Vergaberecht 2016 - Was ist neu? - Michael Stemmer - E-Book

Vergaberecht 2016 - Was ist neu? E-Book

Michael Stemmer

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Beschreibung

Stichtag: 18. April 2016 Mit der umfassendsten Modernisierung des Vergaberechts seit über zehn Jahren traten zum 18.4.2016 neue Regeln für Auftraggeber und Bieter in Kraft. Die bisherigen Vergabevorschriften wurden komplett umstrukturiert und neu gestaltet: u.a. wurde der vierte Teil des GWB stark erweitert, die VOL/A sowie die VOF wurden in die VgV integriert. Neues Vergaberecht – klar erläutert Die Erläuterungen bieten eine Einführung in die neue Rechtslage sowie in die erheblichen inhaltlichen und strukturellen Veränderungen. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt bei dem stark erweiterten vierten Teil des GWB sowie der neuen Vergabeverordnung. Aber auch die Änderungen in den übrigen Vergabeverordnungen sowie in den neuen Konzessions- und Vergabestatistikverordnungen werden aufgezeigt. Kompetenz für Vergabepraktiker Der Autor bringt seine langjährigen Praxiserfahrungen, u.a. aus seiner Zeit als Direktor beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband, fachgerecht in das Werk ein. Davon profitieren vor allem • Vergabestellen (Bau-, Liefer-, Dienstleistungen), z.B. bei den Kommunen • Architekten, • Ingenieure, • Rechtsanwälte und • Verbände. Die optisch hervorgehobenen Handlungsempfehlungen erleichtern den Umgang mit dem neuen Recht und dessen Konsequenzen für die tägliche Arbeit der Vergabepraktiker.

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Vergaberecht 2016 – Was ist neu?

Erläuterungen und Hinweise für die Praxis

von

Michael Stemmer

Direktor a. D. beim

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-415-05749-4 E-ISBN 978-3-415-05754-8

© 2016 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Inhalt

A. Grundlegende Veränderungen im neuen Vergaberecht

1. Wesentliche Erweiterungen, neue Strukturen und neue Inhalte

2. Eckpunkte der Vergaberechtsreform

3. Europarechtlicher Ausgangspunkt und Ziele des neuen Vergaberechts

4. Die neuen Strukturen im Einzelnen und die ihnen zugrunde liegende Systematik

4.1 Bisheriger dreistufiger Aufbau

4.2 Erhebliche Erweiterungen des GWB, selbständige Regelungen in Verordnungen, Beibehaltung des inhaltlich veränderten zweiten Abschnitts der VOB/A

B. Wesentliche Veränderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

1. Neuer Aufbau des GWB

2. Ausgewählte Regelungen der §§ 97 bis 114 GWB, Grundsätze, Definitionen und Anwendungsbereich

2.1 § 97 GWB, Grundsätze der Vergabe

2.2 §§ 98 bis 101 GWB, Auftraggeber

2.3 § 103 GWB, Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe

2.4 § 105 GWB, Konzessionen

2.5 § 106 GWB, Schwellenwerte

2.6 § 107 GWB, Allgemeine Ausnahmen vom Vergaberecht

2.7 § 108 GWB, Ausnahmen vom Vergaberecht bei öffentlich- öffentlicher Zusammenarbeit

2.8 §§ 110 bis 112 GWB, Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen in gemischten Fällen

2.9 §§ 113, 114 GWB, Verordnungsermächtigung, Statistikpflicht

3. Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber

3.1 § 119 GWB, Verfahrensarten, Wahlfreiheit

3.2 §§ 122 bis 124, 126 GWB, Eignung und Ausschlussgründe

3.3 § 125 GWB, Selbstreinigung

3.4 § 132 GWB, Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit

3.5 §§ 133, 135 GWB, Kündigung, Unwirksamkeit des Vertrages

4. Aufträge in besonderen Bereichen und von Konzessionen

4.1 Auftragsvergaben durch Sektorenauftraggeber, §§ 136 bis 143 GWB

4.2 Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen, §§ 144 bis 147 GWB

4.3 Vergabe von Konzessionen, §§ 148 bis 154 GWB

5. Nachprüfungsverfahren: Nachprüfungsbehörden, Verfahren vor der Vergabekammer, sofortige Beschwerde, §§ 155 bis 184 GWB

C. Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts

1. Gliederung und Überblick über die Inhalte der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung

1.1 Gliederung

1.2 Überblick über die Inhalte

2. Neue Vergabeverordnung

2.1 Grundzüge der neuen Vergabeverordnung

2.2 Aufbau der neuen Vergabeverordnung

2.3 Allgemeine Bestimmungen und Kommunikation, §§ 1 bis 13 VgV

2.3.1 Anwendungsbereich der neuen Vergabeverordnung, §§ 1 und 2 VgV

2.3.2 Schätzung des Auftragswerts, § 3 VgV

2.3.3 Wahrung der Vertraulichkeit, Vermeidung von Interessenkonflikten, Mitwirkung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens, §§ 5 bis 7 VgV

2.3.4 Dokumentation und Vergabevermerk, § 8 VgV

2.3.5 Regelungen zur Kommunikation, §§ 9 bis 13 VgV

2.4 Verfahrensarten, Besondere Methoden und Instrumente, Vorbereitung des Vergabeverfahrens, Veröffentlichungen, Transparenz, §§ 14 bis 41 VgV

2.4.1 Verfahrensarten, §§ 14 bis 20 VgV

2.4.2 Besondere Methoden und Instrumente in Vergabeverfahren, §§ 21 bis 27 VgV

2.4.3 Vorbereitung des Vergabeverfahrens, §§ 28 bis 36 VgV

2.4.4 Veröffentlichungen, Transparenz, §§ 37 bis 41 VgV

2.5 Anforderungen an Unternehmen, Eignung, §§ 42 bis 51 VgV

2.6 Einreichung, Form und Umgang mit Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen, §§ 52 bis 55 VgV

2.7 Prüfung und Wertung der Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote; Zuschlag, §§ 56 bis 63 VgV

2.7.1 Transparenz und Gleichbehandlung

2.7.2 Nachforderung von Unterlagen, § 56 VgV

2.8 Soziale und andere besondere Dienstleistungen, §§ 64 bis 66 VgV

2.9 Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungen, §§ 67 und 68 VgV

2.10 Planungswettbewerbe, Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen, §§ 69 bis 80 VgV

2.10.1 Planungswettbewerbe, §§ 69 bis 72 VgV

2.10.2 Besondere Vorschriften für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen, §§ 73 bis 80 VgV

3. Sektorenverordnung

4. Konzessionsvergabeverordnung

5. Vergabestatistikverordnung

6. Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit

D. Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

1. VOB/A 2016

1.1 Schwerpunkte der Überarbeitung

1.2 Kein Gleichklang bei der Nachforderung von Unterlagen

1.3 Beispiele für wesentliche Neuerungen

1.4 Inkrafttreten der neuen VOB/A und der Regelungen über die elektronische Kommunikation

2. VOB/B 2016

Stichwortverzeichnis

A. Grundlegende Veränderungen im neuen Vergaberecht

1. Wesentliche Erweiterungen, neue Strukturen und neue Inhalte

Die Vergaberechtsmodernisierung des Jahres 2016 ist, so führt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung selbst aus, das größte vergaberechtliche Gesetz- und Verordnungsverfahren der letzten 10 Jahre. Mit der im Wesentlichen auf den 18.4.20161 als Tag des Inkrafttretens ausgerichteten Novellierung des Vergaberechts hat der Gesetzgeber das Vergaberecht zum einen durch neu hinzugekommene Verordnungen erheblich umgestaltet und erweitert. Zu nennen sind die neue Konzessionsvergabeverordnung und die neue Vergabestatistikverordnung. Der Gesetzgeber hat das Vergaberecht zum andern strukturell auf völlig neue Beine gestellt. So sind die bisher für Vergaben ab den EU-Schwellenwerten geltenden Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A Teil 2) und die Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) als selbständige Regelungen entfallen, sie sind in die neu gestaltete Vergabeverordnung (VgV) einbezogen. Lediglich die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) bleibt, nach aktuellen Änderungen durch den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss, erhalten. Der Gesetzgeber hat zum dritten im gesamten Vergaberecht ganz erhebliche inhaltliche Veränderungen vorgenommen. Als Beispiele sind die erstmals im deutschen Vergaberecht kodifizierten Regelungen zu Leistungen öffentlicher Auftraggeber für andere öffentliche Auftraggeber (Abgrenzung ausschreibungspflichtiger Vergaben von den sog. Inhouse-Vergaben), die Möglichkeit der Selbstreinigung von Unternehmen bei früherem gesetz- oder wettbewerbswidrigem Fehlverhalten, ferner die neuen Reglungen zur Nachforderung von Unterlagen zu nennen. Die bisherigen Regelungen zur Nachforderung fehlender geforderter Erklärungen und Nachweise, die in der Praxis wegen ihres nicht sehr griffigen Inhalts zu einer Vielzahl von Vergabenachprüfungsverfahren geführt haben, sind für den Liefer- und Dienstleistungsbereich detailliert neu geregelt. Anstelle der bisherigen Begriffe wird für die Nachforderung differenziert zwischen unternehmensbezogenen und leistungsbezogenen Unterlagen. Die begrifflich klare Abgrenzung wird in der Praxis allerdings, davon ist auszugehen, nicht ohne Konkretisierungen durch die Rechtsprechung auskommen.

Hinweis für die Praxis:

Das neue Vergaberecht ist gegenüber dem bisherigen Recht um mehrere Verordnungen erweitert, strukturell auf neue Beine gestellt und inhaltlich erheblich verändert. Das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz vom 17.2.2016 ist im BGBl. I S. 203 veröffentlicht, die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung vom 12.4.2016 ist im BGBl. I S. 624 abgedruckt. Sie regelt mit neuen Inhalten die Vergabeverordnung, die Sektorenverordnung, die Konzessionsvergabeverordnung, die Vergabestatistikverordnung und die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit. Die neue VOB-EU ist im Bundesanzeiger AT vom 19.1.2016 B3 veröffentlicht. Alle Regelungen sind im Wesentlichen am 18.4.2016 in Kraft getreten.

2. Eckpunkte der Vergaberechtsreform

Zur Vorbereitung des neuen Vergaberechts hat das Bundeskabinett am 7.1.2015 »Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts« beschlossen. Diese Eckpunkte sind in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen, sie ermöglichen einen schnellen Blick auf die mit der Novelle angestrebten Ziele. Nachfolgend sind die wesentlichen Inhalte der Eckpunkte wiedergegeben. Nachträglich ergänzt sind sie um diejenigen Paragrafen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in die die Eckpunkte in erster Linie Eingang gefunden haben.

Um die Vergabeverfahren zu vereinfachen, sind die Möglichkeiten zu Verhandlungen mit den Bietern ausgeweitet. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbs können öffentliche Auftraggeber nach dem neuen Gesetz zwischen offenem und nicht offenem Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert,

frei wählen

, § 119 Abs. 2 GWB.

Nachhaltige und innovative Beschaffungen

sind gestärkt, § 97 Abs. 3 GWB. Das kommt auch den Unternehmen zu Gute, die ihrer Verantwortung bis hinein in die Produktions- und Lieferkette nachkommen. Auftraggeber können bei der Beschreibung der Leistung und bei der Festlegung von Zuschlagskriterien – anders als bisher – unter bestimmten Voraussetzungen pauschal auf Gütezeichen (Labels) verweisen. Die öffentlichen Auftraggeber müssen bei der Auftragsvergabe allerdings auch in Zukunft den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilen. Dabei können jedoch neben dem Preis und den Kosten, einschließlich der Lebenszykluskosten, soziale, ökologische und innovative Aspekte unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes stärker in die Bewertung einfließen. Der öffentliche Auftraggeber kann konkrete Vorgaben zu den umweltbezogenen und sozialen Eigenschaften der zu beschaffenden Leistungen machen. Bedingung ist wie bisher, dass eine Verbindung zum Auftragsgegenstand besteht. Diese Verbindung zum Auftragsgegenstand ist entsprechend der EU-Vergaberichtlinien unter anderem auch anzunehmen, wenn sich die Anforderung auf ein Stadium des vorangehenden Produktionsprozesses bezieht.

Öffentliche Aufträge dürfen nur an geeignete Unternehmen vergeben werden, § 122 GWB. Der Nachweis und die Prüfung der

Eignung

verursachten in der Praxis zum Teil hohen Aufwand. Mit der Einführung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (§ 50 VgV) wird die Pflicht, umfangreiche Nachweise und Bescheinigungen bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens vorzulegen, durch die Abgabe einfacher Erklärungen der Bieter ersetzt, wobei später ausschließlich die Bieter, die für den Zuschlag in Betracht kommen, die erforderlichen Bescheinigungen im Detail einreichen müssen. Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung ist so ausgestaltet, dass sie mit den bestehenden Systemen zur Präqualifizierung kompatibel ist.

Hinsichtlich

arbeits- und sozialrechtlicher Verpflichtungen

, insbesondere zu Tariftreue und Mindestlohn, ist in den Neuregelungen des GWB, § 128 Abs. 1 und § 123 Abs. 4, sichergestellt, dass bei der Ausführung von Aufträgen ein bundesweiter gesetzlicher Mindestlohn, Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz und für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge einzuhalten sind.

Das Vergaberecht kommt wie bisher erst zum Zuge, wenn öffentliche Auftraggeber Leistungen von Unternehmen am Markt nachfragen. Entscheidet sich eine Kommune, eine Leistung selbst zu erbringen, findet das Vergaberecht keine Anwendung. Zu diesen

Freiräumen für die öffentliche Hand

definieren die neuen EU-Richtlinien erstmals die genauen Voraussetzungen. Dadurch erhalten Kommunen ein hohes Maß an Rechtssicherheit, öffentliche Aufgaben in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen oder durch eigene Unternehmen erfüllen zu können, § 108 GWB. Zentrale Leistungen der Daseinsvorsorge können weiterhin sowohl in öffentlicher als auch in privater Verantwortung erbracht werden. Die insbesondere durch den Europäischen Gerichtshof entwickelten Regelungen zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit sind in das GWB aufgenommen. Ebenso sind weitere Ausnahmen vom EU-Vergaberecht, wie zum Beispiel für die Konzessionen im Bereich der Trinkwasserversorgung und für die Vergabe von Rettungsdiensten, in das GWB übernommen.

Dienstleistungen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich

haben nur begrenzte Auswirkungen auf den Binnenmarkt. Die EU-Richtlinien ermöglichen es daher den Mitgliedstaaten, für bestimmte – insbesondere soziale – Dienstleistungen vereinfachte Vergabeverfahren vorzusehen. Dieser Spielraum ist in § 130 genutzt und ein deutlich erleichtertes Vergabeverfahren für soziale Dienstleistungen eingeführt, in dem öffentliche Auftraggeber zwischen verschiedenen Verfahrensarten wählen können.

Ein wichtiges Ziel der EU-Vergabemodernisierung ist es, für

kleine und mittlere Unternehmen

den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, § 97 Abs. 4 GWB. Der bereits bisher im GWB verankerte Grundsatz, dass Aufträge verpflichtend in Lose aufzuteilen sind, ist ausdrücklich beibehalten. Zudem ist kleinen und mittleren Unternehmen der Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erleichtert. Im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen sollen auch kleinere Büros und Neueinsteiger eine reale Chance haben, Aufträge zu erhalten.

Den Belangen von

Menschen mit Behinderungen

ist u. a. Rechnung getragen, indem es Auftraggebern ermöglicht wird, öffentliche Aufträge nur an Werkstätten für behinderte Menschen zu vergeben, § 118 GWB.

Wirtschaftskriminalität darf auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht ohne Folgen bleiben. Wer sich wegen Wirtschaftsdelikten strafbar gemacht hat, soll nicht von öffentlichen Aufträgen profitieren. Um wieder an Vergabeverfahren teilnehmen zu dürfen, erhalten betroffene Unternehmen die Möglichkeit, durchgeführte Maßnahmen der

Selbstreinigung

nachzuweisen, § 125 GWB.

Die EU-Richtlinien sehen die verbindliche Einführung der

elektronischen Kommunikation

im Vergabeverfahren als wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung und zur Transparenz des Vergabeverfahrens. Dem ist Rechnung getragen in § 97 Abs. 5 und § 113 Satz 2 Nr. 4 GWB. Ausgestaltet ist dies in der neuen Vergabeverordnung, siehe dort §§ 9 ff.

Im neuen GWB ist vorgesehen, verlässliche

Datengrundlagen

für die öffentlichen Auftragsvergaben zu schaffen, um das jährliche Gesamtvolumen der öffentlichen Beschaffungen feststellen zu können, § 114 Abs. 2 GWB.

Hinweis für die Praxis:

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung ermöglicht es, wesentliche Änderungen des Vergaberechts rasch zu erfassen und einzelnen Paragrafen zuzuordnen.

3. Europarechtlicher Ausgangspunkt und Ziele des neuen Vergaberechts

Der Europäische Gesetzgeber hat 2014 mit seinem Paket zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen vorgelegt. Dieses Modernisierungspaket umfasst die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Richtlinie 2014/25/EU vom 26.2.2014, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) und die damals neu erlassene Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014, ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1; ABl. L 114 vom 5. 5.2015, S. 24). Die Reform des deutschen Vergaberechts durch die Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Vergabeverordnung (VgV), der Sektorenverordnung (SektVO), der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) und aller bisherigen Vergabe- und Vertragsordnungen (VOB, VOL, VOF) dient der Umsetzung der vorgenannten drei Richtlinien in deutsches Recht. Gleiches bewirken die neue Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und die neue Vergabestatistikverordnung (VergStatVO).

Die EU-Vergaberechtsmodernisierung zielt darauf ab, das Regelwerk für die Vergaben dem fortschreitenden Binnenmarkt anzupassen und innerhalb der Europäischen Union stärker zu vereinheitlichen. Die Vergabeverfahren sollen einfacher gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren erleichtert werden. Zugleich wird ermöglicht, bei der Vergabe verstärkt soziale, ökologische und innovative Aspekte zu berücksichtigen. Außerdem regeln die Richtlinien grundlegende Ausnahmen vom Vergaberecht. Dies bietet gerade Kommunen mehr Rechtssicherheit bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge.

Die Umsetzung in das deutsche Recht soll anwenderfreundliche, rechtssichere Vergaben im Wettbewerb und die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel ermöglichen. Dem dienen die folgenden Leitlinien, die der Umsetzung in das deutsche Recht zugrunde liegen: Wirtschaftliche Beschaffung durch Wettbewerb, Transparenz und Nichtdiskriminierung, Erhaltung kommunaler Handlungsspielräume, Vereinheitlichung des Vergabeverfahrens, um öffentliche Aufträge im Inland und im EU-Ausland für deutsche Unternehmen gleichermaßen attraktiv zu machen, keine Benachteiligung, sondern besondere Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen, Einführung weitgehend digitalisierter Beschaffungsprozesse und Unterbindung von Wirtschaftsdelikten. Die EU-Richtlinien sind dazu »eins zu eins« in das deutsche Recht umgesetzt.

Hinweis für die Praxis:

Ausgangspunkt des neuen Vergaberechts sind drei Richtlinien der EU (Vergaberichtlinie, Sektorenvergaberichtlinie und Konzessionsvergaberichtlinie), die ein europarechtlich einheitliches, anwenderfreundliches und für die Anbieter faires und effizientes Wettbewerbsverfahren sicherstellen sollen.

4. Die neuen Strukturen im Einzelnen und die ihnen zugrunde liegende Systematik

4.1 Bisheriger dreistufiger Aufbau

Das bisherige deutsche Vergaberecht war gekennzeichnet durch einen dreistufigen Aufbau, das sog. Kaskadenprinzip. Den obersten Rang hatten als Gesetz die Regelungen im GWB. Sie enthielten konzentriert die wesentlichen Vorgaben für die verschiedenen Vergabeverfahren und ihre Überprüfungen. Unterhalb des Gesetzes, auf der zweiten Ebene, gab es als »Scharnier« zwischen dem Gesetz und den drei Vergabe- und Vertragsordnungen VOB, VOL und VOF die Vergabeverordnung. Diese stellte in relativ wenigen Paragrafen neben der Schätzung des Auftragswertes vor allem den Bezug zu den drei Vergabe- und Vertragsordnungen her, die in der Praxis die Basis für die jeweiligen Vergaben waren. Als eigenständige Verordnungen gab es neben der Vergabeverordnung die Sektorenverordnung und die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit.

4.2 Erhebliche Erweiterungen des GWB, selbständige Regelungen in Verordnungen, Beibehaltung des inhaltlich veränderten zweiten Abschnitts der VOB/A

Die bisherige Struktur ist durch die Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und durch die Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO), die wie die Gesetzesänderungen am 18.4.2016 in Kraft getreten ist, erheblich verändert worden. Unterhalb des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gibt es nun eine Vielzahl von Verordnungen, die gesetzestechnisch in der als Artikel- bzw. Mantelverordnung gestalteten Vergaberechtsmodernisierungsverordnung zusammengefasst sind. Die neuen Rechtsverordnungen greifen die allgemeinen Regelungen des Gesetzes auf und ergänzen dieses in zahlreichen Detailfragen. Die in sieben Artikel gegliederte Modernisierungsverordnung besteht in den ersten Artikeln aus der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung, VgV), der Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung, SektVO), der Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Konzessionsvergabeverordnung, KonzVgV), der Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (Vergabestatistikverordnung, VergStatVO) und der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). Außerdem enthält die Mantelverordnung in Artikel 6 Folgeänderungen zu anderen Verordnungen sowie in Artikel 7 Regelungen zum In- und Außerkrafttreten.

In die neue Vergabeverordnung, die auf Grund der Ermächtigungen in den §§ 113, 114 Abs. 2 Satz 4 GWB detailliert die Einzelheiten der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch die traditionellen öffentlichen Auftraggeber festlegt, sind die bisherige Vergabeverordnung, die Regelungen des 2. Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A-EG) sowie die bisherige Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) einbezogen. Mit der Einbeziehung des 2. Abschnitts der VOL/A und der VOF werden bisher unter dem Gesetz und den Verordnungen stehende Vergabe- und Vertragsordnungen »höher qualifiziert« und in den Bereich der Verordnungen aufgenommen. Demgegenüber bleibt die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, der 2. Abschnitt der VOB/A, gemäß § 2 VgV für die herkömmlichen öffentlichen Auftraggeber als Vergabe- und Vertragsordnung erhalten. Begründet ist dies vom Verordnungsgeber mit den Besonderheiten bei Bauvergaben und damit, dass sonst die neue Vergabeverordnung überfrachtet worden wäre. In diesem Bereich besteht mithin das dreistufige Kaskadenprinzip fort, dessen dritte, d. h. unterste Stufe, eigentlich aufgelöst werden sollte und ansonsten auch aufgelöst wurde.

Im bisherigen deutschen Vergaberecht, das sich mit den Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte befasst, sind vergleichbare Sachverhalte in nicht wenigen Fällen an verschiedenen Stellen und teilweise ohne ersichtlichen Grund inhaltlich unterschiedlich geregelt. Dem wird durch die neuen Regelungen entgegengewirkt, indem die wesentlichen Vorgaben nun umfassend im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gebündelt sind. Dort sind die Grundsätze der Vergabe (§ 97), der Anwendungsbereich (§§ 98 ff.), die Verfahrensarten (§ 119), die neuen Vorgaben der EU-Richtlinien für die Änderung von Aufträgen während der Vertragslaufzeit und für die Kündigung (§§ 132, 133), die Gründe für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren (§§ 123, 124) und die grundsätzlichen Anforderungen an Eignung und Zuschlag (§§ 122, 127) zu finden. Für Konzessionen ist auf § 154 GWB zu verweisen, der die dort genannten Vergaberegelungen für anwendbar erklärt. Neu strukturiert sind auch die Vergabeverordnung, die Sektorenverordnung, die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Diese Normen regeln aufgrund von Ermächtigungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Einzelheiten des Vergabeverfahrens. Ganz wesentlich ist, dass jede dieser Regelungen (ggf. unter Rückgriff auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) für sich vollständig ist und dem Anwender als eigenständiger Regelungskomplex zur Verfügung steht. Die Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen (die frühere VOL/A-EG) sowie für freiberufliche Leistungen (die frühere VOF) sind, wie bereits ausgeführt, in die Vergabeverordnung integriert und dort zusammengeführt. Die spezifischen Vergabevorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (bislang Kapitel 3 der VOF) und die Vorschriften zu Wettbewerben (Auslobungsverfahren) im Bereich der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens (bislang Kapitel 2 der VOF) sind als neue Abschnitte 5 und 6 in der Vergabeverordnung hervorgehoben. Bauspezifische Vergabeverfahren werden weiterhin in der VOB/A durch den Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen geregelt. Damit wird den Besonderheiten der Bauleistungen bei öffentlichen Aufträgen Rechnung getragen. Die Konzessions-Richtlinie der EU ist in einer eigenständigen Rechtsverordnung, der Konzessionsvergabeverordnung, umgesetzt, wobei die spezifischen Belange der Baukonzession berücksichtigt sind. Außerdem hat der Gesetzgeber angekündigt, nach der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien zeitnah den Anpassungsbedarf für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte zu prüfen.

Hinweis für die Praxis:

Der bisherige dreistufige Aufbau des Vergaberechts ist, abgesehen von der Beibehaltung dieses Aufbaus im Bereich der VOB, entfallen. Das GWB ist als Basis des Vergaberechts erheblich erweitert und gestärkt, die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung umfasst mehrere Verordnungen, die jeweils spezielle Regelungen und grundsätzlich einen für den Anwender in sich geschlossenen Anwendungsbereich enthalten.

B. Wesentliche Veränderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

1. Neuer Aufbau des GWB

Das GWB regelte bisher in seinem 4. bis 6. Teil die Vergabe öffentlicher Aufträge in den §§ 97 bis 131. Es umfasst nunmehr in diesen Teilen die §§ 97 bis 186. Diese fast Verdreifachung der Regelungen hat ihren Grund zum einen darin, dass der Gesetzgeber die Richtlinien der EU umfassend in das Gesetz übertragen hat, zum anderen, dass ihm eine Verankerung der Vergaberegelungen unmittelbar im Gesetz und nicht lediglich in Verordnungen wichtig war. Um die praktische Anwendung des Gesetzes zu erleichtern, sind der Ablauf des Vergabeverfahrens von der Leistungsbeschreibung bis zur Prüfung von Ausschlussgründen, die Eignungsprüfung, der Zuschlag bis hin zu den Bedingungen für die Ausführung des Auftrags sowie Änderungen und Kündigungen erstmals im Gesetz geregelt.

Der neue Teil 4 des GWB (Vergabe von öffentlichen Aufträgen und – neu – Konzessionen) gliedert sich im Kapitel 1 in die Abschnitte 1 bis 3. Abschnitt 1 umfasst Grundsätze, Definitionen und Anwendungsbereich. Abschnitt 2 enthält die wesentlichen Vorschriften für die klassische öffentliche Auftragsvergabe, d. h. für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber. In diesem Abschnitt sind insbesondere geregelt: Leistungsbeschreibung (§ 121), Eignung (§ 122), Ausschlussgründe (§§ 123, 124), Selbstreinigung (§ 125), Auftragsänderungen (§ 132), Kündigungen (§ 133) und Unwirksamkeit von Verträgen (§ 135). Im Abschnitt 3 geht es um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in besonderen Bereichen und von Konzessionen. Dies betrifft im Einzelnen die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich der Trinkwasser- oder Energieversorgung sowie des Verkehrs (Unterabschnitt 1), die Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen (Unterabschnitt 2) sowie die Vergabe von Konzessionen (Unterabschnitt 3). Kapitel 2 behandelt das Nachprüfungsverfahren mit Nachprüfungsbehörden, Vergabekammern und sofortiger Beschwerde. Teil 5 und Teil 6 des GWB regeln Vergaben durch Unternehmen der öffentlichen Hand und enthalten Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Hinweis für die Praxis:

Das GWB enthält die Grundstrukturen, wie Vergabeverfahren und Konzessionsvergaben stufenweise abzuwickeln und zu kontrollieren sind, und die Grundlagen für die vielen neuen oder neu gestalteten Vergabeverordnungen.