Verbotenes Spiel - Kitty French - E-Book

Verbotenes Spiel E-Book

Kitty French

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Beschreibung

Lucien und Sophie sind nach Ibiza gereist, wo Lucien einen weiteren Club eröffnet hat. Mit von der Partie sind Sophies beste Freundin Kara und Dylan Day, der für Lucien als Clubmanager arbeiten soll. Von Anfang an sprühen zwischen Kara und Dylan die Funken. Aber ist es nur ein Sommerflirt oder wahre Liebe?

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Inhalt

Titel

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Epilog

Danksagungen

Die Autorin

Die Romane von Kitty French bei LYX

Impressum

KITTY FRENCH

Verbotenes Spiel

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Nele Quegwer

Zu diesem Buch

Eine Reise nach Ibiza mit der besten Freundin: Für die Unternehmerin Kara Brookes ist das die perfekte Gelegenheit, um endlich wieder einen klaren Kopf zu bekommen – denn von Männern will sie in der nächsten Zeit definitiv nichts mehr wissen! Doch gleich am ersten Tag auf der Insel trifft Kara den Amerikaner Dylan Day, den sie zwar furchtbar arrogant findet, mit seinem Surferlook aber gleichzeitig auch ziemlich attraktiv. Dylan wurde kurz zuvor von Lucien Knight als Manager von Gateway Ibiza engagiert, einem exklusiven Nachtclub, der in Kürze auf der Insel eröffnen wird. Kara, die mit Lucien und dessen Verlobter Sophie die Eröffnung des Clubs vorbereitet, weiß, dass sie Geschäftliches und Privates trennen sollte. Doch je mehr Zeit sie mit Dylan verbringt, desto schwerer fällt es ihr, die Anziehungskraft, die zwischen ihnen herrscht, zu leugnen. Und auch Dylan kann der feurigen Engländerin, die ihn vom ersten Moment an fasziniert, bald nicht mehr widerstehen. Die beiden beginnen eine Affäre, die heißer und intensiver ist als alles, was Kara je zuvor erlebt hat. Obwohl sie sich geschworen hat, keinem Mann mehr ihr Vertrauen zu schenken, spürt sie, dass sie kurz davor ist, sich in Dylan zu verlieben. Doch dieser ist nicht, was er vorgibt zu sein. Denn er verbirgt ein Geheimnis, das Kara erneut das Herz brechen könnte …

1

»Auf Ibiza haben wir momentan sehr angenehme fünfundzwanzig Grad, und es verspricht ein schöner Tag zu werden. Im Namen unseres Kapitäns und der ganzen Crew bedanken wir uns bei Ihnen, dass Sie mit uns geflogen sind, und wünschen Ihnen eine sichere Weiterreise.«

Die Anzeigeleuchten für die Sicherheitsgurte über den Köpfen erloschen, als die Stewardess ihre Schlussankündigungen machte, und überall um ihn herum drängelten sich die Passagiere, um überquellende Taschen, überdrehte Kinder und sonstige Überbleibsel in der Enge der vollgestopften Kabine zusammenzusuchen.

Er wartete ruhig ab, während ein Junggesellenabschied in verschiedenen Stadien der Trunkenheit und mit hastig bekritzelten T-Shirts aufgelöst den Mittelgang hinunterstolperte, da er keine Lust hatte, in das testosterongeladene Gedränge der Männer zu geraten, die nach dem nächsten Bier lechzten.

Als er als Letzter den Flieger verließ, begegnete er für einen kurzen Moment den stark geschminkten Augen der Stewardess am Ausgang und wendete den Blick von dem aufflackernden Interesse ab, das er dort funkeln sah. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er sich darüber gefreut hätte, aber die Zeit stellte noch andere Dinge mit einem Mann an. Ermüdete ihn.

Er mochte der letzte Passagier gewesen sein, der aus dem Flieger stieg, aber er war der erste, der den Flughafen verließ. Mit der Reisetasche über der Schulter lief er schnurstracks am Gepäckkarussell vorbei, all seine irdischen Besitztümer befanden sich in dieser einen alten Tasche.

Er stieg in das nächstbeste Taxi, warf die Tasche neben sich auf den Rücksitz und beugte sich zum Fahrer vor.

»Irgendwohin.«

Die Brauen des Taxifahrers zogen sich über den dunklen Augen zusammen, und er musterte ein paar Sekunden lang das Gesicht seines Fahrgastes, versuchte, ihn einzuordnen. Männlich, alleinreisend, kein Ehering, kein Gepäck.

Wie falsch erste Eindrücke doch sein können.

»San Antonio?«, schlug er vor, sein Englisch hatte einen starken Akzent. »Party?«

Sein Fahrgast schüttelte den Kopf. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren die grellen Lichter und das pulsierende Partyzentrum der berüchtigten Partyhauptstadt der Insel.

»Irgendwohin, wo es ruhig ist.«

Er bemerkte, wie die Augenbrauen des Fahrers sich wieder senkten, als er ihn noch eine Weile betrachtete, ehe er sich abwandte und entschlossen den Motor startete. Ohne weitere Fragen lenkte er den Wagen in den unruhigen Verkehr um den Flughafen herum.

Froh über die Stille, lehnte der Fahrgast den Kopf zurück an den von der Sonne aufgewärmten Sitz und sah zu, wie sich die Landschaft Ibizas vor ihm entfaltete, als sie auf ruhigere, kurvenreiche Straßen kamen. Üppige, sattgrüne Kiefern vor einem lebhaft blauen Himmel. Spätfrühling. Neuanfang.

Als die Straße eine Biegung machte und begann, zur Küste hin abzufallen, tauchte vor ihnen der Bogen einer unwahrscheinlich malerischen Bucht auf. Schillerndes, türkisfarbenes Wasser, gesäumt von zuckerweißem Sand – wie auf einer Ansichtskarte, die Art von Bildern, die Touristen dazu verführt, für eine Woche sonnenverwöhnter Glückseligkeit im Jahr tief in die Tasche zu greifen.

Sie fuhren hinab, bis sie auf Meereshöhe waren, und der Fahrer folgte der unbefestigten Straße, die neben dem Strand entlangführte.

»Vadella«, sagte der Fahrer und begegnete im Rückspiegel dem Blick seines Fahrgastes. »Ruhig.«

Dieser nickte dankbar. Eine Handvoll Restaurants und ein paar verstreute Bars am Strand, zurückgesetzt von der Küstenlinie, und einige Sonnenanbeter und Fußball spielende Kinder auf dem Sandstrand. Draußen in der Bucht lagen träge ein paar Boote in der mediterranen Sonne, und kaum ein Kräuseln war auf dem Meer zu sehen. Der Ort war so gut wie jeder andere.

»Bier?«

Die Bedienung hinter der Theke strahlte jene lässige Perfektion aus, die vielen Europäern eigen ist. Geschmeidige Glieder und olivfarbener Teint, geknotetes, weit ausgeschnittenes T-Shirt, das ein Tattoo auf ihrer Schulter entblößte. Sie hatte aufgeblickt, ihn mit einem lockeren Lächeln begrüßt und bot ihm jetzt an, was er bei seinem Anblick ihrer Meinung nach brauchte. Als er nickte, stellte sie ihm ein großes, eisgekühltes Glas hin, und er setzte sich auf den geflochtenen Barhocker und nahm einen langen Zug, schloss zufrieden die Augen, als die kalte, stärkende Flüssigkeit seine Kehle hinunterrann. Sie beobachtete ihn immer noch, als er die Augen wieder öffnete, den Kopf leicht zur Seite geneigt, immer noch ein Lächeln auf ihren Lippen.

»Auf Urlaub hier?«

Höfliche Konversation, auf die er keine höfliche Antwort parat hatte.

»Vielleicht.« Er nickte leicht und zuckte gleichzeitig mit den Achseln. »Vielleicht bleibe ich eine Weile. Mal sehen, wie es läuft.«

»Amerikaner?«, fragte sie, obwohl es eher eine Feststellung war.

Wieder nickte er. »Schuldig im Sinne der Anklage, Ma’am.« Er tippte sich salutierend mit den Fingern an die Schläfe. Schmunzelnd wischte sie die Theke ab, und zum zweiten Mal an diesem Tag erkannte er aufflackerndes Interesse in den Augen einer Frau. Statt ihrem Blick zu begegnen, senkte er seinen auf sein Bier.

»Also, wo kann man hier vernünftig wohnen?«

»Kommt darauf an«, sagte sie. »An wie lange hatten Sie denn gedacht?«

An wie lange hatte er gedacht? Er hatte keine Ahnung.

»Einen Monat vielleicht? Zwei?«

Sie nickte nachdenklich. »Ein Stück weiter in der Bucht gibt es ein Hotel, aber es ist eher für ein, zwei Wochen Familienurlaub geeignet als zum Wohnen. Der Pool voll mit Kindern, so was eben.«

Sie nahm sofort das Unbehagen in seinem Gesicht wahr bei der Vorstellung, sein Lager inmitten von Familienrotten aufzuschlagen. »Wir haben aber auch ein paar Zimmer hier oben im Haus.« Sie warf einen Blick unter die Theke, wo sie nach einem zerfledderten, schwarzen, in Leder gebundenen Buch griff.

Er sah zu, wie sie es aufklappte und mit ihren unlackierten Fingernnägeln die Seite hinunterfuhr und langsam darauf tippte, während sie sie prüfte. Eine erfahrene Tourismuskraft, ihr Englisch war hervorragend, und sie war eindeutig daran gewöhnt, nach Unterkünften gefragt zu werden. Ein Verziehen ihres Mundes sagte ihm, dass sie keine guten Nachrichten hatte.

»Nein. Tut mir leid. Die nächsten Tage haben schon Leute reserviert, und danach ist auch wieder viel los. Es wird schwierig werden, etwas zu finden, das über einen so langen Zeitraum frei ist. Es sei denn …« Ihr Blick wanderte an ihm vorbei zum Strand, und sie zog ihre Unterlippe zwischen die Zähne. »Der Eigentümer dieses Hauses hat ein Boot, das er manchmal vermietet, aber es ist, ähm …« Sie zuckte entschuldigend mit den Achseln und lächelte wieder. »Ich kenne das passende englische Wort nicht.« Sie rümpfte die Nase. »Ich will es mal so sagen. Es ist … nicht gerade trendig.«

Sie blätterte im Buch ganz nach hinten und sah kurz nach. »Es ist frei«, sagte sie, zog die Schultern hoch und hob fragend eine Augenbraue in Erwartung seiner Antwort.

Ein Boot. Nicht das, was er sich vorgestellt hatte, aber wenigstens würde es einsam sein, keine Familien, über die man stolperte und um die man herummanövrieren musste.

»Wo ist es?«

Sie deutete mit dem Kopf in die Bucht hinaus. »Es liegt da drüben, das letzte Boot ganz am Ende bei den Felsen.«

Er folgte ihrem Blick, und obwohl er es nicht sehen konnte, fällte er eine spontane Entscheidung.

»Ich nehme es.«

Sie sah überrascht aus. »Wollen Sie es sich nicht erst ansehen?«

Er schüttelte den Kopf. »Wenn es ein Bett und ein Badezimmer hat, wird es schon gehen.«

Etwas an ihrem Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie der Meinung war, er sollte es sich erst ansehen, bevor er sich festlegte, aber sie sagte nichts.

Stattdessen seufzte sie, vielleicht mit resignierter Belustigung, und holte einen Schlüssel von einem Haken hinter der Theke, ehe sie nach einem Stift griff.

»In dem Fall nehme ich ein paar Daten auf.« Sie blickte auf, den Stift über der Seite schwebend. »Name?«

Er hob sein Bier an, um Zeit zu schinden. Er hätte das sorgfältiger durchdenken sollen. Die Stimme von Bob Dylan ertönte verhalten aus der Anlage der Bar, und der Text »Like a Rolling Stone« erinnerten ihn gespenstisch deutlich an zu Hause.

»Dylan«, sagte er und probierte im Geist den Namen an, während er zusah, wie sie zögernd begann, ihn auf dem Papier zu formen. »D-Y-L-A-N.«

Sie blickte wieder auf, die braunen Augen erwartungsvoll gerundet.

»Nachname?«

Seine Augen schnellten zu dem Neonschild hinter ihr mit dem Namen der Bar. The Happy Days Beach Bar.

»Day«, sagte er. »Ich bin Dylan Day.«

Ein paar Minuten später, als er den steinigen Fußweg entlangging, der den Strand begrenzte, erblickte Dylan sein neues Zuhause zum ersten Mal und erkannte zu spät, warum das Mädchen in der Bar gezögert hatte, ihm das Boot ungesehen zu vermieten.

Die anderen Boote in der Bucht gehörten offensichtlich entweder betuchten Leuten – strahlend weiße Gebilde dezenten Glamours – oder waren die einfachen Fischerboote von Arbeitern. Nicht so dieses Boot. Nein, dieses Boot konnte man keineswegs als dezent bezeichnen. Dieses Boot strotzte vor Persönlichkeit.

Es war nicht seine Kragenweite. Eigentlich waren seine Proportionen recht bescheiden, aber das war auch das einzige Bescheidene daran. Während für seine Gegenstücke in der Bucht Weiß auf der Tagesordnung stand, war dieses hellorange. Und gelb. Und grün. Und rot. Und türkis. Dieses Boot bildete seinen eigenen, verwaschenen Regenbogen, auch wenn sein ins Auge springender Anstrich definitiv schon bessere Tage gesehen hatte. Vielleicht ganz gut so, überlegte Dylan, als er seine Tasche auf das Deck warf und an Bord ging. Wenn es jetzt noch so grell leuchtete, wer weiß, wie es ausgesehen haben musste, als es frisch gestrichen war. Ein Plus war auch, dass es ein Deck mit geräumiger Außenfläche hatte, und oben schien es noch ein weiteres Deck zum Essen oder Sonnenbaden zu geben.

Das war gut. Er hatte vor, Sonnenbäder zu nehmen.

Wenn er das Äußere des Boots für ungewöhnlich gehalten hatte, konnte es dem Inneren doch nicht das Wasser reichen. Er drehte den Schlüssel um, schob die Glasseitentüren auf und stöhnte laut, als er den Innenraum inspizierte, froh über seine Sonnenbrille, obwohl er nicht mehr im hellen Tageslicht stand.

Hier konnte er nicht wohnen.

Die kleine Küche, die er betreten hatte, war ein Techtelmechtel aus Kanariengelb und Chrom, reine Fünfzigerjahre, einschließlich der achtlos in die Ecke geworfenen Rollschuhe. Das Steuerruder des Schiffes war passend zum prahlerischen Küchendekor verchromt.

Es war jemandes Stil, aber ganz bestimmt nicht seiner.

Während er die paar Holzstufen zu seiner Linken hinunterstieg, nahm Dylan den Wohnbereich in Augenschein, und langsam verließ ihn der Mut.

Hier konnte er nicht wohnen.

Gepolsterte Sitze liefen rings um den Raum herum, mit einem Baumwollbezug in Helltürkis, bedruckt mit gelben Zitronen und hellroten Kirschen. Eine gut bestückte Cocktailbar aus Chrom und Glas nahm eine ganze Wand ein, und in der Mitte hing stolz eine riesige, kein bisschen unaufdringliche, verspiegelte Discokugel von der Decke.

Eine verfluchte silbern glitzernde Discokugel. Wieder stöhnte Dylan laut auf. Er wollte kein Partyboot. Verzweifelt blickte er sich um. Die Tür zu einem kleinen, zum Heulen lindgrünen Bad stand zu einer Seite offen, und das war’s. Gab es überhaupt ein Schlafzimmer?

Es konnte keine weiteren Türen sehen und kehrte in die Kochnische zurück, um nachzuschauen, ob er dort eine übersehen hatte. Fehlanzeige. Auch keine Tür. Stirnrunzelnd lehnte er sich rücklings an die Küchenarbeitsplatte und schob sich die Sonnenbrille auf den Kopf. Er hatte wirklich keine Lust, auf diesen schrillen Sofas zu schlafen.

Und da entdeckte er die abgetretene nachtblaue Luke im Holzboden mit einer verblassten, silbernen Aufschrift in verschnörkelten Buchstaben. Dylan ging in die Hocke. In antiquierter, metallischer Farbe war das Motto »Stairway to heaven« darauf geschrieben, umgeben von silbernen Sternen und Monden. Er griff in die runde Vertiefung der Luke, zog sie hoch, und eine steile Holztreppe kam zum Vorschein. Bingo. Vielleicht gab es ja doch ein Schlafzimmer.

Der Abstieg erwies sich als spannend. Es war ein kleiner, wackeliger Treppenschacht, und mit knapp eins neunzig war er nicht gerade ein Winzling.

Unten blinzelte er, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Und blinzelte noch einmal. Während oben ein grelles und protziges Potpourri aus Fünfzigerjahre-Glamour herrschte, war das hier unten eindeutig für Schäferstündchen nach Feierabend gedacht.

Hier konnte er nicht wohnen.

Es war nicht einmal hoch genug, um aufrecht zu stehen: Er musste sich bücken und in das Bett kriechen.

Das hier war kein Schlafzimmer. Es war eine verdammte Sexhöhle … aber verflucht, das Bett war bequem. Er sank auf die warme, üppige seidene Bettdecke und sah sich um.

Er konnte sich aufsetzen, ohne an die Decke zu stoßen. Gerade so. Das elegant geschwungene Bett füllte den gesamten unteren Bereich aus, und die Wand, die es liebevoll umfing, war mit dunklem, mit Knöpfen gespicktem amethystfarbenem Samt bespannt. Auf dem Rücken liegend studierte er die niedrige Decke über sich. Es war … himmlisch. Tiefdunkles Violett, mit leuchtenden Sternen und Planeten geschmückt, bemerkenswert detailliert und gekonnt, stellte Dylan mit geschultem Auge fest. Dieselbe kunstvoll mit der Hand gemalte Schrift der Luke setzte sich hier unten in kleinerer Ausführung fort, die Namen der Sternbilder in silberner Kalligrafie: Gürtel des Orion. Milchstraße. Großer Bär. Alle glitzerten auf ihn herab, und nach und nach schaukelte die sanfte Bewegung des Bootes all seinen Widerstand fort und beruhigte fast unmerklich sein wundes Herz und seinen geplagten Geist.

Es war still, und es war einsam, und niemand auf der Welt wusste, dass er hier war.

Warm und friedlich, zum ersten Mal seit langer Zeit. Dylan schloss die Augen.

Vielleicht konnte er ja doch hier wohnen.

Zumindest für eine Weile.

Als er wenig später wieder an Deck stieg, atmete er tief ein und sah sich in der ruhigen Bucht um.

Er hatte einen neuen Namen.

Er hatte ein neues Zuhause.

Jetzt brauchte er einen neuen Job.

2

Langsam schritt Lucien durch den geschlossenen leeren Club, und sein geübter Blick nahm jedes Detail der handwerklichen Arbeiten auf, um sich zu vergewissern, dass sie die hohen Ansprüche erfüllten, die er an seine internationale Kette von Erwachsenen-Clubs stellte. Seine Arbeiter hatten alle schon Feierabend gemacht, was ihm Gelegenheit gab, in Ruhe eine gründliche Inspektion vorzunehmen.

Er blieb einen Moment neben dem Whirlpool stehen, berührte mit seinen Fingern die kühlen Fliesen, als er sich daran erinnerte, wie er vor Jahren eine ähnliche Inspektion mit Sophie an seiner Seite vorgenommen hatte. Sein Schwanz reagierte sofort darauf, und er drängte die Erinnerung mit großer Mühe beiseite. Sophie würde erst in ein paar Tagen auf Ibiza ankommen, und er vermisste sie unsagbar, umso mehr, seit Tilly in ihr Leben getreten war.

Sophie war sein Glücksbringer. Das Mädchen, das ihn überrascht hatte. Sie überraschte ihn selbst heute noch, nach mehreren Jahren ihres Zusammenseins. Es kam immer wieder vor, dass er eine völlig neue Seite an ihr entdeckte. Sie hatte das größte Herz von allen, denen er je begegnet war, groß genug, um seines mit einzuschließen, noch bevor er überhaupt gewusst hatte, dass er es ihr geschenkt hatte.

Verdammt. Er vermisste sie.

Seine Gedanken wurden durch ein Klopfen an der Feuertür unterbrochen, gefolgt von einer laut rufenden männlichen Stimme.

»Artie, bist du da?«

Lucien zog die Stirn kraus, ging zu der Doppeltür hinüber und lehnte sich an die Theke, um den linken Flügel langsam zu öffnen. Das grelle Licht der tief stehenden Abendsonne blendete ihn, und er schob die Sonnenbrille hinunter und sah den Mann an, der draußen stand und die Hand schon zum nächsten Klopfen gehoben hatte.

»Der Laden hier gehört nicht mehr Artie«, sagte er.

Der Typ ließ den Arm sinken, und mit ihm schien sein ganzer Körper zusammenzusacken.

»Lassen Sie mich raten«, sagte Lucien. Es war nicht der Erste, der auf der Suche nach dem Vorbesitzer hier aufkreuzte. »Er schuldet Ihnen Geld.«

Der vorherige Eigentümer schien Ibiza mit nichts als einem zweifelhaft aussehenden Hawaiihemd auf dem Leib und einer breiten Spur aus Schulden im Fahrwasser verlassen zu haben, nachdem er das Gebäude vor ein paar Monaten überstürzt verkauft und sich aus dem Staub gemacht hatte.

Der Kerl schüttelte den Kopf und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand des Clubs, das Gesicht mit einem resignierten Ausdruck zum Himmel erhoben.

»Nein. Artie war ein Freund. Sie wissen vermutlich nicht, wo er hingezogen ist?«

Lucien, der den weichen kalifornischen Tonfall aus der Stimme des Mannes heraushörte, schüttelte den Kopf.

»Tut mir leid, mein Freund. Ihr Kumpel hat keine Nachsendeadresse hinterlassen.«

Der Fremde sah aus, als habe er genug Erfahrung, um zwischen den Zeilen von Luciens mit Bedacht gewählten Worten zu lesen.

Er beobachtete den Kerl, der wieder in das große, weite Blau über ihnen aufblickte und tief seufzend mit dem Hinterkopf leicht gegen die Wand schlug.

Etwas an dem resignierten, melancholischen Gebaren des Amerikaners rührte Lucien. Er sah niedergeschlagen aus. Lucien war selbst einmal dieser Mann gewesen, und ehe er sich’s versah, hatte er mit einem Schwung die Tür weiter geöffnet.

»Sie sehen aus, als könnten Sie einen Drink gebrauchen.«

Der Typ lachte beinahe, obwohl seine Augen alles andere als belustigt wirkten, als er langsam nickte und seinen Rücken von der Wand löste.

»Allerdings, Mann. Das hier scheint ein verdammt langer Tag zu werden.«

Lucien ging in den Club zurück in dem Wissen, dass der Kerl die Tür hinter sich zuzog und ihm nach drinnen folgte. Er drehte sich um, als sich die Schritte des Fremden vor dem Whirlpool verlangsamten.

»Nicht gerade ein gewöhnlicher Club«, bemerkte er, als er sich neugierig in dem schwelgerisch ausgestatteten Wellnessbereich umsah, den sie durchquerten.

Lucien hob die Schultern. »Davon hat Ibiza weiß Gott genug.«

Er ging voran nach unten in den Hauptbereich des Clubs. Hinter der Theke griff er nach zwei Gläsern und einer Flasche Wodka aus einer Kiste auf dem Boden und beobachtete den Amerikaner, als er sich an die Theke lehnte und den fast fertiggestellten Club begutachtete.

»Der Laden gehört also Ihnen?«

Lucien nickte, als er wieder nach vorne kam, neben den anderen trat und die Gläser auf die glänzende Theke stellte.

»Gehört alles mir.« Er war stolz auf diesen Club, wie auch auf alle anderen der Gateway-Gruppe. Sie setzten sich und schwiegen einen Moment, während Lucien beiden großzügig einschenkte.

»Lucien Knight.« Er hielt dem anderen ein Glas hin.

Nickend nahm der Amerikaner das Getränk entgegen und antwortete nach einer kurzen Pause.

»Dylan Day.« Seine Augen wanderten über die auberginefarbenen Samtnischen um die Tanzfläche herum, die diskreten Separees, die kostbaren Kronleuchter.

»Nicht schlecht. Hier passen, wie viel … um die siebenhundert Leute rein?«

Überrascht über Dylans akkurate Schätzung blickte Lucien auf. »Bei einem normalen Club, so ungefähr. Hier, wegen der Ausrichtung auf die Erwachsenenunterhaltung, allerdings weniger. Maximal dreihundertfünfzig.«

Dylans Augen weiteten sich noch ein wenig mehr. »Und das rechnet sich?«

»Gateway Ibiza ist Club Nummer zehn, also, ja. Ich bin sehr zuversichtlich, was mein Geschäftsmodell betrifft.«

»Nummer zehn, hm?« Dylan lachte kurz auf. »Das ist beeindruckend in dieser Branche.«

»Kennen Sie sie?«

»Nicht die Seite der Erwachsenenunterhaltung, nein, aber ich habe mich mein ganzes Leben lang in Clubs bewegt.«

»Und daher kennen Sie Artie?«

Dylan nickte. »Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, aber wir waren mal sehr eng befreundet. Er hat mir beigebracht, wie man einen Club führt.«

Lucien betrachtete den anderen, der sich mit abschätzenden Augen umsah, und fragte sich, ob auch Arties zwielichtiges Geschäftsgebaren zu den Dingen gehörte, die er Dylan Day beigebracht hatte. Mit einem Drink in der Hand sah er etwas weniger erschöpft aus, und nach dem, was er bisher gesagt hatte, kannte der Kerl sich in einem Club aus. Ein Gefühl, das ihm sein Instinkt eingab, ließ Lucien weitere Fragen stellen.

»Ich vermute mal, Sie sind nicht nach Ibiza gekommen, um Urlaub zu machen?«

Dylan nahm einen langen, tiefen Schluck von seinem Wodka und stellte das leere Glas auf der Theke ab.

»Sie vermuten richtig.«

Zum zweiten Mal spürte Lucien die tiefe Melancholie. Er erfuhr mehr durch Dylans Körpersprache als durch seine sparsamen Worte.

»Wann eröffnen Sie? Es sieht jetzt schon tipptopp aus.«

Lucien registrierte den Themawechsel des Amerikaners kommentarlos. »In vier Wochen.«

Dylan blickte Lucien direkt an. »Stellen Sie Leute ein?«

»Das habe ich bereits.« Lucien verschwieg, dass die einzige Position, die er Mühe hatte zu besetzen, die des Geschäftsführers war. Er würde lieber selbst ein paar Wochen länger vor Ort sein, als den Falschen einzustellen. Er füllte Dylans Glas noch einmal nach.

»Als hätte ich’s geahnt.« Dylan hob dankend sein Glas und versuchte gelassen zu wirken.

»Haben Sie deswegen nach Artie gesucht?«

»Er weiß, dass ich gut bin. Ich habe keinen Lebenslauf oder Referenzen, Lucien, aber ich habe dieses Geschäft im Blut. Ich kenne es in- und auswendig.«

Lucien zweifelte nicht eine Sekunde daran. Wie Dylan das Lokal innerhalb weniger Augenblicke taxiert hatte, hatte ihn beeindruckt, genauso wie sein erfahrener Blick, den er die ganze Zeit, seit sie da saßen, über die Theke hatte schweifen lassen.

Keine Referenzen, kein Lebenslauf. Das gehörte zu den Sätzen, die bei den meisten Menschen die Alarmglocken schrillen ließen. Aber Lucien war nicht die meisten Menschen.

»Ich suche noch einen Geschäftsführer für diesen Club.«

Interesse flackerte in Dylans Augen auf. »Sie werden keinen Besseren als mich finden.«

Formelle Vorstellungsgespräche waren nicht Luciens Stil. Er handelte nach seinen Gefühlen, und bisher hatten sie ihn nie betrogen.

»Dann beweisen Sie es. Drei Monate Probezeit, während ich noch auf der Insel bin. Machen Sie es gut, gehört der Job Ihnen. Wenn Sie’s vergeigen, geige ich Ihnen was, und dann hängt der Himmel für Sie bestimmt nicht voller Geigen!«

»Ich werd’s nicht vergeigen.«

»Dann verstehen wir uns ja.«

Lucien streckte ihm die Hand hin, und Dylan schüttelte sie mit einem leichten Lächeln, das langsam zu einem Lachen anwuchs. Das war das kürzeste und coolste Vorstellungsgespräch der Welt gewesen.

»Ich werd’s nicht vergeigen, Mann. Darauf haben Sie mein Wort.«

Die Dämmerung hatte sich über die Bucht gesenkt, als Dylan wieder am Boot war, und der Strand war überwiegend menschenleer, bis auf ein paar Hundeausführer und Sonnenanbeter, die noch geblieben waren, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Die Idee schien so gut wie jede andere. Dylan trat in die Küche, um den Schalter umzulegen, den er vorhin entdeckt hatte, der mit dem Hinweis »Deckbeleuchtung« gekennzeichnet war.

Dann murmelte er »Scheiße« und rieb sich mit der Hand über die Dreitagesstoppeln, die er seit seinem Abflug aus den Staaten sich selbst überlassen hatte. Bereits von der Küche aus konnte er sehen, dass die Reling um das Boot herum erstrahlt war wie ein Weihnachtsbaum, und zwar keineswegs wie einer von diesen geschmackvoll minimalistischen mit weißen Designerlichtern.

Als er vorsichtig das Deck betrat und das ganze Ausmaß der Beleuchtung auf sich wirken ließ, kniff er die Augen zusammen. Mehrfarbige Lichterketten, komplett um das verchromte Geländer beider Decks geschlungen, grelle Blinklichter in Rosa, Lindgrün, Türkis und Zitrone vor dem sich verdunkelnden Himmel.

Er hätte wissen müssen, dass er nichts Unaufdringliches erwarten konnte. Nichts an diesem Boot war unaufdringlich.

Dylan wagte nicht, zurück zum Strand zu blicken, aus Angst, dass die Sonnenbetrachter die Blickrichtung geändert hatten, um stattdessen seine Ein-Mann-Lightshow zu beobachten.

Er stieg zum Oberdeck hinauf und klappte einen der niedrigen, fröhlich gestreiften Liegestühle auf, die dort gestapelt waren.

Es gelang ihm gerade noch so rechtzeitig, dass er die Sonne hinter dem Horizont verschwinden sehen konnte, ein gold-pfirsichfarbener Feuerball, der ätherische rosa Schattierungen über das Meer warf.

Während er die Lightshow der Natur betrachtete, konnte er spüren, wie sein Herzschlag sich verlangsamte und sich an das friedvolle Tempo der Insel um ihn herum anpasste.

Er hatte einen neuen Namen.

Er hatte ein neues Zuhause.

Er hatte einen neuen Job.

Vielleicht, ganz vielleicht, mit dem richtigen Wind hinter sich, würde sein Plan aufgehen.

3

»Lucien?« Sophies Stimme klang enthusiastisch und hoffnungsvoll, als sie ihre Handtasche auf den Steintisch direkt neben der Haustür der Villa fallen ließ.

Sie rief seinen Namen, obwohl sie eigentlich damit rechnete, dass er nicht da sein würde. Er erwartete sie nicht vor morgen, aber sie hatte auf einen früheren Flug umgebucht, um ihn zu überraschen.

»Lucien?« Sie rief erneut, und als sie nur Stille als Antwort bekam, breitete sich Enttäuschung in ihr aus.

»Unglaublich.« Kara folgte Sophie ein paar Sekunden später, die Absätze ihrer geliebten Cowboystiefel klackerten auf dem glänzenden Marmorboden der Eingangshalle. »Du hast mir ja gar nicht erzählt, dass ihr euch bei der königlichen Familie eingemietet habt!«, lachte sie und machte große Augen, als sie ihre Sonnenbrille anhob, um die Villa in Augenschein zu nehmen. »Die Hütte ist ja der Hammer!«

Sophie nickte. Kara hatte recht, sie war eines Königs würdig. »Lucien hat sie entdeckt.« Sie konnte den stolzen Unterton nicht verhindern. Das Leben mit Lucien schien alles mit einem noch etwas strahlenderen Glanz zu überziehen, was hauptsächlich daran lag, dass er eine Menge Energie in alles steckte, um sie glücklich zu machen. Sie hatten sich hier zum ersten Mal vor ein paar Monaten aufgehalten, als Lucien begonnen hatte, diesen neuesten Club zu erwerben. Sie war davon ebenso hingerissen gewesen wie Kara, also hatte Lucien die Villa für diesen Sommer gemietet, und die Vorstellung, die nächsten paar Monate darin zu leben, war mehr als traumhaft.

In Wellen ergoss sie sich in absoluter Abgeschiedenheit ganz oben über die Klippen, gleißend weiß und mit mehr Kurven als Marilyn Monroe. In mehreren Ebenen in den Fels gebaut, schlängelte sich das Gebäude hinunter zum Mittelmeer wie das luxuriöseste Baumhaus der Welt. Verborgene Nischen und Schlupfwinkel waren über das ganze Grundstück verstreut, geheime Verstecke, die darauf warteten, entdeckt zu werden. Zu der Hauptwohnung zu ebener Erde gehörte ein außenliegendes Badezimmer für ein Bad unter dem Sternenhimmel, und das hoch in die Bäume gebaute Sonnendeck war nur über eine Seilbrücke erreichbar. Es war ein magischer Ort, der mit Genusssucht und einem ungetrübten Sinn für Luxus entworfen worden war, und wie sie Lucien kannte, würde der Sommer mit harter Arbeit und heftigem Liebesspiel erfüllt sein.

»Natürlich, der gute alte Mr K.«, grinste Kara und streifte sich die Stiefel ab, als sie in die riesige, etwas tiefer gelegene Lounge schlenderte und ihre Finger über die Rücklehnen der niedrigen, mit Kissen überhäuften Wildledersofas strichen. Sie blieb an der vom Boden bis zur Decke reichenden Glastür stehen, die einen Panoramablick über das türkisgrüne Meer bot. »Ich glaube, ich bin gestorben und jetzt im Himmel, Soph.«

Sophie bedankte sich bei dem Fahrer für das Hereinbringen der Koffer, machte die Haustür zu und lächelte Kara an, während sie bei sich dachte, dass es, so schön es auch war, erst ganz perfekt sein würde, wenn Lucien heimkam.

Er war zehn Tage früher nach Ibiza geflogen, und jeder Tag ohne ihn war einer zu viel. Sie vermisste seine Anwesenheit an ihrer Seite am Tag, und sie vermisste seinen Körper nachts im Bett.

Ihr Weg zur Liebe war unkonventionell und emotional aufgeladen gewesen, und die letzten fünf Jahre hatten die Verbindung zwischen ihnen nur vertieft. Tillys Geburt hatte ihre Beziehung zementiert, und das kleine Mädchen war schon bald zu Sophies Hauptrivalin um Luciens Zuneigung geworden. Nicht dass es ihr etwas ausmachte. Es stellte Merkwürdiges und Wunderbares mit ihrem Herzen an, zu sehen, wie ihr großer, gut aussehender Wikinger von seiner kleinen Tochter um den Finger gewickelt wurde.

Die nächsten paar Monate würde sie Lucien allerdings für sich alleine haben, während das Kind zu Hause in England von den Großeltern gründlich verwöhnt wurde. Dann würde sie sich zusammen mit Esther, ihrem im Haus lebenden Kindermädchen, zu ihnen gesellen.

»Wichtige Frage im Anflug, Soph, also hör auf, dich nach diesem Kerl zu sehnen und hör zu«, sagte Kara mit durch jahrelanger Erfahrung gewonnenem Einfühlungsvermögen, während sie sich aus ihrem T-Shirt und den ausgefransten Jeansshorts schälte, um einen rot-weiß gestreiften Bikini zu enthüllen. Ihre Augen untersuchten die voll bestückte Bar. »Mimosa oder Mojito?«

In der Küche belud Kara das Tablett mit den Drinks, bereit, sich zu Sophie zu gesellen, die es sich schon am Pool bequem gemacht hatte. Das Leben ihrer Freundin hatte sich radikal verändert, seit dem ersten Augenblick, als sie Lucien Knight zu Gesicht bekommen hatte, und Karas hatte sich gleich mit verändert. Sophie hatte sie nicht zweimal fragen müssen, ob sie mit ihr ins Geschäft einsteigen wollte, und ihre Boutiquen für Wäsche und Erwachsenenspielzeug feierten einen Erfolg nach dem anderen. Sie hatten in jedem von Luciens Clubs eine solche Boutique eingerichtet und waren auf Ibiza, um der Eröffnung der zehnten Boutique beizuwohnen.

Dass sie Mutter geworden war, hatte Sophie gezwungen, im letzten Jahr etwas kürzerzutreten, und Kara war gerne aufgerückt, vor allem nach dem seifenoperähnlichen Drama, das sie im letzten Sommer unfreiwillig mit Richard aufgeführt hatte. Lucien taufte sie Schweinchen Dick, als er sie vor dem Altar stehen ließ. »Soll ich ihn umbringen lassen?«, hatte er gefragt, als er sie umarmte, und einige Herzschläge lang hatte Kara es tatsächlich in Erwägung gezogen. Als sie schließlich ablehnte, hatte er mit den Schultern gezuckt und gelassen gemurmelt, dass das Angebot stehe, falls sie es sich doch noch anders überlegen sollte. Kara hegte keine Zweifel daran, dass er ein Mann war, der zu seinem Wort stand.

Damals war sie in ein tiefes Loch gefallen, und nun war die Idee, eine Weile weit weg von der erdrückenden Unterstützung ihrer erzürnten Familie und mitfühlenden Freunde zu sein, einer der Gründe gewesen, Sophies Vorschlag, den Sommer auf Ibiza zu verbringen, mit Handkuss anzunehmen.

Sonne, Sand und kein Sex. Perfekt.

Sophie war schon an der Haustür, bevor der Motor von Luciens Ferrari überhaupt in der Einfahrt zum Stillstand gekommen war, und kam in den Genuss, seinen Gesichtsausdruck von einem Augenblick zum anderen von völliger Arglosigkeit zu unbändiger Freude wechseln zu sehen. Innerhalb von Sekunden war er aus dem Auto gestiegen und stand vor ihr.

»Du bist früh dran«, murmelte er, seine Arme bereits um sie geschlungen. Er hob sie hoch und ließ dann seine Handflächen ihren Körper hinuntergleiten, bis er ihr Hinterteil mit seinen großen, warmen Händen umschloss.

»Ich habe dich vermisst«, murmelte Sophie und sah, wie ein Lächeln seine Lippen umspielte, kurz bevor sein Mund den ihren bedeckte. Fünf Jahre nachdem sie diesen Mann zum ersten Mal geküsst hatte, hatte er immer noch die Macht, sie mit nur einer einzigen Berührung, einem Schlag seiner Zunge gegen ihre zum Schmelzen zu bringen. Was Begrüßungsküsse anging, rangierte er unter den Besten.

»Ich kann dich hier mit dem Rücken an der Haustür vögeln oder in unserem Bett. Ist mir egal, Hauptsache, ich vögele dich innerhalb der nächsten drei Minuten«, sagte er heiser, während er seinen Körper gegen ihren presste.

Sophie konnte spüren, wie sein Schwanz sich zwischen ihren Beinen spannte, und biss ihm mit einem sanften Lachen zärtlich auf die Lippe. »Ganz ruhig, Tiger. Kara ist draußen am Pool.«

Lucien stöhnte und ließ seine Finger in ihr Bikinihöschen gleiten. »Fühlt sich an, als wenn du auch bereit wärst, Prinzessin«, flüsterte er in ihren Mund hinein, und seine zielsicheren Finger strichen langsam über ihre Klitoris, bis auch sie leise stöhnte. Seine Hand verweilte dort, während er den Kuss vertiefte und sich die Zeit nahm, seine Finger in sie zu tauchen, bevor er mit einem bedauernden Seufzen ihren Bikini wieder zurechtzupfte.

Als Kara ein paar Minuten später hereingeschlendert kam, hatten sie es gerade bis in die Küche geschafft.

»He, Mr K.«, grinste Kara und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Lucien einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Hast du mich vermisst?«

»Ich hab’s überlebt«, sagte er trocken und zog leicht an ihrem Pferdeschwanz, ehe er seinen Arm um Sophies Taille schlang und sie auf die Schulter küsste. »Sophie habe ich mehr vermisst.«

Kara lachte. »Sucht euch ein Zimmer, ihr Turteltäubchen.«

»Wir haben eines. Sophie meinte, wir dürften da noch nicht hingehen, weil wir höflich sein müssten.«

Sophie verpasste ihm einen Stoß in die Rippen und ging zur Spülmaschine, um sie einzuräumen. Sie wusste, dass Karas und Luciens Kabbeleien von gegenseitiger Zuneigung zeugten.

Sie schaltete ab, als die beiden ein paar Minuten über Geschäftliches redeten und Kara Lucien darüber ausquetschte, wann Club und Boutique fertig seien.

Geschäftstüchtigkeit war eine der Eigenschaften, die Kara und Lucien als Freunde verband, und Sophie genoss es normalerweise, wie furchtlos Kara ihn immer wieder herausforderte. Aber im Moment hatte sie andere Dinge im Kopf. Als sie sich wieder einschaltete, merkte sie, dass Lucien sein Handy aus der Jeans gezogen hatte und mit jemandem telefonierte. Innerhalb von Minuten war ein Fahrer aufgetaucht, um die übereifrige Kara hinunter zum Club zu bringen, damit sie sich dort umsehen konnte, und im Stillen dankte Sophie ihrer Freundin für ihren taktischen Rückzug. Wenn Lucien sie nicht bald für sich allein hatte, lief er Gefahr, in Flammen aufzugehen. Und sie höchstwahrscheinlich auch.

Kara verschaffte sich mit Luciens Schlüsseln Zutritt zum Club und freute sich darauf, die Entwicklung mit eigenen Augen zu sehen. Sie und Sophie hatten das Fortschreiten der Arbeit von zu Hause in Großbritannien aus über E-Mail-Updates und Fotos detailliert verfolgt, aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass trotz der verbreiteten gegenteiligen Annahme Fotos tatsächlich lügen konnte. Schlechte Handwerkerarbeit konnte durch ein paar geschickt positionierte Requisiten kaschiert werden, und Verzögerungen konnten bagatellisiert werden durch die richtigen Arrangements und eine clevere Beleuchtung.

Durch das Studieren der Pläne kannte sie den Grundriss des Clubs ziemlich gut, gut genug, um zu wissen, dass die Boutique gleich links neben dem Hauptvorraum lag. Kara nahm sich einen Moment Zeit, um die Mühe zu bewundern, die in die Verwandlung des Innenraums gesteckt worden war, um Luciens hohe, schwelgerische Ansprüche zu erfüllen. Verschwenderisch und sexy, voll lustvoller Versprechen, mit seinen runden, den Gast umschließenden Polstersitzen und der sinnlichen Farbgebung verströmte das Interieur bereits den exotischen Glanz, der die Kunden schon in dem Moment, wenn sie über die Schwelle traten, so erfolgreich verführte.

Kara hatte noch nie einen Fuß in einen Erwachsenen-Club gesetzt, bevor Sophie und Lucien ihr die Gelegenheit geboten hatten, in das Geschäft einzusteigen. Sie erinnerte sich sehr gut an ihren ersten, augenöffnenden Besuch mit Sophie an ihrer Seite und wunderte sich selbst jetzt noch, wie etwas, das früher für sie unerhört gewesen war, heute absolute Routine sein konnte. Kara war sofort fasziniert gewesen, und über die Jahre hatte sie sich fest in der Welt der Vergnügungen für Erwachsene etabliert, aus einer streng geschäftlichen Perspektive. Zumindest hauptsächlich. Es war unmöglich, nicht von Zeit zu Zeit ein Kribbeln dabei zu spüren. Sie war rasch von einem Spielzeugneuling zu einer Expertin in der Branche aufgestiegen, dank der Fachmessen und Ausstellungen, die sie im Namen von Knight Inc. meist zusammen mit Sophie besucht hatte. Sie waren in der Branche zu wohlbekannten Gesichtern geworden, die eine blond, die andere brünett, mit dem gemeinsamen Ziel, ihre Boutiquen zu einem immer größer werdenden Erfolg zu führen. Diese Wendung in ihrem Leben hatte Kara nicht erwartet, und sie hatte vor allem nicht erwartet, dass es ihr so viel Freude machen würde.

Als sie den Ladenraum betrat, sah sie zufrieden, dass die Fortschrittsberichte, die sie erhalten hatten, augenscheinlich gestimmt hatten. Die Boutique sah picobello aus. Bereits Regale an der Wand, samtene Schaufensterpuppen, bereit, sich mit einem Hauch aus Spitze und Seide bekleiden zu lassen, und wohl gefüllte Kartons und Kisten, die die Wände säumten und darauf warteten, geöffnet zu werden. Sie beugte sich hinunter, zog das Klebeband von dem nächstbesten Karton ab und vergrub ihre Hände darin.

»So hübsch Ihr Hintern auch ist, Süße, Sie haben dreißig Sekunden, um hier zu verschwinden, oder ich entferne Sie höchstpersönlich.«

Vor Schreck machte Kara einen Satz und wirbelte herum, als sie die schleppende kalifornische Stimme hinter sich hörte. Lucien hatte ihr ausdrücklich versichert, dass im Club keine Handwerker mehr seien, und ihr Herz hämmerte heftig, sowohl vor Panik als auch entrüstetem Ärger. Sie hatte ein Recht, hier zu sein, aber nicht dieser Kerl.

»Wer verdammt noch mal sind Sie?« Sie stemmte eine Hand in die Hüfte und reckte dem Fremden das Kinn entgegen. Er blickte auf ihre andere Hand hinunter.

»Sieht aus, als hätten Sie gefunden, wonach Sie gesucht haben.« Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand des Durchgangs.

Kara schluckte mühsam und schloss für eine Sekunde die Augen, um ihre Gedanken zu sammeln. Oh nein! Sie hatte mit einem Vibrator herumgefuchtelt. Das schwächte ernsthaft ihre Position. Sie hatte zwei Möglichkeiten, und Kara war eine Frau, die sich immer für den Kampf entschied.

»Das hier?« Sie hielt den klassischen Vibrator in die Höhe. »Oh, das sicher nicht. Das ist ein Anfängergerät. Wenn ich herkomme, um Sexspielzeug zu klauen, suche ich mir schon etwas Größeres aus. Mehr Funktionen. So was wie den Thor, oder vielleicht den brandneuen Thor Deluxe. Er ist, ähm, wasserdicht.«

Er zog eine Augenbraue hoch. »Ihr enzyklopädisches Wissen über Vibratoren sagt eine Menge über den Zustand Ihres Sexlebens aus, Lady.«

Kara kämpfte gegen den Drang an, den Vibrator irgendwohin zu schieben, wo er diesen Typ für eine ganze Weile zum Schweigen bringen würde.

»Die Leitung einer Kette von Boutiquen für Erwachsene bringt das für ein Mädchen so mit sich.« Ihre Stimme triefte vor kalten Sarkasmus, und nach seinem Blick zu urteilen, hatte sie einen Sieg errungen, denn er gab seine Haltung auf, und sein Gesicht wurde heller.

»Oh, tut mir leid. Sie müssen Sophie sein.«

Kara schüttelte den Kopf. »Sophie wäre wesentlich höflicher gewesen. Ich bin Kara Brookes, Sophies Geschäftspartnerin. Und Sie sind?«

Nach einer kurzen Pause antwortete er. »Dylan Day.«

»Wie klangvoll.«

Er zuckte die Achseln.

»Dann haben wir also festgestellt, dass ich ein Recht habe, hier zu sein. Wie wär’s, wenn ich Ihnen dreißig Sekunden gebe, um Ihre Anwesenheit zu erklären?«

Er besaß die Unverfrorenheit zu lachen. »Sonst – was?«

Sie konnte ihn wohl kaum eigenhändig entfernen. Er war mindestens eins achtzig und bestand allem Anschein nach nur aus Muskeln. Nicht dass sie ihn taxiert oder registriert hätte, wie sein T-Shirt die Konturen seines Körpers nachzeichneten. Auf gar keinen Fall. Und schon gar nicht war ihr der gebräunte Streifen Haut aufgefallen, der kurz aufgeblitzt war, als er sich vor ein paar Minuten mit der Hand durch sein zu langes, rotblondes Haar gefahren war.

»Sonst werde ich …«

»Mich mit Ihrer Vibratorpistole erschießen?«, schlug er zuvorkommend vor.

Kara wünschte sich aufrichtig, sie hätte den Vibrator weggelegt, statt noch ein bisschen länger damit vor ihm herumzufuchteln. Sie verlor alles an Boden, was sie gerade gewonnen hatte.

»Oder möchten Sie Ihre Waffe vielleicht auf den Thor Deluxe aufrüsten, in Anbetracht seiner Stärke und so?«

Ach, er war süß. »Glauben Sie mir, Surferboy, wenn dieses Ding Kugeln hätte, würde ich Sie jetzt, ohne zu zögern, niederknallen.«

Mit einem entwaffnenden Lächeln hob er die Hände. »Nicht schießen. Lucien Knight hat mich gestern eingestellt. Ich bin der neue Clubmanager.«

Kara wusste, dass Lucien Probleme gehabt hatte, die Stelle des Geschäftsführers zu besetzen. Also war es gut möglich. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. Dylan Days Augen waren frei von jeder Unehrlichkeit. Außerdem waren sie stechend grün, nicht, dass Kara zugegeben hätte, es bemerkt zu haben.

»Schön.« Kara nickte und nahm sich zusammen. »Schön. Aber damit Sie es wissen: Sie sind nicht der Manager von dem hier.« Sie deutete mit dem Vibrator auf die Boutique. »Das bin ich.«

Er setzte ein Killerlächeln auf. »Ist mir recht, Schätzchen. Sie bleiben bei Ihren Panties und Sexspielzeugen und überlassen den Rest der Show mir.« Und mit einem wissenden Hochziehen seiner Augenbrauen drehte er sich um und schlenderte davon.

Das Verlangen, ihm den Vibrator an den Kopf zu werfen, wurde nur von der Angst gedämpft, sie könnte ihn verfehlen und sich lächerlich machen.

»Ich bin Engländerin!«, rief sie ihm stattdessen hinterher. »Es sind Knickers, verdammt noch mal!«

Dylan lächelte vor sich hin, als er wieder in sein Büro zurückkehrte. Engländerin. Allerdings. Er hatte sich an ihren scharfen Vokalen fast aufgeschlitzt.

Das Mädchen war ein Knallkörper in ausgefransten Jeans-Hotpants, Cowboystiefeln und einem pinkfarbenen T-Shirt, das alarmierend an jeder ihrer Kurven klebte. Move over, Daisy Duke