, aber auch eine Art endgültiger Akzeptanz. Es war, als hätte sie sich mit dem Thema abgefunden, ohne es je wirklich zu verarbeiten.

„Aber was ist mit mir?“, fragte Lena mit einem Hauch von Bitterkeit. „Was, wenn ich nicht in der Vergangenheit ruhen will?“

Clara sah sie jetzt mit einer Mischung aus Sorge und Verständnis an. „Du musst deinen eigenen Weg finden, Lena. Aber der Weg zu verstehen, was du fühlst, führt nicht immer durch die Vergangenheit.“

Lena wollte noch etwas sagen, doch der Klang der Tür, die ins Wohnzimmer öffnete, unterbrach sie. Daniel trat ein, diesmal ohne das Glas in der Hand, aber mit einem Lächeln, das Lena auf eine Weise ergriff, die sie nicht erwartet hatte.

„Guten Morgen“, sagte er, und obwohl die Worte einfach klangen, schwang etwas Unerklärliches in seiner Stimme mit. „Ich hoffe, ich störe nicht.“

„Nicht im Geringsten“, sagte Clara schnell. Ihre Stimme war jetzt ruhiger, kontrollierter, aber Lena konnte sehen, wie sich der Ausdruck in ihren Augen veränderte. Etwas, das sie nicht versteckte, obwohl sie es versuchte.

Daniel nickte und blickte dann zu Lena. „Wir sollten mal einen Spaziergang machen“, schlug er vor. „Die Umgebung hat sich kaum verändert. Vielleicht ist es schön, alte Erinnerungen aufzufrischen.“

Lena hielt ihren Atem an, als sie ihn ansah. Es war der Moment, in dem sie wusste, dass es nicht nur ihre Mutter war, die mit der Vergangenheit kämpfte. Es war auch sie.

Kapitel 3: Ein zufälliges Treffen

Es war ein regnerischer Nachmittag, an dem Lena sich entschied, das Haus zu verlassen. Der Tag war von einer trüben Stille durchzogen, und das gedämpfte Licht, das durch die Fenster des alten Hauses drang, drückte sie mehr, als sie es sich eingestehen wollte. In den letzten Tagen hatte sie mehr nachgedacht als gewöhnlich. Gedanken über ihre Mutter, die nie wirklich über Daniel gesprochen hatte. Gedanken über Daniel selbst, der in letzter Zeit immer wieder in ihren Träumen auftauchte.

Der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, als Lena ihre Tasche schulterte und aus der Tür trat. Sie hatte keine feste Idee, wohin sie wollte, aber das kleine Café in der Altstadt war immer ein Ort gewesen, an dem sie sich zurückziehen konnte. Ein Ort, an dem sie sich der Welt entziehen konnte – vor allem, wenn die Gedanken zu laut wurden.

Das Café war wie ein kleines Stück Vergangenheit. Es war schon immer ein Treffpunkt gewesen, besonders in den Sommermonaten, als die Menschen die Straßen der Stadt füllten und das Leben irgendwie langsamer schien. Drinnen roch es nach frisch gebrühtem Kaffee und der süßen Note von Gebäck. Der Duft war beruhigend, und für einen Moment fühlte sich Lena, als würde sie in ihre Kindheit zurückversetzt.

Sie setzte sich an einen kleinen Tisch am Fenster, von dem aus sie die regennassen Straßen und die vorbeigehenden Menschen beobachten konnte. Die Atmosphäre im Café war ruhig, fast zu ruhig, und die Melodie von leiser Jazzmusik rundete die Szenerie perfekt ab. Lena bestellte einen Cappuccino und lehnte sich zurück, die Tasse zwischen den Händen. Ihr Blick wanderte nach draußen, aber ihre Gedanken kreisten immer wieder um die Dinge, die sie im Inneren beschäftigten – ihre Mutter, Daniel, und diese unerklärliche Anziehung, die immer noch zwischen ihnen schwebte.

Es war in diesem Moment, dass die Tür des Cafés aufging, und das Geräusch des Regentropfens, die draußen auf das Dach prasselten, wurde durch das leise Klingen der Glocke über der Tür unterbrochen.

Lena hob den Blick und hielt inne, als sie Daniel erblickte.

Er stand da, einen Moment lang zögernd, als er den Raum durchdrang. Das Gesicht von ihm war nicht mehr das des Mannes, den sie vor Jahren gekannt hatte. Er hatte sich verändert – das sah sie sofort. Das Bild von dem Mann, der ein Teil ihrer Kindheit gewesen war, verschmolz mit der Realität eines Mannes, der jetzt seine eigene Geschichte trug. Aber seine Augen – diese Augen, die sie nie ganz vergessen hatte – trafen ihren Blick.

Für einen Augenblick stand die Welt still.

Daniel war ebenfalls überrascht, sie zu sehen. Es war offensichtlich, dass er sie nicht erwartet hatte, und ein schüchternes Lächeln spielte sich auf seinen Lippen ab, als er langsam auf sie zukam.

„Lena…“, sagte er und die Überraschung war in seiner Stimme deutlich zu hören.

„Daniel“, antwortete sie und versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, obwohl ihr Herz schneller schlug. Sie hatte gehofft, ihm nicht noch einmal zu begegnen, aber das Leben hatte andere Pläne. Sie fühlte sich wie in einem Film, in dem das Schicksal den Plot schrieb.

„Ich hätte nicht gedacht, dich hier zu treffen“, sagte Daniel und setzte sich ohne weiteres ein Stück von ihr entfernt. „Es ist schon eine Weile her.“

Lena nickte, aber ihre Gedanken waren wirr. Was sagte man in solchen Momenten? Sollte sie sich einfach zurücklehnen und so tun, als wäre es nichts Besonderes? Als würde sich die Welt einfach weiterdrehen, so wie sie es immer getan hatte? Oder sollte sie ihm wirklich zeigen, was dieser Moment in ihr auslöste?

„Ja, ich bin nur für ein paar Tage hier“, sagte sie schließlich. „Ich wollte einfach mal ein bisschen rauskommen.“

Daniel sah sie einen Moment lang an, als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Das ist ein schöner Ort“, sagte er und deutete auf die gemütliche Einrichtung des Cafés. „Ich habe hier früher oft Zeit verbracht, als ich noch in der Nähe wohnte.“

„Ich auch“, erwiderte Lena mit einem schwachen Lächeln. „Es hat sich nicht viel verändert, oder?“

„Nein, nicht wirklich“, sagte Daniel und schüttelte den Kopf. „Es hat immer seinen Charme behalten.“

Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, und beide schienen die Gespräche zu meiden, die sie wirklich führen wollten. Stattdessen lauschten sie den gedämpften Geräuschen des Cafés und dem Regen, der draußen immer stärker wurde.

„Wie geht es dir?“, fragte Daniel dann, und seine Stimme war sanft, fast so, als wüsste er nicht, ob er das fragen durfte. Es war eine einfache Frage, aber sie schwang etwas Unerklärliches mit. Etwas, das mehr war als nur ein gewöhnliches Interesse.

„Gut, denke ich“, antwortete Lena, obwohl sie wusste, dass diese Antwort nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Es ist alles ein bisschen… anders, als ich es mir vorgestellt habe.“

„Ich verstehe“, sagte Daniel und nickte. „Ich hatte damals meine eigenen Gründe, warum ich weggegangen bin. Aber manchmal ist es schwer, diese alten Gesichter aus der Vergangenheit einfach zu vergessen, oder?“

Lena merkte, dass er mit den „alten Gesichtern“ auf mehr anspielte als nur die flüchtigen Erinnerungen an Menschen. Es war eine Anspielung auf die Vergangenheit – ihre gemeinsame Vergangenheit.

„Ja, das ist es“, stimmte sie ihm zu. Sie wusste, dass es nicht nur um ihn und ihre Mutter ging, sondern auch um das, was zwischen ihr und ihm nie wirklich abgeschlossen worden war. Etwas, das sie immer noch nicht verstehen konnte.

„Weißt du, es gibt immer Momente, in denen ich an diese Zeit zurückdenke“, fuhr Daniel fort. „Ich frage mich, was aus den Menschen geworden ist, mit denen ich damals meine Zeit verbracht habe. Und du gehörst definitiv zu diesen Menschen.“

Lena wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Es fühlte sich an, als ob er gerade eine Tür geöffnet hatte, die sie lange verschlossen gehalten hatte. Ihre Gedanken rasten, während sie versuchte, ihre Worte zu finden.

„Es fühlt sich seltsam an, nach so vielen Jahren wieder hier zu sein“, sagte sie schließlich. „Es ist, als würde die Zeit stillstehen, aber gleichzeitig merke ich, wie sehr alles verändert ist.“

Daniel nickte und blickte aus dem Fenster, als ob er die gleiche Wahrheit in den grauen Regenwolken draußen erkennen konnte. „Ja. Es ist komisch. Manchmal denke ich, dass wir alle einfach weitergemacht haben, ohne wirklich über die Dinge nachzudenken, die uns hierhergebracht haben.“

„Und was ist mit dir, Daniel?“ Lena konnte sich nicht zurückhalten. „Hast du je wirklich losgelassen?“

Es war eine Frage, die sie nicht geplant hatte. Eine Frage, die sie aus dem Moment heraus stellte, ohne zu wissen, was sie damit auslösen würde.

Daniel sah sie überrascht an, dann seufzte er. „Ich weiß nicht, ob ich das jemals wirklich getan habe“, sagte er ehrlich, seine Stimme leiser werdend. „Es gibt Dinge, die einfach nicht verschwinden. Die Gedanken, die Erinnerungen, die Gefühle… Sie bleiben, selbst wenn du versuchst, sie zu begraben.“

Lena spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Sie wusste, dass er von mehr sprach als nur von der Zeit mit ihrer Mutter. Es war auch von dem, was zwischen ihnen nie ganz ausgesprochen worden war. Etwas, das immer zwischen ihnen gestanden hatte.

„Es tut mir leid, wenn ich das jetzt sage, aber…“ Lena begann, ohne es wirklich zu wollen. „Warum hast du damals alles so abrupt beendet?“

Daniel blickte sie an, als hätte er diese Frage erwartet, aber sie schien ihn trotzdem zu überraschen. „Es war nicht einfach. Es gab Dinge, die ich nicht ändern konnte. Aber ich hätte es vielleicht anders machen sollen.“

„Vielleicht?“, wiederholte Lena und lachte leise, mehr aus Erleichterung als aus Humor. „Vielleicht hätte ich mehr Klarheit verdient. Vielleicht hätten wir alle mehr Klarheit verdient.“

Es war still zwischen ihnen, und die Worte hingen wie ein ungesagtes Geständnis in der Luft. Die alte Wunde war wieder aufgerissen worden, und jetzt war es schwer zu sagen, was richtig war. Doch als Lena in Daniel’s Augen blickte, wusste sie, dass sie nie wirklich losgelassen hatte. Vielleicht hatten sie es beide nicht. Vielleicht war der Moment, in dem ihre Blicke sich das erste Mal wieder trafen, mehr als nur ein Zufall.

„Vielleicht ist es an der Zeit, die Dinge wirklich zu klären“, sagte Lena schließlich, ihre Stimme unsicher, aber auch fest.

Daniel nickte langsam. „Vielleicht ist es das.“

Kapitel 4: Geheimnisse aus der Vergangenheit