Verhaltensprobleme bei der Katze -  - E-Book

Verhaltensprobleme bei der Katze E-Book

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Beschreibung

Stubentiger verstehen leicht gemacht! Dieser übersichtliche und leicht verständliche Ratgeber gibt der TFA einen guten Überblick über die am häufigsten vorkommenden Problemverhaltensweisen der Katze. Sechs renommierte verhaltenstherapeutisch tätige Tierärzte geben Tipps für die tägliche Praxis und schildern nachvollziehbare Therapieansätze für die Beratung von Patientenbesitzern. Das Buch ist problemorientiert aufgebaut, jede Verhaltensweise wird erklärt und durch eine Liste der einhergehenden typischen Auffälligkeiten ergänzt. Die TFA bekommt Hilfestellung für das Management von Verhaltensauffälligkeiten und nützliche Tipps zur Prävention. Fachbegriffe können jederzeit im Glossar nachgeschlagen werden. Video-Beispiele und Hand-Outs für Patientenbesitzer stehen zusätzlich online zur Verfügung. Ein wertvoller Ratgeber zum Nachschlagen, den jede TFA gerne zur Hand nehmen wird! Auf den Punkt gebracht: Von Profis für die Praxis: Verhaltenstherapeutisch tätige Tierärztinnen geben Tipps für die tägliche Arbeit und schildern nachvollziehbare Therapieansätze für die Beratung von Patientenbesitzern. Problemorientierter Aufbau: Verhaltensweisen werden erklärt und durch eine Liste der typischen Auffälligkeiten ergänzt. Übersichtlich & leicht verständlich: Hilfestellung für das Management von Verhaltensauffälligkeiten und nützliche Tipps zur Prävention. Mit vielen Extras: Glossar mit Fachbegriffen und Hand-Outs für Patientenbesitzer.

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Patricia Kaulfuß (Hrsg.)

Verhaltensproblemebei der Katze

Patricia Kaulfuß (Hrsg.)

Verhaltensproblemebei der Katze

Von den Grundlagen bis zum Management

Mit Beiträgen vonDorothea DöringPatricia KaulfußWaltraud NüßleinKerstin RöhrsSabine SchrollDaniela ZurrMit 72 Abbildungen und 6 Tabellen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de/abrufbar.

ISBN 978-3-89993-974-3 (print)

ISBN 978-3-8426-8915-2 (PDF)

HerausgeberinDr. med. vet. Patricia KaulfußTierarztpraxis RheinalleeRheinallee 1955118 Mainzkleintierpraxis-rheinallee@gmx.dewww.kleintierpraxis-rheinallee.de

© 2018 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,    Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte liegen beim Verlag.

Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt auch für jede Reproduktion von Teilen des Buches. Produkt- und Unternehmensbezeichnungen können markenrechtlich geschützt sein, ohne dass diese im Buch besonders gekennzeichnet sind. Die beschriebenen Eigenschaften und Wirkungsweisen der genannten pharmakologischen Präparate basieren auf den Erfahrungen der Autoren, die größte Sorgfalt darauf verwendet haben, dass alle therapeutischen Angaben dem Wissens- und Forschungsstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen. Ungeachtet dessen sind bei der Auswahl, Anwendung und Dosierung von Therapien, Medikamenten und anderen Produkten in jedem Fall die den Produkten beigefügten Informationen sowie Fachinformationen der Hersteller zu beachten; im Zweifelsfall ist ein geeigneter Spezialist zu konsultieren. Der Verlag und die Autoren übernehmen keine Haftung für Produkteigenschaften, Lieferhindernisse, fehlerhafte Anwendung oder bei eventuell auftretenden Unfällen und Schadensfällen. Jeder Benutzer ist zur sorgfältigen Prüfung der durch-zuführenden Medikation verpflichtet. Für jede Medikation, Dosierung oder Applikation ist der Benutzer verantwortlich.

Projektleitung: Sabine Poppe, Hannover

Lektorat: Martina Kunze, Ehringshausen

Gesamtherstellung: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hannover

Umschlagabbildung:

Inhaltsverzeichnis

 

1

Die Entwicklung von Kitten

Sabine Schroll

1.1

Allgemeine Einführung

1.2

Entwicklungsstadien

1.3

Sozialisation und Habituation

1.4

Präventionsmaßnahmen

1.5

Kleiner Erziehungsratgeber

1.5.1

Einleitung

1.5.2

Rahmenbedingungen schaffen

1.5.3

Erziehungsprinzipien

1.5.4

Erste Übungen

1.5.5

Wichtige Übungen für den Alltag

1.5.6

Das soll die Katze nicht tun …!

2

Trainingsmethoden zur Verhaltensmodifikation

Dorothea Döring

2.1

Allgemeine Einführung

2.2

Belohnung und Bestrafung

2.2.1

Konditionierung

2.2.2

Belohnung

2.2.3

Bestrafung

2.3

Habituation

2.4

Desensibilisierung

2.5

Gegenkonditionierung

2.5.1

Gegenkonditionierung im Sinne einer klassischen Konditionierung

2.5.2

Gegenkonditionierung im Sinne einer instrumentellen Konditionierung

2.6

Spieltherapie

2.7

Reizüberflutung (Flooding)

2.8

Löschung (Extinktion)

2.9

Erzeugung unangenehmer Empfindungen (Aversion)

2.10

Umwidmung

2.11

Ein Problem – viele Lösungswege

3

Problemverhalten

Sabine Schroll

3.1

Allgemeine Einführung

3.2

Unsauberkeit und Harnmarkieren

3.2.1

Unsauberkeit oder Harnmarkieren?

3.2.2

Unsauberkeit und Harnmarkieren analysieren

3.2.3

Katzenklo-Management

3.2.4

Protokoll

3.2.5

Reinigung

3.2.6

Weitere Maßnahmen

3.3

Spiel- und Jagdverhalten

3.3.1

Umgerichtetes Jagdverhalten

3.4

„Ungehorsamkeit“

3.4.1

Kratzmarkieren

3.4.2

Futter stehlen und auf den Tisch springen

3.5

Aufmerksamkeitsforderndes Verhalten

3.6

„Hyperaktivität“

4

Aggressionsverhalten

Kerstin Röhrs

4.1

Allgemeine Einführung

4.2

Ätiologie

4.3

Differenzialdiagnosen

4.4

Allgemeine Therapieansätze

4.4.1

Sofortmaßnahmen

4.4.2

Aufklärung und Beratung zum Thema „aggressive Katze“

4.4.3

Optimierung der Lebensumstände

4.4.4

Verhaltenstherapeutische Techniken

4.4.5

Training erwünschten Alternativverhaltens

4.5

Aggressionsformen bei der Katze

4.5.1

Angstaggression

4.5.2

Schmerzbedingte Aggression

4.5.3

Irritative Aggression/„Petting & Biting“

4.5.4

Pathophysiologische Aggression

4.5.5

Erlernte Aggression

4.5.6

Umgerichtete Aggression

4.5.7

Intraspezifische Aggression

4.5.8

Possessive (besitzbezogene) Aggression

4.5.9

Spielerische Aggression

4.5.10

Territoriale Aggression

4.5.11

Idiopathische Aggression

5

Angstverhalten

Dorothea Döring

5.1

Allgemeine Einführung

5.2

Ätiologie

5.3

Differenzialdiagnosen

5.3.1

Einschränkungen der Sinnesorgane

5.3.2

Erkrankungen des zentralen Nervensystems

5.3.3

Schmerzen

5.3.4

Sonstiges

5.4

Erkennen von Angst und Stress

5.4.1

Ausdrucksverhalten

5.4.2

Vegetative Symptome bei Stress

5.5

Allgemeine Therapieansätze

5.5.1

Beseitigung der Ursache bzw. des Auslösers

5.5.2

Verbesserung der Haltungsbedingungen

5.5.3

Umgang mit der Katze

5.5.4

Bestrafung

5.5.5

Sicherheitsmaßnahmen

5.5.6

Methoden der Verhaltensmodifikation

5.5.7

Pheromone und Zusatzstoffe

5.5.8

Medikamentöse Behandlung

5.6

Angst, Furcht und Phobien bei der Katze

5.6.1

Scheu, Verkriechen

5.6.2

Unsauberkeitsprobleme

5.6.3

Aggressionsprobleme

5.6.4

Angst vor anderen Tieren

5.6.5

Angst vor Menschen

5.6.6

Lärmphobie

5.6.7

Trennungsangst/„Hyperattachment“

5.6.8

Generalisierte Angststörung

6

Abnormal-repetitives Verhalten

Patricia Kaulfuß

6.1

Allgemeine Einführung

6.2

Ätiologie

6.3

Differenzialdiagnosen

6.4

Allgemeine Therapieansätze

6.4.1

Bestrafung vermeiden

6.4.2

Vermeidung von ARV-auslösenden Situationen

6.4.3

Desensibilisierung und Gegenkonditionierung

6.4.4

Kanalisation des Verhaltens

6.4.5

Auslastung durch Beschäftigung

6.4.6

Unterbrechung des Verhaltens durch Alternativverhalten

6.4.7

Einsatz von Medikamenten

6.4.8

Alternativmedizin und nutritive Ansätze

6.5

Beispiele von abnormal-repetitiven Verhaltensweisen bei der Katze

6.5.1

Felines Hyperästhesie-Syndrom (Rolling Skin)

6.5.2

Feline psychogene Alopezie

6.5.3

Wool-sucking und Pica

7

Verhaltensauffälligkeiten alternder Katzen

Waltraud Nüßlein

7.1

Allgemeine Einführung

7.2

Einfluss von gesundheitlichen Problemen auf das Verhalten

7.3

Kognitive Dysfunktion

7.4

Ruhelosigkeit

7.5

Unsauberkeit

7.6

Vokalisation

7.7

Nahrungsergänzung und nutritive Therapie

8

Ergänzende Therapien und Hilfsmittel

Daniela Zurr

8.1

Allgemeine Einführung

8.2

Nahrungsergänzungsmittel

8.2.1

Aminosäuren und Eiweiße

8.2.2

Kombinationspräparate

8.3

Pheromone

8.3.1

Gesichtspheromone

8.3.2

Cat Appeasing Pheromon

8.3.3

Interdigitales Pheromon

8.4

Aromatherapie, Bachblüten, Homöopathie

8.5

Hilfsmittel

8.5.1

Thundershirt

®

8.5.2

Tellington-Körperband

8.6

Körpertherapien

8.6.1

Tellington TTouch

®

Methode

8.6.2

Basis-TTouch

8.6.3

Andere Körpertherapien

Anhang

Glossar

Autorinnen

Sachverzeichnis

Abbildungsnachweise

Vorwort

„ Wenn Du das VerhaltenDeines Tieres ändern willst, musstDu zuerst Dich selbst verändern.“

Liebe Leserinnen und Leser,

während sich bei verhaltensauffälligen Hunden Verhaltensberater, Tierpsychologen und Hundetrainer den Rang ablaufen, ist bei der Katze die Tierarztpraxis oftmals die einzige Anlaufstelle, von der sich die Besitzer Hilfe versprechen, wenn es zu Problemverhalten kommt. Aus Erfahrung weiß ich, dass in vielen Tierarztpraxen dann als erster Kontakt am Telefon oder bei der Anmeldung die Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) im Vordergrund steht. Zudem haben Tierärzte während der Sprechstunde bei vollen Wartezimmern oftmals auch nicht die Möglichkeit, sich im Detail mit Verhaltensproblemen auseinanderzusetzen, was dazu führt, dass es wieder den „Helferinnen“ übertragen wird, die Besitzer zu beraten. Aber woher soll die TFA das Wissen haben, kompetent zu beraten? Damit war die Idee für dieses Buch geboren.

Auf der Suche nach den passenden Autoren bin ich jedoch auch auf Kritik seitens der Kollegenschaft gestoßen, welche bei Problemverhalten auf eine autorisierte Tierverhaltenstherapie von Fachtierärzten verweisen. Dies hat sicherlich durchaus seine Berechtigung. Insbesondere bei weitreichenden Verhaltensproblemen oder gar Verhaltensstörungen im psychiatrischen Sinne, sollte dies den Kollegen mit Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie überstellt werden. Jedoch hat nicht jeder Patientenbesitzer das Interesse oder die Geduld, eine Verhaltenstherapie konsequent durchzuführen. Auch schrecken viele Leute aus Kostengründen davor zurück, einen Tierverhaltenstherapeuten zu Rate zu ziehen. Als Konsequenz daraus resultiert, dass sich betroffene Personen in Internetportalen tummeln, wo jeder „Experte“ seine Meinung zu einem Problem frei äußern und Ratschläge erteilen kann, egal ob diese qualifiziert sind oder nicht. Fehler zum Schaden der Tiere sind somit vorprogrammiert. Ist es da nicht besser, einen Ratgeber herauszubringen, welcher allen Interessierten eine Möglichkeit bietet, sich sachkundig über die Grundlagen von Problemverhalten bei der Katze zu informieren und Patientenbesitzer wenigstens bei ersten Lösungsansätzen kompetent zu beraten? Nicht nur TFAs, sondern auch Tierpfleger in Tierheimen, Betreiber von Tierpensionen, Betreuer/Pflegestellen aus dem Tierschutzbereich und nicht zuletzt auch die Tierärzte könnten davon profitieren. Zum Wohle der Tiere!

Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Autorinnen, die zum Gelingen dieses Werkes beigetragen haben, sowie Frau Sabine Poppe, der Projektleiterin der Schlüterschen Verlagsgesellschaft, und Frau Martina Kunze, der Lektorin, für die immer freundliche und äußerst geduldige Betreuung. Des Weiteren möchte ich mich auch bei allen Vier- und Zweibeinern für die vielen schönen Fotoaufnahmen bedanken, die das geschriebene Wort vielfach untermauern. Insbesondere danke ich auch Frau Dr. Dorothea Döring, welche die eine oder andere Fotolücke noch mit hervorragenden Zeichnungen füllen konnte.

Ein letztes großes Dankeschön geht auch an meine „Helferinnen“, die ebenso wie tausende ihrer Kolleginnen uns Tierärzten tagtäglich „den Rücken frei halten“, und schließlich an meinen Mann, ohne dessen Verständnis und Unterstützung ich dieses Projekt nie zustande gebracht hätte. Ihnen sei dieses Buch gewidmet.

Mainz, im Sommer 2018

Patricia Kaulfuß

1Die Entwicklung von Kitten

Sabine Schroll

1.1Allgemeine Einführung

Die individuelle Entwicklung eines Kittens beginnt bereits während der Trächtigkeit und verläuft besonders in den ersten Lebenswochen ausgesprochen rasch. Innerhalb weniger Wochen wächst ein blindes, taubes und hilfloses Kitten (Abb. 1-1) zu einer selbstständigen Katze heran. Diese Lebensphase hat größte Bedeutung und hinterlässt Spuren für das gesamte weitere Leben der erwachsenen Katze. Nie wieder lernt eine Katze in so kurzer Zeit so schnell und so einfach.

Es ist daher sehr wichtig, den zukünftigen Katzenbesitzer nach Möglichkeit schon vor der Auswahl eines Kittens über die große Bedeutung dieser Lebensphase aufzuklären. In manchen Fällen kann wenigstens dieser Entwicklungsprozess eine Erklärung für gewisse Limitationen im Therapieprozess sein und bei der Prognose helfen.

Abb. 1-1 Junge Katzen kommen blind, taub und vollkommen hilflos zur Welt.

1.2Entwicklungsstadien

Die Entwicklung eines Kittens wird in Phasen eingeteilt, die durch biologische Prozesse bestimmt werden:

•Pränatale Phase: Während der Trächtigkeit werden die Kitten durch die emotionale Verfassung der Kätzin – z. B. Stress oder Angst – beeinflusst. Länger andauernder Stress oder dauernde Angst der Mutter wirken sich nachteilig auf die Entwicklung der hormonellen Stressachse bei den Kitten aus. Auch durch Mangelernährung können lebenslange Defizite entstehen, die sich durch sogenannte epigenetische Effekte sogar auf weitere Generationen nachteilig auswirken.

•Neugeborenenphase: In der Phase ab der Geburt bis zum Öffnen der Augen und Ohren sind die Kitten vollständig von ihrer Mutter abhängig. Nur die Wahrnehmung von Pheromonen, der Geruchsund der Geschmackssinn sind bereits recht gut entwickelt. Die Kitten brauchen aber Wärme und regelmäßiges Putzen durch die Mutter, um Kot und Harn abzusetzen.

•Sozialisationsphase: Sobald die Kitten sehen, hören, riechen, schmecken, tasten können und gehen lernen, beginnt die Sozialisationsphase. Alle Reize, die auf das Kitten einwirken, tragen entscheidend zur weiteren Entwicklung bei (Abb. 1-2).

•Pubertät: Mit sechs Monaten, manchmal auch schon früher, beginnt mit der Pubertät der stetige Übergang ins Erwachsenenalter. Junge Kater können im Spiel sehr grob werden und sexuell motivierte Verhaltensweisen zeigen. Bei jungen Kätzinnen ist die erste Rolligkeit ein deutliches Zeichen für die Pubertät. In dieser Lebensphase sind die Jungkatzen ausgesprochen aktiv und lernfreudig.

Abb. 1-2 Sozial kompetente Katzenmütter erziehen ihre Kitten sehr gründlich.

1.3Sozialisation und Habituation

Die Sozialisation ist eine sensible Phase, in der Kitten besonders schnell lernen und das Erlernte langfristigen Einfluss darauf hat, wie eine Katze die Welt und ihre Sozialpartner sieht.

Kitten sollen während der Sozialisation nicht nur ihre eigene Art Katze kennenlernen, sondern auch auf andere Arten wie Hunde oder Menschen sozialisiert werden. Nur in dieser Lebensphase lernt ein Kitten, dass auch der Mensch oder Hund Sozialpartner sind, denen es vertrauen kann und von denen es nicht befürchten muss, als Beute gefressen zu werden.

Für kleinere Haustiere wie Meerschweinchen oder Kaninchen gilt umgekehrt, dass sie von der Katze als Beutetiere angesehen werden. Durch Sozialisation kann sich eine individuelle Beziehung zwischen eigentlicher Beute und Katze entwickeln. Diese wird jedoch nicht auf die gesamte Art generalisiert.

BEACHTE

Katzen, die mit dem Menschen zusammenleben, müssen auch auf den Menschen intensiv sozialisiert werden (Abb. 1-3).

Für die Sozialisation auf den Menschen gibt es ein begrenztes Zeitfenster zwischen der zweiten und siebten Lebenswoche. Kitten müssen in dieser Zeit täglich für ungefähr eine Stunde mit verschiedenen Menschen freundlichen Kontakt haben.

Nach dieser begrenzten Phase lernen Katzen meistens nur noch, eine Beziehung zu einigen wenigen Menschen aufzubauen, alle anderen Menschen werden als Bedrohung angesehen. Es gibt seltene Ausnahmen, wo Katzen auch nach diesen, durch Untersuchungen festgestellten, Zeiträumen sozialisiert werden können.

Bei der Habituation entwickelt das Kitten einen Referenzrahmen für seine Umwelt. Mit dem Funktionieren der Sinnesorgane aktiviert jeder Reiz, jedes Erlebnis in der Umwelt die Gehirnentwicklung. Das bedeutet, je mehr ein Kitten in dieser Lebensphase erlebt, desto besser entwickelt sich sein Gehirn. Alle erlebten Geräusche, Gerüche, Futterarten, Spielzeug, Substrate an Ausscheidungsorten, optische Reize, Aktivitäten, Umweltstrukturen etc. fügen sich zu einem Weltbild der Katze zusammen. Alles, was sich innerhalb dieses Referenzrahmens befindet, wird die erwachsene Katze späterhin als normal in ihrem Alltag empfinden, alles was sich außerhalb davon befindet, kann potenzielle Gefahr bedeuten.

Abb. 1-3 Durch regelmäßigen freundlichen Kontakt mit verschiedenen Menschen ab der zweiten Woche werden Kitten sozialisiert und lernen Vertrauen, z. B. beim Hochheben.

Daraus ergeben sich insbesondere dann Probleme, wenn sich die Lebensumwelt eines Kittens dramatisch verändert – z. B. von der abwechslungsreichen Kindheit unter Freilaufbedingungen in eine reizarme Wohnungshaltung oder vom ruhigen Singlehaushalt in die turbulente Patchwork-Familie.

Zahlreiche Katzen leiden unter chronischen Angststörungen, weil sie für ihre aktuellen Lebensbedingungen nicht ausreichend sozialisiert und habituiert sind (Kap. 5).

Junge Katzen sollten nach Möglichkeit unter möglichst ähnlichen Lebensbedingungen aufgewachsen sein, wie sie an ihrem zukünftigen Platz gegeben sind.

BEACHTE

Je mehr ein Kitten erlebt hat, desto weiter ist sein Horizont und desto besser kann es mit veränderten Lebensbedingungen umgehen (Abb. 1-4).

Abb. 1-4 Je abwechslungsreicher eine Jungkatze aufwächst, desto flexibler kann sie später mit Veränderungen in ihrem Leben fertig werden.

1.4Präventionsmaßnahmen

Präventionsmaßnahmen während der Entwicklungsphase sind in mehrfacher Hinsicht denkbar, wenn auch nicht immer realistisch durchführbar:

•Im Rahmen von Katzenzucht oder kontrollierter Katzenhaltung wäre es sinnvoll, nur Elterntiere in der Zucht einzusetzen, die psychisch und körperlich gesund sind sowie ausreichend soziale Kompetenz haben, Kitten zu erziehen. Die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen und optimale Haltungsbedingungen sollten gegeben sein.

•Kitten sollten ab dem ersten Tag, auf jeden Fall aber spätestens ab der zweiten Lebenswoche, täglich mindestens eine Stunde freundlich und von verschiedenen Menschen (Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder) berührt, gestreichelt, hochgehoben und bespielt werden. Kleine Kinder sollen nur unter Aufsicht mit Kitten spielen, um das Risiko negativer Erfahrungen zu mindern.

•Mutterlose Kitten sollten, wann immer möglich, an eine Amme vermittelt werden. Kontakt mit und Erziehung durch erwachsene, soziale kompetente Katzen sind wichtig und der beste Weg, späteren Verhaltensstörungen vorzubeugen.

•Kitten sollten ähnlich wie Welpen möglichst viele verschiedene Umweltreize unter positiven Bedingungen kennenlernen.

•Zukünftige Katzenbesitzer sollten proaktiv dahingehend beraten werden, dass sie bei der Auswahl eines Kittens oder einer Katze auch ganz besonders auf die Aufzuchtbedingungen und Lebensumstände achten.

•Der Katzen-Kindergarten ist ähnlich wie die Welpen-Spielgruppe ein Sozialisations- und Erziehungsprogramm, in dem Kitten und ihre Besitzer die wichtigsten Fähigkeiten für ein harmonisches Zusammenleben lernen.

BEACHTE

Je ähnlicher das bisherige Lebensumfeld der Katze dem eigenen ist, desto besser sind die Voraussetzungen für eine harmonische Beziehung und ein stressfreies Zusammenleben.

Katzen mit mangelhafter oder fehlender Sozialisation und Habituation sind für das enge Zusammenleben mit Menschen nicht gut geeignet. Diese Katzen sind zumeist wenig flexibel und anspruchsvoll in ihrer Haltung. Auf jeden Fall müssen ihnen von Anfang an geeignete Rückzugszonen zur Verfügung stehen. Auch in Bezug auf die Qualität der Katzentoiletten können diese Katzen hohe Ansprüche stellen (Kap. 3.2, Kap. 5).

Falls mangelhaft sozialisierte Katzen übernommen werden, sollten therapeutische Maßnahmen möglichst frühzeitig beginnen (Kap. 2).

Ein Infoblatt über Präventionsmaßnahmen zur Weitergabe an den Besitzer finden Sie auf tfa-wissen.de unter:

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1.5Kleiner Erziehungsratgeber

Immer noch sind viele Katzenbesitzer der Meinung, Katzen ließen sich nicht erziehen. Mit der richtigen Technik und Einstellung lassen sich Katzen jedoch sehr gut erziehen! Sie lernen ausgesprochen schnell – gleichzeitig ein Vor- und Nachteil bei der Erziehung.

1.5.1Einleitung

Erziehen bedeutet, eine Katze zu lehren, ihren Horizont und ihre Möglichkeiten zu erweitern, ihr lebenswichtige Kompetenzen beizubringen, die das Zusammenleben mit dem Menschen leichter machen.

Zu diesen grundlegenden Kompetenzen – oder Life Skills – gehören:

•vom und mit dem Menschen lernen

•Wünsche und Bedürfnisse so äußern, dass sie verstanden werden

•in eine Transportbox einsteigen

•Tabletten eingeben lassen

•Handling und einfache Manipulationen wie Kämmen, Zähne putzen etc. tolerieren

•tierärztliche Untersuchung zulassen

•Frustrationstoleranz

•Neugier und Aufgeschlossenheit

•soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Katzen

Erziehung einer Katze bedeutet hingegen nicht, dass sie in perfektem Gehorsam Befehle ausführt und bestimmte arttypische Verhaltensweisen nicht mehr zeigen wird.

Von Katzen wird behauptet, dass man sie nicht erziehen kann. Und weil es angeblich nicht geht, versuchen es viele noch nicht einmal – mit dem Ergebnis, dass Katzen unterstellt wird, sie würden ihr eigenes Leben führen und wären unzugänglich. Möglicherweise liegt es gar nicht an der Katze?

1.5.2Rahmenbedingungen schaffen

Eine wesentliche Grundlage für die gut erzogene Katze sind Rahmenbedingungen, die ihr das Bravsein ermöglichen. Das bedeutet, dass alle für die Katze wichtigen und arttypischen Verhaltensweisen wie Kratzmarkieren, zahlreiche kleine und zeitaufwendige Mahlzeiten (Arbeitsessen), interaktives Spiel oder ausreichend attraktive Katzentoiletten geboten werden sollten (Abb. 1-5, Kap. 3).

Abb. 1-5 Katzen brauchen die Möglichkeit, arttypisches Verhalten zu zeigen wie Klettern, Kratzmarkieren und Verstecken.

Auch mit der besten Erziehung bleibt eine Katze immer noch eine Katze und wird Katzenverhalten zeigen! Vielen Besitzern scheint dies nicht immer klar zu sein.

1.5.3Erziehungsprinzipien

Einer der Gründe für mangelnde Erziehungserfolge ist die falsche Technik. Katzen lassen sich nicht mit Strafe erziehen – sie lernen dadurch, Verhalten nur noch zu zeigen, wenn sie unbeobachtet sind; verstecken sich oder verteidigen sich gegen Bedrohung durch den Menschen.

BEACHTE

Strafe enthält keine Information und ist kein geeignetes Erziehungsprinzip für die Katze. Strafe beschädigt vielfach die Beziehung zum Menschen und kann Angst auslösen.

Am besten ganz früh – sobald die Katze eingezogen ist – mit der Erziehung beginnen!

Erziehung über positives Feedback, z. B. mit Clickertraining (Kap. 2), funktioniert hingegen bei der Katze hervorragend.

Insbesondere junge Katzen sind sehr leicht mit Futter und Spiel zu motivieren. Je älter und erfahrener einer Katze ist, desto größer kann die Herausforderung bei der Erziehung werden.

1.5.4Erste Übungen

Mit zwei einfachen Übungen kann der Grundstein für alle weiteren Erziehungsschritte gelegt werden. Das Kitten (oder auch die erwachsene Katze) lernt mit diesen Übungen, dass es vom Menschen etwas zu lernen gibt und dass sich Kooperation auszahlt.

Nasentarget

Man hält einem Kitten den Zeigerfinger rund 5 cm vor die Nase und wartet, bis es dranstupst (Abb. 1-6). In dem Moment macht man einen leisen Zungenschnalzer und gibt ihm eine Belohnung. Nach drei bis fünf Wiederholungen gibt es eine Pause.

Mit dieser Übung lernt das Kitten den Zusammenhang von Click und Belohnung und eine Handlung, nämlich den Zeigefinger mit der Nase zu berühren.

Aus dem Zeigefinger wird somit ein Ziel, mit dem man das Kitten an erwünschte Orte oder Positionen ziehen kann.

Abb. 1-6 Eine einfache Übung: mit der Nase an den Finger stupsen – Click und Belohnung!

Sitzplatztarget

Man stellt eine kleine Schachtel auf den Boden oder bietet eine kleine Decke als Sitzplatz an. Die meisten Kitten werden dieses Angebot neugierig annehmen oder lassen sich mit dem Nasentarget hinziehen (Abb. 1-7). Sobald das Kitten die Decke oder Schachtel betritt, bekommt es einen Click und eine Belohnung.

Abb. 1-7 Eine kleine Schachtel oder eine Decke eignen sich hervorragend für die Sitzplatztarget-Übung.

Startboxspiel

Das Einsteigen in die Transportbox lässt sich spielerisch trainieren. Man setzt das Kitten in die Box, versperrt ihm mit der Hand (Abb. 1-8a) oder der angelehnten Tür den Ausgang. Nach einer Sekunde Wartezeit bekommt die Katze einen Click (optional) und darf direkt aus der nunmehr Startbox in ein Spiel mit einem Federbüschel oder einer Spielangel starten (Abb. 1-8b).

Abb. 1-8 Freiwilliges Einsteigen in die Transportbox lernen Kitten beim Startboxspiel.

a Das Kitten wird in die Transportbox gesetzt und anschließend der Ausgang versperrt.

b Nach einer Sekunde Wartezeit darf das Kitten direkt aus der „Startbox“ ein Spiel beginnen, z. B. mit einem Federbüschel.

1.5.5Wichtige Übungen für den Alltag

Wenn Kitten einmal das Prinzip des Lernens über positives Feedback von und mit Menschen verstanden haben, lernen sie sehr schnell.

Im Grunde lernen sie die meisten Dinge auch von alleine, aber es gibt einige Übungen, die nicht auf dem automatischen Lernprogramm junger Katzen stehen. Dazu gehören alle Manipulationen wie Hochheben, Stillsitzen, Kämmen, Krallen schneiden, Zähne putzen oder Tabletten eingeben. Alle diese Maßnahmen sind ein ganzes Leben lang wichtig für die Pflege und Betreuung einer Katze – und Katzen lernen sie nicht unbedingt von sich aus!

Begrenztes Sitzen

Die Grundlage aller weiteren Übungen ist begrenztes Sitzen (Abb. 1-9). Ein Kitten wird mit den Händen vorne an der Brust und oberhalb der Schwanzwurzel begrenzt, aber nicht völlig fixiert. Für eine Sekunde Stillhalten bekommt es einen Click (optional), seine Freiheit und einen Leckerbissen oder ein Spiel. Nach und nach wird der Zeitraum verlängert und die Begrenzung reduziert, bis die Jungkatze alleine stillhält.

Abb. 1-9